Grafen von
Schwarzburg,
[* 2] welche 1435 die
Pfandschaft an die
Pfalzgrafen bei
Rhein und die
Grafen von
Hanau
[* 3] verkauften. Von da beginnt
der
Verfall der Stadt, den nachher die Drangsale des Dreißigjährigen
Kriegs (1634 wurde sie eingeäschert, 1635 aufs neue
fast gänzlich verwüstet) besiegelten. Die Stadt behielt zwar auf denReichstagen Sitz und
Stimme, ihre
Reichsfreiheit wurde aber von den Pfandherren bestritten und nicht einmal anerkannt, als das
Reichskammergericht sie 1734 für
eine Reichsstadt erklärte.
Durch das Aussterben der
Grafen von
Hanau (1736) kam deren
Anteil an
Hessen-Kassel, welches 1746 auch den pfälzischen Teil erkaufte
und 1803 Gelnhausen
[* 4] als Erbeigentum erhielt. 1866 fiel Gelnhausen mit
Kurhessen an
Preußen.
[* 5] Die Kaiserpfalz bildete seit 1350 unter
dem
Namen
»Burg Gelnhausen« eine
Ganerbschaft, die noch gegen Ende des 18. Jahrh. den Forstmeistern von Gelnhausen, den
Krempen von Freudenstein und den Schelmen von
Bergen,
[* 6] einem altadligen
Geschlecht, gehörte.
seiJesus Christus, in katholischen Gegenden der
Gruß, welcher beantwortet wird mit: Von nun an bis in
Ewigkeit.
Während
Sixtus V. jedem, der sich dieses
Grußes bediente, einen 50tägigen
Ablaß verhieß, steigerte
Benedikt XIII. 1728 die
Kraft
[* 8] dieses
Erlasses der Fegfeuerstrafen auf 200
Tage. Auch versprach man dem, der in der Sterbestunde
sich dieses
Grußes bedienen werde, 2000 Jahre
Ablaß. Da nun im Salzburgischen auch die
Spieler und Säufer durch das Hersagen
dieser
Worte den
Ablaß zu gewinnen hofften, erklärten die heimlichen
Protestanten daselbst sich gegen den
Gebrauch dieses
Grußes.
Gegen alle, die das »Gelobt etc.«
als
Gruß zu gebrauchen sich weigerten, ging der
Erzbischof von
Salzburg,
[* 9] Leop.
Ant.,
Freiherr v.
Firmian, seit 1729 mit den empörendsten
Maßregeln vor.
Tyrann von
Gela und
Syrakus,
[* 10] Sohn des Deinomenes, war unter dem
TyrannenHippokrates von
Gela Anführer von dessen
Reiterei und bemächtigte sich nach dessen
Tod unter dem
Schein, die
Söhne desselben gegen die Befreiungsversuche
der Gelaner zu schützen, selbst der Herrschaft (491
v. Chr.). Als in
Syrakus die Gamoren, die aristokratische
Partei, von dem
Volk vertrieben, nach Kasmena geflohen waren, führte er sie nach
Syrakus zurück und bemächtigte sich 485 der Herrschaft
daselbst, worauf er die Herrschaft über
Gela seinem
BruderHieron überließ. Er vergrößerte
Syrakus,
indem er die
Bürger der unterworfenen
Städte zum Teil dahin versetzte, und suchte überhaupt die ganze
Staatsverwaltung auf
das zweckmäßigste zu organisieren.
Zur Zeit des großen Perserzugs des
Xerxes gegen
Griechenland
[* 11] (480) nahm
Syrakus schon eine so einflußreiche
Stellung ein, daß Gelon von der griechischen Gesandtschaft, welche ihn um
Hilfe bat, den Oberbefehl über die gesamten griechischen
Streitkräfte verlangte, worauf jedoch die
Gesandten ablehnend antworteten. Ein weiterer
Grund aber, weshalb Gelon die Griechen
nicht unterstützte, war wohl der gleichzeitige
Einfall der Karthager in
Sizilien,
[* 12] welchen
Xerxes veranlaßt hatte,
um eben in
Sizilien festzuhalten.
Trotz der großen Übermacht der Karthager erfocht Gelon den glänzenden
Sieg bei
Himera 480. Die
Folge desselben war die Oberherrschaft
Gelons über ganz
Sizilien. Gelon berief darauf eine Versammlung des
Volkes, in welcher er seinen Entschluß erklärte, die Herrschaft
niederzulegen. Allein der allgemeine Zuruf der Versammelten nötigte ihn, nicht nur von
diesem Entschluß
abzustehen, sondern sogar den Königstitel anzunehmen. Zum Andenken an diesen
Auftritt wurde ihm eine
Bildsäule errichtet,
die ihn in schlichter Bürgerkleidung darstellte. Gelon erwarb sich noch große
Verdienste um
Syrakus und regierte mit großer
Milde; doch starb er schon 478. EinigeMeilen von der Stadt wurde ihm von den dankbaren
Bürgern ein prächtiges
Grabmal errichtet, wo man ihn sodann wie einen
Heros verehrte.
Sein Nachfolger ward sein
BruderHieron.
(Haï-Thao), ein neues Appreturmittel für Baumwollenstoffe, wird aus einer in Kochinchina
und auf
Mauritius häufigen
Alge gewonnen und kommt in Form von groben, glatten, harten und zähen, etwa 30
cm langen
Fasern
in den
Handel. Es ist farblos, durchscheinend, mit einem
Netz undurchsichtiger
Adern überzogen, geschmack- und geruchlos, quillt
in kaltem
Wasser und löst sich teilweise in warmem, vollständig in kochendem
Wasser. Die
Lösung gelatiniert
beim Erkalten und zeigt wenig
Neigung, zu faulen oder zu gären. Gelose eignet sich besonders für feine
Gewebe,
[* 14] denen man einen
geschmeidigen, dabei kernigen
Griff erteilen will.
Gelsemium nitidumMichx. (Gelsemium sempervirensAit.), einStrauch des tropischen
Amerika,
[* 17] mit windendem
Stengel,
[* 18] sehr kurz gestielten, lanzettlichen, zugespitzten, sparsam durchscheinend punktierten Blättern
und wohlriechenden
Blüten, zu 1-5 in Blattachseln traubig gebüschelt, liefert die arzneilich benutzte
RadixGelsemii und wird auch als
Zierpflanze bei uns kultiviert. Die stark narkotisch wirkende
Wurzel
[* 19] diente schon den
Indianern
als
Heilmittel; man benutzt sie bei
Wechselfieber und neuralgischen
Gesichtsschmerzen, doch zeigt sich die Giftigkeit der
Wurzel
vielfach störend. Bei innerlichem
Gebrauch zieht sich diePupille zusammen, bei äußerer Anwendung erweitert
sie sich, wobei das Sehvermögen weniger gestört wird als durch
Atropin.
Honig, welchen
Bienen aus
Blüten von Gelsemium gesammelt
haben, soll giftig sein.
daher Geltvieh, diejenigen weiblichen
Tiere, besonders
Rinder,
[* 23]
Schafe
[* 24] und
Schweine,
[* 25] Haarwild, welche
noch nicht trächtig gewesen oder, nachdem dies der
Fall war, ein oder mehrere Jahre nicht wieder empfangen.
(Alt-Geltow), Dorf im preuß. Regierungsbezirk
Potsdam,
[* 26]
Kreis
[* 27]
Osthavelland, hat 552 Einw. und eine 43
Hektar große
Landesbaumschule. Zu Geltow gehört der
Weiler Baumgartenbrück in schöner Gegend, amAustritt derHavel aus
dem Schwielowsee.
(lat. Votum), im allgemeinen jedes mit einer gewissen Feierlichkeit gegebene Versprechen, im besondern aber
ein der Gottheit geleistetes Versprechen, die Zusage einer Leistung seitens des Menschen für den Fall der Gewährung einer Bitte.
Voraussetzung bei Leistung eines solchen Gelübdes ist die einem anthropomorphistischen Gottesbegriff angehörige Annahme,
daß sich die Gottheit durch Versprechungen günstig stimmen lasse. Von jeher sind die meisten Gelübde unter
der Bedingung, daß man aus einer Gefahr errettet werde, geleistet worden. So gelobte im Altertum der Heerführer vor oder in der
Schlacht für den Fall des SiegsHekatomben, Tempel,
[* 30] Altäre, Feste oder Schauspiele oder einen Teil der Beute,
während die Gaben, die der Privatmann nach Erreichung des im G. vorgesehenen Erfolgs spendete, oftmals in den Gerätschaften
bestanden, deren man sich bis dahin zur Ausübung seines Geschäfts bedient hatte, und auf deren Gebrauch man fortan verzichtete.
An solche Gaben pflegte man ein Täfelchen zu heften, auf welchem Grund und Gegenstand des Gelübdes angegeben
waren. Im Alten Testament begegnen uns Gelübde von positiver (Versprechungen, Gott für geleistete Hilfe etwas darzubringen, z. B.
ein Opfer) und von negativer Art (Ablobungen oder Versprechungen, zu EhrenGottes sich eines erlaubten Genusses zu enthalten).
Die Erfüllung galt für eine unverbrüchliche Religionspflicht, weshalb Sprichw. 20, 25 vor Übereilung
im Geloben gewarnt wird. Abhängige Personen, z. B. Weiber und Sklaven, durften nichts gegen den Willen ihrer Gebieter geloben.
Auch durfte alles Gelobte, mit Ausnahme der Opfertiere, um einen angemessenen Preis losgekauft werden. Das Gelübde fand auch im
Christentum Eingang und wurde von der katholischen Kirche bald als eine verdienstliche Sache behandelt.
Man unterschied zwischen dem persönlichen Gelübde (votum personale), bei welchem das Verdienst unmittelbar durch persönliche
Handlungen vor Gott erworben werden sollte, und dem Realgelübde (votum reale), durch welches man sich zu irgend einer
Leistung an eine Kirche oder fromme Anstalt verpflichtete.
Eine besondere Gattung des persönlichen Gelübdes ist das sogen. Votum solemne (s. Kloster). Das persönliche
Gelübde bindet stets nur die Person des Gelobenden und kann nicht durch Stellvertreter erfüllt werden, außer bei Verpflichtungen
zum Kreuzzug. Das Realgelübde verpflichtet dagegen den Gelobenden und seine Erben. Erlöschen oder verwandelt werden kann
ein Gelübde nur unter gewissen in der Natur der Sache liegenden, jedoch bestimmt vorgesehenen Fällen. Die evangelische
Kirche verwarf das persönliche Gelübde gänzlich und erklärte alle Gelübde, namentlich die Klostergelübde, für unverbindlich. Einfache
(nicht feierliche) Gelübde ließ sie wohl zu, stellte aber deren Erfüllung dem Gewissen eines jeden anheim.
Sie äußern sich meist darin, daß die Schwangern ganz ungewöhnliche, ja sogar unnatürliche
und ekelhafte Dinge, wie Holzrinde, Erde, Kalk, Urin etc., zu genießen verlangen.
Nach der Entbindung, oft
schon früher schwinden die Gelüste ohne Behandlung.
Heinrich, namhafter Geschichtschreiber, geb. zu Schaffhausen,
[* 32] studierte seit 1833 in Zürich,
[* 33] Jena,
[* 34] Halle
[* 35] und Göttingen
[* 36] Theologie und Geschichte, habilitierte sich 1839 in Basel
[* 37] als Privatdozent und wurde 1843 als Professor der Geschichte nach Berlin
[* 38] berufen, hielt dort Vorlesungen über Litteraturgeschichte, schweizerische und deutsche Geschichte und wurde überdies auch
durch außerordentliche amtliche Aufträge in Anspruch genommen. Im März 1848 richtete er aus eignem Antrieb ein Schreiben
an das preußische Ministerium mit der Aufforderung, der deutschen Bewegung sich zu bemächtigen und in rascher Initiative mit
oder ohne Beistimmung Österreichs den Weg zur politischen Einigung Deutschlands
[* 39] zu betreten. Im Frühjahr 1850 gab er infolge
lebensgefährlicher Erkrankung seine Professur in Berlin auf, lebte zunächst in Italien
[* 40] und der Schweiz
und nahm im Sommer 1852 seinen festen Wohnsitz in Basel.
In demselben Jahr begann er die Herausgabe der »Protestantischen Monatsblätter
für innere Zeitgeschichte«, welche der Besprechung religiöser, kirchlicher, politischer und pädagogischer Fragen gewidmet
waren und unter Mitwirkung zahlreicher deutscher und schweizerischer Mitarbeiter bis 1870 bestanden.
Außerdem nahm Gelzer als vertrauter Ratgeber des Großherzogs von Baden
[* 41] an den weltgeschichtlichen Ereignissen
von 1859 an einen geräuschlosen, aber überaus thätigen Anteil im Interesse der politischen Einigung Deutschlands und förderte
namentlich das Einverständnis Badens und Preußens
[* 42] in allen wichtigen Fragen. Obwohl er seinen Wohnsitz in Basel
beibehielt, ernannte
ihn doch der Großherzog zum badischen GeheimenStaatsrat. Von seinen Schriften sind besonders zu nennen:
»Die drei letzten Jahrhunderte der Schweizergeschichte« (Aarau
[* 43] 1838-39, 2 Bde.);
(Kommune), im allgemeinen Bezeichnung für jedes räumlich begrenzte Gemeinwesen, namentlich Gemeinwesen politischer
Art. Doch werden auch Vereinigungen zu andern Zwecken und auf andern Gebieten nicht selten als Gemeinden
bezeichnet, wie man denn z. B. von einer akademischen Gemeinde, als der korporativen
Vereinigung des akademischen Lehrkörpers und der studierenden Jugend, zu sprechen pflegt. In der Regel versteht man jedoch
unter Gemeinde das politische Gemeinwesen, welches innerhalb des Staatsgebiets und für einen bestimmten Teil desselben
zur Förderung und Verwirklichung örtlicher Gemeinzwecke besteht.
Spricht man von Gemeinde schlechthin, so ist damit die politische Ortsgemeinde, d. h.
dasjenige Gemeinwesen, welchem die Verwirklichung politischer Aufgaben in der kleinsten örtlichen Begrenzung obliegt, gemeint.
Diese räumliche Begrenzung unterscheidet die Gemeinde wesentlich von dem Staate, der ein mehr oder weniger großes Gebiet umfaßt.
Dazu kommt, daß der Staat alle politischen Aufgaben in den Bereich seiner Thätigkeit zieht, während
die Gemeinden als Unterabteilungen des Staatsganzen nur mit gewissen politischen Aufgaben befaßt sind. In dieser Hinsicht
erscheint die Gemeinde als ein Bezirk der staatlichen Lokalverwaltung.
Den Gemeinden ist insbesondere die Ortspolizeiübertragen, abgesehen von den größern Stadtgemeinden,
für welche besondere staatliche Polizeiverwaltungen (Polizeipräsidien) bestehen. Sodann ist den Gemeinden die Verwaltung
des öffentlichen Schulwesens, namentlich des Volksschulwesens, in gewissem Umfang überlassen. Die Gemeinde ist ferner das hauptsächlichste
Organ der Armenpflege. Die Krankenversicherung der Arbeiter ist ihr subsidiär übertragen.
Dazu kommen die Fürsorge für den Wegebau und für sonstige gemeinnützige Anstalten, die Verpflichtung
zu Kriegs- und Friedensleistungen für die bewaffnete Macht, das Gewerbewesen und die zahlreichen Angelegenheiten, welche
mit der örtlichen Polizeiverwaltung zusammenhängen. Auf der andern Seite hat die Gemeinde als die Grundlage des
Staats aber auch einen wirtschaftlichen Charakter. Sie stellt sich als ein Gemeinwesen zur Förderung gemeinsamer
Vermögensinteressen der Gemeindeangehörigen dar, indem sie, als juristische Person mit gemeinsamem Vermögen, vielfach auch
besondere Gemeindeunternehmungen ins Leben ruft und unterhält (s. Gemeindehaushalt).
Dies schließt nicht aus, daß innerhalb einer Gemeinde noch besondere Korporationen mit gesonderter Vermögensverwaltung bestehen.
Insbesondere haben sich in Deutschland
[* 49] Überreste der alten Markgemeinden erhalten, welch letztere gemeinsames
Land gemeinschaftlich besaßen und bewirtschafteten. So erklärt sich in manchen Gegenden und in einzelnen Gemeinden der
Unterschied zwischen der politischen Gemeinde und einer Allmand-, Alt-, Nutzungs-, Realgemeinde etc., indem die letztere diejenigen
Flurgenossen umfaßt, welche in ausschließlicher Weile an dem Vermögen dieser
Sondergemeinden beteiligt sind (s. Allmande).
Aber auch da, wo solche Sondergemeinden nicht bestehen, sind nur die eigentlichen Gemeindebürger zur
Teilnahme an den vermögensrechtlichen Gemeindenutzungen berechtigt, und so besteht der wichtige Gegensatz zwischen der Bürgergemeinde
und der Einwohnergemeinde, zu welch letzterer außer jenen Berechtigten alle sonstigen Personen gehören, die sich in dem
betreffenden Gemeindebezirk niedergelassen haben. Zur Erfüllung jener staatlichen Aufgaben reichen indessen
auf manchen Gebieten die Kräfte der Einzelgemeinde nicht aus, und ebendarum erscheinen die vielfach bestehenden Gemeindeverbände
für besondere Zwecke, wie die Kirchen- und Schulgemeinden, Wege-, Armen-, Deichverbände etc., als gerechtfertigt. Zu der politischen
Einzelgemeinde aber treten die Kommunalverbände höherer Ordnung hinzu, wie sie sich insbesondere in der
preußischen Dreiteilung in Provinz, Bezirk und Kreis darstellen (s. Kreis).
Auch zur Ausübung der Ortspolizei bestehen in Preußen besondere Gemeindeverbände, indem für die sogen. Amtsgemeinde zu ebendiesem
Zweck ein Amtsvorsteher (s. d.) bestellt ist. Analoge Einrichtungen wie die preußischen Kommunalverbände bestehen übrigens
auch in den meisten andern deutschen Staaten. Die politische Ortsgemeinde deckt sich räumlich nicht immer
mit einer einzelnen Ortschaft. Sie kann vielmehr mehrere Dörfer, Vororte, Weiler, Höfe etc. mit umfassen; sie kann ferner einfach
oder zusammengesetzt sein. So werden in großen Gemeinden Bezirke mit einer gewissen korporativen Selbständigkeit abgegrenzt,
während umgekehrt mehrere kleinere Gemeinden ohne Aufhebung ihrer Sonderpersönlichkeit für gewisse
kommunale Zwecke zu einer Samtgemeinde vereinigt sind. Dies ist namentlich in Rheinland und Westfalen
[* 50] der Fall, wo das platte
Land aus der französischen Zeit her in Bürgermeistereien und Ämter organisiert ist. Der wichtige Unterschied zwischen Stadt-
und Landgemeinde hat sich im Lauf der Zeit wesentlich abgeschwächt (s. Bürger); manche Gesetzgebungen
kennen übrigens in den Märkten oder Flecken auch noch eine Zwischengattung zwischen Stadt- und Landgemeinde.
Während die in dem modernen Staatswesen eine Doppelstellung einnimmt, insofern sie Grundlage und Glied
[* 51] eines höhern Organismus
(des Staats) und zugleich ein Organismus für sich ist, fiel im Altertum der Begriff des Staats mit demjenigen
der Gemeinde zusammen. Bei den Griechen und Römern war die Stadt zugleich ein Staat. Später, nachdem sich das römische Stadtwesen
eine Weltherrschaft errungen hatte, war von der Entwickelung eines Gemeindewesens in unserm Sinne nicht mehr die Rede.
Dagegen beruht bei den germanischen Völkern alle staatliche Organisation auf der Gemeinde. Es währte geraume
Zeit, bis sich Einzelgemeinden zu einer Volksgemeinde zusammenfanden und Völkerbündnisse die Anfänge eigentlicher Staatsbildungen
wurden. In den ersten Zeiten des Mittelalters bestand in Deutschland ein freies Gemeindewesen, bis die Entwickelung des Lehnswesens
und des Patrimonialsystems die Freiheit der Landgemeinden mehr und mehr beseitigte (s. Bauer). Zu hoher
Blüte
[* 52] entfaltete sich auf der andern Seite das mittelalterliche Städtewesen, indem die Städte fast durchweg nur einer monarchischen
Schutzherrschaft, sei es des Kaisers oder einzelner Landesfürsten, unterworfen, im wesentlichen aber freie Gemeinwesen waren.
Die Schwäche des Kaisertums und das Erstarken der
¶
mehr
Landeshoheit der Dynasten untergruben jedoch die städtische Freiheit und Gemeindeselbständigkeit. Dieselbe Erscheinung findet
sich auch in andern Staaten des europäischen Kontinents, während in England die historische Gemeindefreiheit, unbeschadet
der Entwickelung eines zentralen Staatswesens, gewahrt wurde. Am weitesten ging die staatliche Zentralisation in Frankreich,
woselbst die Gemeinde lediglich zu einem staatlichen Verwaltungsbezirk herabsank, eine Erscheinung, welche auch
auf die angrenzenden westdeutschen Landschaften nicht ohne Einfluß bleiben konnte. Gleichwohl boten in Deutschland die alten
Gemeindeverfassungen die Grundlage und die Möglichkeit zu einer Neubelebung des Bürgertums dar, und auf der Basis der Gemeinde baute
sich eine neue staatliche Organisation auf, die Verjüngung des deutschen Gemein- und Gemeindewesens. Für
die Emanzipation der Gemeinde war namentlich die preußische Städteordnung des Freiherrn vom Stein (vom bahnbrechend.
Von dieser hochwichtigen Schöpfung datiert die freiheitliche Entwickelung des deutschen Bürgertums in Preußen und in Deutschland,
die Hebung
[* 54] des deutschen Gemeindewesens durch die ihm verliehene Selbstverwaltung und Selbstverantwortung.
Seitdem hat das deutsche Gemeindewesen je nach der Ab- oder Zunahme der politischen ReaktionPerioden des Obsiegens oder der
Unterdrückung durchgemacht. Die Bewegung des Jahrs 1848 machte sich auch auf diesem Gebiet geltend.
Die verschiedenen Strömungen im politischen Leben der Nation haben auf die Gemeindegesetzgebung in den einzelnen deutschen
Staaten den merkwürdigsten Einfluß ausgeübt. Die deutsche Gemeindegesetzgebung ist daher nichts weniger als eine einheitliche,
und gerade in dem größten deutschen Staat fehlt es an einer einheitlichen Gemeindeordnung. Insbesondere haben in Preußen
die sieben östlichen Provinzen keine vollständige Landgemeindeordnung, nur eine Ergänzung des allgemeinen Landrechts und
provinzieller Gesetze und Herkommen durch ein Gesetz vom das aber durch die Kreisordnungen von
1872, 1884, 1885 und 1886 mannigfach modifiziert ist.
Die Bildung einer Gemeinde kann nur mit staatlicher Genehmigung erfolgen; in Baden, Braunschweig
[* 61] und andern Ländern ist sogar ein Gesetz
hierzu erforderlich. Die Gemeindeangehörigkeit, welche im weitesten Sinn in dem Recht besteht, an den
öffentlichen Gemeindeanstalten teilzunehmen, Unterstützungswohnsitz zu erwerben, und in der Pflicht,
die Gemeindelasten mit
zu tragen, ist entweder die von Rechts wegen eintretende Folge der unter bestimmten polizeilichen Voraussetzungen jedem gestatteten
Niederlassung, oder sie wird durch Aufnahme erworben, welche jedoch seit dem Freizügigkeitsgesetz vom nur unter
genau bestimmten Voraussetzungen, z. B. wegen Nahrungsunfähigkeit, verweigert werden darf
(s. Freizügigkeit).
Mit der Gemeindeangehörigkeit ist aber nicht immer auch das sogen. aktive Bürgerrecht (Ortsbürgerrecht, Gemeinderecht) gegeben,
d. h. das Recht, in Gemeindeangelegenheiten abzustimmen, zu wählen und gewählt zu werden und am Gemeindevermögen teilzunehmen;
vielmehr knüpfen viele Gemeindegesetze das aktive Bürgerrecht an die Aufnahme durch die Gemeindebehörde
und die Aufnahmeberechtigung an gewisse Bedingungen, z. B. Heimatsrecht oder zweijährigen Wohnsitz in der Gemeinde, verbunden mit
Steuerzahlung. In manchen Ländern kann die Gemeinde für die Verleihung des Bürgerrechts auch eine Abgabe (Bürger-, Einzugs-, Nachbargeld)
erheben, so in Sachsen, Hessen,
[* 62] einigen thüringischen Staaten und im rechtsrheinischen Bayern.
Für die Teilnahme an dem Bürgernutzen (Allmande) muß meistens noch ein besonderes Einkaufsgeld bezahlt werden. Wo diese Teilnahme
an den Besitz von Grundstücken gebunden ist, bleibt dies Verhältnis unberührt. In Preußen, Baden und in der bayrischen Pfalz
besteht das System, wonach unter den gesetzlichen Voraussetzungen das Gemeinderecht durch bloße Niederlassung
und Aufenthalt im Gemeindebezirk erworben wird ohne besondere und ausdrückliche Aufnahme in den Gemeindeverband.
Nach der preußischen Städteordnung ist das Bürgerrecht die Folge der Gemeindeangehörigkeit, wofern letztere ein Jahr gedauert
hat, mit preußischer Staatsangehörigkeit, Selbständigkeit und einem Alter von 24 Jahren verbunden ist und entweder der Besitz
eines Wohnhauses, oder der selbständige Betrieb eines Nahrungsgewerbes, oder eine bestimmte Steuerveranlagung,
oder doch ein entsprechendes Einkommen hinzutritt. In den preußischen Landgemeinden besteht für die westlichen Provinzen dasselbe
System, während in den östlichen Provinzen die besondern Ortsstatuten maßgebend sind. Im rechtsrheinischen Bayern ist zur
Erwerbung des Gemeinderechts befähigt jeder volljährige und selbständige, in der Gemeinde besteuerte
Einwohner, berechtigt jeder Befähigte, welcher in der Gemeinde entweder das Heimatsrecht besitzt, oder zwei Jahre gewohnt und Steuern
bezahlt hat, ohne Armenunterstützung empfangen zu haben oder sonst unwürdig zu sein; verpflichtet endlich zur Erlangung
des Gemeindebürgerrechts ist jeder Befähigte, welcher seit fünf Jahren in der Gemeinde wohnt und zu einem
bestimmten Steuersatz veranlagt ist. Die Staatsangehörigkeit ist in allen Staaten Voraussetzung des Erwerbs des Bürgerrechts.
Frühere Einteilungen der Bürger in ungleich berechtigte Klassen, wie Groß- und Kleinbürger, Voll- und Schutzbürger u. dgl.,
sind fast allenthalben hinweggefallen.
Die Gemeindeverfassung ist in den verschiedenen Staaten und in den einzelnen Landesteilen der größern
Staaten eine außerordentlich verschiedene; auch fehlt es zum Teil an einer scharfen Unterscheidung zwischen der Gemeindeverwaltung,
d. h. zwischen den vollziehenden, und der Gemeindevertretung, den beschließenden Organen der Gemeinde. Die Verwaltung der Gemeinde repräsentiert
der Gemeindevorstand, sei es ein einzelner Gemeindevorsteher (Bürgermeister, Schulze,
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Sein Vertreter ist der zweite Bürgermeister oder Beigeordnete. Das Magistratskollegium besteht aus besoldeten und unbesoldeten
Stadträten (Ratmannen), welche von der Stadtverordnetenversammlung regelmäßig auf eine bestimmte Reihe von Jahren gewählt
werden und in der Regel der Bestätigung der Regierung bedürfen. In der Rheinprovinz dagegen besteht kein
Kollegialsystem, sondern nach französischem Muster führt der Bürgermeister (Maire) mit den nötigen Gemeindebeamten die Gemeindeverwaltung.
Regelmäßig ist der Ortsvorstand auch mit gewissen staatsobrigkeitlichen Funktionen betraut, so daß er insoweit, z. B. als
Standesbeamter, Amtsanwalt, Polizeirichter u. dgl.,
als mittelbarer Staatsbeamter erscheint. Eine Gemeindegerichtsbarkeit besteht nur noch in ganz geringem Umfang (s. Gemeindegerichte).
Was die beratende und beschließende Gemeindevertretung anbetrifft, so ist es nur in kleinen Gemeinden die Gemeindeversammlung
selbst, welche sich aus den stimmberechtigten Ortsnachbarn zusammensetzt, die in dieser Beziehung in Thätigkeit tritt. Nach
manchen Gemeindeverfassungen besteht zwar eine repräsentative Gemeindevertretung, doch ist die Beschlußfassung
über einzelne besonders wichtige Gemeindeangelegenheiten, z. B. über die Aufnahme von Schulden, der vollen Gemeinde vorbehalten.
Die Regel aber, namentlich in den Stadtgemeinden, bildet die Vertretung durch eine repräsentative Körperschaft (Stadtverordnetenversammlung,
Gemeinderat, Stadtrat, Schöffenrat, Gemeindeausschuß, Bürgerausschuß, franz. Conseil municipal). Das Wahlsystem ist
ein außerordentlich verschiedenes. Nach manchen Gemeindegesetzen werden Wählerklassen der Gemeindeangehörigen nach Maßgabe
der Gemeindeumlagen gebildet, auch werden die Sonderinteressen der Grundeigentümer zuweilen besonders berücksichtigt.
In den östlichen ProvinzenPreußens bestehen gemischte, aus Magistrat und Stadtverordneten zusammengesetzte Verwaltungsdeputationen
neben den besoldeten Fachbeamten, welche nebst den ihr Amt als Ehrenamt verwaltenden Bezirksvorstehern und ähnlichen Funktionären
im Kommunaldienst thätig sind. Die Gemeinde ist eine juristische Person mit selbständiger Vermögensverwaltung und mit dem Recht,
Abgaben zu Gemeindezwecken zu erheben (s. Gemeindehaushalt).
Nach den neuern Gesetzen sind die Gemeinden selbständig, d. h. sie beschließen ohne staatliche Kontrolle über ihre Angelegenheiten;
nur in wichtigen Angelegenheiten (Veräußerungen von erheblichem Betrag, Teilung von Gemeindevermögen, Festsetzung außerordentlicher
Umlagen, Aufnahme von Kapitalien) tritt die staatliche Oberaufsicht ein. Dagegen ist fast überall die
Autonomie der Gemeinde, d. h. das Recht, für sich und ihre Bürger besondere Rechtssätze aufzustellen, weggefallen unbeschadet des
Rechts, innerhalb des Rahmens der bestehenden bürgerlichen Gesetzgebung durch Ortsstatuten, die freilich in der Regel von der
Aufsichtsbehörde genehmigt sein müssen, allgemein verbindliche Anordnungen für die Gemeindeangehörigen nach Maßgabe der
diesbezüglichen Gesetzesnormen zu erlassen.
solche Personen, welche einer Gemeinde angehören, ohne jedoch eigentliche Gemeindeglieder zu sein,
und namentlich, ohne einen Anteil an den Gemeindegutnutzungen zu haben. Man unterscheidet zwei Arten derselben:
1) solche, welche zwar nicht Gemeindeglieder (Bürger, Nachbarn) im eigentlichen Sinn sind, aber dennoch
als Gemeindeglieder im weitern Sinn, als Angehörige der Gemeinde erscheinen und Rechte an dieselbe sowie Obliegenheiten gegen
sie haben: Schutzverwandte, Heimatsberechtigte, welchen Unterschied aber neuere Gemeindeordnungen vielfach aufgehoben haben;
2) solche, welche sich bloß durch einen Wohnsitz in einem thatsächlichen Verhältnis zu Gemeinden befinden
und kein Recht auf die Fortdauer desselben haben, obgleich ihr Verhältnis, solange es besteht, mit
¶
mehr
Obliegenheiten gegen die Gemeinde, namentlich mit der Verpflichtung zur Entrichtung von Gemeindeabgaben, verbunden ist: Insassen.
In den meisten Staaten sind, nachdem in Deutschland die Freizügigkeit (s. d.) eingeführt worden ist, diese Unterscheidungen
geschwunden, und die Grundlage der modernen Gemeindeverfassung ist vielfach die Einwohnergemeinde im Gegensatz zu der frühern
Bürgergemeinde. Vgl. Gemeinde.
im Gegensatz zu den Staatsgerichten solche Gerichte, welche mit Gemeindebeamten
besetzt sind, und deren Gerichtsbarkeit von den Gemeinden ausgeht. Das moderne Recht faßt die Gerichtsbarkeit lediglich als
einen Ausfluß
[* 68] der Staatsgewalt auf, und hieraus erklärt es sich, daß die Gemeindegerichtsbarkeit mehr und mehr beseitigt
wurde. Das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz (§ 15) erklärt die Gerichte schlechthin für Staatsgerichte.
Gleichwohl nahm man bei der neuen Justizgesetzgebung auf Württemberg,
[* 69] woselbst in geringfügigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
die Gemeindegerichte sich bewährt hatten, Rücksicht und ließ die Gemeindegerichte als Vergleichsgerichte
zu, jedoch nur, insoweit ihnen die Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprüche obliegt, deren Gegenstand in Geld oder
Geldeswert die Summe von 60 Mk. nicht übersteigt.
Gegen die Entscheidung dieser Gemeindegerichte steht beiden Teilen die Berufung auf den Rechtsweg zu; auch dürfen als Kläger oder Beklagter
nur solche Personen der Gemeindegerichtsbarkeit unterworfen werden, welche in der betreffenden GemeindeWohnsitz, Niederlassung
oder Aufenthalt haben. Die Zuständigkeit der Gemeindeverwaltungsbehörden zum Erlaß von Strafbefehlen in Polizeistrafsachen
ist nach der deutschen Strafprozeßordnung auf Übertretungen beschränkt. Auch kann gegen die Strafbescheide
der Polizeibehörden auf gerichtliche Entscheidung angetragen werden.
die Wirtschaft, welche die Gemeinde zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse führt. Die hierfür erforderlichen
Ausgaben sind, wie im Staatshaushalt, teils ordentliche (regelmäßig wiederkehrende), teils außerordentliche.
Für die planmäßige Deckung derselben und für dauernde Aufrechthaltung des Gleichgewichts zwischen Ausgaben und Einnahmen
gelten im allgemeinen die gleichen Grundsätze wie für einen geordneten Staatshaushalt.
Zur Bestreitung der ordentlichen Ausgaben haben regelmäßig fließende (ordentliche) Einnahmen aus Vermögen, Erwerbsunternehmungen,
Gebühren und Steuern zu dienen. Zunächst dient den Gemeindezwecken das Gemeindevermögen. Dasselbe ist
teils dem allgemeinen Gebrauch zugänglich gemacht, wie Straßen, öffentliche Anlagen, teils dient es Verwaltungszwecken, wie
die Amtsgebäude, teils wird es für Erwerbszwecke benutzt. Nutzungen aus dem Vermögen der letztern Art oder aus Teilen desselben
fließen noch in manchen Gemeinden den Gemeindegliedern direkt zu (Gemeindegliedervermögen, in manchen
StädtenBürgervermögen genannt; vgl. Allmande).
Meist aber ist dies Vermögen
(oft Kämmereivermögen genannt) zur Bestreitung der Lasten und Ausgaben der Gemeinden bestimmt
und kommt insofern den Gemeindeangehörigen mittelbar zu gute. Ursprünglich kommt das Gemeindevermögen nur in Form von Äckern,
Waldungen, Weiden etc. vor. Solches Grundvermögen hat sich insbesondere noch in
süddeutschen Gemeinden erhalten und hier bisweilen in solchem Maß, daß es nicht allein zur Deckung des Gemeindebedarfs ausreicht,
sondern auch oft noch den berechtigten Mitgliedern Nutzungen von Wald und Feld (»Bürgernutzen«) überwiesen werden können.
In der ältern Zeit wurde der geringe Gemeindebedarf vorwiegend durch persönliche Leistungen der Angehörigen
und durch die Nutzungen des Gemeindevermögens gedeckt. Nur selten war eine Steuer aufzulegen nötig, welche dann meist in der
Form von vorübergehend erhobenen Vermögenssteuern vorkam. Im Lauf der Zeit hat sich indessen der Bereich der Gemeindeaufgaben
erheblich ausgedehnt (Verkehr, Unterricht, Sicherheit, Befriedigung vieler früher unbekannter gemeinwirtschaftlicher
Bedürfnisse); infolgedessen wurde die dauernde Besteuerung, d. h. die Belastung der Gemeindeangehörigen mit Abgaben auf Grund
der der Gemeinde vom Staat übertragenen Zwangsgewalt, zur Notwendigkeit (in den preußischen Städten wurden 1849 durchschnittlich
3,77 Mk. an Gemeindeabgaben auf den Kopf erhoben, 1883/84 war die Zahl auf 11,42 Mk. gestiegen). Doch
hat sich dieselbe bei ungleichen Bedürfnissen und Rechtszuständen sehr buntscheckig entwickelt.
Eine Ausnahme macht in dieser Beziehung England, wo schon frühzeitig das Kommunalsteuerwesen gesetzlich geregelt und von
staatlicher Willkür befreit wurde. Jede Ausgabenart wurde auf eine besondere, nach Maßgabe des Miet- und Pachtwertes des
Realbesitzes von dem Eigentümer oder Mieter (»nutzenden Inhaber«) erhobene Steuer angewiesen, daher der
Name Zwecksteuersystem. Dieses System ist freilich längst nicht mehr prinzipiell durchgeführt, indem mit Zunahme der Bedürfnisse
auch eine Steuer zu den verschiedensten Zwecken dienen mußte. In Frankreich geriet die Gemeinde in finanzieller Hinsicht in
vollständige Abhängigkeit von der Regierung.
Zur Erhebung einer jeden Abgabe ist Genehmigung erforderlich, und zwar werden in jedem Budgetsatz die zugelassenen
Abgaben genau bezeichnet. Die direkten Gemeindesteuern, welche etwa 25 Proz. aller Gemeindeeinnahmen ausmachen, bestehen in
Zuschlägen (centimes additionnels, wobei Centimes den Zuschlag auf jeden Frank der Staatssteuer bedeuten) zu den vier großen
direkten Staatssteuern. Sie zerfallen in centimes ordinaires, spéciaux und extraordinaires. Die erstern
beiden dienen zur
¶