sich die Zeichen fortschreitender und zuletzt allgemeiner
Lähmung ein, und die Kranken sterben meist schon nach wenigen
Tagen,
seltener erst in der zweiten oder dritten
Woche. Der
Tod ist der fast regelmäßige
Ausgang der
Krankheit. Wenn man
Fälle mit
den
oben beschriebenen
Symptomen in
Heilung übergehen sah, so ist anzunehmen, daß es sich dabei nicht
um eine Gehirnhautentzündung, sondern nur um eine Blutüberfüllung des
Gehirns gehandelt hat, welche bei kleinen
Kindern sehr häufig vorkommt
und unter ähnlichen schweren
Symptomen wie die Gehirnhautentzündung verläuft.
Durch energische Behandlung werden im Anfang der Gehirnhautentzündung zuweilen günstige
Resultate erreicht. Man setzt 6-8
Blutegel
[* 2] an
die
Stirn und hinter die
Ohren, bedeckt den vorher kahl geschornen
Kopf mit Eisbeuteln oder eiskalten Umschägen ^[richtig:
Umschlägen] und gibt ein starkes Laxans aus
Kalomel und
Jalappe. Im
Stadium der
Bewußtlosigkeit hat man durch reizende
Salben
(Brechweinsteinsalbe), welche in die Kopfhaut eingerieben werden, oder durch große
Blasenpflaster, welche man
am
Nacken appliziert, ableitend zu wirken gesucht. Wirksamer als diese
Mittel sind kalte Sturzbäder und Übergießungen des
Kopfes mit kaltem
Wasser, welche alle 2-3
Stunden wiederholt werden müssen. Gewöhnlich kommen die Kranken durch die kalten
Übergießungen wieder zum
Bewußtsein.
2) Die epidemische
Cerebrospinal-Meningitis oder der
Kopfgenickkrampf ist eine eiterigeInfiltration der
weichen
Hirn- und Rückenmarkshäute, welche in epidemischer Verbreitung auftritt und ohne eine für uns wahrnehmbare
Ursache
vollkommen gesunde, kräftige Individuen, sowohl
Kinder als junge
Männer, befällt und fast immer schnell tötet. Das männliche
Geschlecht ist zu dieser
Krankheit in viel höherm
Grade disponiert als das weibliche. Als
Ursache der
Krankheit
glaubt
man in neuester Zeit einen Mikroorganismus entdeckt zu haben, welcher als Erreger dieser Infektionskrankheit anzusehen
ist; jedoch sind die Untersuchungen hierüber noch nicht abgeschlossen.
In der neuesten Zeit ist die
Krankheit keineswegs ganz erloschen, vielmehr trat sie noch im J. 1885 in
mehreren deutschen
Städten, auch in
Berlin,
[* 4] in allerdings nicht sehr ausgebreiteten
Epidemien auf. Die anatomischen Veränderungen,
welche
man in den
Leichen der an
Kopfgenickkrampf Verstorbenen antrifft, beschränken sich auf die weichen
Häute des
Gehirns und
Rückenmarks, welche in sehr verschiedenem, manchmal ganz unerheblichem
Grad eiterig infiltriert und
mehr oder weniger blutreich sind.
Der Kranke ist sehr unruhig, wirft sich beständig im
Bett
[* 5] umher, die
Pupillen sind verengert, das
Sensorium ist frei. Der
Puls
macht 80-100
Schläge in der
Minute, die
Temperatur des
Körpers ist nur mäßig erhöht, dagegen folgen sich die Atemzüge sehr
schnell aufeinander, 30-40 in der
Minute. Schon am Ende des ersten oder zu Anfang des zweiten
Tags bemerkt
man, daß die Nackenmuskeln steif werden und der
Kopf etwas nach hinten gezogen ist; die
Schmerzen verbreiten sich vom
Kopf
aus über den
Nacken und
Rücken, die
Unruhe des Kranken erreicht eine beängstigende
Höhe. Im
Lauf des dritten und
vierten Krankheitstags tritt der
Starrkrampf der
Nacken- und Rückenmuskeln, manchmal auch der Kaumuskeln, immer stärker und
deutlicher hervor.
Der
Rumpf wird dabei bogenförmig nach rückwärts gekrümmt, ist steif und unbeweglich. Das
Bewußtsein fängt nun an zu schwinden,
aber der Kranke wirft sich noch immer unruhig im
Bett umher. Der Stuhlgang ist angehalten, der Leib eingezogen,
der
Urin geht entweder unwillkürlich ab, oder er häuft sich in der
Blase an und muß mit dem
Katheter
[* 6] abgenommen werden.
Endlich
verfällt der Kranke in die tiefste
Bewußtlosigkeit, und es tritt unter rasselnden Atemgeräuschen ziemlich bald der
Tod ein.
In besonders schweren
Fällen drängt sich der ganze Krankheitsverlauf in den Zeitraum von 1-2
Tagen zusammen,
ja in einzelnen
Fällen tötete die
Krankheit schon nach
Ablauf
[* 7] weniger
Stunden (Méningite foudroyante).
Ist die
Epidemie leichter, so tritt zuweilen
Heilung ein; es läßt dann zunächst die große
Unruhe nach, das
Sensorium wird
klarer, allmählich bessern sich auch die
Schmerzen und die
Nackenstarre. Die
Rekonvaleszenz pflegt einen
sehr langsamen Verlauf zu nehmen. Zuweilen bleibt die eintretende Besserung unvollständig, der
Kopfschmerz, die
Nacken- und
Rückenstarre bestehen fort, obschon in mäßigerm
Grad, und es gesellen sich
Erscheinungen von
Lähmung in den willkürlichen
Muskeln
[* 8] und in den psychischen
Funktionen hinzu.
Dadurch entsteht ein kompliziertes Krankheitsbild, unter welchem die meisten
Patienten dieser Art erschöpft
und abgemagert nach einigen
Wochen oder
Monaten zu
Grunde gehen. In seltenen
Fällen zeigt die
Krankheit einen intermittierenden
Verlauf, indem alle
Erscheinungen derselben durch ein kurz dauerndes Wohlbefinden unterbrochen erscheinen. Die Behandlung
ist wie
oben beschrieben, dieSchmerzen sind mit dreisten
Gaben von
Morphium oder
Chloroform zu lindern. Vorbauungsmaßregeln
gegen die weitere Verbreitung der epidemischen
Cerebrospinal-Meningitis gibt es nicht.
3) Die chronische Gehirnhautentzündung (Leptomeningitis chronica fibrosa), eine
Krankheit von sehr schleichendem Verlauf, kommt vorzugsweise
bei Säufern, aber auch sonst ohne genau bekannte
Ursachen vor, geht mit anhaltendenKopfschmerzen und
zunehmender Verminderung der
Intelligenz einher und führt zur Bindegewebswucherung, Verdickung und sehnigen Trübung der
weichen Hirnhäute, welche in schweren
Fällen ungewöhnlich fest mit der Hirnrinde verwachsen sind. Diese Form der Gehirnhautentzündung liegt
vielen
Fällen von
Geisteskrankheit zu
Grunde, weil sich die
Entzündung von den weichen
Häuten auf die Hirnrinde
selbst fortsetzt und zur
Verhärtung und Schrumpfung der letztern führt.
4) Die tuberkulöse Gehirnhautentzündung
(Meningitis tuberculosa, Basilarmeningitis) kommt vorzugsweise u. ziemlich häufig bei
Kindern, seltener bei Erwachsenen vor. Bei der
Sektion solcher
Personen trifft man neben der Erkrankung der Hirnhäute noch
häufig
¶
mehr
tuberkulöse Ablagerungen in den Lungen oder in einzelnen Lymphdrüsen, in den Nieren, Hoden etc. an. Die tuberkulöse hat ihren
Sitz vorzugsweise an der Basis des Gehirns. Hier sind die sonst zarten und durchsichtigen weichen Häute zu einer trüben, gallertig
verquollenen Masse umgewandelt, in welcher man zahlreiche sandkorn- bis mohnkorngroße, graue und durchscheinende
oder gelblich-opake Knötchen (Tuberkeln) eingebettet sieht. Das Gehirn
[* 10] selbst ist gewöhnlich blutarm, stark serös durchfeuchtet
und weicher.
Die Hirnhöhlen aber findet man sehr stark erweitert, mit klarer, wässeriger Flüssigkeit erfüllt, weshalb die Krankheit
auch als hitziger Wasserkopf bezeichnet wird. Die tuberkulöse Gehirnhautentzündung nimmt bald einen akuten, bald
einen subakuten Verlauf. Sie ist mit Fieber verbunden, welches freilich in sehr verschieden hohem Grad sich einstellt. In den
meisten Fällen, namentlich bei Kindern, gehen dem Ausbruch der Krankheit allerhand Vorboten voraus. Die Kinder zeigen ein verändertes
Wesen, sind unlustig, schläfrig, träumen viel und unruhig.
Gewöhnlich klagen sie über anhaltenden Kopfschmerz, die Verdauung ist gestört, es besteht leichtes Fieber,
die Kranken magern ab. Wenn sich zu diesen unbestimmten ErscheinungenErbrechen hinzugesellt, ohne daß Diätfehler vorausgegangen
sind, und wenn sich das Erbrechen unabhängig von den Mahlzeiten wiederholt, wenn Stuhlverstopfung besteht und der Leib eingesunken
ist, wenn gar andre Symptome auf allgemeine Tuberkulose hindeuten: so sind dies schlimme, Besorgnis erregende
Zeichen.
Mit dem eigentlichen Ausbruch der Krankheit werden die Klagen über Kopfschmerzen lebhafter, die Kinder zeigen sich lichtscheu
und empfindlich gegen Geräusche, knirschen im Schlaf mit den Zähnen und stoßen von Zeit zu Zeit einen grellen, ohrenzerreißenden
Schrei aus. Von Zeit zu Zeit bemerkt man Zuckungen einzelner Glieder
[* 11] oder plötzliches Zusammenschrecken
des ganzen Körpers, der Schlaf ist durch schwere Träume gestört, die Kranken sind im höchsten Grad aufgeregt, Die Pupillen
zeigen sich in diesem Stadium gewöhnlich verengert, der Puls ist beschleunigt.
Dazu kommt, daß die Kinder sich mit dem Kopf rückwärts in die Kissen bohren, und daß die Nackenmuskeln
starr und angespannt sind. Nach einigen Tagen oder bereits früher ändert sich der bisherige Zustand meist ziemlich plötzlich
dadurch, daß ein Anfall von über den ganzen Körper verbreiteten Konvulsionen auftritt. Das Erbrechen wird mit demselben seltener
oder hört ganz auf, die Klagen über Kopfschmerzen lassen nach, die Kinder werden unempfindlich gegen lautes
Geräusch und grelles Licht,
[* 12] aber das eigentümliche Aufschreien und Zähneknirschen dauert fort.
Die früher engen Pupillen haben sich erweitert, der bisher frequente Puls wird seltener, die Kinder fangen an zu schielen.
Ganz eigentümlich verhält sich die Respiration. Eine Zeitlang sind die Atemzüge ganz flach und leise,
dann folgt ein tiefer, seufzender Atemzug, wiederum leichtes Atmen u. s. f. Das Benommensein
der Sinne geht allmählich in völlige und ununterbrochene Bewußtlosigkeit über, während deren die Zuckungen der Glieder,
die starrkrampfähnliche Zusammenziehung der Nackenmuskeln, die Rückwärtsbeugung des Halses anhalten. Der geschilderte Zustand
pflegt etwa acht Tage, ja noch länger, ohne erhebliche Veränderung anzudauern, ehe der Tod durch Lähmung
des Gehirns erfolgt. Der Tod ist der regelmäßige, ausnahmslose Beschluß der Krankheit. Die Behandlung kann nur eine symptomatische
sein, und sobald einmal Bewußtlosigkeit eingetreten ist, kann man den
Kranken ruhig seinem Schicksal überlassen, da dasselbe
durch keinen ärztlichen Eingriff abzuwenden ist.
5) Die Entzündung der harten Hirnhaut (Pachymeningitis) schließt sich bald einer Verletzung oder anderweitigen Erkrankung
der Schädelknochen an, bald erscheint sie als selbständige Krankheit von durchaus schleichendem Verlauf und ist wesentlich
charakterisiert durch ihre Neigung zu Blutergüssen. LetztereKrankheit führt daher den NamenPachymeningitis chronica haemorrhagica.
Sie kommt meist bei ältern Personen, fast immer über der Konvexität des Gehirns, vor und scheint durch
Kongestionen des Bluts nach dem Kopfe veranlaßt zu werden. Es bilden sich nämlich bei dieser Affektion zarte, blutgefäßreiche,
dünne Gewebslagen an der Innenfläche der harten Hirnhaut, zugleich aber finden zahlreiche feine Blutergüsse von geringem
Umfang zwischen diese neugebildeten Gewebslagen statt.
Letztere bekommen dadurch ein rostbraunes Aussehen. Gelegentlich jedoch findet auch einmal eine umfängliche Blutung zwischen
die harte Hirnhaut und die auf ihrer Innenfläche befindlichen neugebildeten Gewebsschichten statt, wodurch die letztern
von ihrer Unterlage abgehoben und gegen die Hirnoberfläche hingedrängt werden. Dergleichen gröbere Blutergüsse bezeichnet
man als Apoplexia intermeningea, und da das Blut sich zwischen den häutigen Lagen wie in einem Sack ansammelt, so entsteht
eine Blutgeschwulst: ein Hämatom der harten Hirnhaut.
Die Blutungen wiederholen sich sehr gern, und die Blutgeschwulst wird dadurch immer größer, übt einen starken Druck gegen
die Konvexität der Großhirnhemisphären aus, verursacht anhaltenden Kopfschmerz, Störungen der Intelligenz,
Geistesstörungen etc. Die Krankheit ist im Leben schwierig zu erkennen und noch schwieriger zu behandeln. Die Behandlung beschränkt
sich auf die Verhütung von Kongestionen des Bluts nach dem Kopf. Plötzlich eintretende umfangreiche Blutungen dieser Art rufen
das Krankheitsbild des Gehirnschlagflusses hervor und können auf der Stelle zum Tod führen.
(Contusio cerebri) ist gewöhnlich veranlaßt durch einen starken Schlag an den Schädel, einen Fall
auf den Kopf und dergleichen Ursachen. Dabei sind die Schädelknochen und die häutigen Hüllen des Gehirns
bald mit verletzt, bald ist an ihnen keine Spur einer Verletzung zu bemerken. Am Gehirn aber beschränkt sich die Quetschung
gewöhnlich auf kleine Abschnitte der Hirnrinde, welche der Stelle, wo der Insult eingewirkt hat, am nächsten liegen oder
in der Verlängerung
[* 15] der Stoßrichtung an der Schädelgrundfläche gelegen sind (Gegenstoß oder contre-coup).
Die gequetschten Gehirnpartien sind mit kleinen, zahlreichen Blutaustritten durchsetzt und, durch die letztern teilweise
zertrümmert, in einen roten Brei (s. Gehirnerweichung) umgewandelt. Die Symptome der einfachen Gehirnquetschung bestehen in Reizungserscheinungen:
der Kranke ist sehr aufgeregt und unruhig, sein Gesicht
[* 16] gerötet, der Puls schnell, frequent, unterdrückt,
es bestehen gewöhnlich lästige Kopfschmerzen, die Augen sind sehr empfindlich gegen Lichteindrücke, das Ohr
[* 17] ebenso gegen
Geräusche, oftmals bestehen allgemeines Zittern der Glieder, große Schwäche und Unsicherheit der Bewegungen, der Schlaf fehlt
gänzlich oder ist sehr unruhig. Zu diesen
¶
mehr
Erscheinungen tritt oft noch der Symptomenkomplex des Fiebers hinzu, zumal wenn sich eine Gehirnentzündung zur Gehirnquetschung hinzugesellt.
Die Erscheinungen der reinen Gehirnquetschung halten gewöhnlich nur wenige (2-4) Tage an. Die Behandlung ist auf die Beruhigung des Kranken
gerichtet und im wesentlichen eine symptomatische. KalteUmschläge und Eisbeutel auf den Kopf, ein Aderlaß
oder die Applikation von 8-10 Blutegeln an die Schläfen und hinter die Ohren, ein Laxans zur Erleichterung des Stuhlganges,
knappe Diät, kühle Getränke, Vermeidung erhitzender und spirituöser Getränke: das sind die Mittel, welche gegen die drohende
Gefahr einer Gehirnentzündung nach Gehirnquetschung angewendet werden können. Sehr aufgeregten Kranken kann
auch Chloralhydrat oder Morphium gegeben werden. Vgl. Gehirnerschütterung.
(Hirnschlagfluß, Apoplexia cerebri) bedeutet ursprünglich diejenige plötzliche Todesart, welche auf
Lähmung des Gehirns beruht, und wobei der Sterbende, wie von einem Schlag niedergestreckt, zusammenstürzt. Es wird diese Form
des Todes namentlich bei Gelegenheit großer Blutergüsse in das Hirn beobachtet, weshalb man solche mit
Zertrümmerung der Hirnmasse verbundene Blutergüsse selbst Gehirnschlag genannt hat (s.
Gehirnerweichung). Vielfach spricht man auch von Gehirnschlag, wenn der Tod nur überhaupt durch Aufhebung der Gehirnfunktionen, also
durch Gehirnlähmung, entstanden ist, auch wenn derselbe nicht gerade plötzlich eintritt. Weiteres s.
Schlagfluß.
(Atrophie des Gehirns) ist nicht selten angeboren u. erreicht dann die höchsten
Grade, wie man sie bei angeborner Gehirnwassersucht oder bei Mikrokephalie oder gar bei Anenkephalie beobachtet. Erworbener Gehirnschwund kommt
in mäßigem Grad im höhern Alter sehr häufig vor und kann hier fast als normale Involutionserscheinung gelten, wird aber
auch in frühern Lebensaltern infolge krankhafter Prozesse, welche das Gehirn betreffen, beobachtet. Namentlich
bei Geisteskranken, welche in Blödsinn verfallen, kommt Gehirnschwund vor und ist hier die Folge einer chronischen Entzündung der Gehirnsubstanz
(s. Gehirnentzündung, am Schluß).
Das geschrumpfte Gehirn erscheint fester, blutärmer, seine Häute sind verdickt und wässerig infiltriert, die Furchen tiefer,
die Windungen schmal, auch die Hirnhöhlen sind erweitert und mit Wasser gefüllt. Physiologisch äußert
er sich durch lähmungsartige, sich allmählich verschlimmernde Zustände, wovon nicht bloß die motorische und sensible
Sphäre, sondern auch und zwar ganz vorzugsweise die psychischen Funktionen, Intelligenz, Gedächtnis etc., betroffen werden.
Der an sich ist unter allen Umständen ein unheilbarer Zustand.
(Sklerose des Gehirns), ein krankhafter Prozeß, welcher bald das ganze Gehirn, vorzugsweise die Rinde
des Großhirns, betrifft, mit Gehirnschwund und allgemeiner, namentlich psychischer, Lähmung einhergeht und die Folge eines
chronischen Entzündungsprozesses mit Bindegewebswucherung und Untergang der Nervenelemente, zumal der Ganglienzellen,
[* 19] ist
(s. Gehirnentzündung, am Schluß), bald aber auch herdweise, auf einzelne, meist zahlreiche kleine Stellen
des Gehirn- und Rückenmarks beschränkt auftritt, und welcher dann herdweise Sklerose (Sclérose en plaques) genannt wird.
Sie gibt sich gewöhnlich zu erkennen durch Lähmung einzelner Muskeln und Muskelgruppen, welche zuerst an den untern Extremitäten
auftritt und sich dann allmählich, aber in höchst unregelmäßiger Weise,
auch auf die Arme, einzelne
Muskeln des Rumpfes, Halses und Kopfes ausdehnt und schließlich selbst die Atmungs- und Schlingmuskeln ergreift. Häufig kommen
unbestimmte Schmerzen in einzelnen Gliedern, das Gefühl von Taubsein und von Ameisenkriechen in den Extremitäten hinzu, und
zuletzt stellt sich vollkommene Empfindungslosigkeit größerer Hautstrecken ein. Kopfschmerz ist gewöhnlich
nicht vorhanden; von den höhern Sinnesorganen leidet fast nur das Auge,
[* 20] es wird schwachsichtig oder erblindet sogar. Die Gehirnverhärtung führt
nach jahrelangem Verlauf zumTode; die Behandlung kann sich nur auf einzelne Symptome richten.
(Hydrocephalus) besteht in einer krankhaften Anhäufung von klarer, wässeriger Flüssigkeit in den
Gehirnhöhlen (H. internus) oder in den Maschen der weichen Gehirnhaut (H. externus), durch welche auf das Gehirn selbst ein
mehr oder weniger starker Druck ausgeübt und dasselbe in seinen Funktionen schwer beeinträchtigt wird. Man muß unterscheiden
zwischen der angebornen Gehirnwassersucht (angeborner Wasserkopf) und der erworbenen Gehirnwassersucht. Letztere erreicht niemals so hohe
Grade wie die erstere.
Der angeborne Wasserkopf (H. congenitus) entwickelt sich während der Fötalzeit wahrscheinlich infolge eines entzündlichen
Zustandes des Medullarrohrs, d. h. der embryonalen Anlage des Gehirns. In der Höhle des Medullarrohrs häuft sich Serum in so
beträchtlicher Menge an, daß es entweder überhaupt nicht zur Bildung eines Gehirns kommt, oder daß letzteres
rudimentär bleibt, oder endlich, daß nur eine dünne Schicht von Gehirnsubstanz in der Umgebung der mit Wasser überfüllten
Hirnhöhlen abgelagert wird. In letzterm Fall erscheint das Gehirn also als eine große, dünnwandige, wasserhaltige Blase.
Da sich dieselbe zu schnell vergrößert, als daß die Knochen
[* 21] des Schädelgewölbes im Wachstum gleichen
Schritt halten könnten, so kommt es, daß zur Zeit der herannahenden Geburt nicht bloß der Kopf des Kindes enorm groß, oft
von den doppelten Dimensionen eines normalen Kindskopfes ist, sondern daß auch die Ränder der Schädeldeckknochen
sich nicht berühren, sondern weite, weiche Stellen, den Knochennähten entsprechend, zwischen den Knochenrändern übrigbleiben.
Ebenso sind die sogen. Fontanellen außerordentlich groß. Der Kopf eines solchen Kindes ist weich und fluktuierend, gibt aber
trotzdem wegen seines enormen Umfanges ein Geburtshindernis ab, muß daher angestochen werden, damit das Wasser auslaufen und
die Geburt vollendet werden kann. Daher kommt es, daß nur solche Kinder, welche mit verhältnismäßig
geringen Graden des Wasserkopfes zur Welt kommen, die Geburt überleben. Allein auch diese pflegen nach Verlauf weniger Wochen
oder Monate abzusterben.
Das große Gehirn derselben wird zwar mit der Zeit ganz von den Knochen umschlossen, es verschwinden die
weichen Spalten zwischen den Knochenrändern, und die Fontanellen schließen sich; aber das Gehirn kann sich nicht entwickeln,
das Kind zeigt alle Erscheinungen des angebornen Blödsinns, ist nicht selten blind, taubstumm, gelähmt etc. Die Stirn ist stark
vornüber gewölbt, das Gesicht tritt zurück, namentlich der Unterkiefer ist unverhältnismäßig dürftig
entwickelt. Nur die allerleichtesten Grade des angebornen Wasserkopfes lassen eine nachträgliche Abbildung von Gehirnsubstanz
und normale Gehirnfunktionen erwarten. Übrigens ist bei diesem Zustand das Großhirn
¶
mehr
vorzugsweise oder selbst ausschließlich betroffen, während das Kleinhirn oder Mittelhirn sowie Sehhügel und Streifenkörper
wenig beeinträchtigt oder normal gebildet zu sein pflegen. Die erworbene Gehirnwassersucht (H. acquisitus) stellt
sich in der Regel als innerer Wasserkopf, d. h. als Wasseranhäufung in den Hirnhöhlen, dar; doch ist in manchen Fällen auch
ein niederer Grad von äußerm Wasserkopf oder Wasseransammlung innerhalb der das Hirn umhüllenden weichen
Hirnhäute damit kombiniert.
Diese Wasseransammlungen kommen bei Individuen jedes Alters und Geschlechts vor, führen aber niemals zu einer Formveränderung
oder Vergrößerung des Schädels, sondern bedingen nur einen der Menge des vorhandenen Wassers entsprechenden Druck auf das
Gehirn, welches dadurch an die festgeschlossene knöcherne Schädelkapsel angedrückt wird. Die Ursachen
der erworbenen Gehirnwassersucht sind zum Teil rein mechanisch und bestehen in Hindernissen für den Abfluß des Venenbluts
aus dem Gehirn und seinen Häuten.
Wenn sich z. B. die venösen Blutleiter der harten Hirnhaut durch Blutgerinnsel verstopfen, wie dies bei Entzündungen dieser
Blutleiter geschieht, oder wenn eine selbst kleine Geschwulst die Blutleiter zusammendrückt und sich somit eine Blutstockung
im Gehirn entwickelt, so wird infolge derselben eine gesteigerte Wasserabscheidung im Hirn stattfinden, und letzteres wird
namentlich dann in den Hirnhöhlen sich anhäufen, wenn die Venen in der Wand der Hirnhöhlen betroffen sind. In
diesem Fall übt das angesammelte Wasser einen immer mehr steigenden Druck auf die Hirnmasse aus, dieselbe wird von innen her
an die knöchernen Schädelwände angepreßt, und es stellen sich Erscheinungen von Gehirndruck ein, nämlich Abschwächung
der Intelligenz und der geistigen Thätigkeiten, Schlafsucht, Bewußtlosigkeit, ja sogar Blindheit, Taubheit etc. Diese schleichende
Form der Gehirnwassersucht nimmt über kurz oder lang stets einen tödlichen Ausgang. In den meisten Fällen beruht die Bildung des Wasserkopfes
auf Entzündung der weichen Hirnhaut und der Gefäßknäuel dieser Membran. Je nachdem diese Entzündung schnell oder langsam
verläuft, unterscheidet man einen akuten und chronischen Hydrocephalus (vgl. Gehirnhautentzündung). Der sogen.
Dummkoller der Pferde
[* 23] beruht gleichfalls auf einer erworbenen Gehirnwassersucht.
(Erbgenossenschaften oder Erbenschaften), eine der ältesten Formen landwirtschaftlicher Genossenschaften
zum Zweck gemeinsamer Bewirtschaftung von Grund und Boden, welche sich bis in unsre Zeit auf dem linken
Rheinufer (im Regierungsbezirk Trier)
[* 29] erhalten hat. Ursprünglich gehörte die gesamte Gemarkung der Genossenschaft zu unveräußerlichem
Eigentum, und nur die Hausstellen mit eingefriedigten Hausgärten befanden sich im Sondereigentum der Genossen.
Später (zur Zeit der Katastrierungen, 1811 und 1834) wurden vielfach das Ackerland oder Äcker und Wiesen
aus dem Verband
[* 30] geschieden, und es verblieben nur der Wald und das Ödland im gemeinsamen Eigentum und Betrieb, während immer
einzelne herrschaftliche Freihöfe mit ihrem Areal außerhalb des Verbandes geblieben waren. An vielen Orten sind die Gehöferschaften nach
und nach eingegangen. Die mit Rücksicht auf Bodenbeschaffenheit, Lage und Entfernung abgegrenzten Teile
der Flur, Gewanne (Kämpe, Wannen), möglichst in Vierecke geteilt, enthalten je so viele Parallelstreifen, wie einzelne Gehöfer
vorhanden sind. Die Zuteilung fand durch das Los, bei Äckern periodisch, bei Wiesen und haubarem Waldschlag meist jährlich,
statt. Die Anteilsrechte bezeichnete man nach Pflügen oder nach dem landes- und ortsüblichen Längen-
oder Getreidemaß oder nach Kerben und Tippelchen, daher das gehöferschaftliche Land auch »Kerbland«
genannt wird.
Vgl. Hanssen, Die Gehöferschaften im Regierungsbezirk Trier (Berl. 1863).
[* 33] (Auditus), derjenige Sinn, vermöge dessen wir Töne und Geräusche wahrnehmen. Die Endigungen der
Gehörnerven (nervi acustici) breiten sich in ähnlicher Weise wie diejenigen des Sehnervs auf einer kleinen, eng begrenzten
Fläche aus. Ihre Erregungen kommen durch die Schallwellen zu stande, werden dem Zentralnervensystem zugeleitet und lösen Schallempfindungen
aus. Die Hauptverschiedenheit, welche unser Ohr zwischen den einzelnen Schallempfindungen bemerkt, ist der Unterschied zwischen
Geräuschen und musikalischen Klängen (Tönen). Die Empfindung eines Klanges wird durch schnelle periodische
Bewegungen (d. h. solche, welche innerhalb gleichgroßer Zeitabschnitte genau in der gleichen
Weise wiederkehren) eines tönenden Körpers hervorgerufen, die Empfindung eines Geräusches dagegen durch nichtperiodische,
unregelmäßige Bewegungen.
Die Zuleitung der Schallwellen erfolgt durch das äußere und mittlere, ihre Übertragung auf die den Schall
[* 34] perzipierenden Nervenendigungen durch
¶
mehr
das innere Ohr (s. d.). Die Bedeutung des äußern Ohrs für das Hören darf nicht zu hoch angeschlagen werden, denn beim Fehlen
desselben ist die Feinheit des Gehörs nicht sehr merklich geschwächt. Das äußere Ohr reflektiert die Schallstrahlen, von
welchen es getroffen wird, nach dem äußern Gehörgang. Allein seinem Bau entsprechend müssen die meisten
auf das Ohr auffallenden Schallstrahlen wieder nach außen reflektiert werden, und nur diejenigen, welche in die Vertiefung
der eigentlichen Ohrmuschel gelangen, werden gegen die vordere Ohrecke und von da in den Gehörgang geworfen.
Der letztere ist die Schallröhre des Ohrs: die in ihm enthaltene Luft dient als Leiter des Schalles. Ist
diese Schallröhre verstopft, wie es besonders durch verhärtetes Ohrenschmalz so oft vorkommt, so ist man fast taub für
Schallwellen der Luft. Der Gehörgang ist übrigens so gewunden, daß nahezu alle Schallwellen zunächst auf die Wände des Ganges
und von da erst auf das Trommelfell selbst geworfen werden. Das Trommelfell, welches die Scheidewand zwischen
dem Gehörgang und der Paukenhöhle, d. h. zwischen dem äußern und mittlern Ohr, bildet, besitzt beim erwachsenen Menschen
eine Oberfläche von ungefähr 50 qmm, und Tiere mit kleinerm Schädel besitzen ein nicht viel kleineres Trommelfell, als dasjenige
des Menschen ist.
Durch die gegen die Achse des Gehörganges schiefe Stellung des Trommelfelles wird eine größere Fläche
und größere Schwingungsfähigkeit desselben erzielt, als wenn letzteres in einem gleichweiten Kanal
[* 36] senkrecht ausgespannt
wäre. Zu gleicher Zeit aber wird dadurch auch bewirkt, daß eine größere Anzahl der von den Wänden des Gehörganges zurückgeworfenen
Strahlen mehr senkrecht auf das Trommelfell fällt, als es geschehen würde, wenn letzteres eine perpendikuläre
Stellung hätte.
Mit dem langen Fortsatz des Ambosses ist das Sylviussche Knöchelchen verwachsen, und dieses artikuliert
mit dem Köpfchen des Steigbügels. Eine von letzterm gegen die Mitte des Steigbügelfußtritts gezogene Linie steht ungefähr
senkrecht auf der Längsachse des langen Amboßfortsatzes. Kleine Ein- und Auswärtsbewegungen des letztern werden also den
Steigbügel abwechselnd stärker in das ovale Fenster eindrücken
und aus demselben herausziehen. Die gemeinsame Drehungsachse
des ganzen Systems der Gehörknöchelchen aber liegt in einer Linie, welche von der Ansatzstelle des kurzen
Amboßfortsatzes an der Hinterwand der Trommelhöhle nach vorn und außen zur Ansatzstelle des processus Folianus des Hammers
am obern vordern Rande des Trommelfellringes verläuft.
Die zur Aufnahme der Schallschwingungen der Luft erforderliche Trommelfellspannung wird erzielt durch die Beschaffenheit der
Membran selbst und durch den Handgriff des Hammers, dessen Spitze die Mitte des Trommelfelles nach einwärts
zieht. Es gibt nun Vorrichtungen am Gehörorgan, um die Trommelfellspannung zu vergrößern und zu verringern. Die Spannung
wird vergrößert durch den musculus tensor membranae tympani (Trommelfellspanner, s. oben). Die lange Sehne dieses Muskels
wendet sich aus dem Kanal, in welchem der Muskel verläuft, rechtwinkelig gegen das Trommelfell und setzt
sich am obern Teil des Hammerhandgriffs an. Der Muskel zieht das Trommelfell nach einwärts, diesem Zug
folgen die Gehörknöchelchen,
und somit tritt der Fußtritt des Steigbügels tiefer in das ovale Fenster hinein.
Der Trommelfellspanner ist deshalb mittelbar auch ein Spanner der Membran des ovalen Fensters, wodurch natürlich
auch das Wasser des Labyrinths einen stärkern Druck empfängt. Der Steigbügelmuskel (musculus stapedius, s. oben) hat ebenfalls
die Funktion, die Membran des ovalen Fensters zu spannen, insofern er den hintern Teil der Fußplatte des Steigbügels stärker
an die Membran andrückt. Beim Erschlaffen dieser Muskeln kehren der Hammerhandgriff und das Trommelfell
rein durch elastische Kräfte wieder in die Gleichgewichtslage zurück.
Der Trommelfellspanner bedarf also keines Antagonisten; das, was man früher als Erschlaffer des Trommelfelles (musculus laxator
tympani) bezeichnete, ist kein Muskel, sondern nur ein Band.
[* 39] Nach Helmholtz können die drei Gehörknöchelchen nur als ein Ganzes
schwingen, die Schwingungen des Trommelfelles pflanzen sich fast momentan auf das Labyrinthwasser fort,
und alle Teile des ganzen Systems sind stets in der gleichen Schwingungsphase begriffen. Dem Spannmuskel des Trommelfelles
und dem Steigbügelmuskel schreibt Helmholtz die Aufgabe zu, die Befestigungsbänder der Gehörknöchelchen straff zu spannen
und dadurch die Kette der Gehörknöchelchen gleichsam in ein starres System zu verwandeln. Die Gelenke der
Gehörknöchelchen aber scheinen hauptsächlich dazu zu dienen, daß sie alle ausgiebigern Bewegungen des Trommelfelles möglich
machen, ohne daß dadurch die Verbindung des Steigbügels mit dem eirunden Fenster zerstört würde.
Luft sowie zur Verhütung einseitiger Spannungen des Trommelfelles vom Gehörgang oder von der Trommelhöhle aus. Verschließt
man den Mund und die Nase
[* 41] mit den Fingern ganz fest und macht dann eine kräftige Ausatmungsbewegung, so wird von der Rachenhöhle
nur die Luft durch die Ohrtrompete in die Paukenhöhle eingepreßt, und das Trommelfell muß in der Richtung
nach dem äußern Gehörgang ausweichen. Das Umgekehrte geschieht, wenn man bei Verschluß von Mund und Nase eine kräftige
Einatmungsbewegung ausführt. In beiden Fällen kündigt sich die Verrückung des Trommelfelles durch ein feines Knacken im
Ohr an. Leuten, welche sehr heftigen Schallen ausgesetzt sind (z. B. Artilleristen etc.),
wird empfohlen, den Mund offen zu halten.
Der Sinn dieser Vorschrift ist der, daß bei offenem Munde die Luft in der Rachenhöhle ebenso stark erschüttert wird wie im
äußern Gehörgang, die Wirkung beider Erschütterungen auf das Trommelfell sich also ausgleichen muß. Träte diese Ausgleichung
nicht ein, so könnte es leicht zur Zerreißung des Trommelfelles kommen, sobald es durch den heftigen
Schall zu stark nach einwärts getrieben wird. Die Ohrtrompete ist übrigens für gewöhnlich verschlossen, zu ihrer Eröffnung
dienen ganz vorzugsweise die Schlingbewegungen.
Dies beruht darauf, daß die Gaumenmuskeln von der Ohrtrompete entspringen und bei ihrer Kontraktion die untere Wand
jenes Kanals nach unten zu ziehen bestrebt sind. Das Rohr der Schnecke macht etwa 2½ Schraubenwindungen und zerfällt durch
eine in der Richtung der Spirale verlaufende teils häutige (lamina spiralis membranacea), teils knöcherne Scheidewand (knöchernes
Spiralblatt, lamina spiralis ossea) in die Vorhofstreppe (scala vestibuli) und in die Paukentreppe (scala tympani).
In demRohr der scala vestibuli entdeckte nun Reißner eine schräg gespannte Membran, welche nach der lamina spiralis hin einen
spiraligen Hohlraum abschließt, der als Schneckenkanal (canalis cochlearis oder scala media) bezeichnet wird. In dieser
Abteilung liegt das Cortische Organ, ein Gebilde, welchem Helmholtz zunächst eine außerordentliche Bedeutung für das
Zustandekommen der Gehörempfindungen beigelegt hat. Man stößt in diesem Organ auf eine Anzahl eigentümlicher Gebilde,
die in Reihen angeordnet liegen, welche den Windungen der Schnecke folgen.
Zunächst sind es elastische Gebilde, von denen je zwei nach Art eines Dachfirstes gegeneinander gestemmt sind; das eine
derselben, der sogen. Steg, ist massiger als das andre, die sogen. Saite. Neben diesen Gebilden stoßen
wir auf reihenweise geordnete Zellen, die wir kurzweg als innere und äußere Cortische Zellen bezeichnen wollen; dieselben
tragen borstenähnliche Wimpern (Hörfäden, Hörhaare). Das ganze spiralige Gewinde, von dem uns die nebenstehende
[* 33]
Figur
eine Querschnittansicht bringt, wird von einer radial gestreiften Haut,
[* 42] Cortische Membran, überbrückt.
Die in der Schnecke spiralig auseinander weichenden Fasern des nervus acusticus treten in die lamina spiralis ossea ein, begeben
sich hier an Ganglien, welche
in die Knochensubstanz eingebettet sind, durchbohren dann die lamina spiralis und begeben sich
an die Cortischen Zellen.
Helmholtz hat sich nun vorgestellt, daß durch Mitschwingen der Saiten und Stege, besonders der erstern,
die Endfasern des acusticus erregt würden, und er hat geglaubt, daß jedes dieser Gebilde auf einen bestimmten musikalischen
Ton, etwa wie die Saiten eines Klaviers, abgestimmt sei. Hauptsächlich auf Grund vergleichend-anatomischer Untersuchengen hat
Helmholtz diese Vorstellung in der Neuzeit fallen lassen, denn Stege und Saiten fehlen den Vögeln, die doch
sehr wohl Töne unterscheiden können, gänzlich.
Überdies scheinen sie auch gar nicht elastisch zu sein, und die Verschiedenheit ihrer Länge ist für die ihnen zugeschriebenen
Leistungen ungenügend. Helmholtz verdanken wir jetzt folgende Theorie der Tonempfindungen. Die lamina spiralis membranacea
besitzt eine fibröse Grundlage, die radial gefasert ist und als Grundmembran (membrana basilaris) bezeichnet
wird. Die radialen Fasern dieser Membran sind als ein System nebeneinander liegender gespannter Saiten aufzufassen, welche regelmäßige
Verschiedenheiten in der Länge erkennen lassen.
Ihre einzelnen Fasern werden vom Labyrinthwasser her in Mitschwingung versetzt, und hierdurch werden die
unmittelbar darauf liegenden Teile, die Cortischen Bogen
[* 43] und Zellen, und mit ihnen die Nervenenden des acusticus erregt. Eine
bestimmte die scala tympani erreichende Schwingung
[* 44] versetzt also einen kleinen Teil der Grundmembran in entsprechende Vibration,
wodurch die darüberliegenden Gebilde derartig alteriert werden, daß Erregungen des acusticus entstehen, die zum Gehirn geleitet
werden und eine dem Ton entsprechende Empfindung veranlassen.
Jeder einfache Ton wird nur durch gewisse einzelne Nervenfasern empfunden, doch setzen Töne von verschiedener Höhe verschiedene
Nervenfasern in Erregung. Wird aber ein zusammengesetzter Klang dem Ohr zugeleitet, so wird derselbe von den mitschwingenden
Teilen in unserm Ohr in seine einzelnen einfachen Teiltöne getrennt, genau so, wie wir seine komplizierte
Schwingung durch Resonatoren in die einzelnen sie komponierenden pendelartigen Schwingungen von verschiedener Tonhöhe, den
harmonischen Obertönen entsprechend, zerlegen können.