Organisation abhängen. Zu den fixen geistigen gehören die sogen. reinen (universellen) Gefühle,
die ohne, zu den vagen die »subjektiven Erregungen«, die unter Einmischung
der
Individualität des Fühlenden entspringen
(Kants »Privatgefühle«). Jene werden weiter, je nachdem ihre Veranlassung
in der
Materie oder in der Form der ihren Sitz ausmachenden Vorstellungsmasse gelegen ist, in materielle
und Formgefühle, letztere selbst, je nachdem die verursachende Form eine logische
(Identität,
Widerspruch) oder ästhetische
(Größe,
Fülle,
Einheit in der Mannigfaltigkeit,
Harmonie,
Disharmonie) ist, in logische
(Wahrheits-) u. ästhetische
(Schönheits-)
Gefühle unterschieden.
Letztgenannte gehen, wenn obige Vorstellungsmasse das
Bild eines
Wollens und die veranlassende Form die Form
eines solchen (Vollkommenheit, innere
Freiheit, Wohlwollen,
Recht,
Billigkeit oder eins ihrer Gegenteile, Unvollkommenheit,
innere Unfreiheit, Übelwollen, Streit, Unbilligkeit) ist, in sittliche Gefühle über. Wird das Gefühlte (was aber nur
bei den Formgefühlen möglich ist) zum deutlichen
Bewußtsein erhoben, so geht das in (logisches, ästhetisches, sittliches)
Urteil über, das einer
Wissenschaft von den logischen, ästhetischen, sittlichen
Formen als
Normen des richtigen
Denkens, ästhetischen und ethischen Beurteilens (formale
Logik,
Ästhetik,
Ethik oder praktische
Philosophie) zum
Prinzip dienen
kann.
Wird endlich auf den Umstand geachtet, ob die
Ursache des Gefühls im eignen oder in einem fremden
Bewußtsein gelegen ist,
so ergibt sich die
Einteilung in egoistische (eigne) und sympathetische (Mit-) Gefühle.
Letztere entstehen
durch unwillkürliche
Nachahmung des fremden entweder durch das gleiche (Mitfreude,
Mitleid) oder durch das entgegengesetzte
Gefühl
(Neid bei
Freude,
Schadenfreude bei
Leid des andern). Sogenannte gemischte Gefühle, die zugleich Lust- und Unlustgefühle
sein sollen, kann es nicht geben. Die dafür gelten, z. B.
Wehmut u. a., beruhen auf der raschen Abwechselung
entgegengesetzter
Freude- und Trauergefühle.
In der
Natur der Gefühle ist es begründet, daß
sie der äußern
Darstellung und Mitteilung durch (sichtbare oder hörbare)
Zeichen große Schwierigkeiten bieten. Da das Gefühl auf der
Spannung gewisser
Vorstellungen ruht, diese selbst aber nicht
kennt, so können sehr verschiedene
Vorstellungen sich in dem nämlichen Spannungsverhältnis befinden, also dasselbe Gefühl verursachen.
Daraus folgt, daß sich zwar durch Erregung derselben
Vorstellungen in andern dieselben Gefühle, keineswegs aber durch Erregung
derselben Gefühle in andern dieselben
Vorstellungen erzeugen lassen müssen.
Darstellung von Gefühlen durch
Worte (»Dem Dichter gibt ein Gott, zu sagen, was er leide«)
ist daher zwar bestimmt, jene von
Ideen durch Gefühle aber nicht anders als unbestimmt. Wo die Erzeugung der nämlichen
Vorstellungen
eine Unmöglichkeit ist, weil sie entweder der Fühlende selbst nicht bei sich zur
Klarheit gebracht, oder weder sicht-, noch
hörbare Zeichen dafür hat (»Der
Mensch verstummt in seiner Qual«),
da bleibt kein andres
Mittel, als
den nämlichen Spannungszustand im andern, gleichviel wodurch, zu erregen, um das gleiche Gefühl als
Auslösung desselben zu erzeugen.
Der
Musiker bedient sich zu diesem
Zweck der
Töne, da die Tonempfindungen ihrerseits untereinander ähnliche
Spannungen und
Lösungen zeigen und überdies der
Rhythmus des Gefühls, das An- und Abschwellen der
Spannung, durch den
Rhythmus der Tonfolge und die Verstärkung
[* 2] oder Abdämpfung des
Tons nachgeahmt werden kann.
Trauer und
Freude können im allgemeinen musikalisch
dargestellt, niemals aber kann z. B. die
Trauer um ein bestimmtes
Individuum
durch bloße
Töne fixiert werden.Händels Trauermusik auf den
Tod der
Prinzessin von
Wales ließe sich als
christliche
Passionsmusik gebrauchen. Auf der durchschnittlichen
Beschaffenheit der herrschenden Gefühle beruht das, was wir
das
Glück oder Unglück des
Lebens nennen; das Vorwiegen der körperlichen oder geistigen, insbesondere der reinen, Gefühle
entscheidet über dessen niedern oder höhern
Charakter.
im allgemeinen bedeutet den Mangel an
Gefühlen, Gemütlosigkeit insbesondere den Mangel an
Mitgefühl
(s. d.), der Herzlosigkeit heißt und bisweilen (beim Egoisten) vollständig,
während die Gefühllosigkeit niemals absolut, sondern das vorhandene
Gefühl entweder nur schwach oder auf einen kleinen
Kreis
[* 3] von
Objekten
(beim Egoisten auf sich selbst) eingeschränkt ist.
eine
Philosophie, welche sich, wie z. B. die
Philosophie F. H.
Jacobis (s. d.),
des
Gefühls statt des
Intellekts als Erkenntnisorgans bedient, um mittels desselben nicht nur in den
Besitz dessen, was schön
oder gut (praktische Gefühlsphilosophie), sondern auch dessen, was wahr oder wirklich ist (theoretische Gefühlsphilosophie, Gefühlsmetaphysik),
zu gelangen.
Venusbilder (im Besitz des Königs) und ein großes Altarbild: Madonna mit dem Kind, in der Kirche zu Wangen. Auch schuf er mehrere
treffliche Bildnisse. Gegenbaur stellte am liebsten das Zarte, Anmutige und Liebliche dar, wiewohl er auch Schlachtenbilder
malte. Er starb in Rom.
Unvergleichlicher Reichtum empirischer Kenntnisse wetteifert bei ihm mit der größten Klarheit der kausalen Erkenntnis der
Formerscheinungen und mit philosophischer Förderung der Erkenntnis ihrer allgemeinen Gesetze. Unter seinen zahlreichen Spezialarbeiten
sind am wichtigsten diejenigen über die vergleichende Anatomie der Wirbeltiere (namentlich die Schädel- und Gliedmaßentheorie).
In seinen »Grundzügen der vergleichenden Anatomie« (2. Aufl., Leipz. 1870) ist zum erstenmal die
Deszendenztheorie auf das ganze Gebiet ebenso kühn wie vorsichtig angewandt und damit helles Licht
[* 17] über eine große Zahl
bis dahin dunkelster Phänomene ausgegossen worden. Charakteristisch für Gegenbaur ist die außerordentliche Nüchternheit und Kälte
seiner Betrachtungen bei aller Hoheit des Gedankenflugs; niemals wird er Enthusiast. Er schrieb noch:
»Grundriß der vergleichenden Anatomie« (2. Aufl., Leipz. 1878),
im Bergwesen ein öffentliches Urkundenbuch, welches über die Besitzverhältnisse
der Gewerkschaften und sonstigen Bergwerkseigentümer amtliche Auskunft gibt;
im Geschäftsleben ein zur fortlaufenden Kontrolle
einer Kasse neben dem Hauptbuch zu führendes Journal oder sonstiges Geschäftsbuch.
Kaiser, welche dem regierenden Kaiser entgegengestellt wurden, um ihm die Herrschaft streitig zu machen,
sind in der römischen Kaiserzeit namentlich von den Prätorianern mehrfach aufgestellt worden. Sie starben jedoch
meistens
eines gewaltsamen Todes, ohne allgemeine Anerkennung gefunden zu haben. Im frühern DeutschenReich war der erste Gegenkaiser, richtiger
Gegenkönig, Rudolf vonSchwaben, welcher 1077 dem KaiserHeinrich IV. von den ihm feindlich gesinnten Fürsten
entgegengestellt ward, aber noch in demselben Jahr fiel. Seitdem Ruprecht von der Pfalz 1400 gegen Wenzel als Gegenkaiser aufgestellt
ward und letztern in der That verdrängte, ist die Aufstellung eines Gegenkaisers in Deutschland
[* 19] nicht mehr vorgekommen.
(Gegengift, Antidotum), Bezeichnung solcher Stoffe, welche, in unmittelbare Berührung mit den Giften gebracht,
diese chemisch umsetzen und unwirksam machen.
beim Bergbaubetrieb ein vom Schacht im Innern der Grube aus getriebener Stollen, welchem
in gleicher Richtung ein Stollen vom Tag aus entgegengetrieben wird;
man redet alsdann vom Stollenbetrieb mit Ort und Gegenort.
die Kontrollprobe bei Bestimmung des Metallgehalts in einem Erz oder in einer Legierung (z. B. bei Münzen).
[* 20] Die Blei-, Silber- und Kupfererze werden auf dem Oberharz durch einen Bergprobierer und einen Berggegenprobierer
auf ihren Metallgehalt untersucht und zwar von ersterm im Interesse der Gruben, von letzterm im Interesse der Hütten,
[* 21] welche
die Erze von jenen kaufen. - Bei Abstimmungen, deren Ergebnis ein zweifelhaftes ist oder doch genauer festgestellt werden soll,
ist Gegenprobe die umgekehrte Abstimmung, welche auf dem entgegengesetzten Weg wie bei der ersten Abstimmung dasselbe
Resultat wie diese ergeben muß. Läßt z. B. der Vorsitzende bei der ersten Abstimmung diejenigen aufstehen, welche für einen
Antrag sind, so daß diejenigen sitzen bleiben, welche gegen denselben stimmen, so läßt er nun umgekehrt bei der Gegenprobe diejenigen
aufstehen, welche gegen den Antrag sind, während diejenigen sitzen bleiben, die für diesen Antrag stimmen wollen.
Derartige Gegenproteste kommen namentlich bei
Wahlprotesten oder Wahlanfechtungen vor, um die Gründe, welche zur Kassation der Wahl führen sollen, zu widerlegen und die
Gültigkeit der letztern darzuthun.
nennt man die Bestrebungen, die im 16. Jahrh. zuerst in Spanien
[* 22] und dann in ganz Europa
[* 23] sich regten,
um die protestantische Reformation rückgängig zu machen. Einerseits wurde dabei die Reinigung und Herstellung
der aus dem
¶
Der WestfälischeFriede machte 1648 gesetzlich (wenn auch nicht thatsächlich) der gewaltthätigen in Deutschland ein Ende.
Das Ergebnis der Gegenreformation war eine beträchtliche Verstärkung der katholischen Kirche, welche das Gebiet in Europa wiedergewann,
das sie noch heutigestags behauptet, und ihre streng hierarchische Verfassung unter der absoluten Herrschaft des
Papsttums ausbildete.
Vgl. Pescheck, Geschichte der in Böhmen (Leipz. 1844, 2 Bde.);
(Contrastimulus), absichtliche Schmerzerregung in
einem Körperteil, um einen Reiz von einem andern abzulenken;
Gegenreizlehre oder Kontrastimulismus, von dem Italiener Rasori (daher auch Rasorismus) und von Brown (daher
Brownianismus) aufgestelltes medizinisches System.
(Oppositio) findet in der Logik zwischen Sätzen statt, wenn dieselben zwar beide unwahr, aber nicht beide
zugleich wahr sein können;
zwischen Begriffen dagegen, wenn sie sich weder miteinander zu einem Begriff noch in einem dritten
Begriff als dessen Merkmale vereinigen lassen.
Der Gegensatz ist kontradiktorisch, wenn nicht nur die Wahrheit
des einen Teils den andern falsch, sondern auch die Falschheit des einen den andern wahr macht;
konträr, wenn dagegen nur
das erstere der Fall ist.
in den reproduzierenden Künsten die Wiedergabe eines Gemäldes oder einer Zeichnung, wie sie sich im Spiegel
[* 46] darstellt, so daß die rechte Seite mit der linken vertauscht erscheint.
Auf diese Weise müssen die Zeichnungen
auf der Kupfer-, Holz-, Stein- oder Glasplatte ausgeführt sein, damit sie beim Abdruck das richtige Bild ergeben. Da sich die
Kopisten von alten Kupferstichen bisweilen nicht die Mühe gaben, die Zeichnung verkehrt anzufertigen, ist
der Abdruck von der Gegenseite oft das untrügliche Merkmal einer Kopie.
im Versicherungswesen, im Gegensatz insbesondere zur spekulativen Versicherungsunternehmung
durch Dritte (Aktiengesellschaften) solche Vereine, welche ihre eignen, von einer bestimmten Gefahr bedrohten Mitglieder gegen
die aus letzterer erwachsenden Schäden versichern. Versicherer und Versicherte sind hiernach ein und
dieselben Personen. Das Bestreben der Gegenseitigkeitsgesellschaften ist hiernach nicht auf Erzielung von Überschüssen
gerichtet, die von ihnen erhobenen Beiträge (Prämien) werden demgemäß so zu bemessen sein, daß sie nach Deckung der Verwaltungskosten
gerade ausreichen, die jeweiligen wirklichen Schäden zu begleichen.
Gewöhnlich werden feste Prämien im voraus erhoben. Waren die im Lauf desJahrs eingetretenen Verluste niedrig,
so finden Rückzahlungen statt, im entgegengesetzten Fall können Nachzahlungen und zwar bis zu einer im Statut bestimmten
Höhe eingefordert werden. Bei größern Gegenseitigkeitsgesellschaften, welche für die Prämienbemessung zutreffende
Durchschnittssätze in Anwendung bringen können, kommen solche Nachforderungen nur bei ganz ungewöhnlichen Ereignissen
(z. B. Brand von Hamburg
[* 47] im J. 1842) vor. Weiteres s. unter Versicherung.
(gegenüberstehend, oppositus), in der Botanik Bezeichnung derjenigen Stellung von Seitengliedern, insbesondere
von Blättern und Ästen, welche paarweise aus gleicher Höhe, aber an entgegengesetzten Seiten der Achse entspringen.
(lat. Kontrasignatur), die Mitunterschrift einer Verfügung des Staatsoberhauptes durch einen Minister
oder einen Staatsbeamten in Ministerstellung (Departementschef), welcher dadurch für den Inhalt jener Verfügung die Verantwortlichkeit
übernimmt. Auch in der konstitutionellen Monarchie ist der Monarch persönlich völlig unverantwortlich.
Der Volksvertretung gegenüber muß aber eine für die staatlichen Akte des Souveräns verantwortliche Person vorhanden sein,
wenn anders das Mitwirkungsrecht der Kammern bei der Gesetzgebung und ihre Kontrollbefugnis in Ansehung der Staatsverwaltung
gewahrt werden sollen.
Dies ist der Rechtsgrund der Ministerverantwortlichkeit, welche formell durch die Gegenzeichnung übernommen wird (s.
Minister). Durch die Gegenzeichnung wird jetzt der kontrasignierende Staatsbeamte den Kammern für die betreffende Verfügung des Inhabers
der Staatsgewalt verantwortlich, während früher die Kontrasignatur nur um deswillen üblich war, um die Authentizität der
landesherrlichen Unterschrift zu konstatieren. Durch die Gegenzeichnung werden indessen diejenigen Minister, welche an dem fraglichen Staatsakt
teilnahmen und welche aus irgend einem Grunde die Verfügung nicht gegenzeichneten, von der Verantwortlichkeit
für denselben nicht frei.
Insbesondere haftet der Chef eines Verwaltungszweigs für die Verfügungen in seinem Ressort, auch wenn er dieselben nicht kontrasignierte,
wofern sie nur in seine Amtsführung fallen. Keiner Gegenzeichnung bedarf es bei Akten landesherrlicher Machtvollkommenheit,
bei denen den Ständen keinerlei Mitwirkungsrecht zusteht, so bei Ausübung des militärischen Oberbefehls, bei der Verleihung
von Orden
[* 50] und Ehrenzeichen und bei Standeserhöhungen. Dagegen wird die Gegenzeichnung bei der Ausübung des Begnadigungsrechts und bei
der Ernennung von Staatsbeamten für nötig erachtet, namentlich auch bei der Ernennung von Staatsministern; doch ist
letzteres nicht unbestritten. Nach der deutschen Reichsverfassung (Art. 17) bedürfen die vom Kaiser im Namen des Reichs erlassenen
Anordnungen und Verfügungen der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.
nennt man den Lohn für höhere, qualifizierte Arbeiten, welcher auf Grund eines festen Dienstverhältnisses auf
längere Zeiträume ausgeworfen wird. Insbesondere bezeichnet man die festen Bezüge von Beamten und zwar vornehmlich wieder
der Staats- und Gemeindebeamten als Gehalt, während im Geschäftsleben, zumal da, wo das Dienstverhältnis ein jederzeit kündbares
ist, früher der AusdruckSalär allgemein üblich war und bei Gehalten von Offizieren und Schauspielern der AusdruckGage angewandt
wird. In einigen Ländern unterscheidet man zwischen Gehalt und Besoldung (s. d.). Letztere sind die festen Bezüge der mit Staatsdienereigenschaft
angestellten Personen (Beamten), Gehalte dagegen beziehen die Angestellten der Zivilstaatsverwaltung, welche mit
Ministerialdekret angestellt und daher auch pensionsberechtigt sind, und auch solche, welche eine Stelle ständig bekleiden,
ohne angestellt zu sein.
Dann nennt man Gehalte alle festen, nicht pensionsberechtigten Bezüge (Funktionsgehalte). Den Aktivitätsgehalt bezieht
der
Beamte, solange er im Dienst ist, einen Ruhegehalt oder Pension (s. d.), wenn er pensioniert wird oder »in
Pension geht«. Vorübergehend außer Thätigkeit gesetzte oder »zur
Disposition gestellte« Beamte erhalten statt des Gehalts ein Wartegeld, sie werden »auf Wartegeld gesetzt«. Die Bezüge, welche
Witwen und Waisen aus der Witwenkasse erhalten, bilden strenggenommen einen Teil der Vergütungen für die Leistungen des Beamten,
man spricht insofern auch von einem Witwen- und Waisengehalt (vgl. Pension).
ein Jagdrevier, auf welchem
einzelne Wildarten nur in geringer Anzahl oder gar nicht getötet, sondern vielmehr durch Fütterung etc.
erhalten und gepflegt werden;
ein mit jungem Holz
[* 53] bewachsener Bezirk, wo kein Vieh weiden darf, damit die jungen Pflanzen nicht
beschädigt werden, wird gewöhnlich mit an Stangen befestigten Strohwischen (Hegewischen) bezeichnet.
(Geheimkonto), ein nicht mehr viel gebräuchliches Geschäftsbuch, in welchem, um dem Geschäftspersonal
gewisse Thatsachen zu verheimlichen, ein Teil der Buchhaltung für sich gesondert von dem Prinzipal selbst
besorgt wird. Vgl. Buchhaltung, S. 565.
Gesellschaften.Gesellschaften und Vereine, die ihre Zwecke, Gebräuche und Mitgliederlisten mehr oder minder geheimhielten,
haben unter zivilisierten Völkern zu allen Zeiten bestanden. Bald flüchtete sich die Religion, bald die
Philosophie, bald die Politik einer aufdämmernden neuen Epochevor der Verfolgung in sie; bald waren sie eine abgeschlossene
Zunft vornehmerer und höher strebender Geister; bald auch bewahrten sie in neuer Zeit die Reste der vergangenen alten.
Die einen dienten dem Fortschritt, die andern dem Rückschritt; die einen wollten die Aufklärung und Veredelung
der Menschheit fördern, die andern verfolgten unlautere Zwecke; manche pflegten hinter dem Schleier des Geheimnisses nur die
Titelsucht und die Freude an stolz dahinrauschenden, aber inhaltleeren Phrasen und ebenso hohlen Symbolen und Zeremonien. Am
besten gediehen die politischen unter ihnen in despotisch regierten Ländern, und hier haben sie viel
Unheil angerichtet, aber wenig oder nichts genützt.
Von den ältesten geheimen Gesellschaften, den ägyptischen Priesterorden, den indischen Vereinen dieser Art, den jüdischen
Essäern, den Druiden der Gallier und der übrigen keltischen Völkerschaften, wissen wir wenig Sicheres. Fast ebensowenig glaubwürdige
Kunde ist uns von den Pythagoreern, den Orphikern und den verschiedenen MysterienGriechenlands aufbewahrt,
unter denen die in Eleusis gefeierten den Eingeweihten tröstliche Blicke in das Leben nach dem Tod eröffneten.
Auch über die geheimen Sekten, die das christliche und mohammedanische Mittelalter entstehen sah, sind wir wenig unterrichtet.
Die Tempelherren scheinen, als sie von der Kirche verfolgt wurden, im geheimen ketzerische Meinungen gehegt
und in wüsten Orgien ausgeprägt zu haben. Die Katharer waren Vorläufer der Zeit, welche die Reformation gebar. Einige Derwischorden
huldigten Ansichten, die aus dem Neuplatonismus stammten, andre pantheistischen Vorstellungen. Die noch jetzt bestehende Sekte
der Drusen
[* 54]
¶
mehr
pflanzt eine aus Ägypten
[* 56] stammende Lehre
[* 57] fort, in welcher die Seelenwanderung und eine Art Messiasidee die Hauptrollen spielen.
Sehr zahlreich und wahrscheinlich auch sehr alt sind die geheimen politischen und sozialen Verbindungen in China
[* 58] und dessen
Kolonien auf den indischen Inseln.
In großer Anzahl entstanden geheime Gesellschaften im 18. Jahrh., nachdem
im 17. schon die neuen Rosenkreuzer als Goldmacher, Geisterbanner und Besitzer des Steins derWeisen von sich reden gemacht hatten.
Durch das ganze 18. Jahrh., dieses Jahrhundert der Aufklärung, geht ein Zug,
der wie ein großer Widerspruch gegen den Geist desselben
aussieht, der Trieb zur Stiftung von Vereinen, welche das Dunkel suchten, und zum Anschluß an dieselben.
Unter den gebildeten Klassen herrschte das Bestreben, aus der religions- und poesielos gewordenen Zeit in Geheimbünde zu
fliehen, welche wie Schulen einer neuen Religion und eines neuen, poetisch verklärten Lebens aussahen.
Ferner aber fehlte jener Aufklärung vielfach der Boden, auf dem sie ihre Erkenntnis und ihre Grundsätze
verwirklichen, in der Praxis geltend machen konnte: der freie Staat und die Öffentlichkeit des gemeinen Wesens. Als jener Boden
in unserm Jahrhundert gegeben war, ein Staatsleben mit Selbstregierung sich zu entwickeln begann, Vereins- und Preßfreiheit
angebahnt wurde, hörten die Geheimbünde allmählich auf, Anziehungskraft auf die gebildete Welt zu üben,
und zuletzt sanken sie, wo sie sich überhaupt noch hielten, zu bloßen Klubs und Kasinos ohne wirklichen Inhalt herab.
Die bessern dieser geheimen Vereine, Gesellschaften und Orden waren also in der Zeit ihres Entstehens und ihrer ersten Entwickelung
keineswegs eine bloße Spielerei; sie fühlten sich als eine Notwendigkeit, als Ergänzung des gesamten
politischen, sozialen und religiösen Lebens, das durch ihre Arbeit geläutert und verbessert werden sollte. Daneben führten
freilich auch solche Bestrebungen, welche der Aufklärung und Befreiung der Menschheit diametral entgegenstanden, zur Stiftung
von Geheimbünden dieser Art, und anderseits benutzten Betrüger die Neigung der Zeit zu Mysterien, um durch
Gründung oder Umbildung solcher Genossenschaften ihre Zwecke zu fördern.
Namentlich im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts drangen häufig reaktionäre, phantastische und unreine Elemente in dieselben
ein, unter denen der Jesuitismus, nach der 1773 erfolgten Aufhebung des OrdensLoyolas heimlich fortlebend, eine Hauptrolle
spielte. Diese schlechten Elemente überwucherten rasch die guten, und gerade die Zeit, wo die Mysterien
in Deutschland scheinbar am stolzesten blühten, gerade die 80er Jahre sahen in Wirklichkeit ihren tiefsten Verfall.
Die Rosenkreuzer
gewannen Einfluß auf die Logen. Der Baron v. Hund stellte das System der strikten Observanz
auf, mit dem es auf die höhern Stände abgesehen war. Die sogen. Kölner
[* 62] Urkunde, angeblich 1535 verfaßt, führte zum Entstehen
der Templer, die der Maurerei ein romantisch-ritterliches Element beimischten und sie in einen vielgegliederten Orden verwandeln
sollten, welcher unter der Leitung auserwählter Meister und eines erlauchten Patriarchen nebelhaften Zwecken
zu dienen bestimmt war. In engster Beziehung zu den Jesuiten stand der lutherische Hofprediger Stark in Darmstadt,
[* 63] der in verschiedenen
geheimen Orden sein Wesen trieb und sich schließlich als Katholik entpuppte. So entstanden immer neue Formen ohne Inhalt oder
mit einem Inhalt, welcher dem eigentlichen Wesen der Freimaurerei widersprach, und so bildeten sich namentlich
die Systeme mit den sogen. Hochgraden aus. Erst spät trat eine Reaktion gegen diese Entwickelung ein, welche einen Teil der
Logen von dem in ihnen aufgehäuften Humbug säuberte und ihnen die ursprüngliche einfachere Gestalt wiedergab.
So viel von den humanitären Geheimbünden. Den Übergang zu den politischen zeigt uns der Orden der Illuminaten,
der in unklarer Weise auf Verwirklichung der Ideen hinarbeiten sollte, die durch die erste französische Revolution verwirklicht
wurden. Erst unter Napoleon begann die Bildung eigentlicher politischer Geheimbünde mit den demokratischen Philadelphen, die
namentlich in der französischen Armee viele Anhänger fanden. In Deutschland folgte der nur zum Teil geheime
Tugendbund, und in Italien
[* 64] entstanden die Venten der Karbonari, die sich auch über Frankreich verbreiteten.
Mehr oder minder radikale Ziele hatten darunter die Freimaurer und die Comuneros, die HohenTempler und die Isabellinos vor Augen;
dem Karlismus huldigten die Sonnenritter, gemäßigte Liberale waren die Jovellanisten. Auch in Portugal
fehlte es nicht an Geheimbünden mit politischer Tendenz, die sich, wie die Miguelisten, die Chartisten und die Septembristen,
in der Regel durch ihre Namen charakterisieren. Griechenland
[* 72] ferner hatte die 1814 zu Wien
[* 73] gegründete Hetärie, die für die
Befreiung von der Türkenherrschaft wirkte und auch unter den Rumänen verzweigt war.
Sehr groß war die Zahl der geheimen Verbindungen, die nacheinander unter den Polen den Versuch machten,
die revolutionären Kräfte zum Aufstand gegen Rußland zu organisieren und die Republik zu errichten. Kurz nach 1815 entstanden
die Wahren Polen; 1818 erhob sich die NationaleFreimaurerei, die besonders auf die Gewinnung von Offizieren und
Beamten ihr Augenmerk richtete, aber nach einigen Jahren an Uneinigkeit zu Grunde ging; 1821 bildete sich der Bund der Sensenträger,
der bald nachher den Namen der Patriotischen Gesellschaft annahm und sich dann mit dem masovischen Orden der Neuen Tempelritter
verband, der mit den drei untersten Graden der Freimaurerei noch einen vierten verband, in welchem die
Einzureihenden schwören mußten, alles, was in ihrer Macht stehe, zu thun, um das Land von den Fremden zu befreien.
Diese Geheimbünde haben dazu mitgewirkt, daß 1830 die Revolution ausbrach. Die nach dem Mißlingen des Aufstandes auswandernden
Polen setzten teilweise die alten geheimen Genossenschaften fort, teilweise schlossen sie sich an die französischen
Karbonari an, bis 1834 das JungePolen entstand, welches sich durch Emissäre von der Schweiz nach Russisch-Polen, dem Posenschen
und Galizien verbreitete und unter dem Adel und dessen Anhang eine große Menge Mitglieder warb.
Ein hervorragender Chef dieses geheimen Vereins war SimonKonarski, der in Litauen eine Anzahl Klubs stiftete,
aber 1838 von der russischen Polizei entdeckt und ein Jahr darauf zu Wilna
[* 74] hingerichtet wurde. Die Verschwörungen gingen aber
fort und führten wiederholt zu Aufständen, z. B. zu dem von 1862, der ganz Polen ohne Erfolg mit allerlei Greueln überschwemmte.
Noch 1872 wurde in Krakau
[* 75] und Lemberg
[* 76] von geheimen Verbindungen fleißig fortkonspiriert. Auch Rußland blieb
von der Krankheit der geheimen politischen Sekten nicht verschont.
Nach Beendigung der Feldzüge gegen Napoleon drangen die politischen Ideen Westeuropas namentlich in die Kreise
[* 77] der Offiziere
ein, und es entstanden Vereine, welche im stillen den Umsturz des bisherigen Regierungssystems anstrebten,
aber nur in den höhern Ständen Anhänger fanden. 1822 verbot die Regierung alle geheimen Gesellschaften mit Einschluß der
Freimaurerei. Dieses Verbot hielt AlexanderMurawjew nicht ab, den der Maurerei nachgebildeten Sicherheitsverein zu gründen.
Bald nachher entstand der Orden der RussischenRitter, der eine liberale Verfassung
anstrebte und dann mit der
Murawjewschen Gesellschaft zur Union für das öffentliche Wohl zusammenwuchs. Als Meinungsverschiedenheiten den Verein veranlaßten,
sich aufzulösen, trat an seine Stelle die Union derBojaren, deren Programm zuerst nur auf Verminderung der Gewalt des Kaisers
und Auflösung der Reichseinheit in eine Anzahl föderierter Kleinstaaten, zuletzt aber auf Ermordung des Zaren und
Ausrufung der Republik hinauslief.
Trotzdem kam es später wiederholt zu Verschwörungen ähnlicher Art, und noch 1838 wurde in Moskau
[* 82] eine
Fortsetzung der 1825 aufgehobenen Geheimbünde entdeckt. In der neuesten Zeit ist durch Bakunins Einwirkung in gewissen Schichten
Rußlands ein RadikalismusMode geworden, der bei der absoluten Negation aller Menschlichkeit angelangt ist. Aus ihm ging die
geheime Sekte der Nihilisten hervor, deren Programm sich kurz als Revolution um der Revolution willen und
Verwirklichung des universellen Kommunismus bezeichnen läßt.