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Gründung der Universität Halle, [* 2] an der Thomasius und Francke lehrten, ließ in Berlin [* 3] durch Schlüter und Eosander herrliche Kunstwerke errichten (das Denkmal seines Vaters, das Zeughaus, das Schloß), und die 1696 gestiftete Akademie der bildenden Künste sollte seine Residenz zu einem Mittelpunkt der Kunst machen; endlich zog er auf Veranlassung seiner geistvollen Gemahlin, der philosophischen Königin Sophie Charlotte, das größte Genie seiner Zeit, Leibniz, an seinen Hof [* 4] und gründete mit seinem Beirat und seiner Hilfe 1700 die Societät der Wissenschaften.
Aber alle diese Anstalten krankten bald an der Kärglichkeit der Mittel, die der Hof und die auswärtige Kriegführung ihnen übrigließen. Besonders seitdem Friedrich seinen frühern Erzieher, den Oberpräsidenten Dankelmann, 1697 wegen seines schroffen Auftretens gegen seine Gemahlin und ihn selbst in Ungnaden entlassen hatte, geriet er ganz in die Hände unwürdiger Günstlinge, welche seiner Eitelkeit und seiner Schwäche schmeichelten. Um die Kosten des Hofhalts zu bestreiten und sich selbst zu bereichern, griffen diese, an der Spitze Graf Kolb von Wartenberg und Graf Wittgenstein, zu den verderblichsten Mitteln: Domänen wurden verschleudert, ganz unvernünftige, ja lächerliche Steuern wurden eingeführt, viele Monopole errichtet.
Die Staatseinkünfte stiegen dadurch auf 4½ Mill. Thlr., reichten aber trotzdem nicht aus. So hinterließ Friedrich, als er, schon lange kränklich, starb, das junge Königreich inmitten gefährlicher Kriege finanziell zerrüttet, das Beamtentum durch ehrgeizige Parteiungen und Eigennutz verderbt, einzelne Lande, wie namentlich Preußen, [* 5] durch Unglücksfälle fast ruiniert. Er war dreimal vermählt, von 1679 bis 1683 mit der Prinzessin Elisabeth von Hessen-Kassel, die ihm eine Tochter, Luise, spätere Gemahlin des Landgrafen Friedrich von Kassel, [* 6] Königs von Schweden, [* 7] gebar, 1684-1705 mit Sophie Charlotte von Hannover, [* 8] von der ihn ein Sohn, König Friedrich Wilhelm I., überlebte; seine dritte Ehe mit einer mecklenburgischen Prinzessin (1708) war eine unglückliche, da diese, streng lutherisch, an dem religiös-freisinnigen Hofe von Gewissensbissen verfolgt in Schwermut und dann in Wahnsinn verfiel.
Vgl. Droysen, Geschichte der preußischen Politik, Bd. 4, Abt. 1 (2. Aufl., Leipz. 1872);
W. Hahn, [* 9] Friedrich, der erste König von Preußen (3. Aufl., Berl. 1876);
Ledebur, König Friedrich I. von Preußen (das. 1878);
Graf von Dohna, Mémoires originaux sur le règne et la cour de Frédéric I (das. 1833).
50) Friedrich Wilhelm I., König von Preußen, Sohn des vorigen und seiner zweiten Gemahlin, Sophie Charlotte, ward zu Berlin geboren. Als Knabe strotzte er von Gesundheit und Kraft, [* 10] zeigte aber schon unbändige Heftigkeit und starren Eigensinn. Die Erziehung, die ihm zuteil wurde, beseitigte weder diese Mängel, noch entwickelte sie seine geistigen Anlagen; er blieb geistig ungebildet und roh, bewahrte aber einen geraden, redlichen Charakter und einen klaren, nüchternen Verstand, der alles Schöne und Erhabene verachtete, um so schneller und schärfer aber das Richtige und Nützliche erkannte, das er nun mit unbeugsamer Willenskraft ausführte.
Mit Unwillen hatte Friedrich W. als Kronprinz die Günstlingswirtschaft am Hof seines Vaters angesehen. Die Entfernung Wartenbergs und Wittgensteins 1710 war seinem Einfluß zu danken. Seine Ideen konnte er indes erst nach seiner Thronbesteigung ausführen. Das Leichenbegängnis Friedrichs I. war das letzte Prachtfest. Der junge Fürst erklärte sich nunmehr für den Finanzminister und Feldmarschall des Königs von Preußen und ging sofort daran, der Verschwendung ein Ende zu machen: die Besoldungen der Hofbeamten verringerte er mit einem Federstrich von 250,000 auf 50,000 Thlr. Er betrachtete sich als von der Vorsehung zu seinem königlichen Amt berufen und nur Gott für die Verwaltung desselben zum Wohl seines Landes verantwortlich. Er widmete dieser Aufgabe alle seine Kräfte und handelte nach Recht und Gewissen, verlangte aber dafür von seinen Unterthanen unbedingten Gehorsam, sah sich als Herrn über ihr Eigentum, ihr Leben an, und überzeugt, daß er ja nur das Rechte, das Beste wolle, verfügte er darüber rücksichtslos.
Widerspruch und Widersetzlichkeit gegen seinen Willen reizten sein heftiges Temperament zu den gewaltthätigsten, ja grausamsten Handlungen. Das Hauptziel seiner staatsmännischen Thätigkeit war nun, Preußen unabhängig zu machen, indem er ein großes und tüchtiges Heer aufstellte und dasselbe allein aus Landesmitteln, nicht aus fremden Subsidien, wie seine Vorgänger, unterhielt. Durch unermüdliche Sorgfalt bis ins einzelne brachte er allmählich ein stehendes Heer von mehr als 80,000 Mann zusammen, vortrefflich bewaffnet und ausgerüstet und geschult wie keine Armee sonst, schuf ein tapferes Offizierkorps, das den ersten Stand im Staat bildete, dessen Glieder [* 11] der König alle selbst ernannte, und zu dem er sich auch rechnete, und regelte die Ergänzung der Armee teils durch Werbung, teils durch Rekrutierung aus Landeskindern, indem der Staat in verschiedene Kantone geteilt wurde, die den einzelnen Regimentern zugewiesen wurden.
Die Kosten dieser Armee betrugen gegen 6 Mill. Thlr. jährlich und konnten aus dem armen Land nur durch größte Sparsamkeit beschafft werden. Der König konzentrierte deshalb das gesamte Finanzwesen 1723 durch Errichtung des Generaldirektoriums, welches alle Staatseinkünfte einnahm und alle Ausgaben verfügte; für jedes Jahr mußte ein Voranschlag aufgestellt werden, welchen der König selbst genau prüfte, und von dem unter keinen Umständen abgegangen werden durfte.
Jede Unredlichkeit eines Beamten wurde auf strengste bestraft. Die Steuerkraft des Landes war der König ferner durch Hebung [* 12] des Wohlstandes zu vermehren bemüht. Überall drang er darauf, daß die wüsten Feldmarken, die verödeten Hofstellen wieder mit Bauern besetzt wurden, und zog zu diesem Zweck teilweise mit großen Geldopfern aus allen Ländern Kolonisten in seine Staaten. Bemerkenswert ist besonders die Ansiedelung von 17,000 Salzburger Protestanten in Ostpreußen [* 13] 1732. Mit einem Kostenaufwand von 6 Mill. Thlr. wurden allein in der Provinz Preußen, welche unter Friedrich I. durch eine Pest verheert worden war, 6 Städte und 332 Dörfer neu aufgebaut. In Handel und Industrie befolgte er das Merkantilsystem, doch hatten hier seine Zwangsmaßregeln nicht so sichtbaren Erfolg; nur die Tuchfabrikation begründete er von neuem in der Mark. Große Verdienste erwarb sich Friedrich W. um die Rechtspflege, deren Gang [* 14] er vereinfachte und beschleunigte, um auch den geringern Leuten den Rechtsweg zugänglich zu machen. In die Kriminalgerichtsbarkeit griff er oft selbst ein und änderte oder verschärfte aus eigner Machtvollkommenheit die Urteile; namentlich über Vergehen gegen das Eigentum verhängte er öfters grausame Strafen. Sein leidenschaftlicher Haß gegen das Unrecht, wie er es auffaßte, verleitete ihn oft zu übereilten und ungerechten Handlungen. Auch seine Polizeiverordnungen, welche in alles, selbst in das Privatleben der Unterthanen ¶
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eingriffen, hatten bei unleugbaren Vorteilen auch manche Nachteile im Gefolge. Obwohl selbst streng religiös, zeigte er sich den verschiedenen Konfessionen [* 16] gegenüber tolerant. Um das Volksschulwesen erwarb er sich große Verdienste; dagegen verachtete er alle höhere Wissenschaft und verhöhnte sie sogar, indem er seinen gelehrten Hofnarren Gundling zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften ernannte.
In der auswärtigen Politik bewies der König eine geringere Selbständigkeit und errang auch nur im Anfang seiner Regierung einige Erfolge. Zunächst trat er 1713 dem Utrechter Frieden bei und erlangte außer der Anerkennung der preußischen Königswürde das Herzogtum Obergeldern. Fast wider Willen wurde er in den Nordischen Krieg verwickelt. Damit dieser von den deutschen Besitzungen Schwedens fern gehalten werde, schloß er im Oktober 1713, im Einverständnis mit dem schwedischen Befehlshaber, mit Rußland und Polen einen Vertrag ab, wonach Preußen gegen Zahlung von 400,000 Thlr. Kriegskosten Pommern [* 17] bis zum Friedensschluß besetzen sollte.
Obwohl er sich bereit erklärte, gegen Rückerstattung dieser Summe das Land an Schweden zurückzugeben, verlangte Karl XII. nach seiner Rückkehr aus der Türkei [* 18] sofortige Räumung Pommerns ohne Entschädigung und schritt sogleich zur gewaltsamen Durchführung seiner Ansprüche. Nun sah sich Friedrich W. zur Kriegserklärung genötigt (1715), und sein Heer unter Leopold von Dessau [* 19] eroberte Rügen und Stralsund [* 20] und zwang Karl XII. zur Flucht nach Schweden. Im Frieden von Stockholm [* 21] trat Schweden gegen Zahlung von 2 Mill. Thlr. Vorpommern bis zur Peene an Preußen ab. Seitdem hat Friedrich W. keinen Krieg mehr geführt, nur während des polnischen Erbfolgekriegs ein Hilfskorps zum kaiserlichen Heer am Rhein geschickt. Er scheute sich, seine neuen Schöpfungen im Heer- und Staatswesen den Gefahren eines großen Kriegs auszusetzen und die aufs äußerste angestrengten Kräfte seines Landes vielleicht nutzlos zu erschöpfen.
Daher versäumte er es, die Bedeutung seiner Militärmacht inmitten der Hauptstaaten Europas zu seinem Vorteil auszubeuten; vielmehr schloß er sich unter dem Einfluß des kaiserlichen Gesandten Seckendorf, des vom Wiener Hof bestochenen Ministers Grumbkow und seines Freundes Leopold von Dessau ganz an den Kaiser an, als dessen getreuen Lehnsmann er sich als deutscher Fürst ansah, während er die Ausländer, namentlich die Franzosen, ingrimmig haßte. In den Verträgen mit Österreich [* 22] von Königs-Wusterhausen 1726 und Berlin 1728 erkannte er die Pragmatische Sanktion an und erhielt dafür die Erbfolge in Jülich und Berg zugesichert.
Darüber zerschlugen sich die mit dem englischen Hof verabredeten Heiraten seiner Kinder, was zu den ärgerlichsten Familienstreitigkeiten Anlaß gab, da die Königin diese Heiraten lebhaft gewünscht hatte; Österreich aber belohnte ihn nur mit Undank, indem es 1738 Jülich und Berg an Pfalz-Sulzbach versprach. Obwohl also Friedrich W. manche Gelegenheit zur Vermehrung seiner Macht versäumt hatte, so hatte er doch der Zukunft nichts vergeben, und ein Schatz von 9 Mill. Thlr. und ein großes, vortreffliches Heer setzten seinen Nachfolger in den Stand, seine Fehler wieder gut zu machen. Friedrich W. war vermählt mit Sophie Dorothea von Hannover, die ihm sechs Söhne und mehrere Töchter gebar.
Von den Söhnen überlebten ihn außer Friedrich II. Prinz August Wilhelm (1722-58), Prinz Heinrich (1726-1802) und Prinz Ferdinand (1730-1813); von den Töchtern heiratete Wilhelmine (1709-58) einen Markgrafen von Baireuth, [* 23] Luise Ulrike (1720-82) den König Adolf Friedrich von Schweden. Die Königin und die Kinder hatten unter des Königs Heftigkeit viel zu leiden, obwohl Friedrich W. auch als Familienvater die besten Absichten hatte und in den Tugenden der ehelichen Treue, der Einfachheit und Arbeitsamkeit seinen Unterthanen mit gutem Beispiel voranging.
Rastlos thätig, gönnte er sich nur zweierlei Erholungen: das berühmte Tabakskollegium und die Jagd. Er war von regelmäßiger, wiewohl nicht großer Gestalt, wurde aber bald übermäßig dick, litt schon früh am Podagra, und seine Lebensweise, die Strapazen, die er sich zumutete, steigerten das Übel zur Wassersucht, so daß er, erst 51 Jahre alt, starb.
Vgl. außer den (allerdings gehässigen) »Memoiren der Markgräfin Friederike Sophie Wilhelmine von Baireuth, 1706 bis 1742«: Friedrich Förster, Friedrich Wilhelm I. (Potsd. 1835, 3 Bde.);
dazu Urkundenbuch (1839, 2 Bde.);
Stadelmann, Friedrich Wilhelm in seiner Thätigkeit für die Landeskultur Preußens [* 24] (Leipz. 1878);
Droysen, Geschichte der preußischen Politik, Bd. 4, Abt. 2-4 (das. 1869-70).
51) Friedrich II., der Große, auch wohl der Einzige genannt, König von Preußen, Sohn des vorigen und der Königin Sophie Dorothea, ward zu Berlin geboren. Sein Vater wollte aus ihm einen Fürsten machen, ganz wie er selber war, und schrieb daher einen genauen Erziehungsplan vor, welcher die geistige Bildung auf wenige Gebiete beschränkte, namentlich die Litteratur, klassische wie moderne, völlig ausschloß. Der junge Prinz wollte sich diesem engherzigen System nicht fügen, trieb heimlich verbotene Studien und gewöhnte sich, auch in andern Dingen den Willen seines Vaters zu mißachten: er zeigte wenig Interesse für die militärischen Exerzitien, neigte zu Luxus und Verschwendung und machte erhebliche Schulden.
Der Streit wegen der englischen Heiraten, in dem der Kronprinz ganz auf der Seite seiner Mutter stand, weil sich ihm durch die Vermählung mit der Prinzessin Amalie eine Aussicht auf eine unabhängige Stellung als Statthalter Georgs II. in Hannover eröffnete, verbitterte das Verhältnis zwischen Vater und Sohn noch mehr. Der König, entschlossen, seinen Willen durchzusetzen, ließ sich endlich im Zorn zu den rohesten thätlichen Mißhandlungen auch in Gegenwart Fremder fortreißen, denen er sogar noch Hohn über des Sohnes Feigheit hinzufügte, daß er sich das gefallen lasse.
Dies brachte in dem Kronprinzen den Entschluß, nach England zu fliehen, zur Reife; indes der 1730 auf einer Reise in das Reich unternommene Versuch mißlang, und ein aufgefangener Brief Friedrichs an Katte enthüllte dem König den ganzen Plan. Dieser, aufs äußerste entrüstet, mißhandelte den Sohn aufs empörendste und setzte, nachdem er ihn vom Rhein nach der Mark als Gefangenen hatte transportieren lassen, ein Kriegsgericht ein, um ihn als Deserteur zum Tod verurteilen zu lassen; ihm war der Gedanke unerträglich, daß seine mühsamen Schöpfungen im Staats- und Heerwesen durch einen solchen Nachfolger wieder zu Grunde gehen sollten.
Indes das Kriegsgericht weigerte sich, über den Kronprinzen ein Urteil zu fällen, die fremden Höfe, auch der kaiserliche, verwendeten sich für das Leben Friedrichs, und so begnügte sich der König damit, ihn nach Küstrin [* 25] in strenge Haft zu schicken. Der schreckliche Vorfall übte auf Friedrich, der auf den Tod gefaßt gewesen, die nachhaltigsten Wirkungen. Er beschloß, zu beweisen, daß der preußische Staat in seinen Händen wohl aufgehoben sein werde, und widmete sich in Küstrin mit Ernst und Eifer der strengsten Arbeit. Diese Umkehr ¶
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verschaffte ihm einige Erleichterungen seiner Haft; er war schließlich bloß in Küstrin konsigniert, wo er an der dortigen Domänenkammer die preußische Staatsverwaltung kennen lernte und auch praktisch übte. Seine Unterwerfung unter den Willen des Vaters betreffs seiner Heirat mit der Prinzessin Elisabeth von Braunschweig [* 27] führte 1732 die völlige Versöhnung mit demselben herbei. Friedrich erhielt ein Regiment in Neu-Ruppin und später die Herrschaft Rheinsberg.
Hier verlebte der Kronprinz glückliche Jahre im Verkehr mit geistreichen Freunden, mit dem Studium der Philosophie und Litteratur beschäftigt und bereits selbst schriftstellerisch thätig, mit Voltaire Briefe wechselnd, während er zugleich seinen Dienst als Regimentskommandeur vortrefflich versah und für alle Verwaltungsangelegenheiten ein lebhaftes Interesse und Verständnis bewies, so daß sein Vater ihn als einen durchaus würdigen Nachfolger anerkannte und sein Werk vertrauensvoll in seine Hände legte.
Als Friedrich den Thron [* 28] bestieg, stand er in der Blüte [* 29] seiner Jahre, körperlich und geistig in der Fülle seiner Kraft. Im vollen Bewußtsein seiner königlichen Macht ergriff er die Zügel der Regierung, und wenn auch manche Maßregeln, wie die Abschaffung der Tortur, der Jagdplage, die Auflösung der Potsdamer Riesengarde, die Zurückberufung des Philosophen Wolf nach Halle u. a., bewiesen, daß er manche Härten und Fehler seines Vorgängers vermeiden, vor allem die geistigen Interessen nicht vernachlässigen wolle, so befolgte er doch im großen und ganzen bei der Verwaltung seines Staats die Grundsätze seines Vaters. Er betrachtete sich als den für alles verantwortlichen ersten Diener des Staats; deshalb regierte er vor allem selbst, bekümmerte sich um das Geringste, nahm alle Bitten und Beschwerden an und verlangte für seine Anordnungen und Befehle unbedingten Gehorsam.
Seine ungeheure Arbeitskraft machte ihm die Durchführung dieser Aufgabe möglich. In der Verwaltung sah er auf Sparsamkeit und Pünktlichkeit, in der Rechtspflege auf Schnelligkeit und Unparteilichkeit; die Beamten mußten arbeitsam und uneigennützig sein. Die stärkste Säule des Staats, das Heer, verstärkte er sofort um 16,000 Mann. Nach außen hin wollte er Preußen in stand setzen, als selbständige, unabhängige Macht aufzutreten. Neben einer starken Armee und guten Finanzen war eine Vergrößerung des Staatsgebiets hierzu notwendig, und Friedrich beschäftigte sich zuerst mit der jülichschen Erbfolgefrage, als der Tod Karls VI. seinen Ideen eine andre Richtung gab. Da Österreich selbst den Vertrag von Berlin gebrochen, war Friedrich zur Garantie der Pragmatischen Sanktion nicht verpflichtet, wollte aber der jungen Königin Maria Theresia gegen alle Mächte, welche ihr die Erbschaft streitig machen würden, mit seiner kriegsbereiten Armee zu Hilfe kommen, wenn diese ihm einen Teil Schlesiens, auf das Preußen überdies noch nicht erloschene Erbansprüche habe, abtreten werde.
Als der Wiener Hof aber dies Verlangen mit Entrüstung zurückwies und von Friedrich die Garantie der Pragmatischen Sanktion ohne jede Gegenleistung forderte, rückte Friedrich Mitte Dezember 1740 in Schlesien [* 30] ein (erster Schlesischer Krieg), eroberte es in wenigen Wochen und behauptete es durch die Siege bei Mollwitz und Chotusitz Um den unbequemsten Feind los zu werden, gab Maria Theresia ihre Zustimmung zur Abtretung Schlesiens, welche im Frieden zu Berlin förmlich stipuliert wurde. Da indes Österreich jetzt über seine übrigen Feinde entscheidende Siege erfocht, fürchtete Friedrich, daß Maria Theresia, die auf Schlesien noch nicht für immer verzichtet hatte, mit Übermacht ihn angreifen werde, und beschloß, dem zuvorzukommen. Er schloß 1744 ein neues Bündnis mit Frankreich und fiel als »Beschützer des Kaisers und der deutschen Freiheit« Ende August in Böhmen [* 31] ein (zweiter Schlesischer Krieg). Er eroberte Prag, [* 32] wurde aber durch eine überlegene österreichische Armee und durch das Bündnis Sachsens mit Maria Theresia im Winter gezwungen, Böhmen wieder zu räumen. Die Unthätigkeit der Franzosen und der Tod Karls VII., nach welchem Bayern [* 33] und die übrigen deutschen Fürsten mit Österreich Frieden machten, brachten Friedrich 1745 in große Gefahr, aus der er sich jedoch durch die Siege bei Hohenfriedberg (4. Juni) und bei Soor (30. Sept.), welche und den bei Kesselsdorf (15. Dez.), welchen Leopold von Dessau erfocht, rettete, und Österreich mußte im Frieden zu Dresden [* 34] zum zweitenmal auf Schlesien und Glatz [* 35] verzichten.
Nachdem indes der österreichische Erbfolgekrieg 1748 durch den Aachener Frieden beendet und die Pragmatische Sanktion von allen Mächten anerkannt worden, faßten Maria Theresia und ihr Minister Kaunitz sofort den Plan, durch eine neue Koalition Schlesien dem König von Preußen wieder zu entreißen und ihn durch Beschränkung seiner Macht auf die Marken und Hinterpommern für immer unschädlich zu machen. Zu diesem Zweck wurde nach 200jähriger Feindschaft 1756 mit Frankreich ein Bündnis geschlossen und mit Rußland über einen gemeinsamen Angriff auf Preußen verhandelt. Friedrich erhielt indes von Rußland aus davon Kunde und beschloß, dem zuvorzukommen, Österreich, bevor es völlig gerüstet war, niederzuschmettern und so die Koalition im Keim zu ersticken. Er fiel also Ende August 1756 in Sachsen [* 36] ein (dritter Schlesischer oder Siebenjähriger Krieg), um durch dasselbe in Böhmen einzudringen und womöglich vor oder in Wien [* 37] den Frieden zu diktieren.
Jedoch die Konzentration der sächsischen Armee im Lager [* 38] bei Pirna [* 39] hielt ihn auf. Er schlug zwar ein österreichisches Heer unter Browne, das den Sachsen zu Hilfe kommen wollte, 1. Okt. d. J. bei Lobositz und zwang diese 16. Okt. zur Kapitulation von Pirna. Indessen der böhmische Feldzug mußte aufs nächste Frühjahr verschoben werden. Nun aber bildete sich die gefürchtete Koalition zwischen Österreich, Rußland, Schweden, Frankreich und den bedeutendsten Reichsfürsten zur Vernichtung Preußens, und als der Einfall in Böhmen nach dem Sieg bei Prag mit der Niederlage von Kolin [* 40] (18. Juni) und einem verlustreichen Rückzug endete, fielen nun alle Feinde mit Übermacht über Friedrich her. Diesen hatte er nur die Kräfte seines Staats und die Hilfstruppen entgegenzustellen, welche seine wenigen Verbündeten, England-Hannover, Hessen-Kassel und Braunschweig, stellten. Zwar schlug er in den beiden ruhmvollen Schlachten [* 41] bei Roßbach [* 42] (5. Nov.) und bei Leuthen [* 43] (5. Dez.) die gefährlichsten Feinde zurück und versuchte 1758 noch einmal die Offensive. Als diese indes vor Olmütz [* 44] wiederum scheiterte, mußte er sich ganz auf die Verteidigung beschränken, und mehrere empfindliche Niederlagen, wie die bei Hochkirch [* 45] bei Kay und Kunersdorf [* 46] u. a., schienen seinen Untergang herbeiführen zu sollen. Wenn er sich trotzdem durch geschickte Operationen und glückliche Schlachten, wie bei Liegnitz [* 47] (15. Aug.) und bei Torgau [* 48] zu behaupten wußte, so waren doch Ende 1761 seine Kräfte an Geld und Menschen erschöpft und die Mehrzahl seiner Staaten in Feindeshand; auch England hatte sich nach Georgs II. Tod ¶
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und Pitts Sturz von ihm zurückgezogen; der Sieg seiner Feinde schien unvermeidlich: da rettete ihn die Thronbesteigung Peters III. in Rußland nach Elisabeths Tod im Januar 1762. Peter III. schloß nicht nur Frieden und räumte Preußen, sondern verbündete sich auch mit Friedrich, dem er ein Hilfskorps schickte. Nun fiel Schweden von der Koalition ab, Ende 1762 auch Frankreich, so daß es bloß mit Österreich und dem Reich zu thun hatte. Da Maria Theresia ebenfalls ihre Hilfsmittel erschöpft sah und Friedrich als Friedensbedingung nur Herstellung des Standes der Dinge vor dem Krieg forderte, so kam der Friede auf dieser Grundlage in Hubertsburg schnell zum Abschluß.
Preußen hatte sich gegen die bedeutendsten Mächte Europas in siebenjährigem Kampf behauptet, aber es blutete aus tausend Wunden, und der König sah sich deshalb nach einem Staat um, an dem er einen Rückhalt haben könne. Diesen fand er an dem von Katharina II. beherrschten Rußland, und um den Ehrgeiz der Kaiserin zu befriedigen, aber zugleich zu beschränken ohne Störung des Friedens, fand 1772 die erste Teilung Polens statt, das, nach außen ohnmächtig, im Innern zerrüttet, seit der Erhebung eines Günstlings der Katharina, Stanislaus Poniatowski, auf den Königsthron ganz unter russischem Einfluß stand und von dieser habsüchtigen Macht völlig verschlungen zu werden drohte. Friedrich erwarb in dieser Teilung Westpreußen ohne Danzig [* 50] und Thorn [* 51] sowie den Netzedistrikt, eine alte deutsche Kolonie, deren Besitz deshalb so wichtig war, weil sie Ostpreußen mit den Marken verband.
Auch sonst war Friedrich bemüht, den Frieden aufrecht zu erhalten und die Eroberungsgier der Nachbarn zu beschränken. Zu diesem Zweck begann er 1778 den bayrischen Erbfolgekrieg (s. d.) gegen Österreich, das, um seine Macht in Süddeutschland zu vergrößern, Bayern dem Kurfürsten Karl Theodor abkaufen wollte. Im Frieden von Teschen verzichtete Kaiser Joseph II. auf den Plan. Als er ihn ein paar Jahre später wieder aufnahm, nur daß der Kurfürst für Bayern jetzt Belgien [* 52] erhalten sollte, stiftete Friedrich 1785 zum Schutz der Rechte der Reichsfürsten, namentlich des Pfalzgrafen von Zweibrücken, [* 53] den Deutschen Fürstenbund. So hatte Friedrich seinen Staat nicht nur um zwei Provinzen, zu denen seit 1744 auch Ostfriesland kam, vergrößert, so daß er nun 190,000 qkm und 6 Mill. Einw. zählte, sondern auch eine beherrschende Stellung als Wächter des Friedens und der Freiheit Europas errungen.
Nicht weniger segensreich war seine Verwaltung des Staats, wenn auch durch den verheerenden Siebenjährigen Krieg seine Bemühungen unterbrochen und die Erfolge teilweise verkümmert worden sind. Seine Hauptthätigkeit wendete er, wie sein Vater, auf die Armee, die am Ende seiner Regierung 200,000 Mann stark war. Besonders verbesserte er die Reiterei und die Artillerie. Jedes Jahr besichtigte er auf seinen Reisen einen Teil der Truppen, und hierbei wie bei den Manövern schritt er mit rücksichtsloser Strenge gegen unfähige Befehlshaber ein.
Überhaupt stellte er an das Offizierkorps hohe Anforderungen, bevorzugte es indes vor den übrigen Beamten und suchte sein Standesgefühl zu heben, indem er vorzugsweise Adlige zu Offizieren ernannte. Der Dienst und die Disziplin im Heer waren hart, aber diese Härte notwendig, da ein großer Teil der Soldaten aus Angeworbenen bestand. Die Unterhaltung der Truppen verschlang trotz aller Sparsamkeit bei weitem den größten Teil der schon 1750 auf 12 Mill. gestiegenen Einnahmen. Friedrich suchte deshalb auf alle Weise den Wohlstand des Landes zu heben.
Zunächst den Ackerbau: er legte Kolonien an, die er mit Einwanderern besetzte, schuf das sumpfige Oderbruch zu einem fruchtbaren Ackerland um, ordnete die Anpflanzung von Obstbäumen, den Bau von Kartoffeln etc. an, ermäßigte die Fronlasten der Bauern und suchte diese vor Gewaltthätigkeiten ihrer Herren zu schützen; aber ihre Erbunterthänigkeit hob er nicht auf, da er eine strenge Scheidung und Unterordnung der Stände für notwendig hielt. Nach Kräften war er bemüht, neue Gewerbe in seinem Staat heimisch zu machen, wie die Zuckersiederei, die Baumwollspinnerei und Weberei, [* 54] die Porzellanfabrikation, die Seidenmanufaktur; zum Besten des Handels errichtete er in Berlin die Bank und die Seehandlung. In 20 Jahren, von 1763 bis 1783, hat Friedrich 40 Mill. Thlr. für Beförderung des Handels, der Gewerbe und des Ackerbaues ausgegeben.
Auf der andere Seite verleitete ihn die Theorie des Merkantilsystems auch zu Irrtümern wie die Einführung der Regie 1766. Um von dem Verbrauch von Waren, die in Preußen nicht erzeugt werden konnten, für den Staat recht viel Nutzen zuziehen, wurden sie mit sehr hohen Eingangszöllen belegt, ja Kaffee und Tabak [* 55] monopolisiert. Französische Beamte wurden berufen, um die Erhebung der Zölle einzurichten und zu kontrollieren, und diese machten die Regie durch ihre Schikanen und Betrügereien aufs äußerste verhaßt.
Augenblicklich hatte der Staat allerdings beträchtlich vermehrte Einkünfte, aber Handel und Verkehr litten außerordentlich. In die kirchlichen Angelegenheiten mischte sich Friedrich sowenig wie möglich ein, dagegen bekümmerte er sich sehr um die Rechtspflege; er betrachtete sich als Anwalt der Armen und Gedrückten und wollte jeder Zurücksetzung derselben vorbeugen. Seine Achtung vor dem Recht auch des geringsten Unterthanen war weit berühmt, aber sein Mißtrauen gegen die Vornehmen und die Richter ging auch mitunter zu weit und verführte ihn zu den ungerechtesten Gewaltthaten, wie namentlich in dem Fall des Müllers Arnold (s. Arnoldscher Prozeß). 1747 erschien eine neue Gerichtsordnung, der Codex Fridericianus, der den preußischen Richterstand begründet hat. Ein dauerndes Denkmal seiner Fürsorge für die Rechtspflege ist das »Allgemeine preußische Landrecht«, das, vom Großkanzler Carmer ausgearbeitet, indes erst nach Friedrichs Tod zum Abschluß kam und 1794 in Kraft trat. Es ist das erste deutsche Gesetzbuch, welches die beiden Rechtssysteme, das deutsche und das römische, verschmolz und aus dem auf Vernunft gegründeten Naturrecht ergänzte.
Bei dieser großartigen Thätigkeit im Heerwesen und in der Verwaltung vernachlässigte Friedrich auch die geistigen Interessen nicht. Von dem Zeitpunkt seiner geistigen Selbständigkeit ab hat Friedrich unablässig danach gestrebt, in religiösen und politischen Fragen zur Klarheit durchzudringen. In beiden befreite er sich mit einer für seine Zeit und seine Umgebung bemerkenswerten Kühnheit von allen Vorurteilen und suchte seine Ansichten auf das natürliche Recht und die Vernunft zu begründen. Er hat den Ideen der Aufklärungsphilosophie, welche in England und Frankreich ausgebildet worden und in Deutschland [* 56] in Thomasius, Leibniz und Wolf glänzende, erfolgreiche Vertreter gefunden hatten, großen Vorschub geleistet und ihnen namentlich in der Beamtenwelt zur Herrschaft verholfen. Wolfs Schriften führten ihn in die Philosophie ein, später schloß er sich mehr an Locke und Voltaire an. Wie diese, war er Deist, d. h. auf Grund der Erkenntnis seiner Vernunft vom Dasein einer höchsten, bewußten Endursache überzeugt, hielt er das ¶
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Dasein und die Persönlichkeit Gottes für unumstößliche Gewißheit; dagegen leugnete er die Unsterblichkeit der Seele, und die »Epître au maréchal Keith« setzt den Hauptwert der Tugend darein, daß sie um ihrer selbst, nicht um künftiger Belohnung willen geübt werde. Die Glaubenslehre der bestehenden christlichen Kirchen erklärte er für Entstellung der ursprünglichen Reinheit des Christentums, dessen Sittenlehre ihm als ewig gültig und unangreifbar galt. So hoch und rein Friedrich von den sittlichen Pflichten des Menschen dachte, so erhaben erschien ihm auch das Wesen des fürstlichen Berufs. Seine erste politische Schrift, die »Considérations sur l'état du corps politique de l'Europe«, mahnt die Fürsten energisch an ihre Pflicht, für das Glück ihrer Völker zu sorgen, denen sie ihre Erhebung verdanken. Der 1739 geschriebene »Antimachiavel, ou Examen du prince de Machiavel« (neuerlich übersetzt von Förster, Leipz. 1870) geht allerdings von der irrtümlichen Voraussetzung aus, daß Machiavelli ein »moralisches Ungeheuer« gewesen, geißelte aber mit Recht das Unwesen des damaligen Fürstentums und enthält den berühmten Satz, der Friedrichs Leitstern während seiner ganzen Regierung gewesen: »Der Fürst ist nicht der unumschränkte Herr, sondern nur der erste Diener seines Volkes«. Ähnliche Gedanken enthalten der »Miroir des princes« (1744),
die »Mémoires pour servir à l'histoire de la maison de Brandebourg« (1751),
endlich der »Essai sur les formes du gouvernement et sur les devoirs des souverains« (1777). Überzeugt von dem volkstümlichen Ursprung der Regierungsgewalt, erklärte er sogar die republikanische Staatsform für durchaus berechtigt und eine verfassungsmäßige Volksvertretung wie das englische Parlament für die weiseste Einrichtung. Die Denk- und Gewissensfreiheit hat in seinem Staat fest begründet, so daß Preußen der Hauptsitz der deutschen Aufklärung und die Wiege der kritischen Philosophie wurde.
Die politische Freiheit zu begründen, hat Friedrich spätern Generationen überlassen, da er durchgreifende Reformen nur durch unumschränkte Fürstengewalt für möglich und sein Volk für politische Thätigkeit nicht für reif erachtete. Friedrich hat auch mehrere hervorragende geschichtliche Werke geschrieben: außer den schon erwähnten »Mémoires de Brandebourg« die »Histoire de la guerre de sept ans«;
»Mémoires, depuis la paix de Hubertsbourg 1763 jusqu'à la fin du partage de la Pologne«;
»Mémoires de la guerre de 1778«;
»Histoire de mon temps« (neue Ausg. in den »Publikationen aus preußischen Archiven«, Bd. 4, Leipz. 1879);
»Réflexions sur les talents militaires et sur le caractère de Charles XII«.
Eine neue Ausgabe seiner geschichtlichen Werke erschien unter dem Titel: »Frédéric le Grand, œuvres historiques choisies« (Leipz. 1873 ff.). Sein Briefwechsel ist ausgebreitet gewesen und sehr reichhaltig, besonders der mit seinem Bruder, dem Prinzen Heinrich, mit Voltaire, Duhan de Jandun, d'Argens u. a. Seine politische Korrespondenz wird jetzt im Auftrag der preußischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben (bis jetzt 13 Bde., Berl. 1878-86); ebenso »Staatsschriften aus der Zeit Friedrichs d. Gr.« (Bd. 1 u. 2, 1878-86). Seine militärischen Schriften, Instruktionen u. dgl. sind außerordentlich zahlreich.
Auch eine Sammlung seiner Gedichte erschien noch bei seinen Lebzeiten (»Œuvres ou poésies diverses du philosophe de Sans-souci«). Seine sämtlichen Werke sind in zwei Prachtausgaben (Berl. 1846-57, 31 Bde.) von der Berliner [* 58] Akademie unter Leitung von Preuß herausgegeben worden; neuerdings erscheint auch eine neue Übersetzung ausgewählter Werke Friedrichs von H. Merkens in Würzburg [* 59] 1873 ff., eine andre Berlin 1874, 2 Bde. Seine Schriften sind alle französisch geschrieben; die deutsche Litteratur hielt er keiner Beachtung für würdig und einen Aufschwung für unmöglich. Trotzdem hat gerade Friedrich zu diesem bedeutend beigetragen durch den mächtigen Eindruck seiner Persönlichkeit und seines Heldenkampfes und durch seine Verdienste um die geistige Befreiung des deutschen Volkes.
Eine so vielseitige Thätigkeit war nur möglich bei außergewöhnlicher Arbeitskraft und peinlicher Ausnutzung der Zeit. Bis in sein spätestes Alter widmete er den ganzen Tag vom frühen Morgen an den Geschäften. Vor dem Siebenjährigen Krieg liebte er auch Geselligkeit, namentlich geistvoller Franzosen; auch Voltaire war mehrere Jahre an seinem Hof. Jeden Tag war Konzert, in dem Friedrich selbst die Flöte spielte. Nach dem Krieg konnte er die Abendgesellschaften nicht mehr vertragen; er zog sich mehr und mehr in die Einsamkeit zurück und ging ganz in der Erfüllung seiner Pflichten auf. In dieser letzten Zeit steigerten sich manche Schwächen: seine Sparsamkeit (er brauchte für seinen ganzen Hofstaat nur 200,000 Thlr. jährlich) artete in Geiz aus, seine Strenge oft in willkürliche Härte, seine Vereinsamung steigerte in ihm die Menschenverachtung. In seiner nächsten Umgebung war er deshalb nicht mehr beliebt, desto mehr bei seinem Volk, und der Ruhm seiner Herrscherthätigkeit war über die ganze Welt verbreitet.
Den großen König, Potsdam, [* 60] namentlich sein Schloß Sanssouci, endlich die unbesiegbare preußische Armee zu sehen, wallfahrten viele Fremde nach der bis dahin kaum bekannten Mark. Und noch jetzt bricht sich die Erkenntnis von Friedrichs Verdiensten immer mehr Bahn, namentlich daß nicht bloß das preußische, sondern auch das deutsche Volk ihm die Wiedererweckung nationalen Selbstbewußtseins und opferfreudiger Vaterlandsliebe verdanken. Friedrich litt wie seine Vorfahren schon früh an Gicht, die mit jedem Jahr schlimmer wurde und zuletzt in Wassersucht überging, an der er in Sanssouci starb.
Seine Ehe mit Elisabeth von Braunschweig (s. Elisabeth 8) war kinderlos geblieben. Seine charakteristischen, geistvollen Züge, seine einfache, aber originelle Erscheinung sind in zahllosen Porträten und Denkmälern verewigt; von letztern ist das großartigste das Reiterstandbild von Rauch in Berlin (seit 1851; s. Tafel »Bildhauerkunst [* 61] VIII«, [* 62] Fig. 3); 1847 wurde seine Reiterstatue von Kiß vor dem Stadthaus zu Breslau, [* 63] 1877 ein Standbild Friedrichs von Siemering in Marienburg [* 64] enthüllt.
Eine würdige Geschichte seines Lebens und seiner Regierung gibt es noch nicht, nur einige tüchtige Vorarbeiten. Von Gesamtdarstellungen sind zu nennen: Preuß, Friedrich d. Gr. Eine Lebensgeschichte (Berl. 1832-34, 4 Bde. mit 5 Tln. Urkunden);
Carlyle, History of Frederick II. (Lond. 1858-65 u. ö., 6 Bde.; deutsch, Berl. 1858-69, 6 Bde.);
Droysen, Geschichte der preußischen Politik, 5. Teil: Friedrich d. Gr. (Leipz. 1874-85, 4 Bde., bis 1756 reichend).
Vom entgegengesetzten Standpunkt aus ist Friedrich beurteilt von O. Klopp ( Friedrich II. von Preußen und die deutsche Nation«, 2. Aufl., Schaffh. 1867). Sehr verbreitet ist auch Kuglers »Geschichte Friedrichs d. Gr.«, mit den berühmten Holzschnitten von A. Menzel (neue Ausg., Leipz. 1875).
Vgl. ferner Gottschalk, Die Feldzüge Friedrichs d. Gr. im Siebenjährigen Krieg (2. Aufl., Leipz. 1879);
Duncker, Aus der Zeit Friedrichs d. Gr. etc. (Berl. 1876);
v. Bernhardi, Friedrich d. Gr. als Feldherr (das. 1881, 2 Bde.);
Cauer, Zur Geschichte und Charakteristik Friedrichs d. Gr. ¶
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(Bresl. 1883);
»Miszellaneen zur Geschichte König Friedrichs d. Gr.« (Berl. 1878);
Bratuscheck, Die Erziehung Friedrichs d. Gr. (das. 1885);
»Friedrich d. Gr., Denkwürdigkeiten seines Lebens« (Leipz. 1886, 2 Bde.);
Behaim-Schwarzbach, Hohenzollernsche Kolonisationen (das. 1874);
Stadelmann, Friedrich d. Gr. in seiner Thätigkeit für den Landbau Preußens (Berl. 1876),
und dessen größeres Werk in den »Publikationen aus den königlich preußischen Staatsarchiven«, Bd. 11 (Leipz. 1882).
52) Friedrich Wilhelm II., König von Preußen, Sohn von Friedrichs II. ältestem Bruder, August Wilhelm, geb. wurde 1758 nach seines Vaters Tode, da Friedrichs II. Ehe kinderlos war, als Prinz von Preußen zum Nachfolger designiert. Schon früh zeigten sich seine Neigung zu sinnlichen Ausschweifungen und seine Unfähigkeit zu angestrengter Thätigkeit, weswegen Friedrich II. auch nicht viel von ihm hielt. Seine Gutmütigkeit machte ihn indes beliebt, und als er, 42 Jahre alt, den Thron bestieg und einige drückende Einrichtungen seines Vorgängers, die Regie und die Monopole, abschaffte, viele Härten milderte und einige Ungerechtigkeiten wieder gutmachte, wurde er sogar populär.
Indes bald schlug die Stimmung um. Friedrich II. hatte seinem Nachfolger eine schwierige Aufgabe hinterlassen: entweder mußte er mit gleichem Genie und derselben Arbeitskraft den Staat allein lenken, oder durch freiheitliche Institutionen neue Kräfte entfesseln und das gesamte Volk zur thätigen Teilnahme am Staatswesen heranziehen. Keins von beiden vermochte Friedrich W. zu leisten. Er ließ nicht nur die Staatsmaschine gehen, wie sie ging, sondern verfiel in der innern wie äußern Politik in Schwankungen und offenbare Fehler, indem er sich von schmeichlerischen Günstlingen, wie Wöllner und Bischoffwerder, beherrschen und oft von seinen vernünftigen Absichten abbringen ließ.
Besonders das Zensur- und das Religionsedikt, beide 1788 erlassen, riefen heftigen Widerspruch hervor. Diese Schwäche war um so verhängnisvoller, als die gleichzeitigen Ereignisse mehr als jemals eine einsichtige und entschlossene Staatsleitung verlangten. Anfangs zeigte sich das Ansehen Preußens so stark, daß Friedrich W. leichte Erfolge errang, wie 1787 bei seiner Intervention in Holland; diese aus bloßem Familieninteresse begonnene Unternehmung wurde übrigens nicht zum Vorteil des Staats ausgebeutet, aus unzeitiger Großmut erließ Friedrich W. dem besiegten, wehrlosen Holland sogar die Kriegskosten, und der ohne Schwertstreich erfochtene Sieg steigerte nur den verhängnisvollen Dünkel der Armee.
Indes schon der auf Hertzbergs Rat unternommene Versuch, den Krieg Österreichs und Rußlands gegen die Türkei zu einer Machtvergrößerung Preußens zu benutzen, blieb wegen des Königs Ungeduld und selbstgefälliger Großmut erfolglos; der Vertrag von Reichenbach [* 66] 1790 befreite vielmehr Leopold II. von einem lästigen Türkenkrieg. Hertzbergs Entlassung 1791 beseitigte den letzten Vertreter Fridericianischen Geistes aus Friedrich Wilhelms Umgebung. Bischoffwerder betrieb nun immer eifriger den Anschluß an Österreich.
Die Zusammenkunft des Königs mit Leopold in Pillnitz führte zu einer gemeinschaftlichen Erklärung für die Sache Ludwigs XVI. vom und zu einem förmlichen Bündnis Die französische Kriegserklärung beschleunigte den Ausbruch der Feindseligkeiten. Der erste Feldzug 1792, dem der König selbst beiwohnte, ohne jedoch den Oberbefehl zu führen, endete mit der Kanonade von Valmy und mit dem verlustreichen Rückzug aus Frankreich. Auch an dem Feldzug von 1793, in dem Mainz [* 67] wiedererobert und der Sieg von Pirmasens erfochten wurde, nahm der König persönlich teil.
Aber die Uneinigkeit der Verbündeten lähmte alle Unternehmungen, und Geldnot zwang den König, der den Krieg gegen die Revolution noch nicht aufgeben wollte, erst zu dem wenig ehrenvollen Subsidienvertrag mit den Seemächten vom dann doch zum Baseler Frieden vom Das ganze Interesse Friedrich Wilhelms war nämlich auf Polen gerichtet. Hier hatten einsichtsvolle Patrioten 1791 unter Preußens Zustimmung eine neue Verfassung zu stande gebracht, welche den Staat regenerieren sollte.
Russischer Einfluß veranlaßte indes eine Partei des Adels zu einer Konföderation dagegen, zu deren gunsten russische Truppen in Polen einrückten. Jetzt (Januar 1793) ließ auch Friedrich W. eine preußische Armee die polnische Grenze überschreiten, aber nicht um die Verfassung zu schützen, sondern um sich einen Anteil an der Beute zu sichern, über den er sich in der zweiten Teilung Polens mit Rußland verständigt hatte. Als die Polen sich 1794 empörten, rückten Russen und Preußen zu gleicher Zeit ein. Friedrich W. befehligte die letztern selbst und errang auch anfangs Erfolge; schließlich kamen aber die Russen mit der Eroberung Warschaus zuvor, und Katharina stellte 1795 die Bedingungen der letzten Teilung nach ihren Wünschen auf.
Preußen erhielt Neu-Ostpreußen mit Warschau. [* 68] Da 1791 auch Ansbach [* 69] und Baireuth an Preußen gefallen waren, so war dies auf 320,000 qkm mit 8,700,000 Einw. gewachsen. Aber die Finanzen waren gänzlich zerrüttet. Der Staatsschatz Friedrichs II. (wenigstens 50 Mill.) war verbraucht und 48 Mill. Schulden gemacht. Die Günstlings- und Mätressenwirtschaft des Königs wirkte nach allen Richtungen hin aufs nachteiligste;
seine anerkannte Mätresse war Mad. Rietz, Gräfin Lichtenau;
außerdem hat sich der König zweimal mit adligen Damen, Frl. v. Voß und Gräfin Dönhoff, morganatisch trauen lassen;
die Nachkommen der letztern sind die Grafen Brandenburg. [* 70]
Die Staatsgüter in den neuerworbenen Provinzen wurden auf das gewissenloseste verschleudert. Die Verwaltung zeigte nicht mehr die alte Spannkraft, die Armee verfiel, drückende Steuern belasteten das Volk, selbst das Tabaksmonopol wurde 1797 wieder eingeführt. So hinterließ Friedrich den Staat, als er an der Brustwassersucht starb. Er war zuerst mit Elisabeth von Braunschweig (gest. 1840 in Stettin) [* 71] und nach gerichtlicher Trennung dieser Ehe 1769 mit der Prinzessin Friederike Luise von Hessen-Darmstadt vermählt, die ihm vier Söhne: Friedrich Wilhelm (III.), Ludwig (gest. 1796), Heinrich und Wilhelm, und zwei Töchter: Wilhelmine, Gemahlin des spätern Königs Wilhelm I. der Niederlande, [* 72] und Auguste, Gemahlin des Kurfürsten Wilhelm II. von Hessen, [* 73] gebar.
Vgl. Friedrich v. Cölln, Vertraute Briefe über die innern Verhältnisse am preußischen Hof seit dem Tod Friedrichs II. (Amsterd. u. Köln [* 74] 1807-1809, 3 Bde.);
Cosmar, Leben und Thaten Friedrich Wilhelms II. (Berl. 1798);
Philippson, Geschichte des preußischen Staats vom Tod Friedrichs d. Gr. (Leipz. 1880 ff.);
Stadelmann, Preußens Könige in ihrer Thätigkeit für die Landeskultur, Bd. 3: »Friedrich Wilhelm II.« (das. 1885).
53) Friedrich Wilhelm III., König von Preußen, ältester Sohn des vorigen und der Prinzessin Friederike Luise von Hessen-Darmstadt, ward geboren und als dereinstiger Thronfolger unter Friedrichs II. Aufsicht erzogen. Seine Erziehung war aber eine ¶