derts errichtet. Von den Befestigungen des Mittelalters haben sich nur der Eschenheimer Thor-Turm (1400-1427 erbaut, 49 m hoch),
der Rententurm am Fahrthor (gleichzeitig) und in Sachsenhausen der sogen. Kuhhirtenturm erhalten. Die gartenreiche Außenstadt
ist seit 1864 mit der Innenstadt vereinigt. 1877 wurde das ehemalige frankfurtische Dorf Bornheim mit etwa 11,000
Einw. der Stadt als Stadtteil einverleibt. Mit der benachbarten (ehemals kurhessischen) Stadt
Bockenheim (s. d.), früher 2 km von Frankfurts Thoren entfernt, ist Frankfurt völlig zusammengewachsen.
Nächst Hamburg ist Frankfurt die erste deutsche Stadt gewesen, welche nach dem Schwemmsystem kanalisiert wurde. Die 1866 begonnenen
Arbeiten sind bis auf einen kleinen Teil der Niederstadt vollendet. Die Quellwasserleitung (1873
eröffnet, seit 1877 städtisch) führt Wasser aus dem Vogelsberg und dem Spessart herbei. Neuerdings liefert auch eine Grundwasserleitung
aus dem Frankfurter Stadtwald gutes Trinkwasser, während eine Mainwasserleitung die Hydranten für Feuerlöschzwecke und Straßenbesprengung
speist.
[Straßen, Plätze, Denkmäler.]
Die Zahl der bebauten Straßen und Plätze beträgt 510. Die Altstadt besitzt
noch zahlreiche enge Gassen und vorherrschend Fachwerkbauten und ist vornehmlich Sitz des Handwerks und des Kleinverkehrs.
Die Neustadt ist der Hauptsitz des Geldmarktes, der Luxusgeschäfte und des Fremdenverkehrs. Ihre Hauptverkehrsader ist die
Linie Zeil - Roßmarkt - Kaiserstraße, letztere mit ihren imposanten Bauten (unter andern auch der Frankfurter
Hof, ein Aktienhotel) die Hauptstraße des neuen, seit 1872 entstandenen Stadtteils vor den Westbahnhöfen.
Die bedeutendsten Plätze der Altstadt sind: der Römerberg, dessen Springbrunnen (mit einer Justitia) einer Erneuerung entgegensieht,
der Paulsplatz (hinter dem Römer) u. der Liebfrauenberg. Die Neustadt weist außer dem Roßmarkt (mit dem Gutenbergdenkmal
von E. von der Launitz, 1858 vollendet) und dem anliegenden Goetheplatz (mit Schwanthalers Goethestatue von 1844) noch den
Schillerplatz (mit Statue von Joh. Dielmann, modelliert 1863), den Kaiserplatz (mit Granitschale, Geschenk des Barons von Erlanger),
Theaterplatz, Börsenplatz und Opernplatz auf.
Von den mit Vorgärten besetzten Straßen der Außenstadt sind die Bockenheimer Landstraße und die Liebigstraße
die bemerkenswertesten. Die Anlagen sind mit einer Anzahl Weiher und Springbrunnen und einigen Denkmälern berühmter Frankfurter
(so Börne, Bethmann, Senckenberg) geziert. Am Friedberger Thor befindet sich das sogen. Hessendenkmal, vom König Friedrich Wilhelm
II. von Preußen den beim Sturm auf das von Franzosen besetzte Frankfurt gefallenen hessischen Truppen errichtet.
In der Nähe in einem Pavillon im v. Bethmannschen Garten befinden sich die berühmte Danneckersche Ariadne auf Naxos in Marmor
und sehenswerte Gipsabgüsse. Das Denkmal für die 1870/71 gefallenen Frankfurter Krieger ist auf dem parkartigen ehemaligen
Peterskirchhof (in der Stadt). Die Friedhöfe in der Stadt sind sämtlich 1827 geschlossen; von den neuen,
weit vor den Thoren angelegten Friedhöfen sind der im N. liegende christliche wegen seiner hervorragenden Grabmäler in den
östlichen Arkaden (von Bethmann) und dem kurfürstlich hessischen Mausoleum und der neue Sachsenhäuser Friedhof wegen des Denkmals
der dort beerdigten Krieger von 1870/71 zu beachten. Vor dem Untermainkai liegt, vor Nordwind geschützt,
die reizende, wegen ihrer südlichen Flora Nizza benannte Promenade. Die alten interessanten Häuser
der Judengasse (jetzt Börnestraße),
auf den Judenmarkt (jetzt Börneplatz) führend, sind bis auf das neu restaurierte Stammhaus der Familie Rothschild verschwunden.
[Gebäude.]
Frankfurt zählt 5 katholische, 8 lutherische, 2 reformierte Kirchen und 3 Synagogen. Außerdem ist
für den Gottesdienst der deutschkatholischen (freireligiösen) Gemeinde, der Altlutheraner, der Methodisten, der Baptisten und
der Bekenner der englischen Kirche durch geeignete Lokale gesorgt. Unter den katholischen Kirchen sind bemerkenswert: der Dom,
dessen Gründung in das Jahr 850, dessen Erbauung zum Teil aus älterer Grundlage in das 14. und 15. Jahrh.
fällt.
Schon seit dem Jahr 880 mit einem Kollegiatstift des heil. Salvator verbunden, nach einem Umbau des 13. Jahrh. auf den heil.
Bartholomäus geweiht, erhielt der Dom dadurch besondere Bedeutung, daß seit ebendieser Zeit die Wahl und Inthronisation, seit 1562 auch
die Krönung in ihm stattzufinden pflegte. Es ist ein Kreuzbau in einfach gotischem Stil, 108 m lang und 67 m
breit. In einer Seitenkapelle (neben dem Grabmal des Königs Günther von Schwarzburg) fand die Wahl, vor dem Hochaltar die Krönung
statt.
Das Altarbild (Krönung Mariä) ist von Ph. Veit. Der 95 m hohe Turm (Pfarrturm genannt), 1415-1514 im Bau,
doch unvollendet, ist nach dem Brande der Kirche bis zum Jahr 1877 durch Denzinger wiederhergestellt und nach dem
Originalplan völlig ausgebaut. Das Nordportal ist mit Figuren nach Entwürfen von Nordheim geziert, das Südportal alt (außen
große Kreuzesszene). Ferner die Leonhardskirche (von 1219 ab erbaut, seit 1317 mit einem Kollegiatstift
verbunden und dann nach und nach vergrößert, Chor von 1434) mit zwei Türmen und auf der Nordseite zwei innern Portalen aus
der Übergangszeit sowie einer spätgotischen Kapelle mit frei schwebendem Gurtwerk.
In der Liebfrauenkirche (Kollegiatstift, um 1320 gegründet, das Langhaus 1344 geweiht, hohes Chor von
1503-1509) sind bemerkenswert das Südportal und die Chorstühle, der Turm (1452-78 erbaut) diente gleichzeitig auch Befestigungszwecken.
Die Deutschordenskirche, neben dem 1709 erbauten Deutschordenshaus in Sachsenhausen, mit schmuckloser Fassade (von 1750), aber
schönen, neu restaurierten Wandgemälden aus dem frühen 14. Jahrh. Das ehemalige Dominikanerkloster
und -Kirche sowie das Karmeliterkloster und -Kirche werden zu profanen Zwecken benutzt, erstere für Schulen,
letztere als Feuerwehrzentralstation und Zolllager.
Von den protestantischen Kirchen ist die Katharinenkirche (1681 geweiht) durch ihre farbenprächtigen Renaissancedenkmäler,
Marmorkanzel und Gemälde bemerkenswert. Die Paulskirche, ein Rundbau, der von 1787 bis 1833 im Bau war, diente 1848 und 1849 dem
deutschen Parlament als Sitzungslokal. Die Nikolaikirche am Römerberg, 1290 vollendet, ward 1841-47 einer
Renovation unterzogen, der auch der gußeiserne Helm entstammt. Die Dreikönigskirche in Sachsenhausen wurde von Denzinger 1877-81
in gotischem Stil erbaut.
Unter den mittelalterlichen Profanbauten verdient der Römer den ersten Platz. An Stelle mehrerer Häuser als Rathaus 1405-16
erbaut, ist er seitdem mehrfach umgebaut, zuletzt 1731-42, und durch die benachbarten Häuser vergrößert.
Im ersten Stock liegt der Kaisersaal, der bei Krönungsfesten als Speisesaal diente, und in dem die überlebensgroßen Bildnisse
aller deutschen Kaiser sich befinden, von namhaften Künstlern, wie Lessing, Veit,
mehr
Steinle etc. gemalt. Vom Saalhof, dem kaiserlichen Palastgebäude am Fahrthor, das den ersten
Karolingern zum Aufenthalt diente, sind nur noch die Kapelle (von der Mainfronte aus sichtbar), aus dem 12. Jahrh., und der
Flügel nach der Saalgasse (aus dem 14. Jahrh., viel verändert und mit aufgesetzten Renaissancegiebeln)
an mittelalterlichen Bauten erhalten. Alles andre entstammt Restaurationsbauten von 1717 und 1842. An
weitern Bauten des 15. Jahrh. sind erhalten: das Leinwandhaus (einst Kaufhaus für Leinen, hinter dem Dom), das Haus Fürsteneck
in seiner Nähe (sogen. antiker Saal im ersten Stock von 1615) und das Steinerne Haus von 1464 am Markt.
Die bürgerliche Architektur des 16. und 17. Jahrh. wird repräsentiert durch das Salzhaus (im Römerviertel)
und das gegenüberliegende Haus zum Engel (von 1562, mit Holzschnitzereien), das alte Kaufhaus, die Goldene Wage (beide am Markt),
und als Beispiel einer Hofeinrichtung dient der Rebstock in der Kruggasse. Als interessante Bauten aus dem 18. Jahrh.
stellen sich dar: das Thurn und Taxissche Palais in der Eschenheimer Gasse, 1730 von de l'Opéra erbaut,
von 1816 bis 1866 Sitz des deutschen Bundestags, der »König von England« (von 1743), einstweilen Sitz des Oberlandesgerichts,
der Russische Hof auf der Zeil, 1780 von Nic. de Pigage aus Mannheim erbaut, und die beiden reformierten Kirchen.
Auch das Geburtshaus Goethes (Großer Hirschgraben), Eigentum des Freien deutschen Hochstifts, im Innern möglichst getreu wiederhergestellt,
ist hier aufzuführen.
Von den modernen öffentlichen Bauten sind die hauptsächlichsten: die Stadtbibliothek (1820-25 erbaut, mit Säulenportal
und Vorhalle, in welcher eine Goethestatue, sitzend, in Marmor von Marchesi ausgeführt, und Büsten berühmter
Frankfurter sich befinden);
der Saalbau mit Fest- und Konzertsälen von H. Burnitz, 1860 eröffnet;
die Restaurationsgebäude
des zoologischen und Palmengartens, ersteres nach Plänen von Kayser und Durm, letzteres nach dem Brand von 1878 von Schmidt wiederhergestellt;
das Aktienhotel zum Frankfurter Hof (von Mylius und Bluntschli, 1876 eröffnet);
das Stadtarchiv (hinter
dem Dom), in gotischem Stil von Denzinger erbaut, 1878 bezogen;
das Städelsche Kunstinstitut in Sachsenhausen, 1878 von O. Sommer
erbaut;
die neue Börse von H. Burnitz, mit großem Börsensaal und reichem Fassadenschmuck, 1879 eröffnet;
das Opernhaus
nach Plänen von Lucae in Berlin (gest. 1877), 1880 eröffnet.
Von den seit 1875 errichteten zahlreichen
städtischen Schulgebäuden sind die Adlerflycht- und Humboldtschule (1876), die Elisabethenschule
(1876), die Musterschule (1880), Wöhlerschule (1881) u. a.
hervorzuheben. Außerdem ist die Realschule der israelitischen Religionsgesellschaft neu erbaut und ein königliches Gymnasium
im Bau begriffen. Andre Neubauten sind: die Markthalle, 1879 in Glas und Eisen erbaut;
der Viehhof und das
Schlachthaus, nebeneinander am Sachsenhäuser Mainkai errichtet und 1884, resp. 1885 eröffnet.
Vollendet wurde 1885 auch das städtische Krankenhaus am Sandhof; im Bau begriffen sind noch: der Zentralbahnhof, das Polizeipräsidium
und Polizeigefängnis und ein Gerichtsgebäude, das die bislang getrennten Gerichte unter einem Dach vereinigen soll. Die (neue)
Kaserne des Infanterieregiments Nr. 81 liegt hinter dem Zentralbahnhof. Unter den
modernen Privatgebäuden zeichnen sich aus: die Bauten der Kaiserstraße und ihrer Nachbarschaft, die am Ausgang der Zeil und
am Schillerplatz (Bavaria) sowie die am Opernplatz errichteten
Gebäude. In der Außenstadt entstehen namentlich im Westende
elegante Häuser, vielfach zum Alleinbewohnen.
[Bevölkerung, Erwerbszweige etc.]
Die Bevölkerung von Frankfurt, das 1387 etwa 10,000 Seelen zählte, 1800 etwa
40,000, war 1867 auf 78,000 Einw. angewachsen. Die Zählung von 1885 ergab (einschließlich 1806 Seelen Militärbevölkerung)
154,441 Einw. (worin entgegen den frühern Zahlen allerdings Bornheim mit jetzt etwa 19,000 Einw. inbegriffen ist). Von der
Bevölkerung waren 1880: 61,3 Proz. Protestanten, 27,6 Katholiken, 10,1 Israeliten, 1 Proz.
andern Bekenntnisses.
Die Gewerbthätigkeit in Frankfurt ist eine sehr lebhafte und vielseitige, die Großindustrie aber noch wenig vertreten, teils wegen
der Teurung des Areals, teils wegen des Mangels einer eigentlichen Arbeiterbevölkerung. Als hervorragend zu bezeichnen sind:
Maschinenfabriken, namentlich für Nähmaschinen, sodann chemische Fabriken, darunter als bedeutendste
die Chininfabrik von K. Zimmer, ein Etablissement von europäischer Bedeutung, ferner Toiletteseifen- und Parfümeriefabriken,
Metallgießereien, Strohhutfabriken und Haarschneidereien (Fabriken, in denen Hasen- und Kaninchenhaare für die Hutfabrikation
verarbeitet werden). Die Bierbrauereien Frankfurts gewinnen nach außen immer mehr Ansehen (Jahresproduktion im Wert von 9 Mill.
Mk.). Zu verzeichnen sind auch die polygraphischen Gewerbe, Buch-, Stein- und Kupferdruckereien, auch eine
kartographische Anstalt sowie die Schriftgießereien.
Handel und Verkehr. Frankfurt ist Knotenpunkt für ein großes Netz hier einmündender Eisenbahnen, deren Verkehr bis zur Eröffnung des
Zentralbahnhofs durch sieben Bahnhöfe vermittelt wird. Die Main-Weserbahn und Bebraer Bahn leiten den Verkehr
nach N. und NO., die Taunusbahn und die linksmainische Strecke der Hessischen Ludwigsbahn (nach Mainz) stellen die Verbindung
mit dem Rhein stromab und stromauf her, die Main-Neckarbahn sowie die Riedbahn nach Mannheim und die Linie Hanau-Eberbach (beide
der Hessischen Ludwigsbahn angehörig) verbinden Frankfurt mit Baden und Württemberg, während die Hanau-Aschaffenburger
Bahn nach Bayern und Österreich führt.
Die Lahnbahn (der Hessischen Ludwigsbahn), die Homburger, Kronberger und Sodener Bahn erschließen den Taunus. Eine Verbindungsbahn
vermittelt den Verkehr zwischen den einzelnen Güterbahnhöfen untereinander und mit dem Mainhafen. Eine Lokalbahn und eine
elektrische Bahn führen nach Offenbach, eine Pferdebahn (Trambahn) von 21 km Länge durchkreuzt in verschiedenen
Richtungen die Stadt und verbindet Bornheim, Sachsenhausen und Bockenheim. Der Verkehr auf dem Main hat infolge der Vermehrung der
Eisenbahnlinien und der dadurch hervorgerufenen Konstruktion größerer Rheinschiffe, die zu einer Umladung der Fracht an der
Mainmündung zwingen, sehr abgenommen.
Die nahezu vollendete Kanalisierung des untern Mains wird auch den größern Rheinschiffen den direkten
Weg bis Frankfurt ermöglichen, so daß dies dadurch in die Reihe der Rheinhäfen eintreten wird. Hafenanlagen in Frankfurt wie in Sachsenhausen,
beide mit Eisenbahnverbindung, ein besonderer Sicherheits- und Handelshafen auf Frankfurter Seite, Lagerhäuser und Lagerplätze
werden den Warenhandel Frankfurts, der vermöge seiner Lage vorzugsweise auf Zwischenhandel angewiesen ist,
zu höherer Bedeutung sich entfalten lassen. Bislang beschäftigte sich derselbe namentlich mit Kolonialwaren, Eisen- und Stahlwaren,
mit Leder, Häuten und Fellen, Steinkohlen und Wein. Manufaktur- und Mode-,
mehr
zumal Seidenwaren und sogen. Konfektionsartikel (fertige Garderobegegenstände, Ausstattungen) setzten ebenfalls große Summen
um. Das Bücherantiquariat wie auch der Antiquitätenhandel stehen in hoher Entfaltung. Buchhandlungen sind zahlreich, auch
das Verlagsgeschäft hat sich neuerdings wieder gehoben.
Für den Warenhandel waren ehemals die beiden Messen (Frühjahr und Herbst) von großer Bedeutung. Im 16. Jahrh.
beruhte Frankfurts Größe auf denselben, und damals hatte auch der deutsche Büchermarkt hier sein Zentrum. Neuerdings sind
die Messen infolge des erleichterten Reiseverkehrs und der Aufhebung aller für Handel und Gewerbe drückenden Schranken gänzlich
bedeutungslos geworden. Nur die Ledermessen und die Pferdemärkte haben sich auf der alten Höhe erhalten.
Der wichtigste aller Handelszweige Frankfurts ist das Geld-, Wechsel- und Bankgeschäft. Auf ihm beruht die internationale Bedeutung
Frankfurts, das einer der ersten Wechsel- und Börsenplätze Europas ist. Die Frankfurter Bank, seit 1854, mit Notenemissionsrecht,
ein Institut von anerkannter Solidität, daneben eine Reichsbankhauptstelle (seit 1871) und eine Reihe von Privatbanken (ohne
Notenemission, Deutsche Effekten- und Wechselbank, Frankfurter Bankverein, Deutsche Vereinsbank) und Bankgeschäfte vermitteln
und befördern den Geldverkehr. Außer der Fondsbörse (vormittags) mit dem Hauptbörsenverkehr besteht in der Effektensocietät
eine regelmäßige Abendbörse. Speziellen Zwecken gewidmet sind die Hypothekenbank, Hypothekenkreditverein, Landwirtschaftliche
Kreditbank, Frankfurter Baubank, Gewerbekasse, Versicherungs- und Rückversicherungsgesellschaften (darunter Providentia und
Phönix), Sparbank, Sparkasse, Ersparungsanstalt, Pfennigsparkasse etc.
Zahlreich sind die Wohlthätigkeitsanstalten und die Vereine für milde Zwecke. Neben dem städtischen Krankenhaus bestehen
das Heiliggeist-Spital (seit 1278 vorkommend, seit 1839 in einem Neubau) als Anstalt für Gesellen, Dienstboten und Fremde, das
Senckenbergsche Stift, ein Hospital für Bürger und Pfründneranstalt, von dem Arzt Joh. Chr. Senckenberg (gest.
1772) gestiftet, zwei Entbindungsanstalten; ein Kinderspital, ein israelitisches Gemeindespital, Diakonissenanstalten, Armenklinik,
Augenheilanstalt und kleinere Hospitalstiftungen, mehrere Spezialkliniken, eine allgemeine Poliklinik sowie zahlreiche Krankenkassen
dienen der Unterstützung in Krankheitsfällen.
Ein städtisches Waisenhaus und mehrere konfessionelle Waisenanstalten, Stipendienstiftungen und Erziehungsvereine sind der
Erziehung elternloser oder unbemittelter Kinder gewidmet. Der allgemeine Almosenkasten (1428 gegründet, 1532 reformiert),
die konfessionellen Almosenkasten, ein Armenverein, eine Anzahl kleinerer Stiftungen und Frauenvereine ergänzen die seit 1883 nach
dem Elberfelder System umgestaltete städtische Armenpflege. Die beiden ehemaligen Frauenklöster zu St. Katharina und der Weißfrauen
sind in weibliche Versorgungsanstalten für Lutheraner umgewandelt, außerdem stehen dem städtischen Versorgungshaus für
Altersschwache noch mehrere konfessionelle Versorgungsstiftungen u. Siechenhäuser zur Seite. Endlich befinden sich in Frankfurt noch
eine Irrenanstalt, eine Taubstummen-Erziehungsanstalt und eine Blindenanstalt.
[Bildungsanstalten, Behörden etc.]
Der Jugendbildung dienen ein städtisches Gymnasium, ein in Vorbereitung begriffenes königliches
Gymnasium, 2 Realgymnasien (eins mit Handelsschule), eine Oberrealschule und 4 Realschulen, ein kath. Progymnasium, 2 höhere
Töchterschulen, zahlreiche
Bürger- und Volksschulen (simultane wie konfessionelle, auch israelitische). Das Städelsche Kunstinstitut
(1816 von dem Bankier J. Fr. ^[Johann Friedrich] Städel gegründet) besitzt eine reiche Gemälde- und Kupferstichsammlung sowie
Gipsabgüsse nach Antiken, daneben auch eine Kunstbibliothek und eine Kunstschule zur Heranbildung von Malern, Bildhauern und
Architekten.
Die Kunstgewerbeschule des Mitteldeutschen Kunstgewerbevereins besitzt eine Vorschule und verschiedene
Fachklassen. Der Verein unterhält daneben eine Fachbibliothek und eine permanente Kunstgewerbeausstellung, der Kunstverein
eine permanente Gemäldeausstellung (zum Verkauf). Das städtische historische Museum (im Archivgebäude) enthält Gemälde
und Altertümer. Das Freie deutsche Hochstift (in Goethes Vaterhaus) sammelt eine litterarische Bibliothek und veranstaltet
Vortragscyklen und Einzelvorträge aus allen Wissensgebieten, das Senckenbergsche Stift, die damit verbundene Senckenbergsche
naturforschende Gesellschaft (1817 gegründet und im Besitz eines bedeutenden naturhistorischen Museums), der Physikalische und
Geographische Verein Spezialkurse u. Einzelvorträge ihrer Wissenschaften.
Die genannten naturwissenschaftlichen Vereine haben ihre Bibliotheken mit der des Senckenbergianums vereinigt, die Polytechnische
Gesellschaft (gegründet 1816), der auch der genannte Mitteldeutsche Kunstgewerbeverein sich angeschlossen
hat, ist Gründerin verschiedener nützlicher Institute (so Sparkasse, Blindenanstalt) und auch einer Bibliothek meist technischen
und gewerblichen Inhalts, so daß die Stadtbibliothek in ihren Aufgaben wesentlich entlastet ist.
Daneben bestehen eine Volksbibliothek und zahlreiche kleinere Spezialbibliotheken von Vereinen und Instituten. Zwei
Musikkonservatorien, eine Musikschule und mehrere Musikvereine (der Philharmonische Verein, der Cäcilienverein, Rühlsche Gesangverein
u. a.) pflegen die Musik. Der Frauenbildungsverein besitzt eine Kochschule und eine gewerbliche Fortbildungsschule. In F. erscheinen
sieben tägliche Zeitungen, deren älteste das »Frankfurter Journal« (nationalliberal),
deren bedeutendste aber die »Frankfurter
Zeitung« (demokratisch) ist. Daneben werden eine Anzahl ausschließlich dem Geldverkehr dienender
periodischer Blätter, mehrere Wochenblätter (darunter zwei humoristische) und verschiedene periodische Zeitschriften wissenschaftlichen
und technischen Inhalts hier verlegt. Frankfurt ist der Sitz zahlreicher Behörden: Polizeipräsidium, zugleich Landratsamt für
den Stadtkreis, Oberlandesgericht (für die Landgerichte Frankfurt, Hechingen, Limburg a. L., Neuwied, Wiesbaden), Landgericht (für die
Amtsgerichte Bockenheim, Frankfurt, Homburg), Oberpostdirektion, königliche Eisenbahndirektion, Handelskammer und 2 Konsistorien.
Die städtischen Behörden gipfeln in dem Magistrat (16 Mitglieder) und 57 Stadtverordneten. Die bedeutendsten europäischen
und außereuropäischen Staaten haben Konsulate in Frankfurt. Von Militärbehörden sind hier Kommandantur, Kommando der 21. Division,
der 21. Kavalleriebrigade und der 42. Infanteriebrigade; die Garnison bildet das 1. hessische Infanterieregiment
Nr. 81. Das 1. hessische Husarenregiment Nr. 13, zur
Frankfurter Garnison gehörig, liegt in Bockenheim.
Das Wappen der Stadt ist ein weißer, goldgekrönter und -bewehrter Adler in Rot.
An Vergnügungsorten stehen voran: Palmengarten und zoologischer Garten, beide mit täglichen Konzerten, Opernhaus, Schauspielhaus,
Museumskonzerte (Saalbau) und zahlreiche andre Konzerte.
mehr
Spaziergänge in der Umgebung: in den bedeutenden, sehr gut verwalteten Stadtwald (am Pfingstdienstag im dortigen Forsthaus
das Frankfurter Volsfest ^[richtig: Volksfest], sogen. Wäldchestag), nach Bergen, Bockenheim, Hausen, Rödelheim, Niederwald, woselbst
auch die Pferderennen stattfinden. Der Rudersport steht zu in hoher Blüte. Der Taunusklub veranstaltet regelmäßige Exkursionen
in die benachbarten Gebirge.
[Geschichte.]
Die Stelle, wo heute die Altstadt liegt, war eine sumpfige, von zahlreichen Flußarmen durchzogene Niederung und
ist deshalb später bebaut worden als die Hochebene oberhalb derselben. Die Römerstraßen von Mainz nach Heddernheim (Novus
vicus), der Saalburg (Arctaunum), Friedberg und den Grenzbefestigungen am Odenwald und Spessart umgingen diese Niederung,
welche, wie noch jetzt zahlreiche Flurnamen beweisen, auf beiden Seiten des Flusses mit Wald bedeckt war. Frankfurt wird erst 793 urkundlich
genannt, kommt aber schon 794 als namhafter Ort vor.
Karl d. Gr. baute sich an der »Frankenfurt«
einen Königshof, welcher an der Stelle der jetzigen St. Leonhardskirche stand, und hielt 794 hier eine
Kirchenversammlung, auf welcher der Adoptianismus verdammt und der Bilderdienst verworfen wurde. Ludwig der Fromme wählte Frankfurt zum
Wohnsitz, erweiterte die Pfalz, ließ an der Stelle des spätern Saalhofs einen noch größern Palast erbauen und umgab die Stadt 838 mit
Mauern und Gräben. Nach dem Vertrag von Verdun (843) wurde Frankfurt die Hauptstadt des ostfränkischen Reichs oder
Deutschlands.
Das häufige Verweilen der Kaiser und Könige in Frankfurt, die wiederholt hier gehaltenen Reichstage und Kirchenversammlungen, die
Errichtung eines geistlichen Stifts und die zahlreichen Schenkungen an die dortige Kirche förderten das städtische Gemeinwesen
ungemein. Auch als die deutschen Kaiser keine beständige Residenz mehr hatten, blieb Frankfurt doch kaiserliches
Kammergut und Hauptort von Ostfranken. Nachdem Kaiser Friedrich I. 1152 hier gewählt worden, wurde die Stadt herkömmlich Wahlstadt
der deutschen Könige. Im J. 1245 wurde Frankfurt unmittelbare Reichsstadt, und 1250 wurde die Burggrafschaft daselbst in das
Reichsschultheißenamt verwandelt.
Der Frankfurter Schöppenstuhl war der Oberhof (Obergericht) für die ganze Wetterau und die angrenzende
Gegend. Anfangs gehörten die meisten Einkünfte der Stadt dem Reich; erst später, besonders unter Heinrich IV. und Friedrich
II., wurden diese Einkünfte und sogar die Verwaltung selbst verpfändet oder verkauft. Die Gewalt in der Stadt lag zuerst
in den Händen des Vogts und des Schultheißen. Schon früher wählten sich jedoch die Bürger eigne Bürgermeister
mit Beisitzern, denen die Polizeiverwaltung und niedere Gerichtsbarkeit oblag, und da diese die Gunst des Kaisers genossen, ward
die Würde der Vögte endlich zur Zeit des Interregnums (1257) ganz beseitigt.
Kaiser Ludwig der Bayer, dem die Bürger, obgleich Friedrich von Österreich schon Sachsenhausen besetzt hatte,
die Thore der Stadt öffneten, gab derselben 1329 die Erlaubnis, alle ihre verpfändeten Einkünfte, Ämter und Rechte einzulösen
und bis zur Wiederauslösung von seiten des Reichs zu behalten. Dazu verbot er die Erbauung neuer Schlösser am Main und die
Anlegung neuer Zölle in einem Umkreis von zehn Stunden, gewährte der Stadt das Recht, Bündnisse zu schließen,
und erweiterte sie 1333. Auch in Frankfurt wurden die städtischen Ämter allmählich ein Erbteil einzelner hervorragender alter
Geschlechter, was zu vielen Streitigkeiten mit den Zünften den Anlaß bot.
Kaiser Karl IV. teilte endlich den
Rat in die drei (je aus 14 Mitgliedern bestehenden) Bänke der Schöffen,
der Gemeinde und der Zünfte. Durch die Goldene Bulle wurde Frankfurt 1356 beständige Wahlstadt der deutschen Kaiser, mit der Verpflichtung,
den Wahlakt zu schirmen; 16 Jahre später brachte die Stadt das Schultheißenamt an sich. Vorzügliche Verdienste um seine
Vaterstadt erwarb sich Jakob Knoblauch, welcher bei Kaiser Ludwig und Karl IV. die wichtigsten Privilegien,
z. B. die, jährlich neben der seit 1240 bestehenden Herbstmesse eine Ostermesse zu halten,
und das Münzrecht für Frankfurt erwirkte. Er löste auch die kaiserliche Pfalz ein und stellte sie wieder her.
Sein Schwiegersohn Siegfried von Marburg vereitelte dann einen Versuch des Landvogts Ulrich III. von Hanau,
der Stadt das Schultheißenamt zu entreißen und vor ihren Thoren einen Zoll zu errichten. Als Mitglied des Rheinisch-Schwäbischen
Städtebundes schickte Frankfurt öfters seine Söldner aus, um die Burgen der Raubritter und Wegelagerer brechen zu helfen, wobei
der Stadt Niederlagen nicht erspart blieben. Kaiser Maximilians I. ewiger Landfriede gab ihr die Ruhe wieder.
Seitdem blühten Künste und Gewerbe auf, die Wissenschaften wurden gepflegt, und die Erfindung der Buchdruckerkunst förderte
auch hier Bildung und Intelligenz.
Die Reformation, die in Frankfurt 1530 Eingang fand, befreite die Stadt endlich von dem übermäßigen klerikalen
Druck, der auf ihr gelastet hatte. Nach einigem Zögern trat Frankfurt 1536 auch dem Schmalkaldischen Bund bei,
öffnete jedoch im Dezember 1546 nach dem unglücklichen Feldzug der Verbündeten an der Donau den Kaiserlichen seine Thore.
In den Jahren 1531-46 wurden in Frankfurt mehrere Konvente der protestantischen Fürsten abgehalten, wie auch 1558 hier
auf einem Reichstag der Frankfurter Rezeß (s. d.) geschlossen ward.
Als Kaiser Matthias 1612 die städtischen Privilegien bestätigte, kam es zu erheblichen Ruhestörungen, indem sich ein Teil
der Bürgerschaft unter Leitung von Vinzenz Fettmilch gegen den Rat erhob und der Pöbel eine Judenverfolgung begann. Der Kaiser
beauftragte Mainz und Hessen-Darmstadt mit der Herstellung der Ordnung, was jedoch erst 1616 gelang, wo
der Bürgervertrag errichtet und das Zunftwesen aufgehoben wurde. Die Juden erlangten vom Kaiser ein Mandatum poenale restitutorium,
zogen unter Militärbedeckung wieder in die Stadt ein und machten den Tag der Rückkehr (20. Adar) zu einem jährlichen Festtag,
der den Namen Purim Vinz führt. Im Dreißigjährigen Krieg wußte Frankfurt stets die Neutralität zu behaupten,
hatte aber dennoch viel, zumal durch die Pest, zu leiden. Im Westfälischen Frieden wurde es als Reichsstadt bestätigt und
gelangte bald zu neuem Wohlstand. Im J. 1681 fand hier ein Kongreß der deutschen Fürsten statt, um der
französischen Willkür entgegenzutreten; doch kam es infolge von Rangstreitigkeiten unter den Gesandten zu keinem Resultat.
Als sich die Bürger wegen der drückenden Abgaben und des willkürlichen Regiments an den Kaiser wendeten, gab dieser der städtischen
Verfassung, namentlich durch Einsetzung des Bürgerausschusses, eine zeitgemäße Änderung. Während des Siebenjährigen Kriegs
wurde Frankfurt von den Franzosen, welche seit 1757 öfters Truppen hatten durchmarschieren lassen, am besetzt
und behielt trotz vieler Proteste die französische Besatzung bis zum Schluß des Kriegs. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrh.
ließen sich in Frankfurt viele um ihres Glaubens willen vertriebene niederländische Familien nieder, welche
den Unternehmungsgeist und die
mehr
Gewerbthätigkeit der Stadt ungemein förderten. Dazu brachten die verschiedenen Kaiserkrönungen viel Leben in die Stadt.
Im französischen Revolutionskrieg bemächtigte sich Custine im Oktober 1792 Frankfurts und legte der Stadt eine Kontribution
von 2 Mill. Gulden auf. Am 2. Dez. d. J. eroberten dagegen die aus der Champagne zurückkehrenden Preußen und Hessen
unter Rüchel die Stadt wieder. Im J. 1796 besetzte der österreichische General v. Wartensleben dieselbe, konnte sich aber
gegen die Franzosen unter Kléber, welcher die Stadt 15. Juli beschießen ließ, nicht halten, und abermals wurde der Stadt eine
Brandschatzung von 6 Mill. Frank in Geld und 2. Mill. in Lieferungen auferlegt.
Darauf wurde die Stadt für neutral erklärt, was der Reichsdeputationsrezeß zu Regensburg vom bestätigte.
Während damals fast alle Reichsstädte ihre Reichsunmittelbarkeit verloren, blieb Frankfurt Reichsstadt und erhielt überdies alle
in seinem Gebiet liegenden geistlichen Besitzungen. Im Januar 1806 besetzte General Augereau mit 9000 Mann
die Stadt und erpreßte von ihr abermals 4 Mill. Frank. Mit der Stiftung des Rheinbundes verlor sie ihre Selbständigkeit und
wurde den Staaten des Fürsten-Primas Karl v. Dalberg (s. d.) einverleibt.
Schon trat dieser die Regierung an, erklärte alle Religionsparteien für fähig zu Staatsämtern und gewährte selbst
den Juden bürgerliche Rechte, vermochte jedoch nicht, der auswärtigen Gewalt Widerstand zu leisten. 1810 wurde Frankfurt die Hauptstadt
des neugeschaffenen Großherzogtums Frankfurt (s. d., S. 497). Am zogen
die Alliierten in ein, versprachen der Stadt schon im Dezember Wiederherstellung ihrer alten Rechte und errichteten einstweilen
einen Zentralverwaltungsrat unter der Leitung des Freiherrn vom Stein.
Die Wiener Kongreßakte erklärte Frankfurt zu einer Freien Stadt des Deutschen Bundes, und 1816 ward es Sitz des Bundestags. Epochemachend
in Frankfurts neuester Geschichte war das berüchtigte Frankfurter Attentat (s. d.) vom Im J. 1836 schloß sich
Frankfurt dem Deutschen Zollverein an. Durch einen abgeschlossenen Staatsvertrag trat Österreich unter
Mitwirkung des Hoch- und Deutschmeisters alle Güter (die Deutschordenskirche und das Deutsche Haus in Sachsenhausen ausgenommen)
und Rechte der frühern Deutschordenskommende an die Freie Stadt Frankfurt käuflich ab.
In dem ereignisvollen Zeitraum von 1848 bis 1850 spiegelt sich in der Geschichte der Freien Stadt die Geschichte
unsers deutschen Vaterlandes im kleinen ab. Hier tagten das Vorparlament und die deutsche Nationalversammlung, die ihre
erste und ihre letzte Sitzung in der Paulskirche hielt. Hier, als am Mittelpunkt des damaligen gesamten politischen
Lebens in Deutschland, war das Parteigetriebe und die Aufregung am heftigsten; daher die wiederholten Tumulte,
unter denen besonders der zu Sachsenhausen 7. und sowie der zunächst durch den Malmöer Waffenstillstand hervorgerufene
vom 18. Sept. mit Waffengewalt unterdrückt werden mußten.
Während des folgenden Dezenniums und der letzten Zeit seiner Selbständigkeit zeigte Frankfurt eine
große Regsamkeit auf dem Gebiet der Verfassungsentwickelung und Gesetzgebung. In diese Periode fallen namentlich die Verfassungsrevision
von 1864, das neue Gewerbegesetz auf der Grundlage vollständiger Gewerbefreiheit und die bereits zehn Jahre früher angebahnte
politische Emanzipation der Israeliten (1864). Im August 1863 tagte in Frankfurt der mit der deutschen Bundesreform
beschäftigte Fürstenkongreß sowie öfters der Nationalverein und der diesem entgegengesetzte Reformverein.
Auch der deutsche Abgeordnetentag hielt hier seine Sitzungen. Als sich in Schleswig-Holstein eine nationale Frage von großer
Dringlichkeit erhoben hatte, richtete der Gesetzgebende Körper das einstimmige Ersuchen an den Senat, den bisherigen
Erbprinzen von Augustenburg als nunmehrigen Herzog von Schleswig-Holstein und Lauenburg anzuerkennen und seine
Anerkennung am Bund zu beantragen. Der Senat aber schloß sich 7. Dez. dem Bundesbeschluß auf Exekution in Holstein an, welcher
eine Anerkennung Christians IX. involvierte.
Als die Gasteiner Konvention zu stande gekommen war, unterwarf sie der am in Frankfurt zusammentretende
Abgeordnetentag einer so heftigen Kritik, daß einige Tage darauf bei dem Senat drohende Depeschen Österreichs und Preußens einliefen,
welche sich über die dortige Handhabung des Preß- und Vereinswesens beschwerten. Als es endlich zum Bruch zwischen den beiden
letztern kam, stand Frankfurt zwar mit den andern Freien Städten bei der Abstimmung in der verhängnisvollen Bundestagssitzung
vom auf seiten Preußens; aber seine Lage, umgeben von den erbittertsten Gegnern Preußens, von beiden Hessen und
Nassau, schloß jede aktive Teilnahme aus. Am 12. Juni hatten die österreichischen und preußischen Truppen die Stadt verlassen,
und in der zweiten Hälfte des Monats sammelte sich bei Frankfurt das 8. Bundesarmeekorps, dessen Hauptquartier
nach Bornheim verlegt wurde. Am 4. Juli beschloß die Bundesversammlung, durch Anlegung von Schanzen um die Stadt her sich einigen
Schutz zu verschaffen.
Doch der Senat erhob dagegen Widerspruch, um Frankfurt den Charakter eines offenen Platzes zu wahren, und in der
That bedurfte es auch der Schanzen nicht mehr; denn schon 14. Juli siedelte der Rumpfbundestag nach Augsburg über, und 16. Juli rückte
Vogel v. Falckenstein an der Spitze der Division Goeben in die Bundesstadt ein. Der Stadt wurden 6 Mill. Gulden Kriegssteuer auferlegt,
der ganze Regierungsapparat, Senat, Gesetzgebender Körper und Bürgerkollegium, sofort außer Thätigkeit
gesetzt und die Thurn und Taxissche Generalpostverwaltung von Preußen übernommen.
Dann trat 19. Juli General Manteuffel an Stelle Falckensteins, der eine neue Forderung von 25 Mill. Gulden stellte und die Stadt mit
noch härtern Maßregeln bedrohte. Eine Deputation, welche sich in das Hauptquartier des Königs nach Böhmen
begab, erlangte zwar den Erlaß der zweiten Kontribution; aber durch königliches Patent vom ward die Einverleibung
Frankfurts in den preußischen Staat ausgesprochen. Seitdem bildet die Stadt mit ihrem ehemaligen Gebiet, unter Zulegung des
vorher großherzoglich hessischen Teils, des Ortsbezirks Nieder-Ursel, einen Kreis (Stadtkreis) des Regierungsbezirks
Wiesbaden, dem der königliche Polizeipräsident als Landrat vorsteht.
Die Leitung der städtischen Angelegenheiten Frankfurts ist nach Maßgabe der preußischen Städteordnung geregelt. In neuester
Zeit wurde Frankfurt historisch wichtig durch den Frieden von Frankfurt (s. Frankfurter Friede).
Vgl. Faber, Topographisch politische und
historische Beschreibung von Frankfurt (Frankf. 1788-89, 2 Bde.);
Battonn, Örtliche Beschreibung von Frankfurt (hrsg. vonL. Euler, das. 1861-75);
Kirchner, Geschichte der Stadt
Frankfurt (das. 1807-10, 2 Bde.),
und Feyerlein, Nachträge und Berichtigungen zu Kirchners Geschichte von Frankfurt (das. 1809-10, 2 Bde.);
Böhmer, Urkundenbuch der Reichsstadt Frankfurt (das. 1836, Bd.
1);
mehr
Kriegk, Geschichte von Frankfurt (das. 1871);
Stricker, Neuere Geschichte von Frankfurt seit 1806 (das. 1874-81, 4 Bücher);
Horne und Grotefend,
Geschichte von Frankfurt (2. Aufl., das. 1882);
Grotefend, Quellen zur Frankfurter Geschichte (das. 1884);
Ph. Gwinner, Kunst und Künstler
in Frankfurt (das. 1862, Zusätze 1867);
»Aktenstücke zur neuesten Geschichte von Frankfurt« (2.
Aufl., Stuttg. 1866);
»Frankfurts Bauten«, herausgegeben vom Architektenverein (Frankf. 1886);
»Archiv für Frankfurts Geschichte
und Kunst« (Heft 1-8, das. 1839-58; neue Folge 1860 ff.);
»Mitteilungen an die Mitglieder des Vereins für Geschichte und Altertumskunde«,
seit 1858, und die »Neujahrsblätter« dieses Vereins.
[* ] an derOder, Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks der preuß.
Provinz Brandenburg, 20 m ü. M., am linken Ufer der Oder, Knotenpunkt für die Linien Berlin-Sommerfeld, Eberswalde-Wriezen-Frankfurt an der Oder,
Frankfurt an der Oder-Küstrin, Frankfurt an der Oder-Posen und Frankfurt an der Oder-Kottbus der Preußischen Staatsbahn, besteht aus der eigentlichen Stadt und drei Vorstädten:
der Gubener Vorstadt im S., Lebuser Vorstadt im N. u. der Dammvorstadt auf dem rechten Oderufer, die
mit der Stadt durch eine 274 m lange hölzerne Brücke verbunden ist.
Die Stadt hat geradlinige, breite Straßen, meist mehrstöckige Häuser und sogar auch ihre »Linden«. Oberhalb eines der ehemaligen
Festungswälle ist ein neuer Stadtteil mit hübschen Bauten entstanden, die sogen. halbe Stadt,
die bedeutend höher als die übrige Stadt liegt und mit dieser durch einen schönen Park verbunden ist.
In diesem (ursprünglich ein alter Friedhof) befindet sich das Denkmal des Dichters Ewald v. Kleist, der 1759 an seinen Wunden
in Frankfurt starb.
Unter den 6 Kirchen der Stadt (5 evangelische und eine katholische) verdienen die Marienkirche (fünfschiffige Hallenkirche
aus dem 13. Jahrh., mit vortrefflichen Glasgemälden) und die Nikolaikirche
(dreischiffige gotische Hallenkirche) Erwähnung. Die israelitische Gemeinde hat eine 1822 erbaute Synagoge. Die stattlichsten
Gebäude von Frankfurt sind das ansehnliche Rathaus, das Herrenmeisterhaus, der frühere Bischofshof, das Regierungsgebäude, die
Kommandantur, das Schauspielhaus (seit 1842). Außerdem ist noch das Denkmal des bei einem Rettungsversuch in der
Oder ertrunkenen Herzogs Leopold von Braunschweig am rechten Oderufer zu erwähnen. Die Einwohnerzahl betrug 1885 mit Einschluß
der Garnison (2 Regimenter Infanterie Nr. 8 und 12, ein Regiment Dragoner Nr. 12 und eine Abteilung Feldartillerie Nr. 18) 54,084,
darunter (1880) 2824 Katholiken und 890 Juden.
Die Industrie ist nicht unbedeutend. Frankfurt hat umfangreiche Maschinen-, Eisen-, Stahl- u. Metallwarenfabrikation, renommierten Orgelbau,
Fabriken für chemische Präparate, Steingutwaren, Öfen, Tabak, Zigarren, Schokolade, Zuckerwaren, Kartoffelstärke, Sirup, Spiritus,
Wollhüte, Leder, Holzwaren, Papier und Pappe, Bierbrauerei und Branntweinbrennerei. Nicht minder ansehnlich ist der Handel Frankfurts,
der besonders durch die drei Messen (zu Reminiscere, Margareten und Martini) befördert wird.
Haupthandelsgegenstände derselben sind: Leder, besonders Schafleder, Lausitzer Tuche und Buckskins und Rauchwaren. Die Schiffahrt
auf der Oder ist für Frankfurt ebenfalls bedeutend, wiewohl es an einem Hafen zur Zeit noch gänzlich fehlt. Es gingen 1884 ein 342 Segelfahrzeuge, 309 Dampfschleppschiffe
und aus 61 Segelfahrzeuge und 186 Dampfschleppschiffe. Aus den
in der Nähe der Stadt befindlichen Braunkohlengruben
wurden 1884: 1,384,295 hl Kohlen gefördert. Frankfurt hat ein königliches Gymnasium, ein Realgymnasium und ist Sitz einer königlichen
Regierung, der Generalkommission für die Provinzen Brandenburg und Pommern, eines Landgerichts (für die elf Amtsgerichte zu Beeskow,
Buchholz, Drossen, Frankfurt, Fürstenwalde, Müncheberg, Reppen, Seelow, Sonnenburg, Storkow und Zielenzig), einer Oberpostdirektion, eines
Hauptsteueramts, einer Reichsbankstelle, Handelskammer, des Stabes der 5. Division, der 9. und 10. Infanterie- und der 5. Kavalleriebrigade.
Das Magistratskollegium besteht aus 16, die Stadtverordnetenversammlung aus 54 Mitgliedern. Frankfurt ist der Geburtsort
der Dichter Ringwaldt (1530), Heinrich v. Kleist (1776) und Franz v. Gaudy (1800). 4 km südlich von Frankfurt liegt
der Vergnügungsort Buschmühle in reizender Gegend.
Frankfurt entstand im 13. Jahrh. aus einer Ansiedelung fränkischer Kaufleute und wurde
durch Urkunde vom vom Markgrafen Johann I. von Brandenburg zur Stadt erhoben, die von Berlin das
magdeburgische Recht übernahm, durch ihre günstige Lage rasch aufblühte und bald befestigt wurde. Als während der Wirren
unter der Herrschaft des ersten Wittelsbachers in der Mark die Polen auf Veranlassung des Bischofs Stephan von Lebus verwüstend
in das Land einbrachen, überfielen die Bürger von Frankfurt die bischöfliche Residenz Göritz und brannten sie
nieder.
Deshalb wurde Frankfurt vom Papst Johann XXII. mit dem Interdikt belegt, 1334 zwar davon befreit, aber 1338 und 1350 von Benedikt XII.
von neuem damit heimgesucht, und erst 1354 ward dasselbe aufgehoben. 1348 wurde die Stadt, weil sie treu zu Markgraf Ludwig
hielt, von dem Heer des falschen Waldemar belagert, zu dem auch Kaiser Karl IV. stieß, hielt aber tapfer
stand, bis die Feinde abzogen. Siegmund sicherte der Stadt 1379 die freie Schiffahrt auf der Oder zu. Seit 1368 gehörte sie
auch zur Hansa, fand aber bei dem Bund nicht die gehofften Vorteile für ihren Handel und zog sich seit
der Mitte des 15. Jahrh. von demselben zurück.
Die Hussiten belagerten Frankfurt zweimal (1429 und 1432) vergeblich, desgleichen 1450 die Polen. Herzog Hans von Sagan belagerte die
Stadt 1477 und verbrannte nach einem mißlungenen Ausfall des Kurprinzen Johann die Oderbrücke, konnte aber Frankfurt nicht erstürmen.
Am eröffnete Kurfürst Joachim I. die vom Papst Julius II. 15. März errichtete Universität (Viadrina), die bald 450 Studierende
zählte, 1516 aber nach Kottbus verlegt und erst 1539 in Frankfurt wiederhergestellt wurde.
Damals wurde auch die Reformation in Frankfurt eingeführt. Während des Dreißigjährigen Kriegs nahm Gustav Adolf
von Schweden die schlecht befestigte und von 6000 Mann kaiserlicher Truppen verteidigte Stadt im Sturm und hielt eine
Besatzung bis daselbst, worauf die Schweden durch brandenburgische Truppen abgelöst wurden. Nach dem verlornen Treffen
von Steinau zog die Besatzung nach Zerstörung der Oderbrücke nach Küstrin, worauf Wallenstein die
Stadt besetzte. Doch zwang der Kurfürst, verstärkt durch schwedische Truppen, den befehligenden Obersten v. Manteuffel nach
hartnäckiger Verteidigung zur Übergabe der Stadt. Nach einer kurzen Ruhe von 1637 bis besetzten sie die
Schweden unter Joachim Radicke, dessen Vertreibung der
Kurfürst vergeblich versuchte. Erst nachdem der Große Kurfürst, Friedrich Wilhelm, den am mit den Schweden geschlossenen
Waffenstillstand 1643 erneuert hatte, verließen diese Frankfurt. Unter dem Großen Kurfürsten ward die Universität restauriert
und während der Pest 1656 nach Fürstenwalde verlegt. König Friedrich I. vermehrte ihre Bibliothek und
ernannte den Kronprinzen zum Rektor Magnifikus. Der Handel Frankfurts litt in dieser Zeit zuerst durch den Krieg und später durch
die Anlegung des Müllroser Kanals.
Doch blieben die Messen stark besucht, und der Verkehr auf denselben wurde von Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. auf jede
Weise erleichtert. Der Siebenjährige Krieg brachte der Stadt neue Drangsale. Nach der Schlacht bei Kay
besetzten die Russen unter Soltikow in dessen nächster Nähe 12. Aug. die Schlacht bei Kunersdorf geschlagen wurde, und
blieben auch in dem nächsten Jahr Herren der Stadt. Nachdem die ersten Franzosen eingerückt
waren, dauerten die feindlichen Durchmärsche fast ununterbrochen bis fort, und die Einwohner erlagen fast unter
der Last der Einquartierungen. 1812 wurde Frankfurt von dem Grenierschen Korps besetzt, welchem der Vizekönig Eugen nachfolgte. Am brach
dieser auf und ließ den General Girard mit 2500 Mann als Besatzung zurück; dieser räumte Frankfurt 2. März, worauf
es 9. März von den Russen besetzt wurde.
Für den Verlust der Universität, welche 1811 nach Breslau übersiedelte, ward Frankfurt einigermaßen dadurch entschädigt, daß
die beiden Landeskollegien, nämlich die neumärkische Regierung (früher zu Königsberg in der Neumark) und das
neumärkische Oberlandesgericht (früher in Soldin), hierher verlegt wurden. In der neuern Zeit hat sich die Stadt wieder gehoben
und auch an Einwohnerzahl um das Doppelte zugenommen.
Vgl. Hausen, Geschichte der Universität und Stadt Frankfurt (Frankf. a. O. 1800);
Sachse, Geschichte der Stadt Frankfurt (das. 1836);
Spieker, Beschreibung und Geschichte der Marien- oder Oberkirche
zu Frankfurt (das. 1835);
Derselbe, Geschichte der Stadt Frankfurt (das. 1853);
Philippi, Geschichte der Stadt Frankfurt (das. 1865).
Der Regierungsbezirk Frankfurt (s. Karte »Brandenburg«),
19,195 qkm (348,62 QM.) mit (1885)
1,116,289 Einw. (58 auf 1 qkm), zerfällt in die 18 Kreise:
Attentat, der in Frankfurt a. M. am
unternommene, von dem sogen. Männerbund
ausgegangene revolutionäre Anschlag. Unzufriedenheit mit den unerquicklichen Zuständen in Deutschland hatte eine Anzahl jüngerer
Männer sowohl aus den gebildeten Ständen (wie Rauschenplatt, Gürth, Bunsen, Neuhoff, Schrimpf, Berchelmann u. a.) als aus
dem Handwerkerstand veranlaßt, eine revolutionäre Bewegung zu organisieren, deren Mittelpunkt Frankfurt
a. M. sein sollte.
Hier wollten sie sich zunächst in den Besitz der Konstablerwache und der Hauptwache setzen und die politischen Gefangenen
befreien, sodann aber, wenn sich wenigstens ein Teil der Bevölkerung beteiligte, sich der Bundesgesandten versichern und
eine provisorische Regierung errichten, worauf eine allgemeine Schilderhebung in West- und Süddeutschland
folgen sollte. Obwohl die Behörde Kunde von dem Vorhaben erhielt und Maßregeln dagegen traf, gelang es den Verschwornen,
welche in zwei (je ca. 30 Mann starken) Haufen 3. April abends 9½ Uhr anrückten, sowohl die Hauptwache als die Konstablerwache
zu überrumpeln und zu erstürmen und die dortigen Gefangenen in Freiheit zu setzen.
Dagegen blieben die Aufforderungen, sich dem Aufstand anzuschließen, sowohl beim Militär als bei der Volksmenge ohne Erfolg.
Beim Anrücken des Militärs räumten die Verschwornen die Hauptwache und zogen sich auf die Konstablerwache zurück, aus der
sie aber mit Waffengewalt vertrieben wurden, worauf sie sich nach verschiedenen Richtungen zerstreuten.
Im ganzen wurden 9 Personen getötet und 24 schwer verwundet, darunter die Mehrzahl Soldaten. Einige der Verschwornen wurden
ergriffen.
Die Bundesversammlung setzte eine besondere Zentraluntersuchungskommission nieder, welche noch eine große Zahl
Verdächtiger, namentlich unter den Mitgliedern der Burschenschaften auf verschiedenen Universitäten, verhaften und die
Verhafteten (im ganzen 1800) zu hohen Freiheitsstrafen verurteilen ließ. Ferner wurde das Ereignis für eine allgemeine Reaktion
in Deutschland ausgebeutet.
Vgl. »Darlegung der Hauptresultate aus den wegen der revolutionären Komplotte der neuern Zeit
in Deutschland geführten Untersuchungen« (Frankf. in der Bundespräsidialdruckerei 1839);
Ilse, Geschichte der politischen
Untersuchungen etc. (Frankf. 1860).
Friede, der am zwischen dem Reichskanzler Fürsten Bismarck und dem französischen Minister Jules
Favre im Gasthof zum Schwan in Frankfurt a. M. abgeschlossene Friedensvertrag, dessen Ratifikationen 20. Mai ebendaselbst ausgetauscht
wurden. Derselbe beendigte den deutsch-französischen Krieg (s. d.) und bestätigte im allgemeinen die Friedenspräliminarien
von Versailles, wonach Elsaß-Lothringen an das Deutsche Reich abgetreten und 5 Milliarden Frank Kriegsentschädigung
von Frankreich gezahlt werden sollten; nur wurden einige Änderungen an der Grenze vorgenommen, die Termine der Zahlungen festgesetzt,
die Optionsfrage geregelt und die Handelsbeziehungen geordnet.
Rezeß, Übereinkunft, welche auf dem Frankfurter Reichstag im März 1558 zwischen Kurpfalz, Kursachsen,
Kurbrandenburg, Hessen, Pfalz-Zweibrücken und Württemberg abgeschlossen ward, worin die Beteiligten erklärten,
an der Augsburgischen Konfession festhalten zu wollen, und den lutherischen Zeloten gegenüber die mildern Bestimmungen Melanchthons
über gewisse streitige Dogmen genehmigten.
Die Flacianer erließen dagegen das »Samaritanische Interim«.
Schwarz (Drusenschwarz, Rebenschwarz, Hefenschwarz), im wesentlichen aus Kohle bestehende Farbe, welche
durch Verkohlen von Weinhefe und Auswaschen des Pottasche enthaltenden
mehr
Rückstandes, in geringern Sorten auf ähnliche Weise auch aus Weintrebern, Rebenabschnitten, Rebenholz etc. dargestellt wird.
Gemische dieser geringen Fabrikate mit Hefenschwarz geben die verschiedenen Sorten des im Handel vorkommenden Frankfurter. Man benutzt
das Frankfurter, welches sich vor gewöhnlicher Kohle durch größere Deckkraft auszeichnet, mit Leinölfirnis angerieben, zur Herstellung
von Kupfer- und Buchdruckerschwärze. Mit Bleiweiß gibt es ein ins Bläuliche fallendes Grau. Das Kernschwarz,
Kaffeeschwarz, Korkschwarz des Handels soll aus Kernen und Schalen der Steinfrüchte, aus Korkabfällen und Kaffeerückständen
durch Verkohlen dargestellt sein, besteht aber wahrscheinlich auch aus Frankfurter.
Union, ein abgeschlossenes Bündnis zwischen dem Kaiser Karl VII., Friedrich
d. Gr. von Preußen, Pfalz und Hessen, in welchem sich diese letztern zur Unterstützung des bedrängten Kaisers verpflichteten;
der Einfall Friedrichs II. in Böhmen und der Beginn des zweiten Schlesischen Kriegs waren die Folge des Vertrags.
Kaiser (Salische Kaiser), die deutschen Könige und römischen Kaiser fränkischer Abkunft: Konrad II. (1024-39),
Heinrich III. (1039 bis 1056), Heinrich IV. (1056-1106) und Heinrich V. (1106-25), regierten von 1024 bis
1125;
s. die besondern Artikel über dieselben und Deutsches Reich.
Kreis, einer der zehn Kreise des ehemaligen Deutschen Reichs, schon 1500 eingerichtet, zwischen Obersachsen,
Böhmen, Bayern, Schwaben und den beiden rheinischen Kreisen, begriff das frühere östliche Herzogtum Franken
und hatte ein Areal von 26,950 qkm (490 QM.) und 1½ Mill. Einw. Ihm gehörten
an die Bistümer Bamberg, Würzburg und Eichstätt, die hohenzollerischen Lande in Franken, die Grafschaft Henneberg, die Städte
Nürnberg, Würzburg und viele kleinere Gebiete. Die Stände desselben teilten sich in vier Bänke; die Kreistage
wurden gewöhnlich in Nürnberg gehalten. Gegenwärtig bildet die Hauptmasse desselben die bayrischen Regierungsbezirke Oberfranken,
Mittelfranken, Unterfranken und Aschaffenburg sowie einen Teil des württembergischen Jagstkreises; kleinere Parzellen fielen
an Baden (Wertheim), Hessen (Erbach) etc.
Ludwig August, Ritter von, Dichter, geb. zu Chrast in Böhmen aus einer israelitischen
Familie, besuchte das Piaristengymnasium der Prager Neustadt und das Piaristenkollegium zu Leitomischl und studierte seit 1828 in
Wien Medizin, seit dem Tod seines Vaters vielfach mit Not kämpfend. Durch sein »Habsburglied« (Wien 1832),
eine Reihe historischer
Balladen, führte er sich in die Kreise der Wiener Schriftsteller ein; die »Episch-lyrischen Dichtungen«
(das. 1834),
»Sagen aus dem Morgenland« (Leipz. 1834) und das romantische Epos »Christoforo Colombo« (Stuttg. 1836), worin sich
sein Talent vielleicht am glänzendsten ausspricht, folgten nach. Nach der Rückkehr von einer Reise durch Italien, wo er
zu
Padua 1837 promovierte, begann er seine medizinische Praxis, vertauschte diese aber schon 1838 mit der
Stelle eines Sekretärs der Wiener Israelitengemeinde und lebte fortan, außer seinem Amt, nur der schönen Litteratur. Er übernahm 1841 die
Redaktion des »Österreichischen Morgenblattes«, gab eine neue Sammlung
»Dichtungen« (Leipz. 1840) und das biblisch-romantische Gedicht »Rachel« (1842; 7. Aufl., Wien 1880) heraus
und begründete die Wochenschrift »Sonntagsblätter«, die viel zur Entwickelung des geistigen Lebens in Österreich beitrug,
aber 1848 unterdrückt wurde.
Sein Gedicht »Die Universität«, beim Beginn der Märzbewegung von 1848 entstanden, erregte als erste zensurfreie Publikation
ein beispielloses Aufsehen: sie wurde in mehr als 1 Mill. Exemplaren verbreitet und nachher von 19 Komponisten
in Musik gesetzt. Im J. 1856 reiste Frankl nach Jerusalem;
1873 erfolgte seine Ernennung zum k. k. Schulrat und seine Erwählung
zum Präses der israelitischen Kultusgemeinde.
Bei Gelegenheit der Enthüllung des von ihm angeregten Schillerdenkmals in
Wien wurde Frankl mit dem Prädikat von Hochwart (in Rücksicht auf das von ihm ins Leben gerufene
Kinderblindeninstitut auf der Hohen Warte bei Wien) in den österreichischen Ritterstand erhoben; 1880 erteilte ihm die Stadt
Wien das Ehrenbürgerrecht. Seine spätern Werke sind das Heldenlied »Don Juan d'Austria« (Leipz. 1846; 3. Aufl., Prag 1884);
»Ein Magyarenkönig« (Leipz.
1850; 3. Aufl., Wien 1880);
die Dichtung »Der Primator« (Prag 1861; 5. Aufl., Leipz. 1880),
eine Schilderung von Judenverfolgungen;
das »Helden- und Liederbuch« (Prag 1861, 2. Aufl. 1863);
die »Ahnenbilder« (Leipz. 1864);
»Libanon, ein poetisches Familienbuch«
(3. Aufl., Wien 1867);
Gegenüber den meisten vormärzlichen Dichtern Deutsch-Österreichs zeichnet sich
Frankl durch einen gewissen Reichtum der Phantasie, durch ein Streben nach geschmackvoller Darstellung und künstlerischem Gleichmaß
aus. Gleichwohl fehlen seinen Dichtungen der subjektive Gehalt und der Reiz der selbstgeprägten ureignen Form; sie sind wesentlich
eklektischen Charakters. Von sonstigen Publikationen sind zu nennen: »Gusle«, eine Übersetzung serbischer
Nationallieder (Wien 1852);
einige satirische Gedichte, in denen er den medizinischen Charlatanismus geißelt: »Hippokrates
und die moderne Medizin« (5. Aufl., das. 1860),
»Die Charlatane« (3. Aufl., das. 1862) und »Hippokrates und die Cholera« (3.
Aufl., das. 1864) sowie »Nach 500 Jahren, Satire zur Säkularfeier der Wiener Universität« (Leipz. 1865);
ferner die Prosaschriften: »Zur Geschichte der Juden in Wien« (Wien 1853),
Edward, Chemiker, geb. zu Churchtown bei Lancaster, studierte in London, Marburg
und in Gießen bei Liebig Chemie, wurde 1851 Professor der Chemie am Owen's College in Manchester, 1857 am St. Bartholomäus-Hospital
und 1865 an der Royal school of mines. Er bereicherte die organische Chemie mit zahlreichen
mehr
wichtigen Entdeckungen, und namentlich seine mit Kolbe gemeinsam ausgeführten Arbeiten über die fetten Säuren, die Nitrile
etc. waren von hoher Bedeutung, ebenso auch die Untersuchungen über die Isolierung der organischen Radikale, der phosphor-
und metallhaltigen organischen Verbindungen. 1853 veröffentlichte er seine Arbeiten über das Leuchtgas und knüpfte daran
die epochemachenden Untersuchungen über den Einfluß des Druckes auf die Leuchtkraft der Flammen. Er fungierte 1868 als
Regierungskommissar bei der Untersuchung über die Verunreinigung der Flüsse und gab wichtige Beiträge zur Chemie und Technologie
des Wassers (»Composition and quality of water used for drinking and other purposes«).
In neuester Zeit unternahm er mit Norman Lockyer spektroskopische Arbeiten. Er schrieb: »Lecture notes for
chemical students« (Lond. 1866 u. öfter, 2 Bde.);
»Researches in pure, applied and physical chemistry« (1877);
1) Benjamin, einer der bedeutendsten nordamerikan. Staatsmänner und Schriftsteller,
geb. zu Boston als 16. Kind eines Seifensieders, der 1682 in Amerika eingewandert war, trat, anfangs zum Geistlichen
bestimmt, aber wegen Mittellosigkeit vom Vater wieder aus der lateinischen Schule genommen, in seinem 10. Jahr
in das väterliche Geschäft und wurde, da er Widerwillen gegen die Seifensiederei zeigte, im 12. Jahr einem ältern Stiefbruder,
einem Buchdrucker, in die Lehre gegeben.
Jede freie Stunde widmete er seiner Ausbildung durch das Lesen nützlicher Bücher. Bald versuchte er sich selbst als Schriftsteller
und dichtete unter anderm zwei Balladen, die er selbst zum Verkauf in der Stadt herumtrug. Seine ersten
prosaischen Versuche waren Aufsätze für eine von seinem Bruder herausgegebene Zeitung. Als dieser später wegen eines mißliebigen
Artikels ins Gefängnis gesetzt wurde, übernahm Franklin die Redaktion des Blattes und ließ es sodann unter seinem Namen erscheinen.
Mißhelligkeiten mit seinem Bruder veranlaßten ihn 1723, Boston zu verlassen; er begab sich nach Philadelphia und, da ihm der
dortige Gouverneur Sir William Keith seine Unterstützung versprochen, 1724 nach London, um das zur Errichtung einer eignen Druckerei
Notwendige einzukaufen. Er gab jedoch diesen Plan wieder auf und nahm in London eine Stelle in der berühmten
Palmerschen Druckerei an. Eine metaphysische Abhandlung, in welcher er Wollastons Werk über die natürliche Religion zu widerlegen
suchte, veranlaßte seine Bekanntschaft mit mehreren ausgezeichneten Männern, deren Umgang den Kreis seiner Anschauungen bedeutend
erweiterte.
Von dem pennsylvanischen Kaufmann Denham als Buchhalter engagiert, landete er im Oktober 1726 wieder in
Amerika. Der bald darauf erfolgende Tod seines Chefs zwang ihn zur Rückkehr zu der Buchdruckerei; nebenbei versuchte er sich
im Gießen von Lettern und erfand mehrere Verbesserungen der Kupferdruckerei. 1728 errichtete er eine eigne Buchdruckerei,
die bald zu solcher Blüte gelangte, daß er die Leitung einer Zeitung übernehmen konnte. Auch verheiratete
er sich jetzt mit Miß Read, mit welcher er sich schon 1724 verlobte, die aber während seiner Abwesenheit in England einen andern
geheiratet hatte und nach unglücklicher Ehe von diesem Mann geschieden worden war.
Bald eröffnete er einen Laden als Buchhändler und
eine Papierhandlung und gründete einen Verein zur Ausbildung
von Kaufleuten und Handwerkern sowie 1731 eine Bibliothek, Anstalten, die bald auch in den übrigen Kolonien Nachahmung fanden.
Nebenbei betrieb er zu seiner eignen Ausbildung das Studium neuer und alter Sprachen. Seit 1736 Sekretär des Kolonialparlaments
von Pennsylvania und 1737 auch zum Oberpostmeister von Pennsylvanien ernannt, nahm er nun mehr als früher
an den öffentlichen Geschäften teil und bewirkte die Errichtung einer Miliz, eines Feuerrettungsvereins, einer Akademie zur
Erziehung der pennsylvanischen Jugend, die Pflasterung der Straßen und andres Gemeinnützige.
Der Gouverneur und das Kolonialoberhaus begehrten seinen Rat bei allen öffentlichen Maßregeln und beauftragten ihn unter
anderm 1743, den Plan einer Philosophischen Gesellschaft für Amerika zu entwerfen, deren Vorstand sodann
Franklin bis an sein Lebensende blieb. In diese Zeit fallen auch seine elektrischen Versuche, die zu der Erfindung des Blitzableiters
und des elektrischen Drachen führten. Seine Ideen über diesen Gegenstand fanden anfangs wenig Anklang; nachdem aber Buffon
seine Schrift »New experiments and observations on electricity« übersetzt und dadurch über ganz Europa verbreitet hatte, ernannte
selbst die Königliche Gesellschaft in London Franklin zu ihrem Mitglied und überschickte ihm 1753 ihre goldene Preismedaille. 1747 zum
Mitglied der Kolonialversammlung von Pennsylvanien gewählt, machte er sich bald als eifriger Kämpfer der
Volkspartei bemerklich, und 1753 zum Generalpostmeister aller englisch-amerikanischen Kolonien ernannt, faßte er den großen
Gedanken einer Bundesverfassung, eines Kongresses und einer Zentralregierung aller nordamerikanischen Kolonien.
Die Expedition des englischen Generals Braddock gegen die von Kanada aus mit einem Angriff drohenden Franzosen unterstützte
er auf jede Weise mit eignen finanziellen Opfern, und als die Expedition unglücklich ablief, setzte er
eine Bill durch, betreffend Bildung einer Miliz von Freiwilligen. Er selbst wurde beauftragt, an der von den Indianern unsicher
gemachten Nordwestgrenze eine Linie von Forts zu errichten. Indes war seine militärische Laufbahn nur kurz, da ihn die pennsylvanische
Landesversammlung in Angelegenheiten ihres Konflikts mit den Kolonieeigentümern, welche Steuerfreiheit
für sich beanspruchten, 1757 nach England sandte. Nach glücklicher Beendigung seines Geschäfts blieb Franklin als pennsylvanischer
Geschäftsträger in London, auch andre Provinzen wählten ihn zu ihrem Vertreter bei der Regierung. 1762 nach Philadelphia zurückgekehrt,
ging Franklin, als die verhängnisvollen Unruhen wegen der Stempelakte ausbrachen, 1766 abermals als Agent von
Pennsylvanien und andern Staaten nach England und verteidigte hier sogar im Parlament ebenso freimütig wie einsichtsvoll
die Freiheiten der Kolonien, worauf dann auch die Stempelakte zurückgenommen wurde.
Da er aber bei der immer mehr steigenden Unzufriedenheit mit der englischen Regierung die Sache der Kolonien
überhaupt kräftig und furchtlos vertrat, wurde er dem König und der Regierung sehr mißliebig, verlor seine Generalpostmeisterstelle
und kam bei dem Ausbruch der Feindseligkeiten in Gefahr, festgehalten zu werden. Daher kehrte er im März 1775 nach Philadelphia
zurück, wo er zum Kongreßmitglied ernannt und an die Spitze des Sicherheitsausschusses gestellt wurde.
In dieser Stellung hatte er hervorragenden Anteil an der Unabhängigkeitserklärung vom die er sodann auch
mehr
gegen den englischen Friedensunterhändler privatim und öffentlich als unabänderlich verteidigte. Zur Beschaffung der Hilfsmittel
für Aufrechthaltung des Beschlusses schlug er die Ausgabe von Papiergeld vor, wozu er aus seinem eignen Vermögen 4000 Pfd. Sterl.
gab. Ende 1776 begab er sich nach Frankreich, wo er mit höchster Achtung begrüßt wurde und nach Abschluß
des Allianzvertrags vom als bevollmächtigter Minister der 13 vereinigten Staaten Nordamerikas auftrat. Er suchte
namentlich durch die Presse die öffentliche Meinung für die amerikanische Sache zu gewinnen, die er als Sache der Freiheit
und Zivilisation der Menschheit darstellte.
Nach langen Mühen errang denn auch endlich seine diplomatische Kunst, die seine Korrespondenz und sein
Tagebuch veranschaulichen, den Frieden vom Die Rückfahrt benutzte er zu physikalischen Beobachtungen und zur Abfassung
einer trefflichen Abhandlung über die Verbesserung der Schiffahrt. In Amerika begrüßte ihn unter Kanonendonner und Glockengeläute
der Jubel des Volkes. Dreimal noch wurde er durch die einstimmige Wahl seiner Mitbürger Gouverneur des
Staats Pennsylvanien, als dessen erster Abgeordneter beim Kongreß er zur Befestigung der jungen nordamerikanischen Freiheit mitwirkte.
Alter, besonders aber Steinschmerzen nötigten ihn endlich, sich 1788 vom öffentlichen Leben zurückzuziehen. Er starb
nachdem er noch kurz zuvor als Vorsitzender des Vereins zur Aufhebung der Sklaverei eine Denkschrift an
das Repräsentantenhaus unterzeichnet hatte. Der Kongreß verordnete zu Ehren seines größten Bürgers eine Nationaltrauer
auf einen Monat. Auch die französische Nationalversammlung legte auf Mirabeaus Vorschlag drei Tage Trauer an. Grafschaften, Städte,
gemeinnützige Anstalten seines Vaterlandes ehrten Franklins Gedächtnis, indem sie seinen Namen annahmen.
Für seinen Grabstein aber hatte Franklin selbst folgende Inschrift bestimmt: »Hier liegt der Leib Benjamin Franklins, eines Buchdruckers
(gleich dem Deckel eines alten Buches, aus welchem der Inhalt herausgenommen, und der seiner Inschrift und Vergoldung beraubt
ist), eine Speise für die Würmer; doch wird das Werk selbst nicht verloren sein, sondern (wie er glaubt)
dermaleinst erscheinen in einer neuen schönern Ausgabe, durchgesehen und verbessert von dem Verfasser«. Franklin erwarb sich nicht
bloß um sein Vaterland, sondern auch um die Menschheit große Verdienste durch eine Reihe wichtiger Erfindungen, unter denen
die des Blitzableiters, die Verbesserung der Harmonika, der Kupferdruckpresse etc. obenan stehen.
Durch
eifrige Förderung von Erziehungsanstalten wirkte er für die Bildung der Jugend und für die Belehrung der Handwerker, während
er die moralische, geistige und politische Bildung des Volkes durch die Presse, durch Volksschriften und vorzüglich durch seine
»Pennsylvanische Zeitung« und seinen vortrefflichen »Volkskalender« zu heben
suchte. Selbst ein schönes Musterbild eines durch eigne Kraft emporgekommenen, zur höchsten geistigen
Bildung und angesehenen Stellung gelangten Mannes, schuf er in seinen Volksschriften, unter denen besonders die »Sprichwörter
des alten Heinrich oder die Weisheit des guten Richard« (Philad. 1757) in der Kunst, die Lehren der Moral auf das Leben anzuwenden,
unübertrefflich sind, seinen Mitbürgern ein Handbuch praktischer Moral, sozialer, bürgerlicher und
wirtschaftlicher Lebensweisheit, die ohne idealistischen Schwung, aber durchaus human und philanthropisch war. Vor allem
aber ist Franklin als Verteidiger des Rechts, der
Freiheit und der Staatseinrichtungen seines Vaterlandes ausgezeichnet. Berühmt
ist der in Frankreich auf ihn gedichtete Vers:
Eripuit coelo fulmen, sceptrumque tyrannis.
(Er entriß dem Himmel den Blitz, den Tyrannen das Zepter.)
1856 wurde ihm in Boston ein Standbild errichtet. Sammlungen von Franklins Werken erschienen zu London 1793 in 2 Bänden und 1806 in 3 Bänden,
vollständiger von Franklins Enkel William Temple Franklin (das. 1818-19) und von Sparks (neue Ausg., Chicago 1882, 10 Bde.,
mit Biographie); die vollständigste Ausgabe besorgte neuerlich Bigelow (1886, 10 Bde.); eine deutsche Bearbeitung lieferte
A. v. Binzer (Kiel 1829, 4 Bde.). Franklins kleinere Schriften und die Korrespondenz wurden mehrfach herausgegeben. Biographien
von ihm verfaßten (abgesehen von seiner Autobiographie, hrsg. von Bigelow, neue Ausg., Philad. 1879, 3 Bde.;
deutsch von Franklin Kapp, 4. Aufl., Berl. 1882) Sparks (Bost. 1856), Parton (New York 1856, 2 Bde.), Mc. Master (Bost. 1885), J. ^[richtig:
B. für Benjamin] Franklin und Headington (4. Aufl. 1880).
2) Sir John, berühmter engl. Seefahrer, geb. zu Spilsby (Lincolnshire), nahm 1801 als Seekadett
teil an dem Bombardement von Kopenhagen, begleitete 1803 Flinders auf seiner Entdeckungsreise nach Australien, focht 1805 auf
dem Bellerophon bei Trafalgar, wurde 1815 vor New Orleans bei der Wegnahme eines amerikanischen Kanonenboots verwundet und kommandierte 1818 bei
der Nordpolexpedition des Kapitäns Buchan die Brigg Trent. 1819 unternahm er im Auftrag der Regierung eine
Expedition zu Lande nach den Mündungen des Kupferminenflusses, während der Kapitän Parry diese Gegenden zu Schiff besuchen
sollte, kam von Fort York aus im Juli 1820 nach unendlichen Mühseligkeiten an Ort und Stelle und untersuchte die eisfreie Küste
mit ihren zahlreichen Inseln nordwestlich ca. 900 km weit bis zum Kap Turnagain, wo ihn Mangel an Lebensmitteln
zur Umkehr zwang.
Schon 1825 aber unternahm er im Auftrag der Regierung mit Leutnant Back, Richardson u. a. eine neue Reise, um eine schiffbare Durchfahrt
westlich von der Mündung des Mackenzieflusses zur Beringsstraße, wo ihm Kapitän Beechey aus dem Stillen Meer
entgegenkommen sollte, zu entdecken. Er schiffte den Mackenziefluß hinab, erreichte das Arktische Meer, entdeckte die Inseln
Parry, Kendall, Pelly etc. und kehrte sodann wegen der vorgerückten Jahreszeit nach dem Fort Franklin am Bärensee zurück.
Dort überwinterte er und kam im September 1829 wieder in England an. Franklin hatte auf dieser Expedition die
Küste auf eine Strecke von fast 36 Längengraden aufgenommen, wichtige Beobachtungen über den Magnet und die Wirkung des Nordlichts
auf die Magnetnadel gemacht und reiche naturhistorische Sammlungen, namentlich an Pflanzen, mitgebracht, wofür er zum Ritter
und Doktor der Rechte an der Universität Oxford ernannt ward und von der Geographischen Gesellschaft zu Paris
die goldene Medaille erhielt. (Vgl. »Narrative of a journey to the shores of the Polar Sea in the years 1819-22«, Lond. 1823, 2 Bde.;
deutsch, Weim. 1824, 2 Bde., und »Narrative
of a second expedition to the shores of the Polar Sea 1825-27«, Lond. 1828; deutsch, Weim.
1829.) Nachdem Franklin 1830 ein Linienschiff im Mittelmeer kommandiert hatte, fungierte er 1835-43 als Gouverneur auf Vandiemensland,
traf 1845 wieder in England ein und übernahm sogleich auf zwei Schiffen, Erebus und Terror, mit den Kapitänen Crozier und Fitzjames
die Leitung einer neuen Nordpolexpedition. Die
mehr
Mannschaft betrug 158 Personen. Am segelte die Expedition von Greenhithe in der Themse ab. Franklins offizielle
Instruktionen wiesen ihn an, in die Baffinsbai und von da in den Lancastersund einzulaufen, von hier aus, den Spuren der ersten
Reise Parrys folgend, längs der Südküste der Parryinseln die Barrowstraße zu passieren und ohne Aufenthalt
bis zum Kap Walker oder etwa dem 98° westl. L. v. Gr. zu fahren.
Von diesem Punkt aus sollte er in südlicher und westlicher Richtung so direkt wie möglich nach der Beringsstraße steuern.
Am 4. Juli warfen die Schiffe zwischen den Walfischinseln und Disko Anker.
Von dort aus schrieb Franklin an die Admiralität voller Zuversicht und Hoffnung und übergab seine
Briefe dem Kapitän Danner vom Prinz von Wales, einem Walfischfahrer, welcher die Schiffe in der Melvillebai unter 77° nördl.
Br. und 66° 13' westl. L. v. Gr. schon vom Eis besetzt angetroffen hatte. Das Jahr 1846 verstrich, ohne
daß irgend welche weitere Nachricht eingelaufen wäre; dennoch beunruhigte man sich nicht. Als indessen auch die Sommer 1847 und 1848 ohne
eine Kunde von Franklin verliefen, setzten die Frau und die Freunde des Vermißten die ganze britische Nation in Bewegung.
Alle Versuche aber, welche von Europa und Amerika aus, zu Schiffe und zu Lande, in allen Richtungen des nordamerikanischen
Polarmeers zur Aufsuchung Franklins gemacht wurden, blieben erfolglos, bis endlich im August 1850 auf dem östlichen Abhang
der Beecheyinsel, am Eingang des Wellingtonkanals von den Kapitänen Ommaney und Penny die Anzeichen eines Lagerplatzes und
Überreste verschiedener Gegenstände aufgefunden wurden, welche darauf hinwiesen, daß sich Mannschaften
britischer Staatsschiffe hier aufgehalten.
Penny und John Roß, welche den Ort bald darauf genauer untersuchten, fanden zahlreiche Spuren und auch drei Gräber von verstorbenen
Mitgliedern der Expedition, die, mit Inschriften versehen, bewiesen, daß die Expedition hier den ersten Winter von 1845 bis 1846 zugebracht
hatte. Weitere Nachrichten von den Vermißten erhielt im April 1854 John Rae (s. d.) an der Pellybai. Auf
die Aussage eines Eskimostammes hin, wonach 10-12 Tagereisen weiter gegen W. jenseit des Großen Fischflusses im Frühjahr 1850 eine
Anzahl weißer Männer durch Mangel an Lebensmitteln umgekommen sei, stellte er weitere Nachforschungen an,
und es gelang ihm, sich in den Besitz verschiedener Gegenstände, namentlich silberner Löffel mit Wappen und Namen der Offiziere,
zu setzen, welche über den Untergang wenigstens einer Abteilung der Expedition keinen Zweifel übrigließen (vgl. Brandes,
Sir John Franklin, die Unternehmungen für seine Rettung, Berl. 1854). Da die englische Admiralität mit Sicherheit
schließen zu können meinte, daß keine Mitglieder der Franklinschen Expedition mehr am Leben seien, gab sie weitere Nachforschungen
auf; Lady Franklin (gest. in London) aber rüstete 1857 das kleine Schraubenschiff Fox unter Befehl des Kapitäns M'Clintock
aus, welches im Mai 1859 ein von den Offizieren Crozier und Fitzjames herrührendes Schriftstück vom auffand,
wonach die beiden Schiffe Erebus und Terror vom Eis eingeschlossen, verlassen worden waren, aber schon gestorben
war. Die Überlebenden, 105 an der Zahl, waren unter Croziers Kommando in 69° 37' nördl. Br. und 98°
4' westl. L. gelandet, von wo sie Backs Fischfluß zu erreichen gedachten, waren aber unterwegs dem Klima und den Strapazen erlegen.
Neuerdings hat die Expedition unter Schwatka (s. Nordpolarexpeditionen) weitere Spuren und Überreste gefunden, aber keine
Schriften.
Vgl. Beesly, Sir John Franklin (Lond. 1881).
3) Christian Fürchtegott Otto von, Rechtshistoriker, geb. zu Berlin, studierte in Breslau und
Berlin Geschichte und Jurisprudenz. 1852 in Berlin zum Doktor beider
Rechte promoviert, widmete er sich neun Jahre der juristischen
Praxis und habilitierte sich zugleich 1860 als Privatdozent für deutsches und öffentliches Recht in Breslau. 1863 wurde er
als ordentlicher Professor nach Greifswald berufen, von wo er 1873 in gleicher Eigenschaft nach Tübingen ging. Schon als Student
schrieb er: »Die deutsche Politik Friedrichs I., Kurfürsten von Brandenburg« (Berl. 1851) und erhielt für dieses Erstlingswerk
die Medaille für Wissenschaft und Kunst.
Von seinen sonstigen Schriften sind auszuzeichnen: »Magdeburger Weistümer für Breslau« (Bresl. 1856);
»De
justitiariis curiae imperialis« (das. 1860);
»Beiträge zur Geschichte der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland« (Hannov.
1863);
»Das Reichshofgericht im Mittelalter« (Weim. 1867-69, 2 Bde.);
»Sententiae curiae regiae. Rechtssprüche des Reichshofs im Mittelalter« (Hannov. 1870);
»Das königliche Kammergericht vor
dem Jahr 1495« (Berl. 1871);
»Das Deutsche Reich nach Severinus von Monzambano« (Greifsw. 1872);
»Die freien
Herren und Grafen von Zimmern« (Freib. i. Br. 1884).
Mineral aus der Ordnung der Anhydride, findet sich in tesseralen, an Kanten und Ecken oft abgerundeten Kristallen
ein- oder aufgewachsen und dann zu Drusen vereinigt, auch derb in körnigen Aggregaten und eingesprengt,
ist eisenschwarz mit unvollkommenem Metallglanz, undurchsichtig, schwach magnetisch, Härte 6-6,5, spez. Gew. 5,0-5,1,
besteht aus Zinkoxyd und Eisenoxydul mit Eisen- u. Manganoxyd, entsprechend der Formel (ZnFeMn) (Fe2Mn2)O4, und enthält 21 Proz.
Zinkoxyd. Er findet sich mit Rotzinkerz und Kalkspat zu Franklin und Stirling in New Jersey und wird auf Zink und
Eisen verhüttet.
(lat. Francia, Franco-Gallia; franz. la France; engl. France; ital. Francia; nach dem germanischen Stamm der
Franken benannt), Republik, eins der Hauptländer Europas, erstreckt sich zwischen 42° 20' und 51° 5' nördl. Br. und 4°
42' westl. und 7° 39' östl. L. v. Gr.
Frankreich bildet den schmälsten Teil des europäischen Kontinents und liegt überaus günstig zwischen zwei
Meeren, dem Mittelländischen und Atlantischen. Die Mittelmeerküste (mit dem Golfe du Lion) hat etwas weniger als ein Viertel
der Ausdehnung der
^[Leere Seite]
mehr
atlantischen (mit dem Busen von Gascogne oder Viscaya). Den Meeresteil zwischen und England nennen die Franzosen La Manche (Ärmelkanal),
die Engländer Kanal; die engste Stelle desselben (33 km breit) heißt Pas de Calais, bei den Engländern Straße von Dover. Die
gegenüberliegenden Küsten beider Länder gleichen einander teilweise in ihrer geographischen wie geognostischen
Formation, woraus auf einen frühern Zusammenhang geschlossen worden ist. Die Küstenausdehnung beträgt 3120 km, wovon 615 auf
das Mittelländische Meer, 1385 auf den offenen Atlantischen Ozean (vom Viscayischen Busen bis zum Kap Corsen im Departement Finistère)
und 1120 km auf den Kanal, Pas de Calais und die Nordsee entfallen.
Abgesehen von den Meeren, grenzt Frankreich im S. an Spanien, wovon es die Pyrenäen, im O. an Italien und die Schweiz, wovon es die Alpen
mit dem Jura trennen, weiterhin im O. an Deutschland (Elsaß-Lothringen), im NO. und N. an das Großherzogtum Luxemburg und Belgien.
Die Landgrenze hat eine Länge von 2170 km. Mit Ausnahme der im Mittelländischen Meer liegenden Insel Corsica
bildet das Land eine ziemlich kompakte Masse von symmetrischer Gestalt. Eine Mittellinie, welche die nördlichste Spitze des
Landes bei Dünkirchen mit dem südlichsten Punkt bei Prats de Mollo in den Ostpyrenäen verbindet, teilt das Land, nahe
östlich an Paris vorbeigehend, in zwei fast gleich große und einander ähnliche Teile.
Diese Linie hat eine Länge von 973 km. Die größte westöstliche Erstreckung, 888 km, erreicht das Land unter 48½° nördl.
Br. auf einer Linie, welche, wiederum nahe an Paris vorbeigehend, den Vogesenkamm östlich von St.-Dié mit Kap
Corsen verbindet. Ferner entspricht der Einbuchtung der atlantischen Küste gegen La Rochelle hin eine solche der Ostgrenze
gegen Genf,
so daß hier die Breite des Landes nur 550 km beträgt. Schließlich zerfällt auch die Südgrenze in zwei in einem stumpfen,
dem bei Dünkirchen gebildeten ähnlichen Winkel am südlichsten Punkte des Landes zusammenstoßende Stücke
von nahezu gleicher Länge, so daß das ganze Land einem unregelmäßigen Sechseck ähnlich wird.
Die Wasser- wie die Landgrenze Frankreichs, erstere fast drei Fünftel, letztere mehr als zwei Fünftel, trägt einen wechselnden
Charakter: gegen Italien und Spanien, d. h. gegen nahe verwandte Völker, ist sie durch hohe Gebirge (Alpen
und Pyrenäen) gebildet und fest geschlossen;
gegen die Schweiz, Deutschland und Belgien, d. h. gegen die Germanen, ist sie durch
Jura und Vogesen, beide leicht zu übersteigen, ja gegen Belgien hin nur durch den flachen Rücken der Ardennen gebildet, so daß
sie als eine völlig offene anzusehen ist.
Gerade mit den verwandten lateinischen Völkern war daher der
Verkehr erschwert und wesentlich auf das Meer hingewiesen, während gegen die germanischen Völker die Berührung, der Verkehr
erleichtert war, die Gegensätze aber auch um so unvermittelter aufeinander stießen. Darum hier von jeher Kampf und Verrücken
der Grenzen, darum hier nach O. auch erleichtertes Einströmen erst römischer, dann französischer Kultur.
Auf die frühere Entwickelung höherer Kultur in Frankreich hat aber, abgesehen von den zahlreichen hier noch vorhandenen Kulturkeimen
aus römischer Zeit, abgesehen von der größern Gunst der Bodenbeschaffenheit und des Klimas, die Lage am Mittelmeer und die
Beschaffenheit der Mittelmeerküste beigetragen. Dieselbe zerfällt in zwei morphologisch wesentlich
verschiedene Stücke, eine östliche Steilküste, die Küste der Provence, und eine westliche Flachküste, die von Languedoc.
Die Steilküste der Provence von Mentone bis zu
den Rhônemündungen, zum Teil Granit, zum Teil Kreide und tertiärer Kalk, ist
außerordentlich reich an Buchten, Häfen, Vorgebirgen und vorgelagerten Felseninseln, reich an Naturschönheiten
jeder Art, mit herrlichem Klima und echt mediterraner Vegetation. Darum ließen sich hier früh Griechen nieder, an welche
noch heute die Namen der blühenden Hafenstädte erinnern: Nizza (Nicäa), Antibes (Antipolis), Marseille u. a. Der Golf von Tropez
und die Reede von Hyères mit den davorliegenden gleichnamigen Inseln bieten ganzen Flotten Schutz, und die
fast ganz landumschlossene Bucht von Toulon ist Frankreichs großer Kriegshafen am Mittelmeer. Am günstigsten war die Lage von
Marseille, und dies ist darum am glänzendsten emporgeblüht.
Eine enge, geschützte Bucht zog sich hier ins Land hinein, ein trefflicher Hafen, nahe der Rhônemündung, aber vor den Anschwemmungen
derselben geschützt, der natürliche Endpunkt der großen Handels-, Kultur- und Völkerstraße, welche
im Thal des Rhône (s. d.) aufwärts nach Nordfrankreich, Mittel- und Nordeuropa führt. Westlich von Marseille ist die Küste
durch die Deltabildungen des Rhône und der Cevennen- und Pyrenäenflüsse beträchtlich vorgerückt, ganz ähnlich wie die
Küste der großen nordadriatischen Deltas.
Inseln sind hier landfest geworden, Meeresbuchten verlandet, Teile des Meers selbst, durch Dünen abgeschnitten, zu Strandlagunen
(étangs) geworden, welche längs dieser ganzen, sich in flachen Kurven von der Felsenküste der Provence bis zu der der Pyrenäen
schwingenden Küste gelagert sind. Dieselbe ist ihrer Entstehung nach ausgezeichnete Flachküste und hafenlos, nur
mit großer Mühe und Kosten sind Kunsthäfen, wie der von Cette, zu schaffen und zu erhalten.
Folgen wir der Grenze, die gegen Spanien fast überall von dem hohen Kamm der Pyrenäen gebildet wird, der nur an seinem Ost- und
Westende oder nahe demselben Übergänge bietet, zum Atlantischen Ozean, so finden wir, sobald wir uns
von den Pyrenäen entfernen, von dem Flußhafen von Bayonne an wiederum bis zur Mündung der Gironde eine buchten- und hafenlose,
von Dünen besetzte Flachküste, derjenigen von Languedoc durchaus ähnlich. Wie das Rhônebecken seinen Verkehr nur durch Marseille
vermittelt, so das Garonnebecken durch Bordeaux, am Flusse selbst, das unter dem Einfluß der mächtigen
ozeanischen Flut, welche dem Mittelmeer fast völlig fehlt, noch weit oberhalb der Mündung sich zur großen Seehandelsstadt
zu entwickeln vermocht hat.
Von der Gironde an ändert sich aber die Küstenbeschaffenheit; die Küste, die bis zur Bucht von Aiguillon Nord-, von da an Nordwestrichtung
einschlägt, ist zwar auch noch flach, aber reich ausgebuchtet dadurch, daß hier das Meer in das Land
eingebrochen ist und den ursprünglichen Küstensaum, der noch durch die vorgelagerten Inseln Oléron, Ré, Yeu und Noirmoutier
bezeichnet wird, zerstört hat. Hier fehlte es daher nicht an guten Häfen, wie La Rochelle, Rochefort u. a.,
die aber jetzt anscheinend durch Aufsteigen dieser Küste immer unbrauchbarer werden, so daß sich der Verkehr mehr und mehr
wie südwärts auf die Gironde-, so nordwärts auf die Loiremündung konzentriert, wo Nantes, weniger begünstigt als Bordeaux,
infolge der Versandung der Loiremündung den Großhandel immer mehr an St.-Nazaire abgibt. Mit der Mündung
der Vilaine beginnt die Küste der Halbinsel Bretagne, welche ringsum bis zur Bucht von St.-Michel (s. d.) gleichen Charakter bewahrt.
Es ist eine merkwürdig verwitterte und ausgebuchtete granitische Steilküste, die mit ihren zahlreichen vorgelagerten kleinen
mehr
Granitinseln, Belle-Ile im S. die größte, Ouessant die westlichste, mit ihren fjordartigen Einschnitten an die Küste von Norwegen
erinnert. Hier finden wir eine Fülle trefflicher, leicht zu verteidigender Buchten und Häfen (Morbihan, Quiberon, Lorient, Douarnenez,
Brest, St.-Brieuc u. a.), hier lebte schon zu Cäsars Zeit eine seetüchtige Bevölkerung, welche seit dem
Mittelalter Frankreich die trefflichsten Fischer, Korsaren und Seehelden, die besten Matrosen der Kriegsflotte geliefert hat.
Nur der Handel vermochte sich in dem verhältnismäßig armen, abgelegenen Land nicht allzusehr zu entwickeln. Brest, der große
Kriegshafen Frankreichs am Ozean, ist von der Natur am besten ausgestattet, an einer tiefen Bucht mit engem
Eingang, an der Nordwestspitze den ^[richtig: des] Landes selbst. Steile, klippenumstarrte Landtrümmer sind auch die Normännischen Inseln,
welche den großen zwischen der Bretagne und der Halbinsel Cotentin eindringenden Golf schließen.
Von hier an aber fehlt es an der französischen Küste, die bis gegen die Somme hin noch meist, wenn auch
mäßig steil bleibt, recht im Gegensatz zur gegenüberliegenden englischen Küste, an guten Naturhäfen; es ist deshalb mit
großen Kosten der Kriegshafen von Cherbourg England gegenüber geschaffen worden, während wiederum ein überwiegend durch
Kunst geschaffener Flußhafen, der von Le Havre, den Verkehr in sich vereinigt, seitdem Rouen, ähnlich wie jetzt Nantes,
für die großen Seeschiffe der Neuzeit nicht mehr zugänglich war.
Von der Somme an beginnt die von Dünen begleitete Flachküste, welche der südlichen Nordsee eigen ist. Boulogne, Calais verdanken
nur der Gunst der Lage am engsten Punkte des Kanals ihre Bedeutung; ihre Häfen, mit Hilfe kleiner Flüsse geschaffen, sind nur
Schiffen mäßiger Größe zugänglich. Wir erkennen durch diesen flüchtigen Überblick über die Meeresbegrenzung Frankreichs,
daß dieselbe eine mäßig günstige ist und die Bedeutung der vier großen Flüsse wie für den innern, so auch für den
äußern Verkehr recht hervortreten läßt.
Bodenbeschaffenheit.
Die Reliefformen Frankreichs zeigen eine reiche, günstige Gliederung, einen Wechsel von Ebenen, Hügel- und
Berglandschaften, der nirgends Einförmigkeit aufkommen läßt, ohne daß aber, außer an der Südost- und Südgrenze, unbewohnbare
Hochgebirge vorhanden wären. Dem Verkehr stellen sich daher im Innern Frankreichs nirgends erhebliche Schwierigkeiten entgegen,
ja die einzelnen Flußsysteme sind einander so nahe gerückt und durch so mäßige Höhen voneinander
geschieden, daß sie alle durch Kanäle miteinander haben in Verbindung gesetzt werden können.
Die größten Erhebungen Frankreichs liegen im S. und O., so daß die allgemeine Abdachung des Landes eine nordwestliche ist und
demnach die Hauptflüsse, mit einer Ausnahme, zum Ozean gehen. Als den Kern und vielleicht den geologisch
ältesten Teil von Frankreich haben wir das sogen. Zentralplateau anzusehen, eine mächtige,
sich in viele Unterabteilungen gliedernde Scholle von Granit, Gneis und kristallinischen Schiefern mit zahlreichen vulkanischen
Durchbrüchen und umlagert von jüngern sedimentären Bildungen, welche die historischen Landschaften der Auvergne, Lyonnais,
Bourbonnais, Marche, Limousin, Guienne und Languedoc ganz oder teilweise füllt. Es bildet mit ungefähr 80,000
qkm mehr als ein Siebentel von und ist sein wichtigstes Wasserreservoir, rings von Ebenen umschlossen, durch das Thal des Rhône
und der Saône von Alpen und Jura, durch die Einsenkung von Castelnaudary, durch welche
der Canal du Midi in einer Höhe von 190 m
geführt ist, von den Pyrenäen getrennt und nur nach NO. mit den östlichen Grenzgebirgen, den Vogesen und Ardennen, in erkennbarem
orographischen Zusammenhang.
Die Abdachung dieses zentralen Hochlandes ist eine entschieden westliche und nordwestliche. Es läßt sich in zwei Unterabteilungen
zerlegen: eine östliche, welche den gehobenen, steil zur Ebene von Languedoc und dem Rhône-Saônethal
abfallenden Rand des Hochlandes bildet und hier und da, am deutlichsten in den Cevennen, den Charakter einer Gebirgskette trägt,
und eine westliche, das Hochland von Auvergne. Ursprünglich war ganz Zentralfrankreich wohl eine Hochebene von ca. 1000 m Höhe,
die ihr jetziges wechselndes Relief erst durch die Meteorwasser, welche tiefe Thäler erodiert und Einsenkungen
ausgefüllt haben, sowie durch vulkanische Thätigkeit erhalten hat, welche dem granitischen Plateau zahlreiche trachytische
und basaltische Kegel aufgesetzt und weite Flächen mit mächtigen Lavaschichten bedeckt hat.
Betrachten wir zunächst den östlichen Plateaurand, so wollen wir das Stück desselben von der erwähnten Einsenkung von
Castelnaudary bis zu der kaum minder bedeutungsvollen von St.-Etienne, welche Rhône und Loire verbindet, mit dem Namen der Cevennen
bezeichnen. Dem ganzen Zug
ist eigen ein südlicher und östlicher Steilabsturz, von welchem zahlreiche kleine Flüsse in tiefen,
kaskadenreichen Thälern zur Ebene von Languedoc oder zum Rhône hinabeilen. Von dieser äußern Seite ist
das Gebirge schwer zu ersteigen, während es an der innern nur ausnahmsweise den Eindruck eines Gebirges, vielmehr den eines
sanft ansteigenden Plateaus macht.
Die Wasserscheide zwischen den zum Mittelmeer und den zum Ozean gehenden Flüssen ist eine vielgewundene Linie, welche nicht über
die höchsten Gipfel geht. Kein einziger Fluß durchbricht das ganze Gebirge, aber die Quellen der westlichen
Plateauflüsse liegen meist außerordentlich nahe am östlichen Absturz. In früherer Zeit machte dieses Hochfrankreich sich
allerdings als ein scharf individualisiertes Gebiet geltend, es wurde von den Verkehrswegen umgangen, seine Bevölkerung nahm
weniger an den großen Bewegungen teil, wie zum Teil auch noch heute; aber den modernen Verkehrsmitteln
gegenüber beginnt seine Abgeschlossenheit zu schwinden, eine Eisenbahn zieht vom Allierthal mitten durch die Cevennen nach
Nîmes, eine andre mitten durch den Cantalstock aus dem Allier- zum Lotthal.
Wir unterscheiden in den Cevennen folgende Unterabteilungen: Zunächst erheben sich an der Senke von Castelnaudary
die Montagnes Noires (s. d.), an diese schließen sich die Monts de l'Espinouse an, in denen der einseitige Steilabfall zuerst
hervortritt, das Quellgebiet des Agout, eines Nebenflusses des Tarn, während sie wiederum das Thal des Orb von den Garriguesbergen
trennt, in denen sich das System fortsetzt, um jenseit des Héraultthals in die Cevennen im engern Sinn
überzugehen, denen sich hier nach W. im obern Lot- und Tarngebiet, ja südöstlich bis an die Abdachung des Gebirges selbst
am mittlern Hérault heranreichend, die merkwürdige Jurakalkplatte der Causses (s. d.) anschließt. Die Cevennen (s. d.) im
engern Sinn bestehen überwiegend aus Granit, von ihrem mächtigen südwestlichen Eckpfeiler, dem Mont Aigoual
(1567 m) an bis zu dem noch mächtigern, dem Granit aufgesetzten Phonolithdom des Mézenc (1754 m). Die massigste Erhebung des
ganzen Systems, aber nur im S. und O. als Gebirge erscheinend,
mehr
ist der westöstlich streichende Rücken der Lozèreberge (Mont de Finiels 1702 m), an welche sich das nordnordwestlich gerichtete
plateauartige Granitgewölbe der Margerideberge anschließt, das die vulkanischen Gruppen des Velay und des Cantal trennt.
In den Lozèrebergen und ihrer Umgebung liegen in einem Abstand von 2-15 km die Quellen des Tarn und Lot,
der Cèze und des Chassezac (zur Ardèche), beide dem Rhônesystem angehörig, wie die des Allier. Die untern Hänge der Cevennen
bestehen auch aus Jurakalk, bei Alais aus der produktiven Kohlenformation, deren erschlossene Steinkohlenlager für Marseille,
dem sie jetzt durch eine Eisenbahn zugeführt werden, von großer Wichtigkeit sind.
Der Mézenc und der südöstlich davon sich erhebende Gerbier de Jonc (1562 m) mit den Quellen der Loire
bilden die höchsten Erhebungen eines ausgedehnten vulkanischen Gebiets, das sich südöstlich in den Coironbergen dem Rhône
nähert und das obere Ardèchegebiet bildet, nach W. und NW. aber mit dem im Mittel 1000 m hohen Plateau
des Velay in Verbindung steht, das im W. vom Thal des Allier begrenzt und von der Loire in tiefem Thal durchschnitten ist. Auch
dieses Plateau, das rauh und kalt, von dürftigem Gras oder verkrüppelten Bäumen bedeckt ist, besteht aus Granit mit aufgelagerten
Basaltkegeln, Lavadecken, Schlacken- und Ascheschichten.
Den nördlichsten Teil der Cevennen bis zur Senke von St.-Etienne bilden die Berge von Vivarais, die mit
dem Mont Pilat (1434 m) endigen. Das vulkanische Gebiet des Mézenc und die Coironberge gehören schon zu diesem Gebirgsabschnitt.
Diese Senke selbst wird von einer nahe am Rhône beginnenden und bis zur Loire reichenden Zone der Kohlenformation
gebildet, dem Kohlenbecken von St.-Etienne, dem zweitgrößten von Frankreich, das, mit Vorkommen von Eisenerzen verbunden, diese
Stadt zu einem so wichtigen Industriezentrum gemacht hat.
Nordwärts dieser Senke setzt sich der Höhenzug zwischen Loire einerseits, Rhône und Saône anderseits weiter fort in einer
zwischen 600 und 1000 m schwankenden Höhe, erst als Berge von Lyonnais, die noch aus Granit und metamorphischem
Gestein bestehen, dann als Berge von Beaujolais und Charolais, welche noch geringere Höhe haben und aus triassischen Mergeln und
Sandsteinen, namentlich aber wieder aus jurassischen Kalksteinen bestehen, welche dem nur in einer schmalen innern Zone hervortretenden
Granit aufgelagert sind.
Die Berge von Beaujolais standen ehemals durch ihre Porphyrkuppen und -Decken in Verbindung mit der gleichen Formation der nördlichen
Teile des parallelen, sonst aus Granit und vulkanischen Gesteinen bestehenden Höhenzugs von Forez. Die Loire hat das Hindernis
schließlich in engem Thal oberhalb Roanne durchsägt, der See, welcher dadurch aufgestaut war, ist bis
auf kleine Reste, welche in dem Becken verstreut sind, abgeflossen und die fruchtbare Ebene von Montbrison zurückgeblieben.
Auch der Granitrücken der Berge von Charolais endigt an einer Einsenkung, welche mit Schichten der Kohlenformation gefüllt
(Kohlenbecken von Creuzot), und durch deren tiefste Falte der Canal du Centre von der Saône bei Châlon
zur Loire bei Digoin, dem Punkt, wo ihre Nordrichtung in NW. übergeht, geführt ist. Sein Scheitel liegt nur in einer Höhe von 309 m.
Wie die Senke von Castelnaudary im S., so ist dies die natürliche Verbindung der mediterranen Abdachung Frankreichs mit der
ozeanischen im N. des zentralen Hochlandes.
Diese Depression mit ihren Kohlenlagern scheidet das nördlich
davon liegende, schon zum Seinegebiet gehörige Morvanplateau,
das ebenfalls noch aus Granit und Porphyr aufgebaut ist, vom zentralen Plateau, dessen nördlichste Bastion es bildet. Es gehört
bereits zum Seinegebiet, am Mont Beuvray (810 m) liegt die Quelle der Yonne. Von dieser wichtigen Einsenkung
an wird die Wasserscheide zwischen Rhône und Seine nur noch durch niedere, aus jüngerm Gestein, namentlich Jurakalk, bestehende
Rücken gebildet, welche das zentrale Plateau mit dem östlichen Grenzgebirge, den Vogesen, verbinden. Es sind zunächst die
Höhen der Côte d'Or (600 m), an deren östlichen steilen Hängen zur burgundischen Ebene die herrlichen
Burgunderweine wachsen.
Hier nähern und vermischen sich die obern Thäler der Seine- und Saônezuflüsse in so hohem Maß, daß durch dieselben ohne
Schwierigkeiten die historischen Beziehungen zwischen dem Norden und dem Süden Frankreichs stattfanden. Das Thal des Saônezuflusses
Ouche, das die Côte d'Or im N. begrenzt, ist wiederum benutzt worden, um durch den Kanal von Burgund, welcher
zum Armançon und durch diesen zur Yonne geleitet ist, Saône und Seine zu verbinden. Nördlich von diesem Kanal nimmt die Wasserscheide
immer mehr den Charakter eines steil gegen Burgund abfallenden Plateaus an, das, ganz aus Jurakalk bestehend,
bei einer mittlern Höhe von 500 m in seinem mittlern Teil an den Quellen der Marne, von welcher aus wiederum ein wichtiger
Übergang aus dem Seine- ins Saônegebiet führt, Plateau von Langres genannt wird.
Die dies Plateau ostwärts fortsetzenden Monts Faucilles (Sichelberge), die nur in ihren höchsten Erhebungen noch 500 m
erreichen, bilden weiter die Wasserscheide zwischen Saône und Mosel und stellen die Verbindung mit den Vogesen und dem Hochland
von Lothringen her. Das Thal des Allier, dessen Quelle wenig nördlich vom Lozèregebirge, diesem Mittelpunkt der Cevennen, liegt,
kann am besten als Scheide zwischen dem westlichen Teil des zentralen Hochlandes und seinem östlichen
Rand angesehen werden.
Jetzt in seiner ganzen Länge von einer wichtigen Eisenbahnlinie durchzogen, ist es zuerst eng und tief eingeschnitten, erweitert
sich aber bald zu der breiten Thalebene der Limagne, welche, dicht bevölkert und herrlich angebaut wie ein großer Garten,
nach N. hin bis gegen Moulins (280 m) sich verbreiternd, einst von einem Süßwassersee bedeckt war. Dessen
Niederschläge sowie noch jüngerer, von den Bergen herabgeschwemmter Boden, der zum großen Teil aus vulkanischer Asche besteht,
bedingen die außerordentliche Fruchtbarkeit dieses Beckens. Es scheidet deutlich die Berge von Forez vom westlichen Hochland,
dessen Kern die Berge der Auvergne bilden. Der flach gewölbte Rücken der Margerideberge schließt sich
bei den Quellen des Allier an den Lozèrestock an.
Die Gebirge der Auvergne lassen deutlich Südnordrichtung erkennen und bestehen aus granitischer Basis mit Gneis und kristallinischen
Schiefern, welche von Vulkanen durchbrochen, von mächtigen, weithin geflossenen Lavaströmen und Lavadecken sowie Trachyt-,
Basalt- und Phonolithdomen überlagert ist, und deren Hänge mit Schlacken, Bimsstein und Asche bedeckt sind.
Es lassen sich drei Gruppen unterscheiden. Die südlichste und kleinste sind die Berge von Aubrac (1471 m), welche vom Lot und
seinem Nebenfluß, der Truyère, umflossen werden und, zum Teil noch mit Wäldern und Torfmooren bedeckt, durch
einen engen Isthmus mit den Margeridebergen zusammenhängen: ein ungeheures
mehr
rauhes Weideland für Kühe und Schafe, von denen die dünngesäete Bevölkerung Käse gewinnt. Jenseit des Thals der Truyère
erhebt sich die mittlere und größte Gruppe, der Cantal, ein mächtiger, dem Ätna vergleichbarer erloschener Vulkan, ein Trachytdom,
dessen Hauptgipfel, der Plomb du Cantal, 1858 m Höhe erreicht. Das Gebirge ist von den Meteorwassern und
zahlreichen kleinen, radialen Flüssen derartig tief eingefurcht worden, daß ohne besondere Schwierigkeiten durch einen Tunnel
von 1159 m Höhe mitten durch dasselbe unter Benutzung zweier korrespondierender Thäler die Eisenbahn von Clermont nach Toulouse
hat gelegt werden können.
Herrliche Wälder bedecken zum Teil noch heute das Gebirge, namentlich an der regenreichern Westseite. Die
dritte, nördlichste Gruppe, durch ein überaus ödes Hochland vom Cantal getrennt, zerfällt wieder in zwei Gruppen, die des
Mont Dore und die des Puy de Dôme. Erstere gipfelt in der Vulkanruine des Puy de Sancy (1886 m), des höchsten Gipfels Innerfrankreichs,
an welchem die Dordogne entspringt, die in tief eingeschnittenem Thal erst nördlich, dann westlich gewendet
das ganze Gebirge durchfließt.
Mehr als 30 km weit haben sich einzelne Lavaströme ergossen, und mehrere kleine Moore füllen kleinere, noch als solche erkennbare
Krateröffnungen; andre Seen sind als Aufstauungen durch Lavaströme anzusehen. Heiße, vielbesuchte Heilquellen (Mont Dore und
Bourboule) zeugen noch von der ehemaligen vulkanischen Thätigkeit, die hier von der zweiten Hälfte der Tertiärzeit
bis zum Beginn der Quartärzeit geherrscht hat. Die Gruppe des Puy de Dôme besteht aus einer südnördlichen Reihe von mehr
als 60 vulkanischen Kegeln (Puys), die sich mit zahlreichen wohlerhaltenen Kratern und Lavaströmen auf
ca. 1000 m hohem Granitplateau 150-500 m hoch erheben, der Puy de Dôme selbst mit 1465 m der höchste.
Das Granitplateau, auf welchem sich diese alten Vulkane der Auvergne erheben, setzt sich noch weit nach W. fort, durch die
Flüsse in zahlreiche Stücke zerschnitten. Der höchste und rauheste Teil desselben, in dem aber kein
Gipfel 1000 m erreicht, ist das Plateau von Millevache (Mont Besson 984 m) mit den Quellen der Vienne, der Creuse, der Vézère
und andrer Zuflüsse der Dordogne. Weite Striche sind hier mit Heidekraut bewachsen, aber auch Eichen- und Kastanienwälder finden
sich. Der westlichste Teil wird als Plateau von Limousin bezeichnet. Auch hier kommen einzelne kleinere
Kohlenbecken, wie die von Argentat und Brive im Dordogne-, von Decazeville im Lotbecken, vor.
Das zentrale Hochfrankreich ist der verhältnismäßig am dünnsten bevölkerte und ärmste Teil des Landes, mit wenig fruchtbarem
Boden und rauhem Klima, abgeschieden vom Weltverkehr. Nur einzelne Becken am Rande desselben machen, zum
Teil erst in neuester Zeit durch Auffindung von Kohlenlagern, eine Ausnahme. Die Bevölkerung ist rauh und ungelenk wie der
Boden, noch fern von Hyperkultur, aber bieder und ehrlich; alljährlich wandern Tausende derselben aus, um in den Ebenen und
großen Städten, namentlich in Paris, Unterhalt zu suchen.
Das Hochland ist rings von einer breiten Zone jurassischer Gesteine, namentlich Kalksteine, umlagert, durch die es sich allmählich
gegen das Becken der Loire und Garonne wie gegen den Ozean hinabsenkt. Namentlich im W., in den historischen Landschaften Angoumois
und Aunis, ist dieselbe sehr breit, und im SW., zwischen dem mittlern Aveyron und Lot, entwickelt sie sich
noch einmal zu einem den Causses ähnlichen Plateau, das nur infolge geringerer Höhe
auch milderes Klima hat.
Man kann den Wechsel der geologischen Formation am Lauf der Flüsse, des Lot, der Dordogne u. a., erkennen, welche beim Eintritt
in die Juraschichten außerordentliche Schlangenwindungen zu beschreiben beginnen. So ist das aus altkristallinischen
Gesteinen aufgebaute zentrale Hochfrankreich fast ringsum (nur in den Bergen des Vivarais treten dieselben unmittelbar an den
Rhône heran) von einer breitern oder schmälern Zone jurassischer Gesteine umschlossen, die in Bezug auf Klima, Bodenerzeugnisse
und Fruchtbarkeit sich deutlich von jenen abheben und, meist nur aus Hügelland bestehend, den Übergang
zu den das Hochland an drei Seiten umlagernden Ebenen des Rhône, der Garonne, Loire und Seine bilden, so daß eben nur im NO. eine
Verbindung mit den östlichen Grenzgebirgen vorhanden ist.
Im O. zunächst ist Hochfrankreich vorgelagert und trennt es wie ein Graben von Alpen und Jura die breite
Thalebene der Saône und des Rhône, welche sich nach NO. im Thal des Doubs bis zur Ill und dem Elsaß fortsetzt als ein mehrere
Meilen breites Thor von kaum 350 m Höhe, durch welches eine Heer- wie Handelsstraße seit der ältesten Zeit aus Südwestdeutschland
nach Südostfrankreich und dem Mittelmeer, jetzt auch Eisenbahn und (Rhein-Rhône-) Kanal führen. Daher die
hohe strategische Bedeutung von Belfort und des jetzt so verstärkten Besançon.
Diese Pforte erweitert sich zur Ebene von Burgund, die bei einer Höhe von 200-250 m, einer Breite von 41-50 km und auf weite
Strecken fast wagerechtem Boden (tertiäre und quartäre Schichten, nach den Rändern zu Jurakalk) von der
langsam fließenden Saône, die sich oberhalb Châlon, dem Mittelpunkt der Ebene, mit dem Doubs vereinigt, entwässert wird. Sie
hebt sich in dem Hügelland der Franche-Comté sanft auf die Höhen des Jura, während sie nach S. hin, zwischen Saône
und Ain, dem Rhônezufluß aus dem Jura, sich zu dem merkwürdigen, von unzähligen kleinen Seen bedeckten kleinen Plateau (300
m) des Pays de la Dombes hebt.
Auch jenseit von Lyon, dem Vereinigungspunkt von Saône und Rhône und darum einem wichtigen Verkehrsmittelpunkt, erstreckt
sich die Ebene überwiegend auf dem linken Rhôneufer; aber im S. der Isère treten die Vorhöhen der Alpen
näher an den Rhône heran, und die Ebene verengert sich; noch mehr südlich von der Drômemündung, jenseit Montélimart,
aber tritt der Fluß durch die Enge von Donzère in die sich nun immer mehr erweiternde Ebene der Provence und von Languedoc,
die sich, rings von Bergen umsäumt, ihrem Klima und ihrer Vegetation nach durchaus vom übrigen Frankreich absondert.
Auch sie besteht fast nur aus tertiären und quartären Bildungen, zum Teil, wie schon von Avignon an, jüngster Entstehung.
Die Ebene von Languedoc, vom Rhône bis zu den Pyrenäen, steht, eine bis in die Mitte der Tertiärzeit noch
vorhanden gewesene Meerenge ersetzend, durch die Einsenkung von Castelnaudary (190 m), durch welche der Canal du Midi oder Languedockanal
(s. d.) die Garonne und somit den Ozean mit dem Mittelmeer verbindet, mit dem Garonnebecken, der aquitanischen Ebene, in Verbindung.
Das Garonnebecken, der ganze Südwesten von Frankreich, ist ein zu Ende der Tertiärzeit erst
trocken gewordener Meeresteil, der sich als ein großes Dreieck zwischen dem Meer, dem zentralen Hochland und den Pyrenäen ausdehnt;
Toulouse ist Mittelpunkt des obern, Bordeaux des untern Beckens, welches selbst im erstern Teil nur 133 m Seehöhe erreicht. Nach
W. hin, am Meer entlang zwischen Adour und Gironde, besteht