Die leicht verwitternden
Schiefer und besonders der zu
Gneis zerfallende grobkörnige
Granit liefern guten Waldboden, wenn auch
der thonige
Untergrund anderseits
Ursache weitverbreiteter
Moorbildung ist. Ausgedehnt, allerdings oft versumpft sind die
Wiesen, während das
Klima
[* 2] den
Feldbau fast nur auf Sommerfrüchte,
Kartoffeln,
Flachs, Futterkräuter etc. beschränkt; in den
höchsten
Lagen gedeihen nur
Hafer
[* 3] und
Kartoffeln. Im Innern ist das Röslauthal der am meisten begünstigte Teil, dort gedeihen
selbst
Weizen und
Obst.
Reich ist der
Wald an
Heidel-, Preißel- und Wacholderbeeren, welche Gegenstände
des
Exports sind, wie das
isländische Moos auf den
Höhen des moos- und flechtenreichen
Gebirges. Von
Interesse ist die Verbreitung
der deutschen Perlenmuschel im Quellgebiet des
WeißenMains, besonders in der
Ölsnitz und in mehreren Seitenbächen der
Saale,
so in der Schwesnitz östlich von
Rehau, Lamitz etc.
Gegenwärtig ist die ganze
Bevölkerung
[* 4] des Fichtelgebirges germanisiert; zahlreiche
Orts-,
Fluß-,
Flur-
und Bergnamen beweisen aber die frühere weite Verbreitung wendischer
Stämme und
Sprache
[* 5] im F.
(Redwitz,
Ölsnitz, Lamitz,
Selbitz
u. a.). Der größere Teil der
Bevölkerung, die Bewohner des alten obergebirgischen
FürstentumsBaireuth
[* 6] und die des österreichischen
Asch, ist protestantisch; was dagegen zu
Bamberg
[* 7] im
SW., zur
Oberpfalz im
S. und SO., zu
Eger
[* 8] im O. gehört,
ist katholisch.
Der gegenwärtigen politischen
Einteilung nach gehört der größte Teil zum bayrischen Regierungsbezirk
Oberfranken, ein kleinerer
zum Regierungsbezirk
Oberpfalz, der äußerste
Osten zu
Böhmen.
[* 9] Die
Bevölkerung ist dicht; man rechnet über 80
Menschen auf 1 qkm.
Wenn auch vielfach eine rege industrielle Thätigkeit herrscht, Spinnerei und
Weberei,
[* 10] Verarbeitung des
Eisens, auch Glasfabrikation,
[* 11] Glasbäserei ^[richtig: Glasbläserei], Spiegelglasschleiferei und Knopffabrikation, so ist das Fichtelgebirge doch
nicht in dem
Maß Fabrikland wie das benachbarte
Erzgebirge.
Viele
Menschen ernährt die
Arbeit im
Wald (Holzhauen, Kohlenbrennen), die Ausbeutung der
Marmor- und Kalklager,
im Granitgebiet der Kaolingruben und die Bearbeitung des
Serpentins
(Markt Leugast). Am meisten trittBerg- und Hüttenbau gegen
früher zurück und beschränkt sich fast nur auf
Eisen.
[* 12]
Rings um das
Gebirge herum führen
Eisenbahnen; doch führt auch eine
Linie (Nürnberg-Eger) durch dasselbe, die sich bei
Redwitz nach
Hof
[* 13] verzweigt. Dieser Umstand trägt wesentlich
dazu bei, daß das Fichtelgebirge seit neuerer Zeit einem regen Touristenverkehr geöffnet worden ist.
Alle diese
Bäume liefern
Terpentin, welcher teils in der
Rinde, teils im jungen
Holz
[* 25] entsteht und, wenn er sich zu größern
Massen ansammelt, über die
Rinde sich ergießt
(Kiefer,
Fichte, Schwarzföhre) oder in
Harzbeulen der
Rinde
(Weißtanne, kanadische
Balsamtanne) oder in Hohlräumen des Holzkörpers (Lärchen Südtirols) sich sammelt. Die Gewinnung des
Terpentins, resp.
des
Harzes ist nach der Baumart und nach Ortsgebrauch verschieden, aber meist sehr unvollkommen.
Von der
Fichte wird meist nur gesammelt, was freiwillig ausfließt; in
Baden
[* 26] werden die
Fichten gewöhnlich an vier
Stellen angerissen,
die Ritzungen laufen der Stammrichtung parallel, sind etwa zollbreit und gehen
ca. 8-16
Jahresringe ins
Holz hinein. Der ausfließende
Terpentin wird in
Körben gesammelt. Die Strandkiefer wird nach der französischen
Methode im
Alter von 20-40
Jahren 20-40 Jahre hindurch, auch wohl noch länger, geharzt. Man macht an einer Seite desBaums,
einige
Zentimeter über dem
Boden, einen der
Lange nach gehenden, einige
Zentimeter breiten
Ausschnitt
(Carre), welcher bis ins
junge
Holz hineinragt.
Nach einigen
Tagen wird diese
Carre nach obenhin verlängert und dies so lange wiederholt, bis die
Wunde 0,5-0,8 m lang ist.
Im nächsten Jahr harzt man ebenso auf der gegenüberliegenden Seite des
Stammes, dann zwischen beiden
u. s. f., wobei durch die Vernarbung der ersten
Wunden wieder
Raum geschafft wird für neue
Risse. Zum Auffangen des
Terpentins
bringt man an der
Stelle des jedesmaligen Ausflusses innerhalb der
Wunde Thongeschirre an und bedeckt diese mit Brettchen.
In
Niederösterreich beginnt man die »Schälung« der
Schwarzföhre 10-20 Jahre vor dem beabsichtigten
Abtrieb, wenn die
Bäume 50-100 Jahre alt sind.
Man stemmt etwa 30
cm über dem
Boden eine Höhlung (Grandel) aus, welche 0,5-0,66 der Stammbreite
einnimmt und zur Ansammlung des
Terpentins dient. Über der Höhlung nimmt man
Rinde und
Splint nach und nach, im
ersten Jahr bis zu einer
Höhe von 45-47
cm, ab und verlängert die
Wunde im nächsten Jahr wieder um 45
cm nach
oben. Die Lärche
wird in
Tirol
[* 27] im Frühjahr etwa 30
cm über dem
Boden bis ins
Zentrum des Holzkörpers angebohrt und das 3
cm weite Bohrloch verschlossen;
im
Herbst wird dann der
Terpentin herausgenommen.
Bei der
Weißtanne öffnet man die
Harzbeulen und läßt den
Terpentin in
Gefäße ablaufen. Aus dem
Terpentin entsteht das
Harz
durch
Verdunsten und Verharzen des
Terpentinöls. Das natürliche Fichtenharz oder Föhrenharz bildet halbweiche oder harte, gelbliche
oder bräunliche, selten rötliche
Massen, riecht eigentümlich terpentinartig, schmeckt bitter. In
Galizien
sammelt man das aus freiwillig ausfließendem
Terpentin entstandene
Harz (Weißföhrenharz), in
Böhmen die schwefelgelben Harzplatten,
welche sich
¶
mehr
zwischen Holz und Rinde dicker Wurzeläste der Fichte ansammeln (Wurzelpech). Hierher gehört auch der Waldweihrauch, der von
jungen Fichten- und Kieferzweigen herabtropft, vom Boden aufgelesen wird und mit angenehmem Geruch verbrennt. Die bei weitem
größte Menge von Fichtenharz wird aber durch künstliche Harzung gewonnen, indem ein bedeutender Teil des Terpentins
am Stamm erstarrt (deutsches Rohharz, französisches Galipot oder Barras, österreichisches Scharrharz).
Aus Terpentin und Rohharz erhält man ferner mannigfache Handelsprodukte. Destilliert man den Terpentin mit Wasser zur Gewinnung
von Terpentinöl, so erhält man den gekochten Terpentin, durchscheinende, spröde, mattgelbe Massen, fast geruch- und geschmacklos,
oft in Form gedrehter Stangen vorkommend, die einen mattgelben Kern, eine dicke, glänzende, durchscheinende,
braune Rinde und eine äußere blaßgelbe Schicht besitzen. Wird der gekochte Terpentin bis zum Klarwerden geschmolzen, so erhält
man Kolophonium (s. d.), durch Kochen von Rohharz mit Wasser und andauerndes Umrühren das Weißpech (Wasserharz, Burgunderharz
oder Burgunderpech).
Dies ist weiß oder blaßgelb, porös, opak und bedeckt sich bei längerm Liegen mit einer dünnen, durchsichtigern,
dunkeln Hülle. Bei Anwendung stärkerer Hitze entsteht daraus das gelbe Harz, welches eine zerbrechliche Masse bildet. Das Fichtenharz ist
ein wechselndes Gemenge von kristallisierbarer, gewöhnlich aber amorpher Harzsäure mit Terpentinöl und Wasser. Es dient zur
Bereitung von Lacken, Firnissen, Kitten, Pflastern, zum Verpichen von Fässern und Flaschen, zum Leimen des
Papiers, zum Appretieren, zu Harzseife und Maschinenschmiere, zu Leuchtgas
[* 29] und Leuchtölen etc.
(Kiefernadelöl, Waldwollöl), ätherisches Öl, wird als Nebenprodukt bei der Darstellung des zu Bädern
dienenden Fichtennadelextrakts gewonnen. Es ist farblos, seltener gelbgrünlich, dünnflüssig, riecht
balsamisch, spez. Gew. 0,88, besitzt die Zusammensetzung des Terpentinöls und wird medizinisch benutzt.
Ihr Wert ist außerordentlich verschieden, Lage und Standort, auch das Alter üben den größten Einfluß auf die
Güte des Produkts. StarkeBorke mindert den Wert, doch enthält sie oft fast ebensoviel Gerbstoff wie das Fleisch der Rinde, und
nur der reichlich vertretene rotbraune Farbstoff ist schädlich. Der durchschnittliche Gerbstoffgehalt beträgt 8 Proz., und
die Rinde eignet sich daher nur zum Schwellen, nicht zum Ausgerben der Häute. Sie ist deshalb auch sehr
billig, und in vielen Gegenden rentieren sich
nicht einmal die Kosten der Schälung. Da die Rinde keinen weiten Transport verträgt,
so ist die Benutzung in der Regel nur eine sofortige und lokale.
Die beste Rinde erhält man, wo in höhern Lagen die Stämme zur Saftzeit gefällt und sofort geschält
werden. In Wert, Beschaffenheit und Bau steht der Fichtenrinde die der nordamerikanischen Picea alba Mill. (White spruce) sehr nahe. Lärchenrinde
von LarixeuropaeaL. eignet sich sehr gut zum Gerben, wird aber wegen der relativen Seltenheit der Lärche wenig verwendet.
Tannenrinde von AbiespectinataDec. ist mit Zusatz von Dividivi, Myrobalanen etc. ein vortreffliches Gerbmaterial
und wird in Steiermark,
[* 40] Oberösterreich, in der Schweiz,
[* 41] in Savoyen und Rußland verwendet.
Seit 1841 war er auch als Regisseur thätig. Er starb in Gastein. Fichtner beherrschte das ernste
Drama wie das Lustspiel nach verschiedenen Seiten hin. Er spielte vorzugsweise zuerst jugendliche, später gesetzte Liebhaber
und Lebemänner. Ungeschminkte, aber veredelte Natur, Liebenswürdigkeit und eine ewige Jugend waren die Eigenschaften, welche
seinen Rollen, vorzugsweise in der zweiten Hälfte seines 40jährigen Wirkens am Burgtheater, die allgemeine Bewunderung sicherten.
(franz., spr. -schüh), dreieckig gelegtes Hals- oder Busentuch für Damen, das am Ende des 18. Jahrh. in ziemlich
umfangreicher Form getragen und auf dem Rücken zu einer Schleife gebunden wurde, deren Enden frei herabfielen.
Cosimo (1440) gestifteten Akademie, die bald nachher wieder einging, PlatonischePhilosophie, erhielt 1476 die geistlichen Weihen
und das Rektorat zweier Kirchen in Florenz, später auch ein Kanonikat an der dortigen Kathedrale und starb in Carreggi
bei Florenz. Als Bekämpfer der Aristotelischen und Freund der Platonischen (allerdings noch mehr der neuplatonischen)
Philosophieist er besonders durch seine Übersetzungen des Platon und der Neuplatoniker Plotin, Iamblichos und Proklos ins Lateinische
sowie durch seine »Theologia Platonica seu de immortalitate animorum ac aeterna felicitate libri XVIII« (Flor. 1482 u. Par.
1578) bekannt, in welcher er den Platonismus für das Christentum zu benutzen und die Unsterblichkeit der
Seele zu beweisen suchte. Übrigens leitete er im Sinn der alexandrinischen Spätplatoniker die Ideenlehre Platons vom Hermes
[* 58] Trismegist ab und zeigte sich schwärmerischer Auffassung nicht abgeneigt. Die beste Ausgabe seiner Werke erschien zu Basel
[* 59] 1561, 2 Bde.
Über Ficinus als Arzt und dessen astrologisch-diätetisches Werk (das auf Paracelsus und Agrippa von Nettesheim
nicht ohne Einfluß blieb) vgl. Weitenweber, Über des M. Ficinus Werk »De vita studiosorum« (Prag
[* 60] 1855).
das in 2. Auflage als »Vergleichendes Wörterbuch der indogerman. Sprachen« (das. 1870, 3. Aufl.
1874-76, 4 Bde.) erschien. Das Werk ist auch für die Kulturgeschichte von großem Interesse als eine vollständige
Zusammenstellung des den sämtlichen indogermanischen Sprachen gemeinsamen und daher schon der indogermanischen Vorzeit angehörigen
Wortschatzes, aus dem sich vielfache Rückschlüsse auf die Kultur dieser Epoche ergeben. Außerdem schrieb er: »Die griechischen
Personennamen« (Götting. 1874);
»Die ehemalige Spracheinheit der IndogermanenEuropas« (das. 1875) und »Die Homerische
Odyssee (das. 1883) und Ilias, nach ihrer Entstehung betrachtet und in der ursprünglichen Sprachform wiederhergestellt« (das. 1885. Bd.
1).
Nicht minder als um die amtliche Statistik, machte er sich, 1870 als Referent für Gymnasien und Realschulen
in das Unterrichtsministerium berufen, um das österreichische Schulwesen verdient, das er auch als Statistiker gefördert
hat. Seit 1873 bekleidete Ficker mit dem Titel eines Sektionschefs die Stellung eines Präsidenten der statistischen Zentralkommission;
»Völkerstämme der österreichisch-ungarischen Monarchie« (das. 1869);
»Geschichte, Organisation und
Statistik des österreichischen Unterrichtswesens« (das. 1871, 2 Tle.) und die »Jahresberichte des Unterrichtsministeriums
für 1870-72« (das. 1871-73).
Ȇber
das Eigentum des Reichs am Reichskirchengut« (Wien 1873) und die »Beiträge zur Urkundenlehre« (Innsbr. 1877-78, 2 Bde.).
Aus dem NachlaßBöhmers gab er infolge testamentarischen Auftrags »Acta imperii selecta« (Innsbr. 1870) und die »Regesta
imperii 1198-1275« (das. 1881 ff.) heraus. In der
¶
Cista, antike Cista (s. d.) von Bronze,
[* 89] im Museo Kircheriano (Collegio Romano) zu Rom
[* 90] befindlich, wurde 1745 bei Palestrina aufgefunden und von dem römischen Gelehrten Ficoroni erworben, der sie dem genannten
Museum schenkte. Sie ist cylinderförmig, etwa 50 cm hoch bei 42 cmDurchmesser und ragt vor allen antiken Cisten durch die Schönheit
ihrer mit dem Grabstichel in die glatte Metallplatte eingravierten Umrißzeichnungen hervor; dieselben
veranschaulichen die Besiegung des Amykos durch Polydeukes aus der Argonautensage. Auch der Deckel der Cista ist mit fein eingravierten
Figuren geschmückt, welche Jagdszenen darstellen. Nach der Inschrift auf dem Deckel hat Novius Plautius (wohl ein Campaner)
das Gefäß
[* 91] in Rom gearbeitet, den Formen der Buchstaben nach etwa 260 v. Chr. Die besten Abbildungen befinden
sich in den Separatpublikationen von Bröndsted (Kopenh. 1847), E. Braun (Leipz. 1849) und OttoJahn (das. 1852).
L. (Feigenbaum), Gattung aus der Familie der Urtikaceen, Milchsaft führende Bäume oder aufrechte oder klimmende
Sträucher mit meist abwechselnden, ganzrandigen oder gezahnten oder gelappten, bleibenden oder abfallenden
Blättern, die vor derEntwickelung in oft verwachsenen, später meist abfallenden Nebenblättern eingerollt liegen. Die Blütenstände
stehen einzeln oder zu mehreren in den Achseln oder sind bisweilen an blattlosen Zweigen zu einer terminalen Ähre oder Traube
geordnet.
ein bis 10 m hoher BaumoderStrauch mit knorrigem, hin- und hergebogenem Stamm, hellgrauen Ästen, gestielten, herzförmigen,
handförmig drei- oder fünflappigen oder ungeteilten, rauhhaarigen, abfallenden Blättern, blüht meist zu verschiedenen
Zeiten im Herbst oder Frühjahr und trägt meist einzeln stehende, birnförmige Scheinfrüchte (Feigen) und
zwar in drei Formen. Gegen Ende des Winters entstehen am obern Teil der vorjährigen Äste die Grossi, welche nur weibliche Blüten
enthalten.
Alle übrigen Feigen entspringen aus den Blattwinkeln der in demselben Jahr entwickelten Zweige; am untern Teil stehen die Forniti,
welche vor dem Blattfall reifen und nur sehr selten einzelne (und dann monströse) männliche Blüten
enthalten, aber doch keimfähige Samen
[* 99] hervorbringen, am obern die Cratiri, welche nach dem Blattfall den Winter hindurch bleiben
und keine männlichen Blüten enthalten. Die Grossi des kultivierten Baums bleiben stets steril. Neben den zahllosen Varietäten
des kultivierten Feigenbaums kommt noch der sogen. wilde Feigenbaum (Caprificus)
vor, dessen Früchte ungenießbar sind, aber neben weiblichen auch männliche
¶
Ein Gesetz verbot ihre Ausfuhr aus Attika. Die Denunzianten derjenigen, welche gegen dies Gesetz nach auswärts Handel mit
Feigen trieben, wurden als Sykophanten gebrandmarkt, ein Wort, welches erst später eine andre Bedeutung erhielt (s. Sykophant).
Mit der griechischen Kolonisation kam die Feige nach Italien.
[* 103] Romulus und Remus wurden der Sage nach unter einem Feigenbaum von
einer Wölfin gesäugt. Zur Kaiserzeit gab es zahllose Kulturvarietäten, und wie noch heute, war die
Feige besonders im S. ein allgemeines Nahrungsmittel
[* 104] des Volkes.
Gegenwärtig findet sich der Feigenbaum an vielen OrtenEuropas verwildert; er gedeiht in Frankreich, an der Südküste Englands
und noch in den südlichen Rheinländern, wird aber in Norddeutschland meist als Kalthauspflanze behandelt. Wegen seiner
Früchte wird er vielfach kultiviert. Im S. wird er hochstämmig gezogen; bei uns gedeiht er am besten
in Spalierform an südlichen Mauern, verlangt aber im Winter sehr gute Deckung. Man vermehrt ihn durch Ableger und Wurzelausläufer.
Die Reife der Früchte wird sehr beschleunigt, wenn man, sobald sie ausgewachsen sind und sich zu verfärben beginnen, in
das Auge
[* 105] derselben einen TropfenOlivenöl bringt. Dies Mittel ist durchaus untrüglich, die so behandelten Früchte sind in 8 Tagen
reif, die übrigen 14 Tage später. In den südlichern Ländern spielt ein kleines Insekt aus der Ordnung der Hautflügler
[* 106] und
der Familie der Chalcidier, Blastophaga grossorumGrav. an manchen Orten eine große Rolle bei der Feigenkultur.
Es entwickelt sich in den Blüten, das Männchen schlüpft aus, befruchtet das Weibchen, und dieses nimmt aus der fast reifen
FeigeBlütenstaub mit, um in eine Feige der folgenden, halb herangewachsenen Generation zu gelangen, wo es seine Eier
[* 107] in weibliche
Blüten legt.
Diese verwandelt sich dadurch in Gallen mit tauben Samen. Man pflanzt nun wilde Feigenbäume in die Feigengärten
oder hängt mit den Feigenwespen erfüllte Früchte auf die Zweige des kultivierten Feigenbaums. In denFrüchten des letztern
gelingt das Anbohren der weiblichen Blüte
[* 108] und das Ablegen der Eier dem Insekt nicht, wohl aber bestäubt
dasselbe die weiblichen Blüten mit dem mitgebrachten Pollen und bewirkt dadurch die Entwickelung keimfähiger Samen in vollkommen
ausgebildeten Feigen. Diese Manipulation (Kaprifikation) war ursprünglich vielleicht unabweislich, gegenwärtig aber wird sie
nicht überall ausgeübt, und es scheint, als habe der kultivierte Feigenbaum die Fähigkeit erworben, auch ohne Bestäubung derBlüten und ohne Entwickelung keimfähiger Samen saftige und süße Früchte zu produzieren.
Die Feige bekommt bei uns nur selten den rechten Wohlgeschmack. Man unterscheidet gelbliche, grünliche, purpurrote, braune
und fast schwarze; sie sind birnförmig, sehr zartschalig und enthalten gallertartiges, durchscheinendes, goldgelbes, rötliches
oder purpurrotes Fleisch. An luftigen, schattigen Orten oder in Öfen
[* 109] getrocknete Feigen bilden einen
bedeutenden
Handelsartikel; sie sind hell gelbbraun, mit einem zarten weißen, mehligen Überzug, der aus Traubenzucker besteht, innen
fleischig trocken oder durchscheinend musartig.
Die besten sind die Smyrnaer Tafelfeigen, welche in Schachteln oder Kistchen zusammengedrückt in den Handel kommen und sich
durch feinen honigartigen Geschmack auszeichnen. Die griechischen Feigen, besonders die von Korfu
[* 110] (Fraccagani)
und die Kranzfeigen, welche meist zu 100 Stück auf Bastschnüre gezogen und dabei platt gedrückt sind, sind dickschaliger,
weniger süß, aber haltbarer als die Smyrnaer. Die bessern von dieser Sorte heißen Calamata. Die italienischen oder GenueserFeigen sind mehr in die Länge gezogen als die Smyrnaer, sonst ihnen ähnlich; die kalabresischen kommen
meist in Körben zu uns (Korbfeigen).
Der WienerKaffee soll seinen Ruhm dieser Beimischung verdanken. Die Feigen enthalten die gewöhnlichen Fruchtbestandteile
und in dem gewöhnlichen halbtrocknen Zustand etwa 60-70 Proz. Zucker.
[* 113] Sie halten sich wenig länger als ein Jahr und unterliegen
dem Schimmel,
[* 114] den Milben und dem Insektenfraß; auch entwickelt sich in ihnen ein säuerlicher scharfer Geruch und Geschmack.
Unter dem NamenFeigenkäse kommt aus Spanien und Portugal ein Präparat in den Handel, welches aus den auserlesensten
Feigen, geschälten Mandeln, Haselnüssen, Pinien, Pistazien, feinen Kräutern und Gewürzen besteht und in Form eines Käses zusammengepreßt
ist.
Des Milchsaftes des Feigenbaums bedienten sich die alten Maler als Bindemittels der Farben. Ficus SycomorusL. (Maulbeerfeigenbaum,
ägyptischer Feigenbaum), in Ägypten
[* 115] und im ganzen Orient, mit 12-15 m hohem, sehr dickem Stamm, großer,
weiter, schlaffer Krone, eirunden, herzförmig-eckigen, auf beiden Seiten glatten Blättern und in Doldentrauben zusammenstehenden,
kleinen Früchten (Maulbeerfeigen, Pharaofeigen, Adamsfeigen, ägyptische Feigen). Diese sind 2-3 cm lang, birnförmig, schmutzigweiß
und grün gestreift, mit vielen lanzettlichen, blaßroten Schuppen besetzt, schmecken süß und gewürzhaft und werden häufig
gegessen. Das Holz ist sehr dauerhaft, fast unvergänglich und diente zur Anfertigung der Mumiensärge.
Ficus religiosaL. (heiliger Feigenbaum, Pappelfeigenbaum, Asvatha) ist ein hoher BaumOstindiens mit großer, hoher Laubkrone,
¶
mehr
großen, herzförmigen, beständig im Wind spielenden Blättern und kleinen Früchten. Dieser Baum ist den Hindu heilig (s. unten).
Aus seinem Milchsaft bereitet man Kautschuk, auch liefert er Bastfasern zu Seilen, und eine Schildlaus, CoccuslaccaeKer., veranlaßt
durch Stiche in die jungen saftigen Triebe die Bildung von Gummilack.
FicuselasticaRoxb. (Gummibaum), in Ost- und Hinterindien
[* 117] und auf den Sundainseln, ein großer Baum mit dickem,
von Luftwurzeln umstricktem Stamm, gewaltiger Laubkrone und großen, länglich spitzen, lederartigen, glänzenden, dunkelgrünen
Blättern, liefert hauptsächlich das indische Kautschuk und wird seit langem bei uns als Zierpflanze und fast unverwüstliche
Zimmerpflanze
[* 118] kultiviert. Norddeutsche Handelsgärtnereien, besonders in Berlin, treiben damit ausgedehnten
Handel selbst bis Paris.
[* 119]
Ficus indicaRoxb. (Baniane), ein BaumOstindiens mit sehr dickem Stamm, großer, breiter, flacher Krone mit
länglichen, stumpfen, am Grunde fast herzförmigen, tiefgrünen, glänzenden Blättern und in den Blattachseln paarweise
stehenden, kugeligen, weichhaarigen Blütenkuchen. Von den horizontal verlaufenden Ästen gehen Luftwurzeln
herab, greifen in den Boden ein und werden bald zu neuen Stämmen. So wächst der Baum nach allen Seiten hin durch Jahrtausende
fort und bildet einen Wald, der Tausende von Menschen aufnimmt. Er ist den Brahmanen heilig, und neben ihm steht als zweiter
heiliger Baum die oben genannte Asvatha, welche später von den Buddhisten so bevorzugt wurde, daß man
nach dem Vorkommen des einen oder des andern Baums bei Tempelruinen entscheiden kann, ob Brahmanen oder Buddhisten das Heiligtum
geweiht.
Ficus domesticaRoxb. (traubiger
Feigenbaum), ein ungeheurer Baum mit einem Stamm, der aus mehreren zu bestehen scheint und an den Wurzeln so große Kammern bildet,
daß man sich darin verbergen kann, wird in Indien auf den Märkten gepflanzt wegen des großen Verbrauchs der jungen
Blätter, die vom gemeinen Volk roh zu Fischen gegessen werden.
Vgl. Gasparrini, Nova genera, quae super nonnullis Fici speciebus
struebat (Neap. 1844);
Derselbe, Ricerche sulla natura del caprifico e del fico e sulla caprificazione (das. 1845);
(Phidari, bei den Alten Euenos), Fluß im griech. NomosAkarnanien-Ätolien, entspringt am Westabhang des Vantusiagebirges
und ergießt sich, 100 km lang, in den Golf von Patras.
(Fideicommissum), nach röm. Recht ursprünglich im Gegensatz zu dem an strenge Formen gebundenen Legat
(s. d.) jede formlose letztwillige Verfügung, deren Erfüllung bloß dem Gewissen (fidei) des Erben überlassen und deren Vollzug
nicht erzwingbar war. Nachdem im Lauf der Zeit durch Beseitigung der Förmlichkeiten für Legate dieser Unterschied ausgeglichen
war, entwickelte sich ein andrer Begriff des Fideikommisses: man versteht nämlich darunter die letztwillige Verfügung eines
Erblassers (fideicommittens), wodurch derselbe seinen Erben (Fiduziarerbe, Fiduziar) verpflichtet, die betreffende Erbschaft
oder einen Teil derselben oder eine einzelne Sache entweder sofort oder innerhalb einer gesetzten Frist, auch wohl beim Eintritt
gewisser Bedingungen an einen bezeichneten andern (Fideikommissar) herauszugeben, also ein solches Vermächtnis,
welches nicht unmittelbar, d. h. durch den Erblasser selbst, sondern mittelbar, d. h. durch den Erben, an den Vermächtnisnehmer
kommt. Es gibt zwei Hauptarten der Fideikommisse: die Singularfideikommisse (fideicommissa singularia, singulae rei), wodurch
dem Erben oder einem Dritten die Herausgabe einzelner Sachen an einen andern aufgetragen wird, und die
Universalfideikommisse (fideicommissa hereditatis), zufolge welcher der Erbe die ganze Erbschaft oder einen Teil derselben an
einen andern abzugeben hat.
Nach den jetzt gültigen Normen kann der Erblasser nicht allein den Testamentserben, sondern auch den Intestaterben, ja selbst
den Fideikommissar mit einem Universalfideikommiß belasten und ebenso daran Bedingungen, Zeitbestimmungen
etc. knüpfen. Die Gefahr des Zufalls trägt der Fideikommissar, der Fiduziar haftet nur fürDolus und grobe Nachlässigkeit.
Derselbe ist auch befugt, den vierten Teil der Erbschaft, die Falcidische Quart
[* 126] (hier quarta Trebelliana genannt), ist er ein
Pflichtteilsberechtigter, auch den Pflichtteil, ingleichen die zum Besten derErbschaft aufgewendeten Kosten
abzuziehen.
Dafür kann er aber auch zum Antritt der Erbschaft gezwungen werden und verliert in diesem Fall namentlich das Recht auf Abzug
der Quart, ist dagegen auch wider jeden Nachteil, welcher ihm aus dem Antritt erwachsen kann, zu schützen. Familienfideikommiß
ist im deutschen Rechte die Disposition, durch welche jemand, der Stammvater, seinen Nachkommen Güter mit
der Bestimmung hinterläßt, daß dieselben zur Erhaltung und Vermehrung des Familienglanzes dienen, daher stets bei der Familie
bleiben sollen. Auch diese Güter selbst werden Familienfideikommiß genannt. Es ist dies Institut eine Verjüngung des alten
Rechts derErbgüter. Die Veräußerungsbeschränkung und den
¶