Kontinents und durch
Annahme eines frühern Zusammenhanges mit ihm deuten. Die Fauna der größern Süßwasserseen scheint auf
Bevölkerung
[* 2] aus dem
Meer hinzuweisen. Ein
Beispiel auffälliger faunistischer Verhältnisse liegt im
Ostindischen Archipel vor,
wo die
InselnSumatra,
Borneo und
Java nebst
Bali in Bezug auf ihre Tierwelt zu
Indien, dieInseln östlich
von
Lombok zu
Australien
[* 3] gehören, und wo doch die
Grenze nur von einem schmalen, allerdings sehr tiefen Meeresarm zwischen
Bali und
Lombok gebildet wird. S. auch die Besprechung der geographischen Verbreitung der
Tiere im
Artikel
»Tier« und vgl.
Wallace,
Die geographische Verbreitung der
Tiere (deutsch,
Dresd. 1876, 2 Bde.).
Von den
Römern wurde Faunus vorzugsweise als Gott derBerge,
Triften und
Fluren, als Beschützer der
Herden verehrt,
der das Vieh fruchtbar machte (daher
Inuus, »Bespringer«, genannt) und die schädlichen
Raubtiere
[* 9] von ihnen abwehrte (daher
Lupercus, »Wolfsabwehrer«),
und erscheint somit als ein dem
Silvanus
[* 10] verwandtes
Wesen, wie er denn auch mit dem griechischen
Weidegott
Pan
[* 11] identifiziert wurde. Wie letzterer, liebt
er den Aufenthalt im
Wald, wo er gelegentlich die
Menschen schreckt und ängstigt, die er auch nachts in ihren
Häusern beschleicht, um sie durch
Träume und schreckhafte
Erscheinungen
zu plagen (daher auch Incubus,
»Alp«, genannt).
Sein jährliches
Fest, die
Faunalien, wurde am 5. Dezember von den Landleuten im
Freien begangen.
Man opferte ihm als Spender aller
Frucht, alles
TriebesBöcke mit
Wein- und Milchspenden, betete, daß der Gott den
Äckern und
Herden, zumal den jungen Geschöpfen, sich hold erweise, und entschädigte, während auch das Vieh sich frei umhertummeln
durfte, die Sklaven durch
Tanz auf
Wiesen und
Kreuzwegen und andre Genüsse für die Jahresarbeit (Horaz,
Carm. III, 18). Das eigentliche Sühnungsfest des Faunus waren aber die schon von
Romulus eingesetzten
Luperkalien (s. d.), welche
alljährlich am 15. Februar unter
Beobachtung höchst altertümlicher
Gebräuche gefeiert wurden.
Wie so manche Macht des
Zeugens und Gebärens, galt auch Faunus zugleich für einen weissagenden Gott und
hatte als solcher den Beinamen
Fatuus oder Fatuelus. Seine Prophezeiungen pflegte er teils durch Traumerscheinungen, teils
durch
Stimmen von sonst unerklärlichem Ursprung zu geben.
SeinOrakel erteilte er vorzüglich in dem heiligen
Hain der Albunea
(wahrscheinlich) bei
Tibur. Wie aber jene
Stimmen bald hier, bald da erschollen,
gab es bald ein ganzes
Heer von
Faunen: mutwillige
Dämonen mit krummen
Nasen,
Hörnern,
Schwänzen und Bocksfüßen, die man nun den griechischen
Satyrn
[* 12] und Silenen gleichsetzte und mit den
Nymphen in
Verbindung brachte.
Man suchte sich gegen ihre Neckereien durch Zaubermittel, wie die
Gichtrose
(PaeoniaofficinalisL.) u. dgl., zu schützen.
EinTempel
[* 13] des Faunus befand sich, 196
v. Chr. erbaut, auf der Tiberinsel in
Rom;
[* 14] in demselben
wurde am 13. Februar, dem
Tag des
Unterganges der Fabier (zwei
Tage vor den
Luperkalien), geopfert. Das weibliche Gegenbild des Faunus ist
Fauna, die Tochter
oder
Frau des Faunus, eine fördernde und segnende
Göttin derFlur, auch Fatua,
Maia oder
Bona Dea (s. d.)
genannt. Die künstlerische
Darstellung des Faunus entsprach vielleicht der des griechischen
Silen, wenn man die Silensmasken und
-Bilder auf den
Münzen
[* 15] italischer
Städte auf den einheimischen Gott beziehen darf.
(spr. för),JeanBaptiste, franz.
Sänger, geb. zu
Moulins, kam frühzeitig nach
Paris,
[* 16] wo er 1852 als
Pygmalion in der »Galathée« an der
Opéra Comique debütierte und 1861 ein
Engagement an der
GroßenOper
erhielt, das er als
Pierre de
Médicis eröffnete. Fortan war er der entschiedene Liebling der
Pariser, erntete aber auch auf
Gastrollen in
London,
[* 17]
Brüssel
[* 18] undWien
[* 19] großen Beifall. Seit 1876 hat er sich von der
Bühne zurückgezogen.
Faure glänzte nicht bloß als
Sänger, sondern war auch ein ausgezeichneter Darsteller. Als seine Hauptrollen sind Hoël (»Dinorah«),
Mephisto,
Don Juan,
Hamlet und
Tell zu nennen. Auch als
Komponistist er aufgetreten mit einem
»Pie Jesu« und mehreren Heften
Lieder. - Seine
Gattin Constance Caroline, geborne
Lefebvre, geb. zu
Paris, war eine beliebte Sängerin erst der
Opéra
Comique, später des
Théâtre lyrique, zog sich aber schon 1864 von der
Bühne zurück.
Seine ersten
Arbeiten waren Übersetzungen: Baggesens »Parthenais« (1810),
ManzonisTragödien (1823) und besonders neugriechische
Volkslieder (1824; deutsch von W.
Müller, 1825).
Sein Hauptwerk ist die
»Histoire de la
Gaule méridionale sous la domination
des conquérants germains« (Par. 1836, 4 Bde.),
das Bruchstück einer geplanten allgemeinen Litteratur- und
KulturgeschichteFrankreichs. Außerdem veröffentlichte
er die Abhandlung
»Sur l'origine de l'épopée du moyen-âge« (1833) und eine
Ausgabe der provençalischen
»Histoire de la croisade
contre les hérétiques albigeois« (1837). Die nach seinem
Tod erschienenen Werke:
»Histoire de la poésie provençale« (Par.
1846, 3 Bde.) und
»Dante et les origines de la langue et de la littérature italienne« (das. 1854, 2 Bde.)
beruhen auf seinen Vorlesungen. Mitglied der
Akademie (seit 1836) und des von
Guizot eingesetzten historischen
Komitees, war
er auch Mitarbeiter an der von den
Benediktinern begonnenen
»Histoire littéraire de la
France«. Seine Werke zeichnen sich
durch umfassende
Gelehrsamkeit aus, während die
Methode der Forschung manches zu wünschen übrigläßt. Neuerdings veröffentlichte
Lalanne aus seinem
Nachlaß noch: »Les derniers jours du Consulat« (Par.
1885).
¶
(franz., spr. fohssbräh),Niederwall, niedriger, verteidigungsfähiger Erdwall vor dem Hauptwall, eine
Stufe desselben bildend.
Sie wurde hauptsächlich bei den Niederländern hinter breiten Wassergraben angewendet
und hat erst in neuester Zeit in dem zur Infanterieverteidigung dienenden Niederwall der detachierten Forts eine modernisierte
Nachahmung gefunden. Vgl. Festung.
[* 22]
DoktorJohann, berühmter Schwarzkünstler, dessen sagenhaft ausgeschmückte Geschichte, ein Produkt
des Reformationszeitalters, in der Litteratur eine bedeutsame Rolle spielt. Die historische Person, welche den Namen Faust trug,
lebte in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. und läßt sich in den Zeugnissen der Mitlebenden
von 1507 bis etwa 1530 verfolgen. Er stammte aus Knittlingen (Kundlingen) in Schwaben, nach andern aus Roda
im Altenburgischen und soll in Krakau
[* 23] Magie studiert haben. Nach einem Brief des Abtes Trithemius von Sponheim befand
er sich 1506 und 1507 zuerst in Gelnhausen,
[* 24] dann in Würzburg,
[* 25] zuletzt in Kreuznach,
[* 26] wo Franz vonSickingen mit ihm verkehrte;
Dieser historische Faust war allen Mitteilungen zufolge ein gewaltiger Prahler, der sich den »Philosophen
der Philosophen« und »zweiten Magus« nannte und abenteuernd als Arzt und Astrolog, als Zauberer und Alchimist umherzog. In Würzburg
rühmte er sich z. B., daß er alle WunderChristi vollbringen wolle, wann und so oft es verlangt werde; in Wittenberg: die
Siege der kaiserlichen Heere in Italien (Schlacht bei Pavia 1525, EroberungRoms 1527) habe er ihnen durch seine
Zauberkunst verschafft etc. Bei dem großen Aufsehen, das er überall erregte, geschah es dann,
daß man viele seiner Behauptungen als vollführte Thatsachen hinstellte, daß man außerdem seit alten Zeiten umlaufende Geschichten
von Zauberkünsten, wie sie von Albertus Magnus, SimonMagus, Johannes Teutonicus, Paracelsus u. a. erzählt
wurden, auf seine Person übertrug und ihm endlich auch neu erfundene, im Geiste der Zeit wurzelnde Züge andichtete. Da aberZauberei nur mit Hilfe des Bösen möglich war, so ließ man ihn ein Bündnis mit dem Teufel schließen, der ihn in Gestalt eines
Hundes begleitete und schließlich auf schreckliche Weise ums Leben brachte. Auch der Ort seines Todes, über
den am ausführlichsten Joh. Manlius (gest. 1560) berichtet, wird teils nach Schwaben, teils nach Sachsen
[* 30] verlegt. So entstand
das, was man die Faustsage nennt.
Nach W. Scherer (dem wir in dieser Darstellung folgen) sind dabei drei Traditionen zu unterscheiden: eine
oberrheinische, eine wittenbergische und eine Erfurter, von denen die beiden erstern Faust mehr als einen gewöhnlichen Magier
auffassen, während er in der letztern idealisiert, als Poet und Humanist erscheint. Mancherlei Züge, die ihm die ErfurterÜberlieferung beilegt, heben dies klar hervor;
so, wenn er sich anheischig macht, die verlornen Komödien
des Plautus und Terenz wieder
herbeizuschaffen;
wenn er von einem Geist bedient sein will, der so geschwind ist wie der MenschenGedanken;
wenn er während einer Vorlesung über Homer die antiken Helden seinen Zuschauern persönlich vorführt, darunter
den Polyphem, der nicht wieder zur Thür hinaus will und ihnen großen Schrecken einjagt;
wenn er ein andermal
im Nu durch die Luft von Prag
[* 31] hergeritten kommt, da sich sein dienender Geist in ein Pferd
[* 32] mit Flügeln, »wie der Poeten Pegasus«,
verwandelt hatte etc.: alles Zuge, welche auf den Ideenkreis des Humanismus hinführen.
1) Geburt und Studia, 2) Abenteuer und Fragen, 3) Was er mit seiner Nigromantia gethan und getrieben, 4) Ende. Nach dieser Historia
war Faust der Sohn eines Bauern zu »Rod bei Weinmar«, der zu Wittenberg erzogen wurde, Theologie studierte und den theologischen
Doktorgrad erlangte, dann ein Weltmensch, Doctor Medicinä, Astrologus, Mathematikus wurde und sich im
Spesserwald bei Wittenberg dem Teufel ergab, mit dessen Beistand er allerlei Wunder sah und verrichtete, bis er nach 24 Jahren
im Dorf Rimlich bei Wittenberg nächtlicherweile vom Teufel von einer Wand zur andern geschleudert und mit zerbrochenen Gliedern
tot auf dem Mist gefunden wurde.
Das Buch schöpft im wesentlichen aus der oberrheinischen und wittenbergischen Tradition, enthält aber daneben einzelne selbständige
Züge, die von einer höhern Auffassung des HeldenZeugnis ablegen und ihn mit einer gewissen Größe umkleiden, ohne doch mit
der ErfurterÜberlieferung übereinzustimmen. Nach diesen zerstreut vorkommenden Zügen erscheint Faust als
ein erster Umriß dessen, was uns seine Gestalt jetzt ist: als titanischer Philosoph und Forscher, der freilich der Welt als
warnendes Beispiel vorgestellt wird.
»Er nahm Adlersflügel an sich und wollte alle Gründ' am Himmel
[* 39] und Erden erforschen«, heißt es. Schon auf der Schule der »Spekulierer«
genannt, nahm er sich vor, die »Elementa zu spekulieren«, und wurde ein
»Weltmensch«, d. h. er wandte sich von der
Theologie ab zur weltlichen Gelehrsamkeit, zur Naturforschung, die nach dem Glauben der Zeit nicht von Gott stammt, sondern vom
Teufel, und zum Teufel führt. Er begehrt nicht nur Zauberkünste ausführen zu können, er verlangt vom
Teufel auch, daß er ihm auf alle seine Fragen antworten und nie etwas Unwahrhaftiges antworten soll, d. h. er hat den Trieb
nach Wahrheit. Dabei wird gelegentlich die Ewigkeit der Welt behauptet und die Unsterblichkeit der Seele geleugnet. SeinAbfall
von Gott wird mit der Vermessenheit der himmelstürmenden Giganten und dem Hochmut Luzifers verglichen,
und selbst sein »epikureisches Leben« erhält eine Art von Größe¶
mehr
und gereicht ihm zur Befriedigung seines Wissensdranges: das schönste Weib, die griechische Helena, die er heraufbeschwört,
wird seine Genossin, und der Knabe, den sie ihm gebiert, verkündet ihm viele zukünftige Dinge, die in allen Ländern geschehen
sollen. Mit Recht hat man das Bild des verwegenen Spekulierers, wie es das Spiessche Buch in diesen und
andern Zügen andeutet, als das bis ins einzelne ausgeführte Gegenbild von Luther, dem Ideal eines Theologen des 16. Jahrh.
aufgefaßt.
Eine Bearbeitung des Buches in Reimen, von TübingerStudenten ausgeführt, war bereits 1588 zu Tübingen
[* 43] unter dem Titel: »Eine
wahrhafte und erschröckliche Geschicht von D. Johan. Fausten« erschienen, und durch Übersetzungen ins
Englische
[* 44] (1588), Holländische
[* 45] (1592) und Französische (1598 u. öfter) fand es auch im Ausland Verbreitung. Bald darauf aber
wurde das Spiessche Faustbuch verdrängt durch eine neue Bearbeitung des Stoffes, welche G.Rud. Widmann 1599 zu Hamburg
[* 46] in drei
Teilen erscheinen ließ (abgedruckt in Scheibles »Kloster«, Bd. 2). In diesem Werk
sind die großen Züge verwischt; der Verfasser, ein eifriger Lutheraner zu Schwäbisch-Hall, erlaubt sich tendenziöse Veränderungen
(wie er denn Faust auf einer katholischen Universität, zu Ingolstadt,
[* 47] studieren läßt) und sucht in pedantisch-gelehrten Anmerkungen,
platten Ermahnungen und Warnungen, die er jedem Kapitel beifügt, seine Stärke.
[* 48]
Das Widmannsche Faustbuch gab in der Folge der NürnbergerArzt Nikol. Pfitzer mit Veränderungen neu heraus
(Nürnb. 1674; Neudruck von A. v. Keller, Stuttg., Litterarischer Verein, 1880), und aus diesem Werk stellte endlich ein Autor,
der sich den »Christlich Meynenden« nannte, durch Beseitigung des gelehrten
Beiwerkes und sonstige Abkürzungen einen Auszugher, der in Frankfurt zu Anfang des 18. Jahrh. erschien,
seitdem oft gedruckt, auch modernisiert wurde und die Grundlage des spätern, in unzähligen Abdrücken verbreiteten Jahrmarktsbuches
vom Dr. Faust bildet. Von Interesse ist, daß bei Pfitzer zuerst ein Bürgermädchen eingeführt wird, in das sich Faust verliebt,
und das er heiraten will, was aber der Teufel hindert - der Keim zu GoethesGretchen. Unter den Neuerzählungen
ist Aurbachers »Geschichte des Doktor Faustus« (im »Volksbüchlein«, Münch. 1839) auszuzeichnen.
Sehr früh begannen auch die selbständigen poetischen Bearbeitungen der Faustsage. Unmittelbar aus dem Volksbuch von 1587 entsprang
die erste Tragödie, welche den Stoff behandelte: »The tragical history of the life and
death of Doctor Faustus« des Engländers Christ. Marlowe (gest. 1593), der in dem Helden sein Ebenbild erkennen mochte. Hier findet
sich bereits der Eingangsmonolog, in welchem Faust den Wissenschaften, die ihn nicht befriedigen, den Rücken kehrt und sich der
Magie ergibt, allerdings weniger aus Wissensdrang, als
um Ehre, Vergnügen und Macht zu gewinnen.
Dieser Eingang sowie die Beschwörung der Geister, der Vertrag und am Ende der hochpoetische Schlußmonolog des zwischen Trotz
und Seelenangst hin- und hergeworfenen Helden sind glänzende und effektvolle Züge der Tragödie, deren übriger Inhalt zum
großen Teil aus einem Haufen von Abenteuern ohne organische Gliederung besteht. Der Marlowesche »Faustus«
wurde, wahrscheinlich zu Anfang des 17. Jahrh., von den englischen Komödianten auch nach Deutschland
[* 49] gebracht (1628 kam er in
Dresden
[* 50] zur Aufführung) und gestaltete sich hier durch mancherlei Änderungen und Zusätze allmählich zu einem echt
deutschen Volksstück um, das bis über die Mitte des 18. Jahrh. von wandernden
Schauspielern allenthalben in Deutschland gespielt wurde und alle Entwickelungsphasen des populären Schauspiels mitmachte,
bis es von der wirklichen Bühne verdrängt und in die Sphäre der Puppenspiele verbannt wurde, wo es noch heute sein Dasein
fristet.
Von dem Marloweschen Stück hielt das Volksschauspiel vor allem den Anfangsmonolog (der sich bis auf Goethe
vererbte) und die Beschwörungsszene fest; doch stellt es den Wissensdrang Fausts, der als WittenbergerProfessor figuriert,
wieder entschiedener in den Vordergrund (er will durch das studium nigromanticum alle ihm noch abgehenden Wissenschaften erlangen;
er wünscht »alles zu sehen und mit Händen zu greifen«). Unter den Zusätzen und Veränderungen, die
es erfuhr, sind (nach Creizenach) besonders drei bemerkenswert: ein Vorspiel in der Hölle zwischen Luzifer und verschiedenen
Lust-, Sauf-, Geiz- und andern Teufeln, sodann in der Beschwörungsszene die FrageFausts nach dem geschwindesten der Dämonen,
wobei Mephistopheles als so geschwind »wie der MenschenGedanken« den Sieg davonträgt (ein Zug
der ErfurterTradition);
endlich am Schluß die Umgestaltung der Helena-Szene, wodurch das tragische Geschick des Helden eine tiefere Motivierung und
das ganze Stück eine wirksame Steigerung erfährt.
Nachdem nämlich Mephisto den von Reuegedanken ergriffenen Faust vergeblich durch die Aussicht auf Macht und irdischen
Glanz wieder an sich zu locken versucht hat, führt er ihm die Helena zu, deren Schönheit Faust überwältigt
und von der Buße abzieht; als er sie aber umarmen will, verschwindet sie, und Faust, dessen Frist eben verstrichen ist, verfällt
dem Teufel. Noch ein völlig neues Moment kam (etwa gegen Ende des 17. Jahrh.) unter italienischem Einfluß
in das alte Volksschauspiel (zuerst in Wien durch Stranitzky) mit dem Hanswurst, der in einen parodistischen Gegensatz zum himmelstürmenden
Faust tritt und seinen sprudelnden Humor dem düstern Ernste der alten Sage beimischt.
Ausgaben des Volksschauspiels, das noch in verschiedenen Fassungen vorliegt, besorgten v.
Below (anonym, »Doktor Faust oder der große Negromantist«, Berl. 1832),
Unter den spätern Bearbeitern der Faustsage tritt uns zunächst Lessing entgegen, der das Volksstück wahrscheinlich in Berlin
[* 55] kennen gelernt hatte und es für die regelmäßige Bühne zu gewinnen beschloß; leider sind von seinem »Faust«, zu
dem er um 1759 zwei Pläne entworfen, nur einzelne Szenen vorhanden. Nach Lessing und noch vor Goethe (wenigstens
vor derPublikation des ersten Fragments seiner in den ersten 70er Jahren begonnenen Faustdichtung) verarbeitete ein Wiener, P.
Weidmann, den Stoff zu einem elenden »allegorischen« Drama: »Johann Faust« (Münch. 1775; Neudruck, Oldenb. 1877), mit Einheit der
Zeit und des Ortes, worin er dem bösen Genius einen guten Geist, Ithuriel, gegenüberstellt, der endlich
dem SünderGottesBarmherzigkeit verschafft. Fast gleichzeitig veröffentlichte MalerMüller Bruchstücke aus einem dramatisierten
LebenFausts: »Situation aus FaustsLeben« (Mannh. 1776) und »FaustsLeben« (das. 1778, unvollendet),
während ein andrer Dramatiker
der Geniezeit, Klinger, den Stoff nicht als Drama, sondern als Roman: »FaustsLeben, Thaten und Höllenfahrt«
(Petersb. 1791), behandelte, worin Faust mit dem MainzerBuchdruckerFust vermengt und durch eine Reihe eigner und fremder, bewußter
und unbewußter Schandthaten der Hölle zugeführt wird. Auf Klinger folgten JuliusGraf von Soden mit einem Volksschauspiel »Faust« (Augsb.
1797), in welchem Faust als Tyrannenfeind und Patriot auftritt, sich tapfer gegen die aufrührerischen Bauern
benimmt, schließlich aber doch vom Teufel geholt wird, und FriedrichSchink, ein leidenschaftlicher Antiromantiker, welcher
sich in seinem »Johann Faust. Eine dramatische Phantasie« (Berl. 1804) der Auffassung Weidmanns anschloß.
Eine neue, tief in das Bewußtsein des Volkes übergegangene Auffassung gewann dann die Faustsage durch
die mächtige und tiefsinnige DichtungGoethes, deren erster vollständiger Teil 1808 erschien, während der zweite erst nach
des Dichters Tod 1832 ans Licht
[* 56] trat. Goethe hat in diesem seinem bedeutendsten Werk die Person des in eine höhere geistige
Sphäre gerückt und die Tragödie des alten Magiers zur Tragödie des strebenden Menschengeistes und des
Menschenschicksals überhaupt gemacht; wie schon Lessing wollte, läßt er den nach Erkenntnis und Wahrheit Ringenden nicht dem
Bösen verfallen, sondern schließlich Rettung finden. Fast gleichzeitig mit dem Goetheschen »Faust« (1. Teil) erschien
auf Grund des Klingerschen Romans eine klägliche »romantische Tragödie« gleichen Namens von Schöne (Berl.
1808),
der später auch das Wagnis einer Fortsetzung von Goethes »Faust« (das. 1823) unternahm;
ebenso erinnert Klingemanns , ein geschickt hergestelltes und lange Zeit beliebtes Bühnenstück
(Leipz. 1815),
vorzugsweise an Klinger und das Volksschauspiel. Weiter sind anzuführen: das Trauerspiel »Faust« von Jul. v.
Voß (Berl. 1824),
wo der Held wieder identisch mit Fust, dem Miterfinder der Buchdruckerkunst, ist, und
das Melodrama »Faust, der wunderthätige Magus des Nordens« von K. v. Holtei (Wiesb. 1832). Das Erscheinen des zweiten Teils von
Goethes »Faust« hinderte nicht, daß noch andre Fortsetzungen
hervortraten, die zum Teil Unglaubliches bieten, so von J. D. ^[JakobDaniel] Hoffmann (Leipz. 1833), S.
Moser (Weißenb. 1864), AdolfMüller (Leipz. 1869). Bei letzterm findet Faust seine (nicht als Kind ertrunkene, sondern gerettete
und inzwischen zur Jungfrau herangewachsene) Tochter, um sie zu verführen, und verfällt schließlich mit seinem Leibe der
Hölle, während seine Seele zum Himmel eingeht (!). Auch Parodien auf den Goetheschen »Faust« erschienen,
von
denen hier Vischers »Faust, der Tragödie dritter Teil« (Stuttg. 1862, neue Bearbeitung 1886) genannt sei.
Eine Gruppe andrer Dichter strebte selbständige philosophische Behandlung der Sage an, ohne diese Prätension rechtfertigen
zu können, z. B. Braun v. Braunthal (Leipz. 1835), Marlow (Faust Wolfram, das. 1839), Czilsky (Halle 1843),
Faust Stolte ( Faust, dramatisches Gedicht in vier Teilen«,
Leipz. 1860 u. 1869). Wirklich eigentümliche Motive weisen die Dichtungen von Grabbe (»DonJuan und Faust«, 1829) und H. Heine (»Doktor
ein Tanzpoem«, 1851) auf. Zu Operntexten wurde die Faustsage verarbeitet von Bernard (1814, komponiert von Spohr) und den FranzosenBarbier und Carré (1859, komponiert von Gounod). Endlich treten auch in epischer Form selbständige, zum
Teil wertvolle Behandlungen hervor, aus deren Zahl wirL.Bechsteins »Faustus« (Leipz. 1833),
unter den nachgoetheschen Dichtungen jedenfalls die gediegenste, und Solitaires (W. Nürnbergers) »Faust« (Berl. 1842)
hervorheben wollen. Schließlich sei auch noch an ein rätselhaftes Volkslied vom Dr. Faust erinnert, das
in »Des Knaben Wunderhorn« (Bd. 1) als fliegendes Blatt aus Köln
[* 57] mitgeteilt wird, und von dem sich Anklänge in mehreren Versionen
des Volksstückes finden.
Vgl. Stieglitz, Abhandlung über Dr. (in Raumers »Historischem Taschenbuch« 1834);
an dem Ritterschwert des 16. Jahrh. ein von der Parierstange bis zum Knauf
[* 63] reichender Bügel, der zur Deckung
der Hand
[* 64] diente. An die Stelle des einfachen Bügels traten später mehrere miteinander verschlungene, aus denen der
¶
mehr
Degenkorb oder das Degengefäß entstand.
Die Faustbügel wurden an Prachtschwertern mit geätzten oder ziselierten Ornamenten versehen.
Instrument der Bergleute, ein eiserner, eigentümlich gestalteter Hammer,
[* 66] dient z. B. zum Scheiden der Erze,
zur Bohrarbeit, zur Arbeit mit dem Bergeisen (Eisen),
[* 67] einem keilförmigen Instrument an einem Stiel, mittels dessen durch Fäustelschläge
nicht zu festes Gestein losgetrennt wird.
Mit dem Bergeisen gekreuzt, bildet der Fäustel, auch Schlägel
[* 68] genannt,
das bergmännische Zeichen: Schlägel und Eisen.
an der Plattenrüstung des Mittelalters und der Renaissancezeit der mit Stulpen versehene Eisenhandschuh,
welcher aus zwei oder drei Gelenkteilen und an der innern Fläche aus starkem Leder bestand.
2) Annia, Tochter des AntoninusPius und der vorigen, Gemahlin des Marcus Aurelius, ebensosehr wegen ihrer Schönheit gefeiert,
wie durch ihr sittenloses Leben verrufen. Gleichwohl behandelte ihr Gemahl sie mit Nachsicht und ließ sie sogar
nach ihrem Tod (175) vom Senat für eine Göttin erklären, worauf ihr Tempel errichtet wurden.
an den Schwertern des 16. Jahrh. eine über der Parierstange angebrachte gewölbte Schale oder Glocke, welche
zum Schutz der Faust gegen die Hiebe des Gegners diente.
(Jus manuarium), Selbsthilfe mit gewaffneter Hand. Obwohl unter allen Völkern, solange dieselben noch keine
feste staatliche Ordnung haben, ein Zustand, in welchem der Stärkere Recht behält, mehr oder weniger geherrscht hat und herrschen
wird, so bezeichnet man doch mit dem Namen Faustrecht vorzugsweise jenes Unwesen, welches in den germanischen
Staaten
im Mittelalter und namentlich in der Zeit des sogen. Interregnums, während der nach dem Untergang des Hohenstaufengeschlechts
herrschenden Anarchie, allgemein vorherrschte und ein geordnetes bürgerliches Leben nicht aufkommen ließ. In Deutschland währte
dasselbe am längsten, weil die Zerstückelung desReichs und die dadurch veranlaßte Schwäche der Zentralgewalt keine
nachdrücklichen und wirksamen Maßregeln dagegen gestattete.
Dazu kam, daß nach altgermanischer Sitte und Rechtsanschauung alle Handlungen, welche den Charakter einer Vergewaltigung trugen,
wie Raub und Totschlag, den Thäter der Privatrache des Vergewaltigten oder seiner Bluträcher preisgaben, namentlich wenn
jener sich weigerte, sich vor Gericht zu stellen oder sich mit dem Verletzten und seinen Blutsfreunden
zu vergleichen. So erschien die Fehde (s. d.) im Mittelalter geradezu als ein Rechtsinstitut, und die Gesetzgebung begnügte
sich lange Zeit damit, dasselbe nur einzuschränken, ohne eine Aufhebung des Fehderechts selbst zu versuchen.
ein runder, zuweilen mit Nabel versehener Schild,
[* 77] welcher in der Zeit vom 14. bis 16. Jahrh.
besonders bei Fußkämpfern üblich war. Der Faustschild war an der Außenseite bisweilen mit Haken versehen, um das Schwert des Gegners
festzuhalten, und hieß dann Degenbrecher. Man konnte an demselben auch für Kämpfe in der Dunkelheit
Laternen befestigen. Der Durchmesser überstieg nicht 0,5 m. An der Innenseite war der Faustschild oft
mit Tuch oder Leder überzogen und an dem Rand mit Fransen besetzt.
Höllenzwang, das Zauberbuch, mit dessen Hilfe sich Dr. Faust (s. d.) die Mächte der Hölle
unterthan gemacht haben soll, die berühmteste jener mit fürchterlichen Drohungen, Verwünschungen und absichtlich unverständlichen
Formeln gefüllten magischen Schriften, von denen man neuerdings bereits ein Exemplar in der alten Ziegelstein-Bibliothek zu
Ninive gefunden hat. Angeblich von Faust selbst verfaßt, ward es nach seinem Tod von seinem FamulusWagner
herausgegeben; den Jahreszahlen der Titelblätter nach würde es aber noch über die Zeit hinaus fallen, in der Faust gelebt
hat. Es enthält Citationen aller möglichen und unmöglichen Geister in deutscher und chaldäischer Sprache
[* 78] und merkwürdige
Zauberzeichen, zum Teil mit unentzifferbaren Unterschriften versehen. Die verschiedenen Ausgaben und Bearbeitungen des
sinnlosen Buches finden sich verzeichnet in Engels »Zusammenstellung der Faust-Schriften« (Oldenb. 1885).
¶
(franz., spr. fotöj, aus dem mittellatein. faldistolium),
Armsessel, Lehnstuhl;
Präsidentenstuhl;
namentlich auch einer von den 40 Sitzen in der französischen Akademie (während
man mit dem 41. Fauteuil den Platz derjenigen bezeichnet, welche trotz ihrer Verdienste keine Aufnahme in die Akademie gefunden haben).
(franz.-deutsch, franz. faute de frêt, »wegen
Mangels an Fracht«; engl. Dead freight), Vergütung, welche ein Schiffer zu fordern berechtigt ist, wenn der Befrachter die
bedungene Ladung nicht oder doch nicht vollständig liefert. Es ist insbesondere der Frachtbetrag, welchen der vom Vertrag
zurücktretende Befrachter zu bezahlen hat. Nach französischem, englischem und nordamerikanischem Seerecht muß der säumige
Befrachter die ganze Fracht als Fautfracht entrichten; nur solange die Verladung des Schiffs noch nicht begonnen
hat, kann er sich von dieser Verpflichtung durch Zahlung der halben Fracht befreien.
Das deutsche Handelsgesetzbuch dagegen behandelt das Rechtsinstitut der Fautfracht, nach dem Vorgang des holländischen und
spanischen Seerechts, von dem Gesichtspunkt eines beiderseitigen Rücktrittsrechts aus. Hiernach kann der
Befrachter vor Antritt der Reise von dem Vertrag unter der Verpflichtung zurücktreten, die Hälfte der bedungenen Fracht als
Fautfracht zu zahlen. Doch gilt die Reise als angetreten, wenn der Befrachter den Schiffer bereits abgefertigt, oder wenn er die Ladung
bereits ganz oder teilweise geliefert hat und die Wartezeit verstrichen ist (Art. 581). Ist die Reise im
Sinn des Artikels 581 angetreten, so ist der volle Frachtbetrag als Fautfracht zu entrichten.
War das Schiff
[* 80] zugleich auf Rückladung verfrachtet, und der Rücktritt des Befrachters erfolgt vor Antritt der Rückreise,
so beträgt die Fautfracht nur zwei Drittel der bedungenen Fracht. Derselbe Betrag ist zu entrichten, wenn das
Schiff in Ausführung des Vertrags zur Einnahme der Ladung eine Fahrt aus einem andern Hafen zu machen hat und der Rücktritt vor der
Abreise aus dem Abladungshafen erklärt wird. Ist bloß ein bestimmter Teil des Schiffs verfrachtet, oder hat der Frachtvertrag
Stückgüter zum Gegenstand, so muß der zurücktretende Befrachter regelmäßig die volle Fracht vergüten, wobei jedoch der
Verfrachter, wenn er statt der bedungenen Ladung eine anderweite erhielt, deren Fracht abrechnen muß. Auf die Flußschiffahrt
finden diese Grundsätze keine Anwendung.
bourdon (franz., spr. fo burdóng, ital.
Falso bordone, engl. fa-burden), eine der ältesten Formen der Mehrstimmigkeit des Gesanges, welche etwa im 13. Jahrh. in England
aufkam; ihr Wesen ist fortgesetzte Parallelbewegung dreier Stimmen in Terzen und Sexten (Sextakkorden). Später verstand man unter
Faux bourdon eine schlichte
Harmonisierung des Cantus firmus, zwar nicht wie früher in steter Parallelbewegung,
aber doch überwiegend oder ausschließlich Note gegen Note in konsonanten Akkorden, im 17. Jahrh. einen jedenfalls nach ähnlichen
Regeln improvisierten, aber mit Trillern und Koloraturen aufgeputzten Contrapunto alla mente. Bisher nicht genügend erklärt
ist die Bezeichnung Falso bordone für den Sprechton der Psalmodie, welche ganze Sätze bis gegen den Schluß
hin in einer Tonhöhe hält.
Später nach Paris zurückgekehrt, widmete er sich wieder der dramatischen Poesie und ward der Schöpfer der feinern Oper. Nach
dem Tod seiner Gattin (1772) versiegte seine Produktionskraft, und er starb in Vergessenheit. Favarts Lustspiele
und Operetten (er hat deren ca. 150 geschrieben) sind meist artige, nach der Natur gezeichnete und mit echt
französischer Heiterkeit gewürzte Schilderungen ländlicher Liebe oder auch lustige Schwänke nach Art der Fabliaux des Mittelalters.
Als besonders gelungen sind hervorzuheben: »Annette et Lubin«, »L'astrologue
de village«, »Bastien et Bastienne«, »Ninette à la cour«, »Les trois sultanes« und »L'Anglais
à Bordeaux«.
[* 83] Einige von seinen Werken sollen ganz oder teilweise von seiner Gattin verfaßt sein, doch läßt sich deren Anteil
nicht mehr bestimmen. Im Druck erschienen von ihm: »Théatre de Favart« (Par. 1763-1772, 10 Bde.)
und »Théâtre choisi« (das. 1810, 8 Bde.);
ferner »Œuvres choisies« (das. 1813, 3 Bde.)
und seine für die Litteraturgeschichte wichtigen »Mémoires« nebst der »Correspondance« (das.
1809, 3 Bde.). -
Beider Sohn Charles Nicolas, geb. 1749, gest. 1806, Schauspieler und Theaterdichter, hat verfaßt die Oper »Les trois folies«
(1786); die Komödien »Le
[* 84] mariage singulier« (1787),
»La sagesse humaine« (1790) u. a.
2) Marie (eigentl. Pierrette Ignace Pinaud), franz. Schauspielerin, geb. zu
Beaune, Schülerin des Konservatoriums zu Paris, trat hier zum erstenmal 1848 im Théâtre-Français auf
und ist seitdem (kurze Zeit ausgenommen, während welcher sie in den Variétes spielte) eins der gefeiertsten Mitglieder
(auch seit 1854 Societärin) dieser ersten BühneFrankreichs. Ihr Spiel ist durch Vornehmheit und Würde gleich sehr wie durch
Wärme
[* 85] und gewinnende Anmut ausgezeichnet und tritt in tragischen
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