Viele
Krebse und
Fische bringen, allerdings meist erst nach vielen
Minuten oder selbst
Stunden, ihre
Farbe mit derjenigen der
Umgebung, also des
Sandes oder der
Wasserpflanzen,
[* 8] zwischen denen sie leben, in möglichst nahe Übereinstimmung;
hierbei spielen zwar die
Augen eine
Rolle, denn geblendete
Tiere büßen das
Vermögen dazu ein, jedoch scheint der ganze Vorgang
kein willkürlicher zu sein. Über den
Mechanismus, durch welchen der Farbenwechsel zu stande kommt, vgl.Chromatophoren.
[* 1]
(Dispersion).
[* 9] Durch eine kleine Öffnung b
[* 1]
(Fig. 1) des Fensterladens lasse man ein Bündel
Sonnenstrahlen in ein verdunkeltes
Zimmer eintreten und bedecke die Öffnung mit einem roten
Glas.
[* 10] Das Strahlenbündel ist
nun rot gefärbt und erzeugt auf einem in seinen Weg gestellten weißen Papierschirm einen hellen roten
Fleck bei
d. Stellt man nun ein keilförmig geschliffenes Glasstück oder
Prisma
[* 11] (bei s im
Grundriß dargestellt) in den Weg des Lichtbündels,
so wird dieses von der
Kante des
Keils weg nach dessen dickem Teil zu gebrochen, und der rote Lichtfleck erscheint auf dem
Schirm bei r seitwärts von d. Bedeckt man die Öffnung mit einem violetten
Glase statt mit einem roten,
so erscheint auf dem
Schirm der violette Lichtfleck v weiter zur Seite geschoben als vorhin der rote, und nehmen wir grünes
Glas, so erscheint jetzt der grüne Lichtfleck zwischen den beiden
Stellen r und
v, an welchen der rote und
der violette erschienen waren.
Daraus geht hervor, daß verschiedenfarbige Lichtarten durch das
Prisma verschieden stark
gebrochen werden und zwar das grüne
Licht
[* 12] stärker als das rote, das violette
Licht stärker als das grüne. Läßt man nun ohne Anwendung eines farbigen
Glases
das weiße Sonnenlicht auf das
Prisma fallen, so gewahrt man auf dem
Schirm ein prachtvolles, von r bis
v sich erstreckendes farbiges
Band,
[* 13] welches rot ist an der
Stelle, wo vorhin der rote
Fleck hinfiel, und violett, wo der violette
Fleck sich gezeigt hatte, und in welchem von r bis v der
Reihe nach die
FarbenRot,
Orange, Gelb,
Grün, Hellblau,
Dunkelblau,
Violett wahrgenommen werden.
Dieses Farbenband wird
Spektrum genannt. Aus diesem
Versuch muß geschlossen werden, daß das weiße Sonnenlicht aus verschiedenfarbigen
Lichtstrahlen zusammengesetzt ist; diese werden durch das
Prisma verschieden stark gebrochen, und zwar in der Reihenfolge
vom
Rot bis zum
Violett immer stärker, und, indem sie nach den ihrer Brechbarkeit entsprechenden verschiedenen
Stellen des
Schirms gelangen, voneinander getrennt. Diese Zerlegung des weißen oder überhaupt des zusammengesetzten
Lichts
in seine verschiedenfarbigen
Bestandteile vermöge deren verschiedener Brechbarkeit nennt man Farbenzerstreuung oder
Dispersion. Die einzelnen
Farben des
Spektrums sind nicht weiter zerlegbar; denn fängt man das
Spektrum auf einem mit einem kleinen
Loch versehenen
Schirm AB
[* 1]
(Fig. 2) auf, so daß nur die
Strahlen einer
Farbe durch dasselbe dringen, so werden diese durch ein
zweites
Prisma p bloß abgelenkt, nicht aber von neuem zu einem
Spektrum ausgebreitet.
Die
Farben des
Spektrums sind sonach nicht weiter zerlegbar und werden deshalb einfache oder homogene (auch
monochromatische)
Farben genannt. Jeder einfachen
Farbe entspricht eine bestimmte Brechbarkeit und ist hierdurch eine bestimmte
Stelle im
Spektrum angewiesen. Es gibt so viele einfache
Farben, als es im Bereich des
Spektrums Brechbarkeiten gibt, nämlich
unzählig viele, welche sich in unmerklichen Übergängen zu einem ununterbrochenen Farbenband aneinander schließen;
die
oben aufgezählten sieben
Farben sind nur die Hauptfarbentöne, welche unser
Auge
[* 14] unterscheidet. Wenn das weiße
Licht eine
Mischung ist aus den verschiedenfarbigen
Strahlen des
Spektrums, so müssen dieselben, wenn man sie wieder zusammenfaßt, weißes
Licht geben; in der That, läßt man das
Spektrum auf eine große
Sammellinse l
[* 1]
(Fig. 3) fallen, so vereinigt
dieselbe den von dem
Prisma s ausgehenden farbigen Strahlenfächer auf einem
Schirm bei f zu einem weißen Lichtfleck. Der
Lichtfleck hört aber sofort auf, weiß zu sein, wenn man eine der
Farben aus dem Gemisch wegläßt. Bringt man z. B. ein
schmales, schwach keilförmiges Glasstück vor die
Linse
[* 15] und fängt damit z. B. die roten
Strahlen des
Farbenfächers auf, so werden diese zur Seite gelenkt und erzeugen auf dem
Schirm seitwärts von
f ein rot gefärbtes
Bild;
das
Bildf, in welchem sich jetzt noch die gelben, grünen, blauen und violetten
Strahlen
vereinigen, zweigt nun eine grünliche Mischfarbe. Jener rote und dieser grünliche Farbenton müssen, miteinander gemischt
(was augenblicklich in dem Punkt f geschieht, wenn man den kleinen Glaskeil wieder entfernt oder durch einen zweiten gleichen,
aber entgegengesetzt wirkenden Glaskeil die seitwärts gebrochenen roten Strahlen wieder nach f lenkt), wieder Weiß geben;
denn der eine enthält gerade diejenigen Strahlenarten, welche dem andern zu derjenigen Mischung, die uns als Weiß erscheint,
noch fehlen.
Zwei Farben, welche in dieser Art sich zu Weiß ergänzen, nennt man Ergänzungsfarben oder komplementäre Farben. Indem man
das Glaskeilchen allmählich durch die ganze Länge des Spektrums schiebt, werden immer andre Farben zur
Seite gelenkt, und die beiden Bilder auf dem Schirm zeigen nach und nach eine ganze Reihe komplementärer Farbenpaare. Man findet
auf diese Weise, daß rote und grüne, gelbe und blaue, grünlichgelbe und violette Farbentöne sich gegenseitig zu Weiß ergänzen.
Wird das Spektrum in der oben angegebenen Weise erzeugt, indem man ein durch ein kleines Loch eingelassenes
Bündel Sonnenstrahlen durch ein Prisma ablenkt, so erhält man die einfachen Farben nicht vollkommen voneinander getrennt;
da nämlich jede einfache Farbe ihr eignes Sonnenbild erzeugt, welches der zugehörigen Brechbarkeit entsprechend abgelenkt
ist, so greifen diese Sonnenbilder wegen ihrer runden Gestalt mit ihren Rändern übereinander und vermischen
sich teilweise. Um ein reines Spektrum zu entwerfen, läßt man die Strahlen durch einen schmalen Spalt auf eine von ihm um
mehr als ihre Brennweite entfernte Sammellinse fallen, welche für sich auf einem in geeigneter Entfernung aufgestellten Schirm
ein scharf gezeichnetes Bild des Spaltes entwerfen würde; dicht vor oder hinter die Linse stellt man das
Prisma so, daß seine Kante mit dem Spalt parallel ist.
Jeder einfachen Farbe entspricht alsdann ein abgelenktes Bild des Spaltes, und indem sich die unzähligen schmalen Spaltbilder
nebeneinander legen, werden sie um so weniger übereinander greifen und sonach ein um so reineres Spektrum
bilden, je schmäler der Spalt ist. Ein reines Spektrum erblickt man auch, wenn man durch ein Prisma, sei es mit bloßem Auge,
sei es durch ein Fernrohr,
[* 17] nach einem engen Spalt sieht, welcher mit der Kante des Prismas parallel ist. Betrachtet man aber
auf diese Weise eine weite Öffnung, so würde, wenn man sich dieselbe in lauter schmale, zur Kante des
Prismas parallele Streifen zerlegt denkt, jeder dieser Streifen für sich ein Spektrum geben; indem sich diese Spektren übereinander
legen, entsteht ein in die Länge gezogenes Bild der Öffnung, welches am weniger abgelenkten Ende rot, am stärker
abgelenkten violett, in der Mitte aber, wo sich sämtliche Farben mischen, weiß ist.
In einem auf diese Weise dargestellten reinen Sonnenspektrum gewahrt man eine Reihe feiner, dem Spalt paralleler dunkler Linien,
welche man nach Fraunhofer,
der sie zuerst genauer untersuchte, Fraunhofersche Linien nennt. Sie sind in ungleichen Abständen
über das ganze Spektrum verteilt; viele sind sehr fein und schwieriger wahrnehmbar, andre sind kräftiger
und fallen leichter ins Auge. Ihre Entstehung ist von dem Stoff des Prismas unabhängig, denn sie zeigen sich mit gleichem Aussehen
und in gleicher Anordnung in jedem Sonnenspektrum; sie sind sonach nichts andres als schmale Lücken in der
Farbenreihe des Spektrums, aus deren Vorhandensein geschlossen werden muß, daß die ihnen entsprechenden einfachen Lichtarten
im Sonnenlicht fehlen.
Sie bilden innerhalb der allmählichen Farbenübergänge des Spektrums willkommene Merkzeichen, welche immer denselben einfachen
Lichtarten entsprechen und uns in den Stand setzen, jede Stelle des Spektrums bestimmt zu bezeichnen und jederzeit
mit Sicherheit wieder aufzufinden. Fraunhofer hat acht der hervorragendsten mit den Buchstaben A bis H bezeichnet
[* 16]
(Fig. 4).
Die Linie A liegt im äußersten dunkeln Rot, B im Hochrot, C zwischen Rot undOrange, D zwischen Orange und Gelb, E im Gelbgrün,
F zwischen Grün und Blau, G zwischen Dunkelblau und Violett, die Doppellinie H gegen das Ende des Violetts.
Lichtbrechungsverhältnisse einiger Glassorten und Flüssigkeiten.
Durch die Fraunhoferschen Linien wurde es zuerst möglich, die Brechungsverhältnisse verschiedener Stoffe für ganz bestimmte
Stellen des Spektrums, nämlich für die Linien B bis H selbst, genau zu bestimmen, und dadurch gewannen diese Linien für die
praktische Optik eine hohe Bedeutung; denn nur auf Grundlage dieser genauen Kenntnis der Brechung
[* 19] und Farbenzerstreuung verschiedener
Glassorten wurde es Fraunhofer möglich, Linsen ohne Farbenzerstreuung (»achromatische« Linsen, s. Achromatismus) und sonach auch solche Fernrohre
mit bis jetzt noch unübertroffener Vollkommenheit herzustellen. Für einige Flüssigkeiten und Glassorten sind die für die
Linien B bis H bestimmten Brechungsverhältnisse in der umstehenden Tabelle (S. 37) angegeben.
Der Unterschied zwischen den Brechungsverhältnissen der äußersten Strahlen oder der LinienB und H kann
als Maß für die Farbenzerstreuung angesehen werden. Während hiernach für Crownglas (d. h.
das gewöhnliche zu optischen Zwecken verwendete Glas) die Farbenzerstreuung 0,021 beträgt, macht sie für Flintglas (Bleiglas) 0,043, also
ungefähr das Doppelte, aus. Als mittleres Brechungsverhältnis nimmt man gewöhnlich dasjenige für die
Linie E an.
Gewächse, deren Wurzeln, Holz
[* 21] (Farbhölzer), Rinde, Stengel,
[* 22] Blätter, Blüten
oder Früchte einen technisch verwertbaren Farbstoff enthalten oder bei geeigneter Behandlung liefern. Die Farbepflanzen gehören sehr
verschiedenen Familien an; aber die meisten und wichtigsten stammen aus heißern Ländern, und nur wenige
gedeihen bei uns. Am zahlreichsten sind die Pflanzen, welche rote und gelbe Farbstoffe liefern. Diese Farbstoffe sind chemisch
von sehr verschiedener Beschaffenheit; manche rote stehen in nächster Beziehung zu violetten und blauen, aber derartige blaue
Farbstoffe haben nur sehr geringen praktischen Wert.
Für die gelben Farbstoffe sind besonders
wichtig: die nordamerikanische Quercus tinctoria aus der Familie der Kupuliferen, welche Quercitronrinde liefert;
Außerdem werden auch, obwohl seltener, benutzt die Rinde der Roßkastanie, der edlen Kastanie, der Birke und Buche, die Wurzel
[* 30] der weißen Seerose (Nymphaea alba) und das Bablah, die Hülsen verschiedener Acacia-Arten. Von den Farbepflanzen hatten ursprünglich fast
nur die heimischen Bedeutung; sie wurden im großem Maßstab
[* 31] kultiviert, lieferten aber wenig brillante
Farben und waren auch nicht sehr ausgiebig. Ihnen gegenüber konnten viele Pflanzen in der Färberei zur Geltung kommen, welche
man gegenwärtig nicht mehr benutzt. Mit der Ausdehnung
[* 32] des Handels wurden aber auch unsre wichtigern in den
Hintergrund gedrängt, da sie mit den aus den tropischen Ländern eingeführten Farbmaterialien in keiner Weise konkurrieren
konnten. Die Entwickelung der Chemie lehrte dann allmählich mehrere ausgezeichnete Farbstoffe kennen, welche wieder gegen die
besten Farbepflanzen manche Vorteile boten, und als die Teerfarben auftraten,
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sank die Bedeutung der Farbepflanzen ungemein schnell. Den Wert, welchen sie gegenwärtig noch besitzen, sichert ihnen
fast nur noch die größere Beständigkeit vieler mit ihnen zu erzielender Farben. Aber schon ist einer der wichtigsten aus
Farbepflanzen gewinnbaren Farbstoffe, das Alizarin des Krapps, künstlich aus Steinkohlenteer dargestellt worden, und sofort hat
der Krapp seine Bedeutung fast vollständig verloren. Gleichem Schicksal gehen vielleicht die Indigo liefernden Pflanzen entgegen,
da auch das Indigblau künstlich dargestellt wird.
(franz. Teinture, engl. Dyeing), die Kunst, verschiedenen Stoffen eine beliebige Färbung zu geben, welche
entweder nur an der Oberfläche haftet, oder die ganze zu färbende Substanz durchdringt. Im ersten Fall
kann man mit einem Bindemittel (Leimlösung, trocknende Öle,
[* 35] Firnisse, Wasserglas) gemischte Farbe in gleichmäßiger, dünner
Schicht auftragen (Anstreichen), wobei die Farbe nach dem Trocknen hinreichend fest haftet, oder man trägt die Farbe, welche
aus gepulvertem, leicht schmelzbarem Glas besteht, mit einem vorläufigen Bindemittel auf und befestigt
sie durch so starkes Erhitzen, daß das Glas zum Schmelzen kommt.
Durch verschiedene Bronzierverfahren und namentlich auch durch Anwendung des Galvanismus
[* 38] erzeugt man mannigfache Effekte. Hier
schließt sich das Vergolden, Versilbern, Verzinnen an, sofern dadurch ebenfalls die Farbe metallener und nichtmetallener Gegenstände
geändert wird. Legierungen lassen sich färben, indem man durch Behandeln mit Chemikalien der oberflächlichen
Schicht den einen Bestandteil mehr oder weniger vollständig entzieht. Scheidemünzenmetall wird weiß, silberartig, wenn man
aus der oberflächlichen Schicht in einem geeigneten Bade das Kupfer entfernt.
Holz, Steine, Horn, Federn etc. färbt man auch mit Farbstofflösungen, welche mehr oder weniger tief eindringen
(Beizen) und bisweilen erst infolge einer Zersetzung, wie beim Färben des Holzes mit einer Lösung von übermangansaurem Kali,
die gewünschte Farbe hervorbringen. Vielfach wird aber die ganze Masse der Körper gefärbt, indem eine Farbebrühe den Körper
vollständig durchdringt; hierher gehört ferner das Färben mit ungelösten Farbstoffen, mit denen die zu
färbenden Stoffe imprägniert werden können.
Wäsche und Zucker
[* 39] werden mit Ultramarin und das Material zu allerlei plastischen Massen durch Mischen mit pulverförmigen Farbstoffen
gefärbt. Flüssigkeiten färbt man nur mit Farbstoffen, welche sich in denselben lösen (Liköre, Öle); setzt man zu geschmolzenem
GlasFarbstoffe, welche sich in der Glasmasse lösen, so bleibt das Glas durchsichtig; unlösliche Farbstoffe
machen es opalisierend, durchscheinend oder undurchsichtig, emailartig. Bei Metallen erreicht man bestimmte Farbentöne durch
Zusammenschmelzen mit andern Metallen etc.
Eigenartig ist
das Färben der Gespinstfasern,
[* 40] und dieses allein bildet den Gegenstand der Färberei im engern Sinn. Tränkt man Gespinste
oder Gewebe
[* 41] mit einer Farbstofflösung und läßt sie trocknen, so erscheinen sie gefärbt; doch nur in
seltenen Fällen haftet der Farbstoff fest auf der Faser, man kann ihn vielmehr durch Spülen und Waschen leicht wieder entfernen.
Einige Farbstoffe zeigen freilich so große Verwandtschaft zu der Faser, daß sie ohne weiteres sich dauerhaft mit derselben
verbinden.
Diese subjektiven Farbstoffe sind etwa Indigo, Kurkuma, Orlean, Safflor und die meisten Teerfarben. Von den letztern wird z. B.
die Pikrinsäure so begierig von Seide
[* 42] angezogen, daß ein einzelner Seidenfaden in einer bis zur vollständigen Farblosigkeit
verdünnten Lösung von Pikrinsäure sich noch gelb färbt, indem er die äußerst geringen Mengen des Farbstoffs,
welche in der Lösung enthalten sind, auf sich sammelt, und diese Färbung ist durchaus echt. Wolle zeigt dies Vereinigungsstreben
in geringerm Grad, und Baumwolle
[* 43] und Leinen färben sich noch schwerer.
Von den unlöslichen Farbstoffen verbindet sich keiner dauerhaft mit der Gespinstfaser, wenn man ihn in Wasser verteilt und
die Faser mit dieser Mischung bearbeitet. Und doch kann man mit diesen Farbstoffen sehr echt färben, wenn
man den Farbstoff auf der Faser selbst sich erst bilden läßt. So entsteht unlösliches Chromgelb, wenn man eine Lösung von
Bleizucker mit einer Lösung von chromsaurem Kali mischt. Das einmal ausgeschiedene Chromgelb ist nicht mit
der Faser zu verbinden; tränkt man aber die Faser mit Bleizuckerlösung und taucht sie dann in die Lösung des chromsauren
Kalis, so bemächtigt sie sich des Chromgelbs in dem Moment, wo es entsteht, und färbt sich sehr dauerhaft gelb.
Ebenso kann man blau färben, indem man die Faser zunächst mit Eisensalz tränkt und dann in Blutlaugensalzlösung
taucht. Aus beiden Chemikalien entsteht dann Berliner Blau,
[* 44] und dies befestigt sich im Entstehungsmoment auf der Faser. AndreFarbstoffe werden aus eigentümlichem Lösungsmittel bei Gegenwart der Faser abgeschieden, z. B. das Carthamin aus alkalischer
Lösung durch Säure, manche Teerfarben aus alkoholischer Lösung durch Wasser. In demMoment, wo sie sich unlöslich
ausscheiden, verbinden sie sich mit der Faser.
Indigopulver ist mit der Faser nicht zu verbinden, verwandelt man aber das unlösliche Indigblau in lösliches Indigweiß, tränkt
die Faser mit dieser Lösung und hängt sie an die Luft, so nimmt das Indigweiß aus der Luft begierig Sauerstoff
auf und geht wieder in Indigblau über, welches sich im Entstehungsmoment auf der Faser befestigt. Diese Methode liefert das
dauerhafteste Blau. BeimSchwarzfärben mit Blauholz wird die Faser mit einer Lösung von Hämatoxylin getränkt, dann in ein Bad von
[* 45] chromsaurem Kali gebracht und in diesem das Hämatoxylin in unlösliches Hämatein verwandelt, welches sich
dauerhaft mit der Farbe verbindet. Auch das Färben mit Anilinschwarz, welches erst durch einen Oxydationsprozeß auf der Faser
gebildet wird, gehört hierher.
In allen diesen Fällen wird der unlösliche Farbstoff ohne Dazwischenkunft eines Bindemittels auf der Faser fixiert; doch findet
hierbei nicht etwa eine chemische Verbindung statt, vielmehr zeigen mineralische Körper oft ein ganz ähnliches
Verhalten und lassen sich in gleicher Weise färben, wenn sie dem sich ausscheidenden Farbstoff eine große Oberfläche darbieten.
Das Haften des Farbstoffs an der Faser ist rein physikalisch durch Flächenwirkung zu erklären, alle Merkmale einer chemischen
Verbindung zwischen Faser und Farbstoff fehlen der gefärbten Faser durchaus.
¶
Tränkt man Baumwolle mit Alaunlösung und wäscht sie dann aus, so gelingt es schwer, die letzten Spuren des Alauns zu entfernen.
Diese werden durch Flächenwirkung zurückgehalten, und bringt man nun die so mit Alaun
[* 47] gebeizte Baumwolle
in eine Abkochung von Rotholz, so färbt sie sich sehr viel intensiver und dauerhafter als ungebeizte. Was hierbei vorgeht,
ist leicht zu erkennen: auch ohne Baumwolle bildet eine sehr geringe MengeAlaun in Rotholzabkochung einen roten Niederschlag,
und dieser schlägt sich, wenn man gebeizte Baumwolle anwendet, auf die Faser nieder.
Bei den meisten Beizen gestalten sich aber die Verhältnisse noch etwas anders. Die Flächenanziehung der Faser äußert sich
nämlich so lebhaft, daß dadurch selbst schwache chemische Verwandtschaften überwunden werden. Eine Lösung von schwefelsaurem
Eisenoxyd wird auf der Faser teilweise zersetzt, und die Baumwolle hält etwa 0,3 Proz. Eisenoxyd zurück,
welches durch Wasser nicht zu entfernen ist. Bei andern Beizen unterstützt man diese Wirkung der Faser noch durch besondere
Mittel und erzielt z. B. durch Lüften, Erwärmen der gebeizten Faser eine sehr vollständige Zersetzung der Beize. In manchen
Fällen wird die Beize in Bädern durch Chemikalien befestigt.
In der Krappfärberei benutzt man zu diesem Zweck mit Wasser angerührten Kuhkot, dessen Wirksamkeit sich auf den Gehalt an
Phosphaten, Eiweißstoffen, organischen Säuren etc. gründet. Er ist ersetzbar durch Seifenbäder, Sodalösungen, Phosphorsäuresalze,
Arsensäuresalze, Wasserglas etc. In allen Fällen wird durch das Beizen erreicht, daß sich auf der Faser
eine Substanz befestigt, welche sich mit dem Farbstoff leicht verbindet und daher im stande ist, ihn dem Farbebad (der Flotte)
zu entziehen. Es entsteht aus Beize und Farbstoff eine unlösliche Verbindung, und diese wird von der Faser festgehalten.
Statt der Metallsalze verwendet man als Beizen auch Gerbsäureabkochungen, Fette (in der Türkischrotfärberei),
Eiweiß, Kleber, Kasein, Leim, Glycerin etc. Nicht immer beschränkt sich die Wirkung der Beize auf die Fixierung des Farbstoffs;
die Verbindung des letztern mit der angewandten Beize weicht oft sehr stark von seiner eigentümlichen Farbe ab, und man erhält
mit einem und demselben Farbstoff je nach der angewandten Beize sehr verschiedene Färbungen.
BeimZeugdruck, wo nicht das ganze Gewebe mit der Beize gleichmäßig getränkt, diese vielmehr nur an bestimmten Stellen aufgedruckt
wird, kann man mittels Anwendung mehrerer Beizen nebeneinander durch einen einzigen
Farbstoff verschiedene Farbentöne auf
einem und demselben Gewebe erhalten. Bisweilen läßt man auch Beizen (schwach saure oder alkalische Flüssigkeiten,
Seifenbäder oder andre Farbebrühen) auf schon gefärbte Stoffe einwirken, um die Farbe lebhafter und reiner hervortreten
zu lassen (Schönen, Schauen, Avivieren) oder zu modifizieren (Modifikationsbeizen).
Die Operation des Färbens selbst ist in der Regel ebenso einfach wie die Apparate und Werkzeuge,
[* 48] die dabei in Anwendung kommen.
Die Baumwollfärberei, welche meist mit kalten oder lauwarmen Farbstofflösungen (Flotten) arbeitet, benutzt kleine hölzerne
Wannen ohne Heizvorrichtungen. LoseBaumwolle packt man inNetze oder Körbe, bringt sie mit diesen in die Flotte und preßt und
wringt sie nach dem Herausnehmen aus. Garn wird in einzelnen Strähnen auf Stöcke gezogen, welche mit ihren
Enden auf den Rändern der Wanne liegen, und, um gleichmäßige Färbung zu erzielen, von Zeit zu Zeit »umgezogen«,
wobei der Teil des Garns, welcher bisher aus der Flotte herausragte, nun in dieselbe gebracht wird.
Nach Vollendung der Operation wird das Garn abgewrungen oder cheveliert, indem man es auf die aus der Mauer
hervorragende Chevelle, einen etwa 1 m langen Stab,
[* 49] hängt und mit Hilfe eines zweiten Stabes zusammendreht. Die gefärbten
Garne werden in fließendem Wasser oder in Spülmaschinen gespült, wieder abgewrungen und in einem stark geheizten Zimmer, an
freier Luft oder in Trockenmaschinen getrocknet. Eine derartige Maschine
[* 50] besteht z. B. aus einem eisernen
Kasten, in welchem rechts und links eine Kette ohne Ende läuft.
Die Kette ist so konstruiert, daß man darin die mit Garnsträhnen behängten Stücke einlegen kann, und diese werden nun dreimal
bis an die Decke
[* 51] des Kastens gehoben und steigen dreimal wieder herab. An einem Ende des Kastens tritt das
nasse Garn ein, und am andern wird das trockne herausgenommen. Ein Ventilator saugt die feuchte Luft aus und veranlaßt den
Eintritt erwärmter trockner Luft. Baumwollene Gewebe werden in den Rollenständern (Klotzmaschinen, Clapots) behandelt.
Dies sind einfache hölzerne Kasten, in welchen das Gewebe durch Maschinenkraft über etwa acht oder neun
PaarLeitrollen auf und ab durch die Beize, Färbeflotte oder das Spülwasser und zuletzt durch ein Paar mit Filz überzogene Quetschwalzen
gezogen wird. Die Waschmaschinen für die Baumwollgewebe sind sämtlich mehr oder minder modifizierte Rollenständer. Die abgequetschte
Ware wird im Freien oder in Räumen, welche oft durch mehrere Etagen hindurchgehen, oder auf einer Reihe von
durch Dämpfe geheizten kupfernen oder wenigstens mit Kupfer überzogenen Trommeln getrocknet.
Bei der Wollfärberei (Schönfärberei) benutzt man kupferne oder zinnerne viereckige Kessel mit direkter Feuerung, gegenwärtig
aber gewöhnlich hölzerne Wannen mit Dampfheizung. Man bringt die gewaschene und genetzte Wolle bei 50° in
die Flotte, erhitzt zum Kochen und färbt bei dieser Temperatur fertig. LoseWolle wird in Körben oder Netzen, Wollgarn auf Stöcken
behandelt; man läßt dann abkühlen, spült in fließendem Wasser oder in der Spülmaschine, entfernt das Wasser auf einer
Zentrifugalmaschine und trocknet in Trockenstuben oder auf Maschinen. BeimFärben wollener Gewebe bringt
man über dem Kessel einen hölzernen Haspel an, hängt auf diesen das mit seinen Enden zusammengenähte Gewebe und setzt den
Haspel in Bewegung, so daß sich das in die Flotte hineinhängende Gewebe ganz gleichmäßig färben kann.
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In der Seidenfärberei arbeitet man mit kleinen kupfernen Kesseln ohne Feuerung oder mit Holzwannen und erreicht die nötige
Temperatur von 50° durch Zugießen von heißem Wasser oder durch eine Dampfschlange. Es wird fast nur Garn gefärbt, welches
man ebenso wie die Baumwolle auf Stöcken behandelt. Zum Chevelieren dient eine Maschine, in welcher die
Strähnen senkrecht stehen und um sich selbst gedreht werden. Die wieder aufgedrehte Seide wird kräftig auf einen polierten
Kupferblock geschlagen, um ihr Glanz zu geben, und zur Erhöhung desGlanzes in der Lüstriermaschine mit Dampf
[* 53] behandelt. Die
Seidensträhnen laufen hierbei straff gespannt über zwei polierte eiserne Walzen in einem Kasten, in welchen
Dampf einströmt. Seidene Gewebe werden selten gefärbt, da sie meist aus gefärbtem Garn hergestellt werden.
Garne werden nicht immer gleichmäßig gefärbt. Die Ombrés zeigen nur eine Farbe, aber verschiedene Nüancen derselben, so
daß die Strähne z. B. am Kopf dunkelrot ist und nach unten allmählich hellrosa, selbst weiß wird. Um
dies zu erreichen, taucht man die Strähne zuerst nur ein wenig in die Flotte ein, dann etwas tiefer, nach einiger Zeit wieder
etwas tiefer und so fort, bis endlich auch der Kopf der Strähne sich in der Flotte befindet. Sobald dieser die gewünschte
Nüance erreicht hat, unterbricht man die Operation und findet dann die einzelnen Teile der Strähne um
so dunkler gefärbt, je länger sie sich in der Flotte befunden haben.
Derselbe Zweck wird auch erreicht, wenn man das Garn zunächst so lange in der Flotte umzieht, bis die hellste Nüance erreicht
ist, dann auf den Stock hängt und allmählich durch einen Hahn
[* 54] die Flotte abzieht. Ombrés mehrerer Farben
auf einer Strähne werden nacheinander in gleich vielen Färbeflotten erzeugt. Rayierte Garne, auf welchen verschiedene Farben
nebeneinander stehen, färbt man mit Hilfe von Latten, zwischen welchen man das Garn beliebig einpressen kann.
Diese Latten bilden den Boden eines Kastens, aus welchem der Teil des Garns heraushängt, der zunächst
gefärbt werden soll. Man behandelt denselben wie gewöhnlich in der Flotte, spült dann, löst die Latten, zieht das gefärbte
Garn in den Kasten und färbt einen andern Teil der Strähne in einer andern Flotte. Das Zusammenpressen des Garns verhindert
das Aufsteigen der Flotte über die Latten hinaus und grenzt also die einzelnen Farben gegeneinander scharf ab. Unter dem NamenMignon hat man eine Art der Rayes eingeführt, auf welchen ein Teil der Strähne beim Färben weiß gelassen und später mit
verschiedenen Farben bedruckt wird. Windet man vor dem FärbenKnoten in das Garn und färbt, so erhält
man nach dem Aufknoten weiße, nach beiden Seiten in die Hauptfarbe abschattierte Stellen. Man kann auch das Garn in einer
beliebigen Farbe färben, dann knoten und eine andre Farbe darüber färben. Auf solche Weise erhält man die überraschendsten
Effekte.
Stets muß die Flotte vollkommen klar und von mechanischen Beimischungen, wie Splitter, Staub etc., frei sein. Die Farben, welche
der Färber erzeugt, sind entweder einfache oder
zusammengesetzte; sie werden in zahlreichen Abstufungen modifiziert und
zwar entweder durch Anwendung verschiedener Beizen oder durch abweichende Behandlung bei und nach dem Färben. Zusammengesetzte
Farben erzeugt man auch durch Vermischen mehrerer Beizen miteinander, durch Flotten, in denen verschiedene Farbstoffe gelöst
wurden, oder dadurch, daß man erst eine Farbe auf der Faser befestigt und dann noch eine zweite auf der
ersten anbringt. Über topische Färberei s. Zeugdruckerei.
LetztereMethode, bei welcher die Wolle zuerst angesotten wird, liefert auf Schafwolle die schönsten und
echtesten Farben, während die erstere Methode zwar sicherer und schneller zum Ziel führt, aber mehr Farbstoff verbraucht und
doch weniger echte und schöne Farben gibt. Sie findet namentlich bei dunkeln Farben Anwendung, indem man die Wolle erst in
den Farbebädern kocht, dann herausnimmt, in den Bädern die Beizsalze löst, die Stoffe von neuem einlegt,
darin herumnimmt und noch einige Zeit kocht, bis die gewünschte Farbe erreicht ist.