genannt. Dieser
Grad besteht noch jetzt in
England und Rußland. In
Deutschland
[* 2] ist seit 1807 der ein
Unteroffizier, der gleich
hinter dem
Feldwebel rangiert und das silberne Portepee trägt, daher er auch mit vollem
Titel Portepeefähnrich heißt
(Seekadett
der
Marine). Mit dieser
Charge werden nur solche junge Leute bekleidet, welche auf Beförderung zum
Offizier
dienen; s.
Offizier.
flaches Schiffsfahrzeug zur Vermittelung des
Verkehrs zwischen zwei
Ufern, wird durch lange in den
Grund zu bohrende
Stangen, durch
Ruder,
Segel oder Dampfkraft bewegt und ist im letztenFall entweder selbst ein
Dampfboot,
oder wird durch ein solches geschleppt. Diese
Dampffähren
(Trajekte; s.
Dampfschiff,
[* 4] S. 485) sind besonders in
Nordamerika
[* 5] zu
großartiger Anwendung gelangt und tragen zuweilen
Schienen zur
Aufnahme von Eisenbahnfahrzeugen, wie das über 129 m lange
Fährboot, welches zwischen
San Francisco und
Sacramento fährt und 48 Lastwagen samt
Lokomotive
[* 6] aufnimmt.
Zur Ein- und Ausschiffung werden bei Eisenbahntrajektanstalten schiefe
Ebenen oder hydraulische Hebevorrichtungen, auch das
Ein- und Auspumpen von Wasserballast benutzt. Während die gewöhnlichen frei fahrenden Fähren mit dem
Strom zu kämpfen
haben, werden die
Seil- oder Kettenfähren an
Ketten oder
Seilen geführt. Bei starker Strömung läuft auf
dem von einem
Ufer zum andern ausgespannten
Seil eine
Rolle, an welcher durch ein zweites
Seil das Fahrzeug hängt, welches,
gegen den Wasserlauf schief stehend, durch die seitliche
Komponente der Stoßkraft fortbewegt wird. Bei großen
Seil- oder
Kettenfähren wird das Fahrzeug durch Dampfkraft ähnlich wie bei der
Ketten- oderSeilschiffahrt fortbewegt.
Bei den fliegenden Fähren ist ein
Seil stromaufwärts der Überfahrtsstelle befestigt und führt das am andern Ende befestigte
Boot, welches event. auch bei Schiefstellung durch den
Strom bewegt werden kann.
die an ein
Fuhrwerk gespannten Zugtiere leiten, bedingt eine gewisse Geschicklichkeit, wozu außer einer genauen
Kenntnis von dem
Bau derFuhrwerke und
Geschirre, um diese im Notfall selbst ausbessern zu können,
Ruhe,
Besonnenheit und Entschlossenheit unerläßlich notwendig sind. Im
Altertum, wo man sich in
Schlachten
[* 7] der
Streitwagen
[* 8] bediente,
von welchen aus selbst
Könige und
Fürsten kämpften, war das
Geschäft des Wagenlenkens besonders unter den Assyrern, Babyloniern,
Ägyptern und Griechen ein hochwichtiges, von welchem nicht selten die
Freiheit und das
Leben des
Fürsten
abhingen, und dem sich in der
Regel die Vornehmsten unterzogen. Im alten
Griechenland
[* 9] genoß das
Wagenrennen bei den
Festspielen
hohes Ansehen.
Als aber später die
Streitwagen abkamen, hörte auch das Fahren auf, eine Beschäftigung der Vornehmen zu
sein, und bei den
Römern war es daher nur bei besondern Veranlassungen, wie bei Triumphzügen u. dgl.,
gewöhnlich, daß der Triumphator die
Zügel selbst führte. Dennoch gaben die Wettfahrten in den Zirkussen zu
Rom und
[* 10]
Konstantinopel
[* 11] der
Kunst zu fahren einen bedeutenden Aufschwung. Weniger Bedeutung hatte das Fahren im
Mittelalter, wo das
Reiten vor allem geschätzt und das
Fuhrwerk in der
Regel zu schlecht war, und noch mehr sank das Ansehen dieser
Kunst seit dem 17. Jahrh.,
als es, namentlich unter
Ludwig XIV.,
Mode wurde, sich von bepuderten
Kutschern mit hohen
Perücken und gewaltigen
Haarbeuteln
fahren zu lassen, während selbst zu fahren für höchst gemein galt. In
England indessen hat sich die
Sitte, selbst zu fahren, vorzüglich unter dem Landadel erhalten und von da aus seit Ende des vorigen
Jahrhunderts auf dem
Kontinent weiter verbreitet, so daß es jetzt für fashionabel angesehen wird, seinen Zug
selbst zu leiten und
namentlich unter der
Aristokratie in
Ungarn,
[* 12]
Österreich
[* 13] und
Deutschland ausgezeichnete Rosselenker zu finden sind. Für die
besten
Kutscher werden die russischen gehalten, welche mit 3-4 nebeneinander gespannten
Pferden, denen sie nur freundlich zureden,
über
Stock und
Stein jagen, ohne anzustreifen oder umzuwerfen; für die schlechtesten gelten die französischen. Über Fahrgeschwindigkeit
s.
Geschwindigkeit.
Vgl. Hamelmann, Die
Fahrkunst
[* 14] (3. Aufl., Leipz. 1884);
Leute, im
Mittelalter die einzeln oder in
Banden umherwandernden
Gaukler,
Taschenspieler, Erzähler,
Sänger,
Spielleute,
Mimen und andre Lustigmacher, welche, zum Teil hervorgegangen aus den römischen
Gauklern,
Fechtern
und
Mimen, sich durch einheimische
Elemente ähnlicher Art rekrutierten und allmählich die in der alten germanischen
Welt vorhanden
gewesenen Volkssänger und Harfenspieler, welche stets eine höhere und achtbarere
Stellung eingenommen hatten, aufsogen.
Gesetz und
Kirche stießen sie aus, sie waren rechtlos, und die kirchlichen
Sakramente blieben ihnen vorenthalten.
Gleich den
Knechten, durften sie nicht die
Tracht des freien
Mannes anlegen. Die
Folge war, daß die
Fahrenden unter sich eigentümliche,
zum Teil ergötzliche
Formen und Vereinbarungen einführten, und so entstanden das
»Königtum der fahrenden
Leute im Elsaß«, das »Pfeifferrecht zu
Rappoltstein« etc. Im 14. und 15. Jahrh. waren sie
etwas günstiger gestellt, seit der
Reformation aber beschränkten polizeiliche Maßregeln ihre Ungebundenheit und Zahl. Während
des Dreißigjährigen
Kriegs und später erhielten sie dann neuen
Zuwachs durch Alchimisten, Geisterbeschwörer, Schatzgräber,
Bärenführer und
Komödianten, die namentlich aus
Italien
[* 18] zuströmten. Ein Nachklang existiert noch heute
in den Orgeldrehern und den herumziehenden
Kunstreitern,
Seiltänzern und Schauspielergesellschaften.
[* 14] (Steigkunst), 1833 von Dörell in Zellerfeld erfundene Vorrichtung zur Erleichterung des Ein-
und Ausfahrens der Bergleute aus tiefen Gruben durch Anwendung von Maschinenkraft. Sobald die Schächte über 200 m tief hinabgehen,
erwachsen der Grubenmannschaft durch das Ausfahren auf Leitern (Fahrten) ungewöhnliche Anstrengungen, welche sie früher »bergfertig«,
zu Invaliden, machen und deren Arbeitskraft unnützerweise in Anspruch nehmen. Die Fahrkünste gewähren erfahrungsmäßig
großen Vorteil; wenn sie aber trotzdem nur beschränkte Anwendung gefunden haben, so sind daran die
bedeutenden Kosten für die Anlage und für die Kraftmaschine schuld sowie auch das Erfordernis eines besondern Trums (Gestänges)
im Schacht.
Man wendet deshalb statt derselben immer mehr das auf den englischen Steinkohlengruben übliche Fahren auf dem Seil
an, bei welchem die Arbeiter ohne körperliche Anstrengung und sehr rasch, auf Förderschalen stehend, mittels der gewöhnlichen
Fördermaschine im Schacht auf- und niedergeschafft werden. Die Harzer sogen. doppeltrümigen Fahrkünste bestehen aus zwei
in etwa 53 cmEntfernung voneinander parallel laufenden Holzgestängen (Trümern) A und B (s. Figur), die
mit einem markartig eingesetzten Drahtseil
[* 25] versehen sind oder auch ganz aus Drahtseilen ohne Holzhülle
bestehen und von oben bis unten in den Schacht reichen. An jedem Gestänge sind nach der Außenseite hin abwechselnd Tritte,
a, b, c, d, e, f, und Griffe, a', b', c', d', e', f', in solcher Entfernung angebracht, daß z. B. der auf den
Tritt a tretende Mann sich mit der linken Hand
[* 26] bequem an dem Griff a' festhalten kann.
Werden nun auf die später zu erwähnende Weise die Gestänge A und B abwechselnd auf und nieder bewegt, und geht beispielsweise
zuerst das Gestänge A nach oben, so wird der Mann so hoch (etwa um 1,6 m) gehoben, daß der Tritt a mit
dem Tritt f des andern herabgehenden GestängesB in gleiches Niveau kommt. Während nun auf diesem Punkte die Gestänge kurze
Zeit stillstehen, tritt der Mann von dem Tritt a auf den Tritt f über, erfaßt mit der rechten Hand gleichzeitig
den Grifff' und wird dann von dem aufwärts gehenden Gestänge B wieder um 1,6 m gehoben, um auf diese Weise, abwechselnd hin-
und hertretend und -greifend, zu Tage geschafft zu werden.
Soll gleichzeitig auf der Kunst ein- und ausgefahren werden, so ist dieses durch passendes zeitweiliges Abtreten der Mannschaften
auf neben der Fahrkunst befindliche Bretterböden (Bühnen) zu
ermöglichen. Damit bei etwanigem Reißen der Gestänge
die Stücke nicht zu tief fallen, sind erstere an verschiedenen Stellen mittels Ketten (Schürzen) an Balanciers aufgehangen.
Auch befindet sich zwischen den beiden Gestängen eine Fahrt zum jederzeitigen Abtreten von der Fahrkunst auf diese.
Bisweilen werden die Gestänge, statt durch ein Wasserrad, durch eine direkt wirkende Dampfmaschine
[* 28] bewegt,
oder man wendet statt zweier Gestänge nur eins an (eintrümige an welchem bewegliche Tritte sich befinden, während feste
an den Seiten (Stößen) des Schachtes angebracht sind, beide auf Hubhöhe voneinander entfernt.
Vgl. Serlo-Lottner, Bergbaukunde,
Bd. 2, S. 168 (Berl. 1873);
(Culpa), diejenige Handlungsweise, durch welche eine von dem Thäter nicht beabsichtigte Rechtsverletzung
herbeigeführt wird, die von ihm bei einer unter den vorliegenden Umständen vorauszusetzenden oder ihm besonders obliegenden
Aufmerksamkeit und Überlegung hätte vermieden werden können. Die regelmäßige Folge einer derartigen fahrlässigen Handlung
ist die Verpflichtung des Fahrlässigen zum Ersatz des dadurch verursachten Schadens (s. Culpa). In manchen
Fällen erscheint die Rechtsverletzung aus Fahrlässigkeit jedoch so stark, daß die bloße privatrechtliche Entschädigung des Verletzten
als genügend zur Sühne des begangenen Unrechts nicht zu betrachten, vielmehr eine öffentliche Bestrafung des Fahrlässigen
geboten ist.
Die moderne Strafgesetzgebung läßt jedoch eine kriminelle Bestrafung der Fahrlässigkeit nur
bei bestimmten Vergehen zu, indem sie in Ansehung derselben eine fahrlässige Übertretung der betreffenden Strafgesetze ausdrücklich
für strafbar erklärt. Mit Recht ist in diesen Fällen das Strafmaß ein weit geringeres als bei der entschieden strafwürdigern
Übertretung der Strafgesetze mit böswilliger Absicht. Als straferhöhendes Moment ist es im Gesetz bezeichnet,
wenn der Thäter zu der Aufmerksamkeit, die er fahrlässigerweise aus den Augen setzte, vermöge seines Amtes, Berufs oder Gewerbes
besonders verpflichtet war.
Nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch insbesondere sind es folgende Vergehen, welche auch aus Fahrlässigkeit begangen werden können:
Meineid (§ 163), Tötung (§ 222), Körperverletzung (§ 230), Vollstreckung einer ungesetzlichen Strafe
von seiten eines Beamten (§ 345), Fahrlässigkeit beim Entweichen eines Gefangenen (§ 121, 347), endlich die sogen.
gemeingefährlichen Verbrechen, wie Brandstiftung, Gefährdung eines Eisenbahntransports u. dgl.
(vgl. § 309, 314, 316, 318, 326 und 329). Bei den meisten Polizeivergehen wird mit Rücksicht auf den
polizeilichen Charakter derartiger Strafbestimmungen die fahrlässige Übertretung ebensowohl wie die vorsätzliche Verletzung der
Polizeigesetze bestraft.
Vgl. Bruck, Zur Lehre
[* 29] von der strafrechtlichen Fahrlässigkeit (Bresl. 1885).
Die Stumpfe
der Schalen ist erheblicher beim Hirsch
[* 36] als beim Tier, da wegen des größern Körpergewichts die Spitzen derSchalen sich mehr
abnutzen. Die Ballen sind beim geringen Hirsch schon stärker und tiefer eingedrückt als beim Tier. Die
Weite des Schrittes ist beim Spießer der des Alttiers etwa gleich und beträgt ca. 52 cm, während der starke Hirsch etwa 67 cm
weit schreitet; der Schränk, das Abweichen der Fährten von der geraden Linie, ist beim Hirsch stärker
als beim Tier, nur hochtragende (hochbeschlagene) Tiere schränken ebenso.
Die Jäger, welche das Wild nach der Fährte richtig anzusprechen (zu bestimmen) vermögen, heißen fährtegerecht. Das Elchwild
hat eine viel stärkere (größere), das Damwild eine viel schwächere (kleinere) Fährte als das Rotwild; die Zeichen zur Bestimmung
der Fährte des männlichen von der des weiblichen Wildes sind ähnlich wie bei diesem. Beim Rehwild ist es
nicht möglich, die Fährte des Bockes von der der Ricke zu unterscheiden. Die Fährte des Schwarzwildes zeichnet sich durch den Abdruck
der breitern Geäfter aus. Die Abdrücke von den Tritten des zur niedern Jagd gehörigen Wildes heißen Spuren.
Abbildungen der Fährten und Spuren der jagdbaren Tiere s. bei den einzelnen Artikeln.
Vgl. v. d. Bosch, Fährten- und Spurenkunde
(Berl. 1879). -
(Fahrpfennige, Fahrgeld), eine auf gewissen Grundstücken lastende Abgabe, welche bei Vermeidung des Verlustes
des Grundstücks jährlich an einem bestimmten Tag entrichtet werden mußte;
(spr. fädérb'),LouisLéonCésar, franz. General, geb. zu Lille,
[* 46] besuchte seit 1838 die
polytechnische Schule in Paris,
[* 47] seit 1840 die Artillerie- und Genieschule in Metz,
[* 48] diente als Unterleutnant im Geniekorps 1844-45
in Algerien,
[* 49] 1848 und 1849 auf Guadeloupe, 1849-52 wieder in Algerien, wo er, zum Kapitän befördert,
an mehreren Expeditionen
teilnahm. 1852 als Unterdirektor des Geniewesens nach dem Senegal gesandt, wurde er 1854 Bataillonschef
und Gouverneur der Kolonie daselbst. Er unterdrückte den Aufstand mehrerer tributpflichtiger Stämme, erweiterte das Gebiet
der Kolonie, unterwarf 1858 die mächtigen maurischen Stämme der Trarza sowie 1861 das Küstengebiet des Königs von Cayor und
das rechte Ufer des Senegal bis jenseit Bathel de Medina. Im Juni 1861 wegen Kränklichkeit beurlaubt, kehrte
er nach kurzem Aufenthalt in Algerien nach dem Senegal zurück, ward 1863 Brigadegeneral, aber im Juli 1865 auf wiederholtes
Ansuchen abberufen und erhielt das Kommando der SubdivisionBone inAlgerien.
Dieser konnte trotz aller Anstrengungen Faidherbes Position nicht erobern. Doch wich Faidherbe selbst nach den Festungen im
Norden
[* 52] zurück, um seinen Truppen Erholung zu gönnen, und griff erst 2. und 3. Dez., um Peronne zu entsetzen, die Deutschen mit
großer Energie bei Bapaume an. Dabei errang er einige Erfolge, hatte aber so große Verluste, daß er denRückzug antrat. Als er
Mitte Januar 1871 von neuem aufbrach, um über St.-Quentin und Reims
[* 53] in den Rücken der deutschen Nordarmee
zu kommen und Paris zu entsetzen, ward er 19. Jan. bei St.-Quentin von Goeben angegriffen und gänzlich geschlagen.
»Le
[* 55] Soudan français« (1884) u. a.
Über seine Kriegführung suchte er sich zu rechtfertigen in der Schrift »Campagne de l'armée du Nord« (Par. 1871; deutsch,
Kassel
[* 56] 1872).
¶
Z. in Königsberg
[* 59] i. Pr. Wenn unser Artikel »Ausweisung« eine Mitteilung über die jetzt so viel besprochenen Ausweisungen von
österreichischen und russischen Unterthanen aus der preußischen Monarchie nicht enthält, so hat dies seinen Grund einfach
darin, daß zu der Zeit, als der Artikel verfaßt wurde, jene Ausweisungsfrage noch nicht diejenige Bedeutung
gewonnen hatte, welche sie jetzt hat. Erst im Lauf des letzten Jahrs hat die große Zahl jener Ausweisungen und die Art und
Weise ihrer Ausführung das öffentliche Interesse mehr und mehr in Anspruch genommen. Übrigens würde eine eingehende Erörterung
dieser Angelegenheit in unser Werk kaum hineingehören, da dies ja keineswegs den Charakter eines Lexikons
der politischen Tagesfragen haben soll.
Indessen ist auch in diesem Streite die Richtigkeit der allgemeinen Rechtsgrundsätze über die Ausweisung, wie sie in unserm
Artikel dargelegt sind, von keiner Seite bestritten worden. Dies gilt namentlich von dem Satz, daß keine Staatsregierung verpflichtet
ist, Ausländern den dauernden Aufenthalt im inländischen Staatsgebiet zu gestatten, daß sie vielmehr zu deren Ausweisung
schreiten kann, wenn triftige Gründe eine solche Maßregel rechtfertigen. Diese Ausweisungsbefugnis ist an und für sich
unbestreitbar.
Selbst die von der Majorität des Reichstags angenommene »ResolutionWindthorst« spricht nur die Überzeugung aus, »daß die
von der königlich preußischen Regierung verfügten Ausweisungen russischer und österreichischer Unterthanen nach ihrem Umfang
und nach ihrer Art nicht gerechtfertigt erscheinen und mit dem Interesse der Reichsangehörigen nicht vereinbar sind«. Außerdem
ist bekanntlich die Befugnis des Reichstags, diese Angelegenheit vor sein Forum
[* 60] zu ziehen, bestritten worden, weil es sich
dabei nicht um eine Angelegenheit des Reichs, sondern um eine solche des preußischen Einzelstaats handle.
Dies ist in der kaiserlichen Botschaft zum Ausdruck gekommen, und aus diesem Grund lehnten es die Vertreter der verbündeten
Regierungen ab, den diesbezüglichen Reichstagsverhandlungen beizuwohnen. Die Opposition leitete dagegen die Zuständigkeit
des Reichstags aus Art. 4 der Reichsverfassung her, wonach die Bestimmungen über Freizügigkeit, Heimats-
und Niederlassungsverhältnisse, Staatsbürgerrecht, Paßwesen und Fremdenpolizei der Gesetzgebung des Reichs und der Beaufsichtigung
seitens desselben unterliegen.
M. in Potsdam.
[* 61] Unter »Komptabilitätsgesetz« versteht man dasjenige Gesetz, welches die Grundsätze feststellt, nach welchen
bei der Finanzverwaltung eines Staats in formeller Hinsicht zu verfahren ist. Ein solches Gesetz ist namentlich
für die Art und Weise, wie der Etat aufzustellen und wie die Staatsrechnung zu legen, maßgebend. Für das Deutsche Reich
[* 62] fehlt
es noch an einem solchen Gesetz. Der Entwurf eines Komptabilitätsgesetzes, von welchem zuweilen in den Reichstagsverhandlungen
die Rede ist, hat keine Gesetzeskraft erlangt.
Bd. 2 wird eine Darstellung der volkswirtschaftlichen Seite von Landwirtschaft,
Gewerbe, Handel etc. bringen. Die strenge Scheidung zwischen der theoretischen und der praktischen Nationalökonomie
hat man mit Recht fallen gelassen und dadurch in glücklicher Weise eine Zerreißung zusammengehöriger Begriffe vermieden,
welche zu Wiederholungen führt und für das Studium nicht gerade fördernd wirkt. Ganz vorzüglich zeichnet sich das genannte
Werk durch eine große Fülle positiven Stoffes (Geschichte, Gesetzgebung, Verwaltung und Statistik) aus.
In dieser Beziehung wird es durch kein andres Lehr- oder Handbuch der Volkswirtschaftslehre erreicht.
Allerdings ist, da 25 Mitarbeiter ihre Beiträge geliefert haben, das Ganze nicht wie aus Einem Guß gearbeitet. Dies wirkt
jedoch nicht im mindesten störend. Denn die Einteilung ist eine vollständig einheitliche und abgerundete, und innerhalb
dieses Rahmens treten die einzelnen Abteilungen als selbständige und in sich abgeschlossene Abhandlungen auf. Im übrigen
stehen sich die verschiedenen Mitarbeiter in ihren nationalökonomischen Grundanschauungen nicht so fern, und außerdem sind
die einzelnen Gebiete so verteilt, daß irgendwie bedenkliche Gegensätze und Widersprüche nicht zum Vorschein kommen. Das
ganze Werk wird etwa 40 Mk. kosten.
Dr. M. E. in N. S. Den alten Aberglauben, daß Flöhe, Maden etc. in Schmutz und Unrat durch Generatio spontanea entstehen, hat
bereits Redi im 17. Jahrh. endgültig beseitigt, und in neuerer Zeit ist selbstverständlich
niemals der Versuch gemacht worden, auf so handgreiflichen Unsinn zurückzukommen. Alle neuern Arbeiten über Generatio spontanea
fassen nur die einfachsten Organismen ins Auge,
[* 66] sie sind aber ohne Ausnahme zu negativen Resultaten gelangt.
v. H. in Berlin.
[* 67] Heimstätten für deutsche Erzieherinnen, in denen stellenlose Bewerberinnen vorübergehende
Unterkunft und geeignete Nachweisungen, bedrängte Erzieherinnen Rat und Stütze finden können sind in neuerer Zeit mehrfach
in großen Städten des Auslandes gegründet worden: in London
[* 68] durch Fräulein Adelmann (Wyndham Place 16, Bryanstone Square),
für Paris (1886) in Batignolles durch FräuleinLamprecht. Beide Anstalten erfreuen sich der Fürsorge der deutschen Kronprinzessin.
¶
Die Zusammenstellung der vorläufigen Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember vorigen Jahrs hat für das Deutsche Reich eine ortsanwesende
Bevölkerung
[* 70] von 46,840,587 Köpfen ergeben. Die Reichsbevölkerung hat also seit dem Jahr 1880 eine Vermehrung von 1,606,526
Köpfen erfahren, gleich einem Zuwachs von durchschnittlich jährlich 0,70 Proz. der mittlern
Bevölkerung der Periode. Gegen die durchschnittliche jährliche Bevölkerungszunahme der vorhergehenden Zählungsperiode 1875-80
(1,14 Proz.) ist die der letzten (1880-85) um 0,44
Proz., gegen diejenige von 1871-75 (1,00 Proz.)
um 0,30 Proz. der mittlern Bevölkerung zurückgeblieben. Die Zählung der ortsanwesenden Bevölkerung
ergab: