1)
CharlesGuillaume, dramatischer und politischer Schriftsteller, geb. zu Chamouilly
(Obermarne),
kam 1796 nach
Paris
[* 5] ohne andre Hilfsmittel als sein vorteilhaftes Äußere und seinen glänzenden
Esprit, war zuerst als Buchhalter
thätig, schrieb dann für
Zeitungen und verfaßte endlich teils allein, teils in
Verbindung mit andern
eine Anzahl Theaterstücke, die eine äußerst beifällige
Aufnahme fanden. Dadurch gewann er die
Gunst des
Herzogs von
Bassano,
der ihn zu seinem
Sekretär
[* 6] und Reisebegleiter machte, wurde dann unter dem Kaiserreich
Zensor und Chefredakteur des
»Journal
de l'Empire« und NachfolgerEsménards als
Chef des
Preßbüreaus und 1811 Mitglied der
Akademie.
Unter der
Restauration fiel er in
Ungnade und wurde sogar aus der
Akademie gestoßen; er nahm von nun an seinen
Platz in den
Reihen der
Opposition, wurde
Redakteur des »Constitutionnel« und schrieb eine
Menge der geistreichsten und witzigsten
Artikel,
besonders die
»Lettres sur
Paris«. 1822 und 1827 erhielt er ein
Mandat als Deputierter und ward der populärste
und gefeiertste
Kämpfer für politischen Liberalismus;
1829 wurde er wieder in die
Akademie aufgenommen und trat sogleich
als entschiedener Gegner der romantischen
Schule auf;
dazu
wußte er sich ausgezeichnet dem
Geschmack seiner Zeit anzupassen.
Als direkter Nachfolger
Molières aber zeigte er sich in
seinem
Lustspiel »Les deux gendres« (1810),
dem besten
Lustspiel aus der Zeit des Kaiserreichs. Zufällige
oder absichtliche,
jedenfalls aber höchst geringfügige Anklänge dieser
Komödie an ein
Stück des 17. Jahrh.: »Conaxa,
ou les gendres dupés«, verwickelten Etienne in einen heftigen litterarischen Streit, den die vielen
Neider seiner glänzenden
Karriere und die heimlichen Feinde des Kaiserreichs emsig zu schüren wußten.
Sein schwaches und frostiges
Lustspiel »L'intrigante«
(1813) wurde durch polizeiliche Unterdrückung vor dem natürlichen
Tod bewahrt. Dagegen hat er mit seinen
kleinen
Komödien,
Vaudevilles,
Operetten und
Feerien immer große Erfolge erzielt; seine
Opern:
»Cendrillon« (1810) und »Joconde«
(1814) entzückten ganz
Paris. Von seinen übrigen
Schriften erwähnen wir:
»Histoire du
théâtre français, etc.« (Par. 1802, 4 Bde.)
und seine litterarhistorischen
Arbeiten, besonders die
Einleitung zum
»Tartuffe« (1824). Seine
»Œuvres«
gab A.
François heraus (Par. 1846, 4 Bde.).
2)
Michael, österreich. Journalist; geb. zu
Wien,
[* 8] begann seine litterarische Thätigkeit in den 40er
Jahren und
trat 1848 als
Publizist in in- und ausländischen
Journalen auf. Von 1850 bis 1855 lebte er in
Paris, als
Korrespondent für
österreichische und deutsche
Blätter thätig. Damals sammelte er reiche
Erfahrungen über das
Wesen, die Einrichtung, den
Stil und die
Technik der tonangebenden französischen und englischen
Presse,
[* 9]
Erfahrungen, welche er später für die
Ausbildung
der österreichischen
Presse verwertete.
Nach
Wien zurückgekehrt, übernahm er im April 1856 die Chefredaktion der
»Presse«, welche unter ihm einen
großen Aufschwung nahm. Im Mai 1864 trat er mit seinem
KollegenMaxFriedländer von der Leitung der
»Presse« zurück und begründete
im
September d. J. die
»NeueFreiePresse«, welche in kürzester Zeit sich zu einem Weltblatt aufschwang, in welchem die
Interessen
der
Politik, des
Handels undVerkehrs, des
Unterrichts, der Litteratur und der schönen
Künste eine den höchsten
Anforderungen entsprechende litterarische Vertretung finden. Nach dem
TodFriedländers (April 1872) führte Etienne allein die
Oberleitung des Unternehmens in deutsch-liberalem
Sinn bis zu seinem
Tod,
(franz., spr. etjolmang, Etiolieren, Vergeilen, Verspillerung der Pflanzen), Krankheitszustand der Pflanzen,
welcher beim längern Verweilen derselben im Dunkel oder Halbdunkel eintritt. Die sonst grünen Teile bleiben bleich oder gelblich,
die Stengel
[* 12] schießen in die Länge, sind aber dabei dünn und schwächlich, und die Blätter bleiben hinter ihrer normalen
Größe sehr zurück, bekommen zwar längere und dünne Stiele, vergrößern aber ihre Blattfläche nur
wenig, und diese bleibt oft zusammengerollt oder gefaltet wie in der Knospenlage.
Der Mangel der grünen Färbung beruht auf dem Unterbleiben der normalen Ausbildung der Chlorophyllkörner, welche zwar in
ihrer Form vorhanden, aber durch Etiolin gelblich gefärbt sind, da der grüne Farbstoff, das Chlorophyll,
nur am Licht
[* 13] entsteht. Da nun das Chorophyll ^[richtig: Chlorophyll] für die Ernährung der Pflanze unentbehrlich ist, so geht
eine etiolierte Pflanze nach kurzer Vegetation zu Grunde, sobald nämlich die anfangs schon in ihr vorhanden gewesenen, zu Bildungsvorgängen
disponibeln organischen Verbindungen aufgezehrt sind.
Wird eine etiolierte Pflanze vor Eintritt dieses Zeitpunktes wieder ans Licht gesetzt, so ergrünt sie in kurzer Zeit, wird
dadurch fähig, sich regelmäßig zu ernähren, und ihre weitern Bildungsvorgänge finden dann in normaler Weise statt. Die
dünne und schwächliche Beschaffenheit vergeilter Pflanzenteile ist zurückzuführen auf eine Schwächung der Assimilation
(s. Ernährung der Pflanzen) infolge des Lichtmangels. Etiolierte Stengel und Blattstiele enthalten in der
Richtung ihrer Dicke weniger Zellen als im normalen Zustand, auch sind die Membranen der vorhandenen Zellen weniger dick als sonst.
Die Schwächung der Assimilation macht sich schon bei einer Minderung der Beleuchtung
[* 14] bemerklich, bei welcher die Chlorophyllbildung
noch nicht unterdrückt wird. Zu schlanke, dünne Stengel und kleine Blätter deuten immer an, daß die Pflanzen keine ganz
günstige Beleuchtung genießen, daß bei ihnen die Assimilation bereits einigermaßen geschwächt ist. Die mangelhafte Ausbildung
der Gewebe
[* 15] ist rein lokal: an Blättern, von denen man nur eine Hälfte oder nur einen Streifen verdunkelt,
tritt sie nur an diesen Stellen ein;
Die Chorophyllbildung
^[richtig: Chlorophyllbildung] kann übrigens auch durch ungünstige Temperaturverhältnisse sowie durch Mangel an Eisen
[* 16] unter
den Nährstoffen beeinträchtigt werden; s. Bleichsucht.
(niederländ.), in der Seemannssprache Zeit von 24 Stunden, insbesondere die während eines Tags von Mittag bis
Mittag von einem Schiff
[* 17] zurückgelegte Distanz mit Inbegriff der in dieser Zeit vorgefallenen Begebenheiten,
welche alle in das Schiffsjournal eingetragen werden.
(spr. iht'n), Stadt in Buckinghamshire (England), an der Themse, Windsor gegenüber, mit (1881) 3466 Einw., ist berühmt
durch das Eton College, die vornehmste Lateinschule
Großbritanniens. Die Anstalt, 1440 von Heinrich VI. gegründet, ernährt
jetzt einen Provost, einen Vizeprovost, 15 Fellows, 2 Conducts, 70 King'sScholars (Freischüler) und eine
Anzahl von Unterbeamten, welche sämtlich im College wohnen und teilweise sehr beträchtliche Pfründen beziehen.
Die Leitung der Schule ist einem Direktor (headmaster) anvertraut, welcher von 50 Lehrern unterstützt wird. Die Stiftung verfügt
über zahlreiche Stipendien, welche den fähigern Freischülern den Besuch der UniversitätenCambridge oder Oxford
[* 18] ermöglichen.
Die Freischüler werden nach einer Prüfung zugelassen, aber außer ihnen besuchen die Anstalt noch 880 Oppidans, den ersten
Familien des Landes angehörig, die bei den Lehrern wohnen und ihren Eltern jährlich bis 4000 Mk. kosten.
Schüler wie Lehrer tragen das eigentümliche schwarze Kollegiumskleid (gown and cap). Die in roten Backsteinen
aufgeführten Gebäude umgeben drei große Höfe und enthalten eine namhafte Bibliothek, Speisesäle und Wohnungen für Schüler,
Fellows und Beamte. Die gotische Kapelle grenzt an den ersten dieser Höfe, in dessen Mitte eine Bildsäule des Gründers steht.
Unter den vielen eigentümlichen Gebräuchen der Schüler sind am interessantesten das nirgends sonst so
ausgebildete Faggingsystem, nach welchem die neuangekommenen Schüler, auch wenn sie aus den vornehmsten HäusernEnglands sind,
von den ältern zwei Jahre hindurch als ihre Fags (Stubenburschen und Diener) betrachtet werden, und die Bootprozession am 4. Juni, dem
Sprechtag der Schule. Als Ruderer und Kricketspieler stehen die Schüler von Eton in ganz England in Ruf.
Hier wurde in der Nacht
vom 29. auf den eine zum Detachement des Grafen zur Lippe
[* 19] (bei der Nordarmee) gehörige Abteilung sächsischer Truppen,
welche zur Rekognoszierung gegen Ecouis vorgeschickt war, überfallen und sosehr überrascht, daß sie mit einem Verlust
von 6 Offizieren, 149 Mann, 80 Pferden, einem vierpfündigen Geschütz und 2 Munitionswagen sich schleunigst
zurückziehen mußte.
(Tuscia, von den Griechen Tyrrhenia genannt, s. Karte »Altitalien«),
[* 24]
Landschaft auf der westlichen Seite von
Mittelitalien, vom etruskischen Apennin bis zum Tiberisthal; im Altertum stark bevölkert, blühend und fruchtbar und im Besitz
einer alten und eigentümlichen Kultur und politischen Bedeutung. Die Hauptflüsse von Etrurien waren der Arnus
(Arno), der Clanis (Chiana), der mit einem Arm dem Arnus, mit einem andern dem Tiber zufloß, und die Küstenflüsse Umbro (Ombrone),
Albinia (Albegna), Armenta, Marta (Ausfluß
[* 25] des Volsinischen Sees) und Minio.
Die östlichen, am Fuß des Apennin gelegenen Teile waren ausgezeichnet durch mildes, angenehmes Klima,
[* 26] fruchtbaren Boden und reiche Bewässerung. Der ganze südliche Teil Etruriens, von Clusium bis Rom,
[* 27] ist vulkanischer Natur. Die
zahlreichen, kesselartig eingeschlossenen Seen jener Gegend, von denen die beiden größten der Trasimenus (Lago di Perugia)
und der Volsiniensis (Lago di Bolsena), ferner der Ciminius (Lago di Ronciglione), der Sabatinus (Lago di Bracciano)
und der Vadimonius (Lago di Bassano), füllen erloschene und eingestürzte Krater.
[* 28] An andern Stellen hatte die tuskische Wasserbaukunst
die Seen durch Emissarien, welche durch die Seiten der Berge gebrochen wurden, abgelassen, um dadurch Land für die Kultur zu
gewinnen.
Unter den Bodenerzeugnissen Etruriens sind besonders zu nennen: der clusinische Spelt (far), aus welchem
das einheimische Nationalgericht, der dicke Mehlbrei (puls), bereitet wurde, Flachs, Wein und Öl. Der Apennin lieferte herrliche
Tannenstämme als Bauholz zu Wohnungen und Schiffen, so daß Rom einen großen Teil seines Bedarfs aus Etrurien bezog. Auch Viehzucht und
[* 29] Fischfang waren Hauptnahrungszweige. Von Mineralien
[* 30] wurden vorzüglich Eisen, namentlich auf dem benachbarten
Ilva (Elba), und Kupfer
[* 31] (bei Volaterrä) in großen Massen gewonnen und zu Waffen,
[* 32] Statuen und Geld verarbeitet.
Erst spät benutzt wurden dagegen die Marmorbrüche von Luna, wo jetzt der karrarische Marmor gewonnen wird. Den besten Thon,
aus welchem die berühmten irdenen Geschirre gefertigt wurden, grub man bei Arretium, welche Stadt der
Hauptsitz der tuskischen Töpferarbeit und Plastik war. Erwähnenswert sind endlich noch die zahlreichen warmen Heilquellen
und Schwefelbäder zu Pisä, Clusium, Vetulonia, Populonia, Volaterrä, Cäre u. a. Seiner politischen Einteilung nach zerfiel
Etrurien in zwölf Republiken mit aristokratischer Verfassung, die bei völliger Unabhängigkeit in betreff ihrer
innern Angelegenheiten durch ein Bündnis vereinigt waren.
Ob die
Etrusker, die sich selbst Rasenna nannten, ein Mischvolk (aus Ureinwohnern und spätern semitischen Einwanderern) gewesen
sind, oder ob sie ein selbständiger Volksstamm waren, der sich von Rätien aus über einen großen Teil
der Halbinsel verbreitete, bis er von den Kelten in die Alpen
[* 35] und nach Tuscien zurückgedrängt wurde, endlich welcher Sprachfamilie
das Etruskische angehört, ist noch eine ungelöste Streitfrage (s. unten). Die Blütezeit der etruskischen Macht fällt in
die Zeit von 800 bis 400 v. Chr. Sie bewohnten außer Etrurien auch das Gebiet zwischen Apennin und Po und den
mittlern Teil der nördlichen Poebene; Mantua,
[* 36] Melpum und Felsina (Bologna) waren etruskische Städte.
DenL.Tarquinius Priscus nennt die Sage einen vornehmen, ursprünglich aus Korinth
[* 38] stammenden Bürger von Tarquinii. Ob freilich
durch dessen Thronbesteigung zu Rom ein Einfluß Etruriens auf Rom oder gar eine etruskische Herrschaft
begründet wurde, ist ungewiß; wohl aber scheint nach dem Sturz der römischen Königsherrschaft Rom eine Zeitlang infolge
der Siege des clusinischen FürstenPorsena in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zu Etrurien gestanden zu haben.
Längere Zeit ruhten sodann die Fehden zwischen Rom und den etruskischen Städten, abgesehen von kürzern
Grenzstreitigkeiten, in deren Folge 426 Fidenä von den Römern zerstört wurde. Erst die Eroberung des mächtigen Veji durch
Camillus 396 war epochemachend und schien die römische Herrschaft über Etrurien anzubahnen. Doch wurde Rom durch die gallische
Invasion, die übrigens auch Etrurien hart betraf, auf längere Zeit lahmgelegt. Als es aber
wieder zu Kräften kam, wurde es für das ohnedies zurückgekommene Etrurien immer gefährlicher.
Daher verbanden sich die Etrusker 311 mit den Samnitern und erneuerten diesen Bund auch im dritten Samniterkrieg 298, gerieten
aber mit ihren Verbündeten nach dem Sieg derRömer
[* 39] bei Sentinum 295 unter die römische Herrschaft, welche sich
von da an mehr und mehr befestigte, so daß Etrurien ums Jahr 280 als den Römern völlig unterworfen gelten konnte; doch bestanden
Sprache,
[* 40] Sitte, religiöse Disziplin und meist auch die innere Verfassung der einzelnen Staaten noch fast zwei Jahrhunderte in
ihrer Eigentümlichkeit fort, und Etrurien war, nachdem es sich von seinen Kämpfen erholt, noch immer ein reiches,
blühendes Land. Durch die LexJuliadesKonsulsL.Julius Cäsar erhielt es 89 das Bürgerrecht, weil es während des Bundesgenossenkriegs
Rom treu geblieben war.
ward hierauf französische Provinz und durch Senatsbeschluß vom für einen Teil des französischen Kaiserreichs
erklärt, 1809 aber als Großherzogtum Toscana der SchwesterNapoleons I., Elisa, zugewiesen, die es 1814 wieder an das frühere
Regentenhaus abtreten mußte. Vgl. Toscana.
Erst die neuere Zeit hat wieder anerkannt, welche bedeutende Stelle die Etrusker unter den Völkern des
Altertums einnahmen, obwohl man über ihren Ursprung noch nicht klar geworden ist. Während die altitalischen Mundarten (das
Umbrische, Oskische etc.) sich unzweifelhaft als Zweige des indogermanischen Sprachstammes auswiesen, bot die von jenen verschiedene
Sprache der Etrusker (das Tuskische) einer genügenden Erklärung bisher hartnäckig Trotz; man hielt sie
bald für eine Mischsprache, bald für eine semitische (so Stickel 1859). In neuerer Zeit versuchte Corssen (»Über die Sprache
der Etrusker«, Leipz. 1874-75, 2 Bde.)
den Beweis, daß wir, wie in der umbrischen und oskischen Sprache, so auch im Etruskischen einen dem Lateinischen verwandten
Zweig des großen indogermanischen Sprachstammes zu erkennen haben.
Doch fand diese Ansicht mehrfachen Widerspruch, namentlich von seiten Deeckes (in seiner neuen Ausgabe von O. Müllers »Etrusker«,
Stuttg. 1877), der indessen mit ebensowenig Erfolg die etruskische Sprache dem finnischen Sprachstamm
[* 44] zuwies. Das Hauptdenkmal
des Tuskischen ist die 1822 gefundene sogen. Perusinische Inschrift; daraus wie aus den vielen andern
noch vorhandenen Inschriften ergibt sich, daß diese Sprache eine große Härte, namentlich durch Häufung von Konsonanten, besaß.
Dem Alphabet liegt das phönikische zu Grunde, das jedoch erst durch die Griechen zu den Etruskern kam, da sich nur sehr wenige
Buchstabenformen finden, die nicht auch auf griechischen Inschriften vorkämen. Dagegen wurde von den
Etruskern an der orientalischen Schreibweise von der Rechten zur Linken festgehalten. Von den Zahlzeichen, die auch von den Römern
angenommen worden sind, läßt sich bezweifeln, ob sie zu demselben Schriftsystem gehören wie die Buchstaben.
Was die politischen Verhältnisse betrifft, so bestand die Bevölkerung
[* 45] aus einem herrschenden und einem
unterthänigen Teil, welch letzterer sich mit den thessalischen Penesten oder den Heloten vergleichen läßt. Die Städte wurden
von einem Priesteradel regiert; die herrschenden Geschlechter (Lucumones) der einzelnen Städte entschieden zusammen über die
allgemeinen Angelegenheiten der Nation. Das Verhältnis der Bundesstaaten untereinander war ein unabhängiges
und ziemlich lockeres; doch scheint Tarquinii alte Ansprüche auf die Leitung des Ganzen gehabt zu haben.
Die Lucumonen bildeten den herrschenden Stand und hatten allein auf die höchsten Würden Anspruch, besonders
auf die königliche Würde, die in den frühern Zeiten Etruriens in den einzelnen Staaten verfassungsmäßig bestand. Später
wurde das Königtum aufgehoben und durch jährlich wechselnde Magistrate ersetzt.
Der öfters vorkommende Beiname Lars oder
Larth bezeichnete den Herrscher. Eigentümlich waren der tuskischen Adelsherrschaft ein großer Ahnenstolz und Neigung
zu Pomp in Kleidung und Insignien, wie ja auch vieles, was zu Rom die Magistrate äußerlich auszeichnete, wie die Lictores, Apparitores,
die elfenbeinernen Kurulsessel, die Toga
[* 48] praetexta, der Pomp der Triumphe etc., von den Etruskern entlehnt wurde.
Hauptbeschäftigung der Etrusker waren Ackerbau und Handel zur See und zu Lande, denn schon in sehr früher
Zeit führte von Etrurien ein Handelsweg über die Alpen nach dem Norden.
[* 49] Auf dem Meer waren die Etrusker nach den Griechen, Phönikern
und Karthagern das bedeutendste Handelsvolk, was auch durch ihre Handelsverträge mit Karthago
[* 50] bestätigt wird. Die wichtigsten
Häfen waren Pisä, Populonia und Cäre. Die ausgeführten Waren bestanden hauptsächlich in den reichen
Naturprodukten des Landes, aber auch in Erzeugnissen des Gewerb- und Kunstfleißes, unter welchen hauptsächlich tuskische
Schuhe, Thongeschirre und künstliche Erzarbeiten einen großen Ruf genossen.
Wie alle seefahrenden Nationen des Altertums, trieben die Etrusker auch Seeraub und waren deshalb übel berüchtigt und gefürchtet.
Für die Ausbreitung des tuskischen Handels sprechen namentlich die noch vorhandenen Münzen,
[* 51] welche beweisen,
daß Etrurien seit alten Zeiten sein eignes Münzsystem hatte und Kupfermünzen schlug oder vielmehr goß, ohne es von den Griechen
erlernt zu haben. Umbrien, Latium, das ganze Mittelitalien nahmen dieses Münzsystem an, ebenso die griechischen Kolonien und
Sizilien.
[* 52]
Die Form dieser gegossenen Kupferstücke (aes grave), die meist die Prägorte Volaterrä, Clusium, Telamon, Hatria tragen und
lange das alleinige Geld Mittelitaliens waren, war zuerst viereckig und erst später rund. Das Duodezimalsystem herrschte
auch hier. Was das Kriegswesen anlangt, so gehörte der Ruhm tuskischer Tapferkeit frühern Zeiten an, ehe die
Etrusker den Römern unterlagen. Später neigten die Etrusker zur Verweichlichung und Schwelgerei und zum Luxus.
In der Bauart der Wohnhäuser
[* 53] sind aus Etrurien mehrere Einrichtungen in Italien üblich geworden, wie das Atrium oder Cavädium,
der Sammelplatz der Familie, dessen älteste und einfachste Art Tuscanicum hieß. Über die Baukunst der
[* 54] Etrusker
ist im Artikel »Baukunst« (mit Tafel V,
[* 43]
Fig. 1-11) ausführlich berichtet. Unter den Zweigen der Plastik (s. Artikel »Bildhauerkunst«
[* 55] und Tafel I,
[* 43]
Fig. 15, Tafel II) blühte in Etrurien besonders die Bereitung von Thongefäßen,
welche in allen möglichen Formen verfertigt wurden und eine große technische Fertigkeit, ja auch feinen Kunstsinn
der Griechen bekunden.
Auch wurden in früherer Zeit Tempelzierden, Reliefs und Statuen in den Giebelfeldern häufig aus Thon gefertigt. Sehr zahlreich
waren auch Erzbilder, deren Volsinii bei seiner Eroberung gegen 2000 zählte. Besonders geschätzt waren aus Gold
[* 56] getriebene
Schalen und allerlei Bronzearbeiten, wie Kandelaber;
[* 57] ebenso wurden silberne Becher,
[* 58] Throne von Elfenbein und
edlem Metall, Bekleidungen für Prachtwagen von Erz, Silber, Gold und reichverzierte Waffenstücke in Menge gefertigt. In diese
Klasse gehören auch die auf der Rückseite gravierten Bronzespiegel. Weniger wurde die Skulptur in Stein geübt, dagegen in der
Steinschneidekunst
[* 59] Vorzügliches geleistet. Man verband mit einer bewundernswürdigen Feinheit der Ausführung eine
gewisse Vorliebe für gewaltsame Stellungen und übertriebene Bezeichnung der Muskulatur, wodurch selbst die Wahl der
¶
mehr
Gegenstände meist bestimmt ward. Die etruskische Malerei ist ein Zweig der griechischen, doch scheint in Etrurien früher als in
Griechenland
[* 61] die Wandmalerei geübt worden zu sein (s. Tafel »Ornamente
[* 62] I«,
[* 60]
Fig. 40-43). Zahlreiche Grabkammern, besonders bei
Tarquinii, sind mit Figuren in bunten Farben bemalt. Der Stil der Zeichnung geht von einer den alten griechischen
Werken verwandten Strenge und Sorgfalt in die flüchtigen und karikaturartigen Manieren über, welche in der spätern Kunst
der Etrusker herrschten.
Auf eine alttuskische Dichtkunst scheint die Sage hinzudeuten, daß der Götterknabe Tages seine Offenbarungen gesungen habe.
Tuskische Tragödien eines gewissen Volnius erwähnt Varro, und die Theater
[* 63] zu Fäsulä u. a. O. sind Zeugen
dafür, daß wenigstens griechische Schauspiele entweder in Übersetzung oder in der Ursprache aufgeführt wurden. Bemerkenswert
ist aber, daß sich in keiner Inschrift auch nur die geringste Ähnlichkeit
[* 64] mit einem griechischen Rhythmus entdecken läßt.
Die Musik der Römer stammte aus Etrurien, auch ihre darstellenden Sänger kamen daher. Saiteninstrumente zeigen
die Denkmäler hin und wieder, doch war die Flöte das eigentlich einheimische Musikinstrument. Von den profanen Wissenschaften
übten die EtruskerHeilkunde, Naturkunde und Astronomie,
[* 65] und besonders als Ärzte genossen sie einen nicht unbedeutenden Ruf
bei den Griechen. Die von ihnen gerühmte Kunst des Wasserfindens oder Regenlockens (aquaelicium) beruhte
offenbar auf tieferer Kunde der Natur.
IhreZeitrechnung folgte sehr genauen Gesetzen. Sie bestimmten den Anfang des Tags durch den höchsten Stand der Sonne
[* 66] und bedienten
sich wirklicher Mondmonate. Wie sie die Mondmonate mit dem Sonnenjahr in Einklang brachten, ist unbekannt; doch scheinen ihre
Jahre von kürzerer Dauer als die des Sonnenjahrs gewesen zu sein. Am Tempel der Nortia zu Volsinii wurde
jedesmal an den Iden des Septembers ein Nagel eingeschlagen, um so die Zahl der vergangenen Jahre zu bezeichnen.
Die Götterlehre der Etrusker wich von der altitalischen vielfach ab. Sie unterlag frühzeitig griechischen Einflüssen, indem
man hellenische Gottheiten teils geradezu dem Götterkreis der Etrusker einverleibte, wie das z. B. beim
Bacchus der Fall war, teils dieselben den alten tuskischen Göttern unterschob, wodurch von mehreren der letztern der ursprüngliche
Begriff ganz verloren gegangen ist. Man unterschied zwei Ordnungen von Göttern: die obern oder verhüllten Gottheiten, welche
Jupiter befragt, wenn er eine Verheerung oder Veränderung des bisherigen Zustandes durch einen Blitz verkünden
will, und die Zwölfgötter, welche Jupiters gewöhnlichen Rat bilden, mit dem lateinischen NamenConsentes genannt.
die freundliche Göttin der
Geburt, MaterMatuta, mit einem berühmten Tempel zu Cäre, u. a. Auch Janus,
[* 67] als Himmelsgott, scheint tuskischen
Ursprunges, wie nicht minder Menerfa (Menrfa) für eine ursprüngliche tuskische Göttin zu halten ist.
Als Vater dieser Wahrsagekunst galt ein Dämon, NamensTages, der, ein Kind von Jahren und Gestalt, aber grau an Weisheit, in einer
Ackerfurche entdeckt ward und den Lucumonen das Geheimnis offenbarte. Die sogen. Bücher des Tages waren die Quelle der etruskischen
Weisheit, es gab besondere Schulen zum Unterricht in der Wahrsagekunst. Diese Kunst hat sich dann, befördert
von dem altitalischen Schicksalsglauben, auch bei den übrigen StämmenItaliens
[* 72] eingebürgert.
Viele wichtige Notizen sind auch von den alten Auslegern zu Vergils »Aeneis« aufbewahrt
worden. Von neuern Schriften über Etrurien sind außer Dempster (»DeEtruria regali«, 1726) und Gori (»Museum etruscum«, 1737-43, 3 Bde.)
die wichtigsten: Inghirami, Monumenti etruschi (Flor. 1825, 10 Bde.);
O. Müller, Die Etrusker (Bresl. 1828, 2 Bde.;
neue Ausg. von Deecke, Stuttg. 1877);
Abeken, Mittelitalien vor den Zeiten der römischen Herrschaft nach seinen Denkmalen
dargestellt (das. 1843);
»Musei etrusci monumenta« (Prachtwerk,
Rom 1842, 2. Bde.);
Dennis, The cities and cemeteries of Etruria (2. Aufl., Lond. 1878, 2 Bde.;
deutsch von Meißner, Leipz. 1851);
Desvergers, L'Étrurie et les Étrusques (Par. 1864, 2 Bde.);
ü. M.) und gelangt mit raschem Gefälle auf die MalserHeide und die ebene Thalsohle von Glurns. Östlich gekehrt, betritt die
Etsch sodann das Längenthal des Vintschgaues, dem sie namentlich in seinem obern Teil durch Überflutungen gefährlich wird.
Bei Meran,
[* 75] wo der Untervintschgau mit einem plötzlichen Abfall endigt und die wilde Passer mündet, wendet
sie sich nach SO. und betritt den prächtigen, fruchtbaren Thalkessel des Mutterländchens,
das bis Bozen
[* 76] reicht, hier bis 5 km breit und durch ein Kanalnetz und Abzugsgräben in ein Gartenland umgewandelt ist.
Das Thal
[* 77] der Etsch von Bozen, wo dieselbe ihren bedeutendsten Zufluß, den Eisack, aufnimmt, abwärts heißt
Etschland. 6 km unter Roveredo beginnt eine Stromenge, bei den Slavini di San Marco, wo durch einen ungeheuern Bergsturz
[* 78] (wahrscheinlich 883 n. Chr.)
mehr als 50 qkm mit einem Felsenmeer bedeckt wurden. Bei Borghetto geht der bedeutend verstärkte Strom nach Italien über,
wälzt sich dann zwischen den senkrechten Wänden der VeroneserKlause (Chiusa), wo links die Straße in den
Fels gehauen ist, hindurch und tritt bei Verona,
[* 79] wo er südöstliche, dann östliche Richtung einschlägt, in die Ebene.
Die flachen Ufer werden nun sumpfig, der Strom selbst schlammig und träge. Der Unterlauf der Etsch ist vielfach mit dem Po in
seinem Mündungsgebiet verbunden, so daß sie der Zwillingsstrom des Po zu heißen verdient. Von ihr geht bei Legnago ein Naviglio
nach S. zum Tartaro, den derselbe in den Valli Grandi, den ausgedehntesten Reissümpfen, erreicht; ein zweiter Arm nach S.
geht von der Etsch oberhalb Castelbaldo ab, fließt als CanaleBianco nach O., ist bei Polesella mit dem PoGrande verbunden, berührt Adria und mündet in den Po di Levante; ein dritter, der NaviglioAdigetto, zweigt bei Badia nach SO.
ab und schließt sich im Po-Delta dem Po an. Die Etsch selbst mündet in das Adriatische Meer bei Porto Fossone, das
als Nordgrenze des Po-Delta gilt.
Die gesamte Länge der Etsch beträgt 415 km, wovon 220 auf Tirol kommen und 297 schiffbar sind. Bei der Eisackmündung, wo die
Schiffbarkeit beginnt, ist der Fluß 78 m, bei Verona 120, oberhalb Legnago gegen 325, weiter unten im Hauptarm 260 m breit.
Die Tiefe beträgt 3-5 m, das Gefälle bis Mals 630 m, von da bis Meran 279 m, von da bis Legnago wechselnd
zwischen 1:510 und 1:1200, weiter unten 1:6000 und 1:12,000. Das Etschthal war von jeher eine Hauptstraße für Völkerströmungen
und Eroberungszüge (Cimbern). Jetzt führt die Eisenbahn durch dasselbe von Verona bis Bozen und Meran, dann
weiter am Eisack über den Brenner nach Nordtirol.
altes, berühmtes Kloster und Sitz des Patriarchen der nichtunierten Armenier im russ. GouvernementEriwan
(Transkaukasien), etwa 22 km von dieser Stadt entfernt, 895 m ü. M., in einer
mit Obstbäumen und Gärten reichbesetzten Gegend gelegen. In uralter Zeit stand hier die Stadt Wagharschabad.
Die dortige Patriarchalkirche, das schon 302 gestiftete Hauptheiligtum des Landes, ist zugleich ein Hauptbeispiel der armenischen
Architektur, das, wohl gegen Ende des 5. Jahrh. entstanden, später öfters erneuert wurde.
Es bildet fast ein Quadrat, aus dessen Mitte sich eine Kuppel auf vier frei stehenden Pfeilern erhebt; im
Innern reicher Schmuck an Malereien.
In der Nähe liegen noch zwei andre bei den Armeniern in großem Ansehen stehende Klöster, Kaiane und Hripsime, welche als
Filialen zu Etschmiadsin gehören, daher jenes Patriarchenkloster auch oft Utschkilissi (»Drei-Kirchen«) genannt wird. Etschmiadsin ist
reich an wunderthätigen Reliquien,
besitzt eine kostbare Bibliothek, minder reich an Bänden als an seltenen
Werken, und eine Typographie, aus welcher der Druck vieler wertvoller armenischer Litteraturwerke hervorgegangen ist. Es zählt
einschließlich der Zöglinge des Priesterseminars 100 Bewohner, darunter viele Priester hohen Ranges. In dem an das Kloster
anstoßenden Flecken gleichen Namens wohnen noch 300-400 Armenier, die größtenteils Krämerei und Ackerbau
treiben. Im Frieden zu Turkmantschai ward Etschmiadsin mit andern Gebieten von Persien
[* 80] an Rußland abgetreten und bildet seitdem
den Kreis
[* 81] der 3018 qkm (54,8 QM.) mit (1873)
95,163 Einw. umfaßt.
Pfarrdorf im bayr. Regierungsbezirk Oberbayern, Bezirksamt Werdenfels, mit Wallfahrtskirche (in der eine ausgezeichnete
Orgel), ehemaligem Benediktinerkloster (1332 gestiftet, 1803 aufgehoben, jetzt Brauerei) und 190 Einw. In der Nähe das königliche
SchloßLinderhof und der Berg Ettaler Mandl, 1641 m hoch.
Stadt im bad. KreisFreiburg,
[* 82] am Ettenbach (Zufluß der Elz) und am nördlichen Abhang des Kalenbergs, in fruchtbarer
Gegend, ist der Sitz eines Bezirksamtes und Amtsgerichts, hat eine schöne Pfarrkirche, einen ehemaligen
fürstbischöflichen Hofsitz, ein Realgymnasium und (1880) 3052 meist kathol. Einwohner. - Ettenheim ward
im 8. Jahrh. vom Bischof Eddo (Hetti) von Straßburg
[* 83] erbaut und gehörte später zum BistumStraßburg. 1633 fanden hier mehrere
unglückliche GefechteBernhards vonWeimar
[* 84] gegen die Kaiserlichen statt; 1637 wurde die Stadt von den Schweden
[* 85] eingenommen.
Von 1790 bis 1802 war Ettenheim die Residenz des letzten Fürstbischofs von Straßburg, RenatusEduard von Rohan-Guémenée, der in der
Pfarrkirche begraben liegt. 1802 kam die Stadt an Baden.
[* 86] Am wurde der Herzog von Enghien (s. d.), der
seit 1801 zu Ettenheim residierte, auf Napoleons I. Befehl gefangen weggeführt und darauf 20. März zu Vincennes vor Paris erschossen. 6 km
südöstlich von Ettenheim liegt das ehemalige berühmte Benediktinerkloster Ettenheimmünster (Ettenmünster), dessen
Ursprung bis in das 8. Jahrh. zurückreicht. Es stand anfangs unter der Vogtei der Grafen von Geroldseck;
später gehörte es zum BistumStraßburg, wurde 1802 aufgehoben und ist seitdem beinahe vollständig abgebrochen worden.
(Großer und Kleiner), Berg in Thüringen, erstreckt sich nördlich von Weimar in westöstlicher Richtung und
wird durch die nach Weimar führende Straße in zwei Hälften geschieden, den westlichen Großen Ettersberg von 481 m Höhe
und den östlichen Kleinen Ettersberg von 330 m Höhe. Die schönste Aussicht gewährt die Hottelstedter Ecke im NW. des Großen Ettersbergs.
Die Gänge in dem dortigen Buchenwald waren einst Herders Lieblingsspaziergang. Auf dem nördlichen Abhang des Ettersbergs
liegt das Dorf Ettersburg mit einem 1706 erbauten Jagdschloß nebst Gewehrkammer und 232 Einw.
Auch finden sich dort noch Spuren eines 1525 aufgehobenen Augustiner-Chorherrenstifts sowie die Ruinen zweier Ritterburgen,
wovon die eine 1227 vom LandgrafenHeinrich vonThüringen zerstört wurde, die andre aber, die Altenburg,
[* 87] den Grafen von Gleichen
gehörte und 1427 noch stand.