der
Hafer
[* 2] zurückweicht und nur noch die
Kartoffel gedeiht; freilich oft auch leidend durch Spätfröste oder früh eintretende
Winter. Das
Volk rechnet dort 8
MonateWinter, 4
MonateSommer. In
Oberwiesenthal, am Südfuß des
Fichtelbergs, in 917 m Meereshöhe,
beträgt die mittlere Jahrestemperatur nur 4,9° C. Es ist lange her, daß
das Erzgebirge vorherrschend Waldland war;Berg- und Hüttenbau haben die
Wälder verwüstet, die zahlreich anwachsende
Bevölkerung
[* 3] hat den
Wald vollends um die
Orte ausgerottet, um
Feld zu gewinnen.
Daher findet sich jetzt nur noch auf den höchsten südlichen
Rücken dichter Fichtenwald; auf dem nördlich daran gelegenen
Plateau sind nur noch die
Kuppen, mit Ausnahme derer von festem
Basalt, die zum Teil kahl sind, bewaldet.
Außerdem sind die
Berge aus Rotliegendem noch Waldreviere; so auch im Plauenschen
Grund, wo die herrlichsten Buchenbestände
auftreten. Trotz ausgedehnter
Viehzucht
[* 4] bedarf die dichte
Bevölkerung wie der Getreideeinfuhr, so auch der Viehzufuhr von
außen.
Alt ist auch die Gewinnung des
Eisens, wofür
Eibenstock
[* 8] der Zentralpunkt ist. Der Zinnbergbau ist minder
alt; die
Gruben von
Ehrenfriedersdorf wurden 1407, die reichen
Gruben von
Altenberg erst 1458 in
Angriff genommen. Außerdem liefert
der Metallbergbau des Erzgebirges
Kupfer,
[* 9]
Blei,
[* 10]
Kobalt,
Nickel,
Wismut,
Arsenik und
Eisen.
[* 11] Die im erzgebirgischen Oberland, um
Annaberg,
[* 12] Schneeberg etc., durch den Erzreichtum angelockte und sich anhäufende
Bevölkerung fand aber, als der
Reichtum der dortigen
Gruben sich zu erschöpfen anfing, nicht mehr ihr volles
Brot
[* 13] beim
Bergbau;
dies führte auf dem rauhen
Plateau zur Fabrikthätigkeit. Im J. 1541 wurde durch
BarbaraUttmann die Spitzenklöppelei eingeführt,
die 1884 einen Arbeitsverdienst von 32,160 Mk. (pro
Kopf 25,03 Mk.) abwarf, und für welche 1885: 22 Spitzenklöppelschulen
bestanden.
Daran haben sich andre Gewerbszweige,
Stickerei, Posamentierarbeiten, Seidenwebereien, angereiht. Aber auch
Eisen- (Blechwaren,
Nägel
[* 14] u. a.),
Spiel- und Holzwarenfabrikation, durch die
Kräuter der Bergwiesen angeregter Olitätenhandel und andre Fabrikzweige
sind hier zu
Hause. So kommt es, daß bei dürftigstem
Ertrag desBodens sich doch auf diesem höchstgelegenen
Teil
Sachsens eine
Bevölkerung erhalten kann, die zu der dichtesten
Europas gehört, zwischen 150 und 300 auf 1 qkm. Im J. 1585 aus
Brabant eingewanderte
Arbeiter führten die
Weberei
[* 15] feinerer
Zeuge ein.
Einen außerordentlichen Aufschwung erhielten aber
Weberei und Spinnerei in dem niedrigern Land, welches
sich von
Rossen bis
Reichenbach
[* 16] konzentrisch um das höhere Erzgebirge lagert, durch den Steinkohlenreichtum von
Zwickau,
[* 17] der alten
reichen Gewerbestadt. Außer der gesteigerten Spinnerei und
Weberei von
Baumwolle
[* 18] und
Wolle insbesondere und der daran sich
anschließenden
Färberei, die in der
Mulde zwischen
Erz- und Granulitgebirge und in letzterm zu
Hause, und
wofür
Chemnitz,
[* 19]
Zwickau und
Glauchau
[* 20] Hauptmittelpunkte sind, haben sich
Fabriken für
Maschinen,
Porzellan,
Steingut- und
Thonwaren,
[* 21] Waffen
[* 22] und
Chemikalien,
Glashütten und andre gewerbliche
Anlagen hier angesiedelt, die wichtig genug, wenn auch nicht von so
hervorragender Bedeutung wie die vorgenannten Erwerbszweige sind.
Für den Naturfreund bietet nicht nur der
Kamm des
Gebirges, sondern namentlich auch die nach N. führenden
Thäler landschaftliche
Schönheiten aller Art.
Vgl. Berlet, Wegweiser durch das sächsisch-böhmische Erzgebirge (4. Aufl., Annab.
1884);
(Archidux), ein dem österreich.
Haus eigentümlicher
Titel, angeblich von
KaiserFriedrich I. herrührend, welcher
das Markgraftum
Österreich
[* 27] zum Herzogtum erhob und dem
Herzog von
Österreich den nächsten Platz nach den
Kurfürsten einräumte,
welch letztere als Verwalter derErzämter des
Reichs auch Erzfürsten genannt wurden. Von den
Kurfürsten
selbst ist der
Titel erst anerkannt worden, nachdem ihn
KaiserFriedrich III. den
Herzögen von
Österreich erblich zugesprochen
hatte. Jetzt wird der
Titel Erzherzog von den
Prinzen und der
TitelErzherzogin von den Prinzessinnen des österreichischen Kaiserhauses
allgemein geführt.
auch vereinzelt noch französisch
Gouvernante genannt, Gehilfin oder Vertreterin der
Mutter in der häuslichen
Erziehung der Töchter. Die
Annahme derartiger Gehilfinnen ist in vielen wohlhabendern
Häusern, namentlich auf dem Land, wo
höhere
Mädchenschulen nicht erreichbar sind,
Bedürfnis; denselben wird vor allem der
Unterricht, meist auch sonst die unmittelbare
Überwachung ihrer Zöglinge anvertraut. Im vorigen
Jahrhundert und bis in unsre Zeit hinein wurden die
Gouvernanten zumeist
aus
Frankreich oder der französischen
Schweiz
[* 28] bezogen,
da man den Inbegriff der höhern weiblichen
Bildung nur zu oft ausschließlich
in der Kenntnis der französischen
Sprache
[* 29] und Litteratur suchte. Seitdem haben sich die Ansprüche an
die Leistungen einer Erzieherin für die allgemeine und namentlich auch gerade deutsche
¶
mehr
Bildung ihrer Zöglinge wesentlich gesteigert, und Ausländerinnen können denselben meist nicht mehr oder doch nur auf
der niedrigsten Altersstufe und für den besondern Zweck der Aneignung ihrer Muttersprache genügen. Die Erzieherin wird daher heute
fast stets im Kreis
[* 31] der pädagogisch vorgebildeten und geprüften Lehrerinnen (s. d.) gesucht. Nötig ist dies jedoch,
wenigstens in Preußen,
[* 32] nicht, denn Erzieherinnen (Hauslehrerinnen) bedürfen (nach der Instruktion des Staatsministeriums vom
zur Ausübung ihres Berufs nur eines Befähigungsscheins, den die zuständige Regierung nach Prüfung des sittlichen und politischen
Vorlebens, also ohne Prüfung der beruflichen Vorbildung, ausstellt.
Dagegen haben die zuständigen staatlichen Schulinspektoren das Recht, von dem Unterricht der Erzieherin Kenntnis
zu nehmen und seine Erfolge zu prüfen, da nach dem allgemeinen Landrecht (Teil II, Titel 11, § 7) Eltern den Unterricht ihrer
Kinder nur dann im Haus besorgen lassen dürfen, wenn derselbe wenigstens dem Lehrplan einer öffentlichen Volksschule entspricht.
Nach dem allgemeinen Landrecht (Teil II, Titel 5, § 187 ff.) sind Erzieherinnen nicht für bloße Hausoffizianten
(Dienstboten) zu halten; ihre Rechte und Pflichten sind nach der Natur, Absicht und Erfordernis des übernommenen Geschäfts und
nach den allgemeinen Vorschriften über Verträge etc. zu beurteilen. In keinem Fall sind sie zu häuslichen Diensten verbunden,
haben aber, als Glieder
[* 33] der Familie, Anspruch auf anständige Bedienung durch das Gesinde. Wegen bloßer,
nicht in Mißhandlung ausartender Züchtigung der Kinder können sie nur dann entlassen werden, wenn im Vertrag körperliche
Züchtigungen ausdrücklich ausgeschlossen worden sind. Kündigung kann von beiden Seiten mit vierteljähriger Frist erfolgen,
wenn nicht im Vertrag etwas andres bestimmt worden ist. - Im Interesse der zahlreichen deutschen Erzieherinnen
im Ausland, die nicht immer die ihnen gebührende Stellung finden, bemüht man sich neuerlich, an den Hauptorten Heimstätten
zu gründen, in denen stellenlose oder bedrängte Erzieherinnen Unterkunft, Rat und Stütze finden können. Ein derartiges
Heim besteht in London
[* 34] und seit 1886 auch in Paris.
[* 35]
der Abstammung des Wortes und dem allgemeinen Sprachgebrauch wie dem lateinischen educare nach, dessen wörtliche
Übersetzung es ist, das »Emporziehen« der Unmündigen durch die mündigen Erwachsenen. Man versteht demgemäß unter Erziehung die
absichtliche und planmäßige Einwirkung der Erwachsenen auf die Unmündigen, welche den natürlichen Vorgang
des Erwachsens begleitet und wie dieser in der natürlichen Reife, so ihrerseits in der geistigen Mündigkeit der Erzogenen
ihren Zielpunkt findet.
Fast ganz fällt der Begriff der Erziehung mit dem der Bildung zusammen; nur sind die zu Grunde liegenden bildlichen Anschauungen verschiedene
und ist der Begriff der Bildung insofern näher bestimmt, als derselbe das Bewußtsein eines Ideals voraussetzt,
nach welchem der Bildner den noch gestaltlosen Stoff des zu bildenden Menschen zu formen sich bemüht. Nimmt man auch den Begriff
der Erziehung in diesem bestimmtern Sinn, so kann man mit Herbart sagen, daß derselben die Ethik das Ziel, die Psychologie den
Weg weise.
Ebenso ist es unbestreitbar, daß dem Geschäfte der Erziehung die Annahme der Erziehungsbedürftigkeit und der Erziehungsfähigkeit
der Kinder zu Grunde liegt. Allein in der Wirklichkeit nimmt die Erziehung nicht von derartigen theoretischen Voraussetzungen
ihren Ausgang, sondern von dem natürlichen Trieb der Eltern, namentlich der Mutter, für das hilflose Kind
zu sorgen und es mit dem Erstarken an
Körper und Geist allmählich zur selbstthätigen Mitarbeit an seiner Erhaltung zu befähigen.
Diese durch die Nötigung des Lebens unmittelbar bedingte Thätigkeit geht naturgemäß mit dem Heranwachsen des Kindes in das
Bestreben über, die Kinder zu Gehilfen in der häuslichen Arbeit und im Beruf der Eltern zu befähigen oder,
wenn in der häuslichen Gemeinschaft für erwachsene Gehilfen kein Raum ist, ihnen die Möglichkeit des demnächstigen eignen
Fortkommens durch Ausbildung ihrer Fähigkeiten zu gewähren. Mit dem Fortschreiten der Erziehung scheidet sich dieselbe naturgemäß
in die beiden Richtungen der leiblichen und der geistigen Erziehung und diese wieder in unmittelbare Erziehung durch
Zwang, Anleitung und Gewöhnung im praktischen Verhalten (Erziehung im engern Sinn; Zucht) und in mittelbare Erziehung durch Belehrung und
Unterricht.
Neben beiden unterscheidet Herbart noch die Regierung der kleinen Kinder als den gemeinsamen Stamm, aus dem jene erwachsen, da
in dem unmündigen Alter der ersten Kindheit nach ihm von eigentlicher Erziehung, d. h. von geistiger
Einwirkung, noch kaum die Rede sein kann. Dieser Unterscheidung liegt ein richtiger Gedanke zu Grunde; allein sie ist doch nicht
unbedenklich, wenn unter Regierung etwas von der Zucht wesentlich Verschiedenes verstanden werden soll. Die Erziehung beginnt mit
dem Eintritt des Kindes in das Leben; sie soll mit der Mündigkeit des erwachsenen Menschen schließen. Zu
später Beginn der erziehenden Thätigkeit beruht auf Sorglosigkeit der Eltern und läßt bei den Kindern leicht eine falsche
Freiheit und verfrühte Selbständigkeit entstehen, deren nachträgliche Bekämpfung selten ganz gelingt. Zu weite Ausdehnung
[* 36] der erziehenden Fürsorge, mag sie auf Selbstsucht oder auf übertriebener Zärtlichkeit der Erzieher beruhen,
schädigt dagegen die Freiheit des Erzogenen, die dabei entweder verkümmert, oder sich dagegen auflehnt.
Bei reicherer Gestaltung des Lebens und seiner Anforderungen an den Einzelnen kann die Erziehung, namentlich die mittelbare Erziehung durch
Unterricht, von den natürlichen Erziehern in der Familie nicht mehr allein beschafft werden; das Bedürfnis
drängt zu besondern Veranstaltungen für den Unterricht der Jugend. Daraus entsteht der Unterschied der häuslichen und der
Schulerziehung. Beide pflegen unter regelrechten Verhältnissen ergänzend nebeneinander herzugehen; doch rechtfertigen außergewöhnliche
Umstände auch die Verlegung der ganzen Erziehung oder wenigstens des wesentlichsten Teils derselben
in die Schulanstalten (Anstaltserziehung, Alumnate) oder umgekehrt die Verlegung der Schule ins Haus (Erziehung durch Hofmeister, Hauslehrer,
Erzieherinnen etc.). Wenn auch noch nach dem Zweck die Erziehung für die Familie, die Gesellschaft, den Staat und die Kirche unterschieden
wird, so hat doch nur falsche Einseitigkeit diese Richtungen in Gegensatz zu einander bringen können, während
gesunde Erziehung bemüht sein wird, dieselben zu vereinigen und den Zögling fürs Leben, so wie es in seiner Gesamtheit sich ihm
voraussichtlich bieten wird, vorzubilden. Dasselbe gilt von der allgemein menschlichen und der Berufs- und Standesbildung,
zwischen denen, wo beide recht aufgefaßt werden, kein Widerspruch (wie Rousseau annahm), sondern eine
natürliche Wechselbeziehung besteht.
Die Wissenschaft von der Erziehung ward zuerst bei den Griechen gepflegt und wird daher gewöhnlich griechisch als
Pädagogik (s. d.) bezeichnet. Ihre Geschichte hat, wenn auch beide nicht zusammenfallen, viele Punkte gemein mit derjenigen
der Erziehung selbst. Zur Ergänzung der nachfolgenden Skizze der Geschichte der Erziehung ist daher auf den Artikel
»Pädagogik« zu verweisen.
¶
mehr
Geschichtliches.
Als die älteste, urwüchsige Gestalt der Erziehung tritt uns in der Geschichte der Menschheit die patriarchalische
Erziehung entgegen, wie sie die Genesis schildert, und wie sie noch heute in den Sippen der Nomadenvölker zu beobachten ist. Die
Erziehung ist hier reine Familiensache und besteht lediglich in der Anweisung der Jüngern zur Teilnahme an dem
durch einfache natürliche Bedingungen und feststehendes Herkommen geregelten Leben des ältern Geschlechts. Von der Erziehung durch
Unterricht zeigen sich kaum die bescheidensten Anfänge. Wo sich die Familien zu Gemeinden und demnächst zu Völkern entwickeln
oder zusammenschließen, gewinnt die Volkssitte und die Verfassung der Gemeinde oder des Staats Einfluß
auf die Erziehung, die damit aus den engen Schranken des Hauses teilweise heraustritt und sich je nach der Eigentümlichkeit der einzelnen
Völker verschieden gestaltet.
Wenig Charakteristisches läßt sich in dieser Beziehung von denjenigen Völkern sagen, welche schon vor den Griechen auf
den Schauplatz der Geschichte traten oder wenigstens unabhängig von der hellenischen Bildung ihr Volksleben
in staatliche Ordnung verfaßten. Wenn es auch bei Chinesen, Indern, Ägyptern an interessanten einzelnen Zügen nicht fehlt,
so sind doch die geistigen Anlagen dieser Völker so früh in die Fesseln starrer Gesetzlichkeit, namentlich durch das Kastenwesen,
geschlagen, daß von lebendiger Entfaltung ihrer geistigen Eigenart kaum die Rede sein kann.
Unter den Völkern Vorderasiens, mit denen die Griechen in Verkehr standen, erwecken die Perser durch das, was von der Erziehung ihrer
Jugend zur mannhaften Tüchtigkeit im Rat wie im Krieg, zur Wachsamkeit, Nüchternheit, Wahrhaftigkeit berichtet wird, besondere
Aufmerksamkeit. Allein die Berichte Herodots, Xenophons u. a. sind nur kurz und teilweise von dem Wunsch
beeinflußt, den eignen Volksgenossen einen Spiegel
[* 38] vorzuhalten. Auch hielten die Perser ihr arisches Volkstum nicht fest,
als sie die Herrschaft in Asien
[* 39] erlangt hatten.
Obgleich in vielen einzelnen Richtungen von diesen und andern morgenländischen Vorgängern beeinflußt, zeigen die Hellenen
von vornherein ausgeprägte Eigenart auch auf dem Boden der Erziehung. Diese Eigenart kündigt sich schon in der
noch fast ganz patriarchalischen Erziehung während der alten Heldenzeit an, die uns die Homerischen Gedichte schildern.
Die Wertschätzung körperlicher Gewandtheit und Anmut sowie der Kunstübung in Gesang, Saitenspiel, Bildnerei, bei den Weibern
auch der Weberei, ist neben dem verhältnismäßig reichen Schatz ererbter Lebensweisheit für Haus und
Markt und Krieg bezeichnend, und in wenigen Jahrhunderten treiben diese Keime bis zur schönsten Blüte
[* 40] empor.
Besonders wirkte dazu in den Jahrhunderten vor dem Höhepunkt des staatlichen Lebens in Griechenland
[* 41] (800-500 v. Chr.) die reiche
Entfaltung des gottesdienstlichen Lebens mit, an dem der heranblühenden Jugend, den Epheben, in den öffentlichen
Aufzügen mit Gesang und Tanz ein wesentlicher Anteil zufiel. Die beiden Grundrichtungen der gymnastischen und der musischen
Erziehung haben hierin ihre Quelle,
[* 42] wenn sie auch erst unter dem Einfluß des erwachenden staatlichen Bewußtseins zur vollen Ausprägung
gelangten.
Übrigens blieb die der Kinder, auch der Knaben, in ganz Griechenland unmittelbar der Familie überlassen;
nur in dem dorischen Sparta, dem hierin die übrigen stammverwandten Staaten nur teilweise folgten, nahm der Staat das Geschäft
der Erziehung vom siebenten Lebensjahr an unmittelbar in die Hand
[* 43] und ließ dieselbe durch den Pädonomos in kriegerischer
Strenge ausführen.
Die einzelnen Züge der spartanischen Erziehung, wie man sie gewöhnlich an den Namen des Lykurg knüpft, dürfen
als bekannt vorausgesetzt werden.
Sie erstreckte sich auch auf die weibliche Jugend, die demgemäß neben dem Rufe fast männlicher Tapferkeit auch den der Derbheit
in sittlicher Hinsicht genoß. In Athen
[* 44] und ähnlich in den übrigen ionischen Städten überwog früh
schon das musische und geistige Element in der Erziehung. Der Wert sorgfältiger Erziehung stand bei den Athenern hoch. Das Gesetz des Solon
sprach den Sohn, dessen Erziehung vernachlässigt war, von der Pflicht der Erhaltung der alternden Eltern frei. Früh schon finden
wir in AthenSchulen, wie denn alte SagenHomer und Tyrtäos als attische Schulmeister bezeichnen.
Nach den Perserkriegen breiteten sich, wenn auch ohne staatlichen Zwang, öffentliche Palästren (Ringschulen) für die Knaben
und Gymnasien (Turnplätze u. Turnhallen) für die Epheben nach spartanischem Muster auch in Athen und den übrigen griechischen
Staaten aus, so daß diese Sammelplätze der jungen Welt bald das volkstümliche Merkmal aller unter den
Barbaren zerstreuten griechischen Städte wurden. Gleichzeitig erweiterte sich die bis dahin auf die einfachsten Grundlagen
beschränkte geistige Ausbildung durch die Bestrebungen der Sophisten, Philosophen, Rhetoren zu dem, was seit Platon, dem Schüler
des Sokrates, als allgemeine Bildung (enkyklios paideia) bezeichnet und später in der römischen Welt in
die sieben freien Künste gegliedert wurde.
Die enge Verbindung und glückliche gegenseitige Ergänzung der geistigen und der leiblichen Ausbildung ist aus den Platonischen
Gesprächen zu ersehen, die, wie die gesamte griechische Litteratur, von den glänzenden Ergebnissen der hellenischen, namentlich
der attischen, Erziehung rühmlich zeugen. Aber freilich hatten auch schon Sokrates, Platon, Aristoteles vielfach die eingetretene
Überfeinerung zu tadeln, und die Klage, daß die neuere Art der Erziehung die Jugend den Göttern des Staats und damit den festen Grundlagen
des Volkslebens entfremde, war, wenn sie auch gerade Sokrates mit Unrecht traf, an sich begründet.
Die Vernachlässigung der weiblichen Jugend und die unbedingte Ausschließung nicht bloß der zahlreichen Sklaven, sondern
auch der ärmern, auf Handwerk und Handarbeit angewiesenen Bevölkerung vom Unterricht bezeichnen bedenkliche Schranken der hellenischen
Erziehung; als der häßlichste Fleck derselben muß die widernatürliche Entartung der aus einer schönen Anlage
der Griechen für die Freundschaft entsprungenen und von edlern Männern, wie Sokrates, noch immer ideal und rein aufgefaßten
Knabenliebe erwähnt werden.
Bei den Römern war von Haus aus das Leben des Hauses weit fester in sich abgeschlossen und daher auch die Erziehung mehr in die Grenzen
[* 45] des Hauses gebannt, wo neben dem streng herrschenden Vater namentlich auch die Mutter maßgebenden Einfluß
übte. Sittlicher Ernst, altväterische Zucht und praktische Ausrüstung fürs Leben waren die leitenden Gesichtspunkte der altrömischen
Erziehung. Daher ward hier neben Lesen und Schreiben Rechnen gelehrt und dies auch früh schon in Schulen.
Die weitere Entwickelung des Staatslebens machte ferner kriegerische Vorbildung und demnächst auch eine
gewisse Rücksicht auf die öffentlichen Geschäfte des Forums für die höhern Stände erforderlich. An diesem Punkt setzte
der griechische Einfluß ein, der allmählich, nicht ohne Widerspruch und Widerstand der altrömischen Familien, in den höhern
Ständen die Herrschaft gewann. Doch wurde die herkömmliche griechische Bildung bei ihrer Übertragung¶
Dieser Zusammensturz kündigte sich übrigens auch auf dem Gebiet der Erziehung schon lange zuvor durch eine bedenkliche,
von vielen ernstern Männern schwer empfundene Lockerung der Familienbande und Verweichlichung der Jugend an, die im schroffen
Gegensatz zu der gerühmten Gravität der alten Römer
[* 49] und der freilich auch sagenhaft übertriebenen Sittenstrenge
der alten Catone stand. Nie darf überdies bei der Würdigung dessen, was wir als antike Erziehung kennen, vergessen werden, daß
diese Art der Erziehung nur dem kleinsten Teil der Bevölkerung zu teil wurde, indem auch bei den Römern vom Genuß derselben Sklaven
und niederes Volk unbedingt und absichtlich ausgeschlossen waren. Nur wenige leise Anklänge an die Idee
der allgemeinen menschlichen und Volkserziehung, wie sie der modernen Pädagogik zu Grunde liegt, finden sich im Altertum, namentlich
bei den Stoikern und verwandten philosophischen Schulen.
Der Vorzug der reinen Gotteserkenntnis, wie sie im mosaischen Gesetz klassischen Ausdruck gefunden hatte, legte freilich auch
hier die Gefahr überhebender Abschließung nahe; aber einerseits liegt doch schon in dem reinern Begriff der Volksgemeinde,
wie er hier waltete, ein großer Fortschritt, und anderseits fehlte gegenüber der gesetzlichen Engherzigkeit
in den guten Tagen der israelitischen Geschichte nie die Gegenwirkung des freiern, weiter blickenden prophetischen Geistes,
der sich namentlich in der Vorahnung einer bessern Zukunft äußerte, in der alle Menschen vom GeistGottes beseelt und zu einem
VolkGottes vereint werden sollten.
Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich auch die israelitische Erziehung. Gerade als die buchstäbische Weisheit
der Schriftgelehrten den edlern Geist der Prophetie ganz erdrückt zu haben schien, brach er in Jesus von Nazareth und seinem
Jüngerkreis in seiner ganzen göttlichen Kraft
[* 51] hervor und erneuerte das gesamte Leben der Menschheit. Ausgehend vom Glauben
an den gnädigen Gott, der will, daß allen Menschen geholfen werde und alle zur Erkenntnis der Wahrheit
kommen sollen, erwacht nun die reine Menschenliebe und beweist sich namentlich auch in der Pflege der Kleinen und Unmündigen,
deren besonderer Freund der große Meister war.
Nun erst konnte die Erziehung eine wahrhaft menschliche, naturgemäße werden. Allerdings
prägen sich
große Ideen nur langsam in dem zähen irdischen Stoff aus, und wir selbst stehen noch mitten in diesem allmählichen
Vorgang. Aber doch ist schon ein großer Schritt auf der richtigen Bahn geschehen. Zunächst galt es nach dem Zusammenbruch
der alten Bildung und Weltordnung, die empfänglichen und begabten, aber noch rohen und gewaltthätigen
Germanen für die edlere Lebensansicht des Christentums und die höhere Bildung der alten Völker zu gewinnen.
Die klösterliche und überhaupt die asketische der Mönche und Geistlichen in der katholischen Kirche hat in den Zeiten der
Völkerwanderung und des frühern Mittelalters in dieser Richtung verdienstlich gewirkt, wenn auch in ihrer
Grundidee schon eine Trübung der urchristlichen Lebensansicht liegt. Die kirchliche Erziehung des Laienstandes in der
Kirchenzucht und Beichtpraxis kann als eine weitere Ausstrahlung von demselben Kernpunkt aus betrachtet werben und teilt Vorzüge
und Nachteile mit ihr; der wesentlichste Mangel beider ist die Gleichgültigkeit oder in vielen Fällen
gar der Gegensatz zu dem vaterländischen Interesse.
Dieses kam überhaupt im Mittelalter zu keiner rechten Geltung, indem selbst die weltlichen Formen der Erziehung ihre Ideale mehr aus
dem Leben, den Aufgaben, dem Herkommen einzelner Stände (Ritterstand, Zünfte etc.) als aus dem gemeinsamen Leben des Vaterlandes
hernahmen. Am reinsten finden wir noch das patriotische Element in den mächtigen Städten entwickelt,
die in der zweiten Hälfte dieses Zeitalters emporkamen, während der Ritterstand in dieser Hinsicht merkwürdige Gegensätze
aufweist.
Gegenüber dem Verfall aller mittelalterlichen Lebensverhältnisse predigte der Humanismus zuerst in Italien
[* 52] im 14. und 15. Jahrh.,
dann aber auch in Frankreich, Deutschland,
[* 53] England etc. die Rückkehr zu der edlen Menschlichkeit, wie sie
im Altertum den Griechen und griechisch gebildeten Römern als Ziel der Erziehung vorgeschwebt hatte. Vielfach unterschätzten seine
Anhänger dem gegenüber den Wert des christlichen Erziehungsideals, bis dies in der deutschen Reformation in klassischer
Reinheit wieder dargelegt ward.
Beide Richtungen, nun miteinander im Bund, haben segensreich gewirkt. Aber die gelehrte Erziehung an der Hand der Alten reichte nicht
mehr aus, sobald die wissenschaftliche Erkenntnis über den von jenen erreichten Standpunkt hinauswuchs, und zugleich war
durch die Reformation der echt christliche, vereinzelt, wie bei Karl d. Gr., auch im Mittelalter aufgetauchte
Gedanke, daß die wesentlichen Grundlagen der Erziehung allen Ständen und Stufen gemeinsam sein müssen, mit treibender Kraft wieder
erweckt. So zeigt sich zunächst, schon seit der Reformation, in den evangelischen StaatenDeutschlands,
[* 54] allmählich, von da
ausgehend, in allen gebildeten Völkern der Erde das Bestreben nach einer vernünftigen, planmäßigen Einrichtung
der Erziehung in ihren verschiedenen, durch die Mannigfaltigkeit des Lebens bedingten Richtungen und das steigende Bewußtsein von der
Pflicht des Staats, die Segnungen einer vernünftigen Erziehung dem ganzen Volk zugänglich zu machen.
Die in ihren einzelnen Lehren
[* 55] wechselnden, aber doch innerlich zusammenhängenden Theorien, die seit J. A. ^[JohannAmos] Comenius
(1591-1671), J. J. Rousseau (1712-78) und namentlich seit Joh. H. Pestalozzi (1746-1827) auf diesen Vorgang Einfluß gewonnen
haben, berichtet die Geschichte der Pädagogik. Hier kann nur kurz darauf hingewiesen werden, wie in der Begründung einer
allgemeinen Volksschule (zuerst in Deutschland und Skandinavien), in der Heranziehung des weiblichen Geschlechts zur öffentlichen
Erziehung, in den besondern Veranstaltungen für die
¶
mehr
Erziehung Viersinniger (Blinde, Taubstumme), Schwachsinniger, Verlassener (Waisenhäuser), Verwahrloster (Rettungshäuser) ebenso viele
wesentliche Fortschritte der öffentlichen Erziehung liegen, und wie auch inhaltlich durch die sorgfältige Berücksichtigung
des wirklichen Lebens, die Fürsorge für die Gesundheit (Schulhygieine) und für die körperliche Erziehung (Turnen, Jugendspiele etc.)
und durch verbesserte Methoden der Unterricht erheblich an erziehender Kraft gewonnen hat. Anderseits ist
nicht zu verkennen, daß auch in Deutschland, dessen Führerschaft auf diesem Gebiet allgemein anerkannt ist, noch viele Fragen
und Aufgaben der rechten Lösung harren.
Daß dem Staate die Leitung der öffentlichen Erziehung gebühre, ist von der modernen Gesetzgebung einstimmig anerkannt. Die Kirchen
haben weder die Macht, um die allgemein angenommenen Grundforderungen der öffentlichen Erziehung zur
festen Durchführung zu bringen, noch bieten sie hinreichende Bürgschaft einer nationalen Erziehung. Anderseits kann ohne die schwerste
Schädigung auch des Staats die religiöse Erziehung nicht zurückgesetzt werden. Die Kirchen müssen mitwirken. Aber die Grenze zwischen
den beiderseitigen Pflichten und Rechten ist, namentlich gegenüber einer so geschlossenen Macht wie die
römisch-katholische Kirche, schwer zu ziehen. - Kaum minder schwierig, wenn auch nicht ganz so tief eingreifend in das gesamte
Leben des Volkes, ist die Frage nach dem rechten Verhältnis der höhern realistisch-technischen und humanistischen Bildung. -
Wie weit die der Töchter mittlerer und höherer Stände sich zur Aufgabe setzen soll, diese ohne Rücksicht
auf etwanige spätere Verheiratung erwerbsfähig zu machen, ist ebenfalls ein Gegenstand berechtigter Verhandlung. Daß in
dieser Beziehung, namentlich in großen Städten, noch mehr geschehen muß, unterliegt kaum noch Zweifeln; aber anderseits
soll auch nicht der nächste und natürlichste Gesichtspunkt der Mädchenerziehung verrückt und die Stellung
des Weibes in der Familie verschoben werden. - Die rasch anwachsenden, immer vielseitigen Forderungen der Gegenwart legen auf
allen Gebieten öffentlicher Erziehung die Gefahr der Zerstreuung und der Überbürdung nahe. Wer beruflich mit der Erziehung zu thun hat,
darf sich dieser Thatsache nicht verschließen; aber die Frage muß auch von der andern Seite ohne Leidenschaft
und mit der Anerkennung behandelt werden, daß die Schwierigkeit in der Sachlage und nicht etwa bloß in selbstsüchtigen
Liebhabereien des Lehrstandes begründet ist.
Endlich wäre hier auf den Stand auch der häuslichen Erziehung in unsrer Zeit einzugehen. Allein es liegt in der
Natur der Sache, daß sich diese der Beobachtung und allgemeinen Beurteilung mehr entzieht als die öffentliche Erziehung. Trotz mancher
Schäden, die das reich entwickelte, unruhige Leben der Gegenwart mit sich führt, ist doch wohl anzunehmen, daß auch in dies
Gebiet der Fortschritt der pädagogischen Erkenntnis seine Segnungen mehr und mehr erstreckt und erstrecken
wird. Je weniger genau aber hier der Stand der Sache festgestellt werden kann, desto mehr ist die Mahnung am Platz, daß jeder
das Seine thue, damit neben der wehrhaften Kraft der Geist wahrer Frömmigkeit, echter Vaterlandsliebe, reiner, fester Sittlichkeit
und tüchtiger Geistesbildung unserm Volk erhalten bleibe.
die Summe, welche für Unterhaltung und Ausbildung eines Menschen bis zum Eintritt seiner Erwerbsfähigkeit
aufgewandt wird. Bedingung wirtschaftlichen Fortschritts ist es, daß dieses Kapital durch die spätere
wirtschaftliche Thätigkeit wenigstens wieder ersetzt wird, d. h. der gesamte auf einen Zeitpunkt
bezogene (prolongierte oder diskontierte) Erwerb müßte wenigstens gleich sein den gesamten auf den gleichen Zeitpunkt bezogenen
Aufwendungen. Das Erziehungskapital bildet gleichsam eine Schuld, welche jeder an die Gesellschaft abtragen sollte. Die Tilgung erfolgt in
Wirklichkeit auf dem Weg, daß der Erwerbsfähige eine Familie unterhält und für Ausbildung seiner Kinder
Sorge trägt.
katholischer, in Bayern,
[* 59] gegründet 1867, mit zahlreichen Spezialvereinen.
Derselbe zählt 5000 Mitglieder
und besitzt in Donauwörth eine pädagogische Zentralanstalt, das »Cassianeum«, mit
eigner Druckerei für die vom Verein herausgegebenen periodischen Volks- und Jugendschriften.
(Archicancellarius), Erzbeamter des römisch-deutschen Reichs, welcher die oberste Aufsicht über die kirchlichen
Angelegenheiten hatte, außerdem Vorsteher des Geheimen kaiserlichen Rats war und als solcher bei den Reichsversammlungen unter
den Fürsten des Reichs saß. Es gab drei Erzkanzler, nämlich für das eigentliche Deutschland, für Italien und
für Burgund; durch die Goldene Bulle 1356 wurde das schon thatsächlich bestehende Verhältnis bestätigt, wonach der Erzbischof
von Mainz
[* 60] Kurfürst und Erzkanzler für Deutschland, der von Köln
[* 61] Erzkanzler für Italien und der von Trier
[* 62] Erzkanzler für Burgund sein sollte.
Letztere beiden Würden hatten zuletzt nur noch titulare Bedeutung. Der Reichserzkanzler wurde von dem Reichsvizekanzler
vertreten, dessen Amt jedoch, weil es besondere Gewandtheit erforderte, nie erblich, sondern von Kurmainz meist auf kaiserlichen
Vorschlag verliehen wurde, früher gewöhnlich an Bischöfe, dann an Doctores juris, seit Rudolf II. an hohe Standespersonen.
Auch die Kaiserin hatte einen besondern den Abt von Fulda,
[* 63] welcher ihr nach der KonstitutionKarls IV. von 1356 die
Krone zu halten, aufzusetzen und abzunehmen und besonders den Kaplandienst zu verwalten hatte.
[* 64] alle diejenigen Gebirgsglieder, in denen Erze, d. h. nutzbare metallische Mineralien,
[* 65] in abbauwürdiger
Menge angehäuft sind. Der Form nach sind zunächst die im allgemeinen plattenförmigen Erzlagerstätten, deren
Längen- oder Flächenausdehnung ihre Dicke oder Mächtigkeit ansehnlich übertrifft, zu trennen von den stockförmigen, d. h.
denjenigen Erzlagerstätten, bei denen die Mächtigkeit und Längenausdehnung einander nahekommen. Dieser Abgrenzung nach der Form der Lagerstätten
steht eine andre gegenüber, welche mehr auf die Verbandsverhältnisse und in gewissem Grad auch auf die
Bildungsweise Rücksicht nimmt: die Einteilung in Erzlager und Erzgänge (s. Lager,
[* 66] Gang).
[* 67] Die Erzlager (s. Fig. d) liegen den
einschließenden meist sedimentären Gebirgsgliedern parallel und
¶
mehr
stehen auch ihrer Bildungszeit nach zwischen denselben, verhalten sich also im allgemeinen wie Gebirgsschichten und werden
wohl auch ebenso wie die Steinkohlenlager als Flöze bezeichnet (Kupferschieferflöz, Eisensteinflöz; in Zinnwald in Sachsen
[* 69] gebraucht man den Ausdruck auch für die dortigen im Granit flach gelagerten, gangartigen Zinnsteinlagerstätten). In einzelnen
Fällen (e) stellen sie nicht eine zusammenhängende Schicht dar, sondern bestehen aus einzelnen, einer
u. derselben Schicht eingelagerten Sphäroiden (Sphärosiderit der Steinkohlenformation).
Spätere Spaltenbildungen und Niveauverschiebungen (Verwerfungen) können den ursprünglichen Zusammenhang eines Lagers (Flözes)
nachträglich aufheben (hh'). Die Erzgänge (a) erweisen sich stets jünger als die umgebenden Massen und zwar in der Regel
dadurch, daß sie dieselben als selbständige Gebirgsglieder unabhängig von der Schichtung durchsetzen; sie sind, wie alle
übrigen Gänge, ausgefüllte Spalten (s. Gang). Auch ihr Zusammenhang kann, wie derjenige der Lager, durch spätere Spaltenbildung
und Niveauverschiebung (Verwerfung) gestört werden (gg').
Gänge, welche längs der Grenze verschiedenartiger Gesteine verlaufen, heißen Kontaktgänge (b). Wenn die
Gänge die Gebirgsschichten nicht durchschneiden, sondern ihnen parallel liegen, dabei aber dennoch durch Abzweigungen
(Trümer, Apophysen), durch eingeschlossene Bruchstücke des Nebengesteins oder durch andre Merkzeichen ihre Spaltennatur und
damit ihre jüngere, gangartige Bildung bekunden, so werden sie wegen ihrer äußerlichen Ähnlichkeit
[* 70] mit den Lagern Lagergänge
(c) genannt.
Ist die Lagerstätte durch ihre Verbandsverhältnisse als Gang, durch ihre Form aber als Stock gekennzeichnet,
so bildet sie einen Gangstock (Stahlberg bei Musen
[* 71] im Siegenschen, s. Figur). Ist aber die stockförmige Masse den Gebirgsschichten
entsprechend gelagert, so heißt sie Lagerstock (Rammelsberg bei Goslar,
[* 72] die Magneteisenerzstöcke zu Dannemora u. a. O. in Schweden,
[* 73] s. Figur). Wenn eine Gesteinsmasse auf einem sackförmigen Raum von einem Netzwerk
[* 74] von Gangadern (Netzgängen,
s. Figur) durchsetzt oder mit Erz imprägniert ist, so heißt sie Stockwerk (Zinnstein
[* 75] führende Stockwerke von Altenberg und Geyer
in Sachsen).
Wenn dagegen auf einem mehr plattenförmigen, gangartigen Raum eine unregelmäßig verteilte Erzführung in dem Gestein
hervortritt, ohne daß sich ein Gang oder Lager
als selbständige Lagerstätte abgrenzt, so ist das Vorkommnis als Fahlband
(Fallband) oder als Erzzone zu bezeichnen. Je nachdem die Fahlbänder der Schichtung parallel liegen oder nicht, können sie
in der äußern Erscheinung wie in der Bildungsweise den Lagern oder den Gängen näher stehen (Fahlbänder
von Kongsberg, Skutterud u. a. O. in Norwegen, die Quecksilbererzlagerstätten von Almaden in Spanien,
[* 76] Idria in Krain
[* 77] u. a.). Unter
Imprägnationen (f) versteht man eine unregelmäßige sporadische Erzführung des Nebengesteins der eigentlichen Erzlagerstätten, sei es
nun, daß das Erz sich durch sekundäre Prozesse, allmähliche Auflösung und Wiederabscheidung, von der Lagerstätte aus
verbreitet, oder daß gleichzeitig mit der Gangbildung auch in dem umgebenden Gestein noch eine Abscheidung der metallischen
Verbindungen stattgefunden hat.
Für unregelmäßige Erzanhäufungen ohne bestimmt ausgesprochenen Charakter gebraucht man auch wohl die AusdrückeNester,
wenn sie mit einem gewissen Zusammenhang gangähnlich in ziemliche Tiefe niedersetzen (manche Zink- und Bleierzlagerstätten
in Rheinpreußen und Schlesien),
[* 78] u. Putzen oder Butzenwerle (s. Figur), wenn in oberflächlichen, spalten-
oder muldenartigen Vertiefungen die Erzmassen angehäuft sind (Bohnerz im Jura, die Eisenerzlagerstätten des Hunsrückens).
Ihnen stehen im Vorkommen wie in der Bildungsweise die jüngsten oberflächlichen Erzgebilde nahe, welche als Quellen- oder
Raseneisenerze in manchen Gegenden für die Eisenproduktion nicht ohne Bedeutung sind. Seifenlager
(s. Figur) sind sekundäre Ansammlungen der nutzbaren Mineralien, durch Erosion
[* 79] aus den ursprünglichen Lagerstätten während
der Alluvial- und Diluvialperiode hervorgegangen. Die erzführende Gang- oder Gesteinsmasse ist durch die strömenden Gewässer
fortgeführt, und die Erze haben sich dabei in den Thälern und muldenförmigen Vertiefungen angesammelt.
Man wird also vorzüglich solche Erze in Seifenlagern antreffen, die fein verteilt in größern Gebirgsmassen vorkommen, und
dieselben werden sich um so mehr auf sekundärer Lagerstätte anreichern, je besser sie durch ihre chemische Natur gegen Zersetzung,
durch ihr hohes spezifisches Gewicht gegen weitere Verschleppung durch die Gewässer geschützt sind. Aus
diesen Gründen sind es vorzüglich die gediegenen edlen Metalle, Gold
[* 80] und Platin, sowie das schwer zersetzbare Zinnerz, welche