Beziehung die Bestimmungen des deutschen
Handels-Gesetzbuchs (§ 306 ff.), wonach der redliche Erwerber an
Waren oder andern
beweglichen
Sachen das
Eigentum erlangt, wenn sie ihm von einem
Kaufmann in dessen Handelsbetrieb veräußert und übergeben
worden sind, auch wenn der Veräußerer nicht
Eigentümer war. Handelt es sich um
Papiere auf den
Inhaber,
so findet diese Vorschrift auch dann Anwendung, wenn die
Veräußerung oder Verpfändung nicht von einem
Kaufmann in dessen
Handelsbetrieb geschehen ist.
Nur wenn die Gegenstände gestohlen oder verloren waren, gilt jene
Regel des
Handelsgesetzbuchs nicht.
Inhaberpapiere werden
indessen, auch wenn sie gestohlen oder verloren waren,
Eigentum des gutgläubigen Erwerbers, und wenn
sie verpfändet wurden, bleibt das
Pfandrecht des gutgläubigen Erwerbers auch an gestohlenen oder verlornen
Inhaberpapieren
bestehen.
die
Ableitung des überschüssigen
Wassers von versumpftem
Boden, bez. die Fernhaltung des
den
Boden versumpfenden
Wassers. Die schädlichen Einflüsse der Sumpfgebiete sind allgemein bekannt. Abgesehen von den äußerst
geringen und stets unsichern
Erträgen, entstehen durch die
Ausdünstungen der infolge der abwechselnden
Feuchtigkeit und Trockenheit
in
Fäulnis übergehenden organischen
Stoffe epidemische
Krankheiten, welche auf fast allen Sumpfgebieten regelmäßige
Erscheinungen
bei
Menschen undTieren sind.
Mit der
Melioration verschwinden diese Nachteile und zwar zumeist in überraschender
Weise. Der
Boden ist bereits der Trockenlegung
bedürftig, wenn infolge anhaltender Nässe die
Bestellung desselben nicht rechtzeitig ausgeführt werden kann. Oft zeigt
der nämliche
Boden späterhin, nachdem infolge der Temperaturerhöhung der Verdunstungsprozeß gesteigert wurde, einen Mangel
anFeuchtigkeit, so daß er innerhalb eines
Jahrs abwechselnd an zu großer Nässe und an
Dürre leidet.
In diesem
Fall muß die
Melioration gleichzeitig für eine
Ent- und
Bewässerung Sorge tragen, so daß je nach
Bedarf eine Entziehung
oder eine Zuführung von
Wasser stattfinden kann.
Das
Wasser, welches sich aus irgend einer
Ursache auf oder in dem
Boden ansammelt und diesen versumpft,
kann nur in dem
Fall abgeführt werden, daß ein
Rezipient zur
Aufnahme des überschüssigen
Wassers vorhanden ist oder beschafft
wird. Man bezeichnet denselben mit dem
Namen
»Vorflut«, worunter also in der
Regel ein entsprechend tief gelegener Wasserlauf
von derartigerKapazität zu verstehen ist, daß er das in dem Sumpfgebiet angesammelte
Wasser aufzunehmen
und rechtzeitig abzuführen vermag.
Vorwiegend wird das
Wasser in einem oberirdischen
Rezipienten abgeleitet werden können; jedoch ist nicht ausgeschlossen, daß
dasselbe in eine unterirdische wasserleitende
Schicht versenkt wird, falls die
Kapazität dieser
Schicht größer ist als die
zugeführte Wassermenge. Die
Ursachen der Versumpfung können sehr verschieden sein, und das
Verfahren
der Entwässerung muß sich stets nach denselben richten. Namentlich rühren die Versumpfungen von
Erhöhung der
Bach- und Flußbetten
durch Sinkstoffe her, herbeigeführt von den starken, oft unbewaldeten
Hängen im Gebiet des Oberlaufs des
Flusses.
Ferner von Flußkrümmungen
(Serpentinen), welche das relative
Gefälle vermindern und somit eine
Erhöhung des
Wasserstandes sowie infolge
Verzögerung der Wassergeschwindigkeit eine
Sinkstoffablagerung auf der
Sohle bewirken. Bei eingedeichten
Flüssen nimmt das
Binnenland nicht teil an den
Erhöhungen des Außenlandes, welche durch den
Niederschlag der Sinkstoffe erfolgen.
Demnach verliert das im Deichschutz liegende Gebiet im
Lauf der Zeit seine natürliche
Vorflut und fällt
der Versumpfung anheim. Eine der häufigsten
Ursachen derselben sind ferner die Stauanlagen. Ein jedes Stauwerk, namentlich
ein solches bei schwachem
Gefälle des Wasserlaufs, veranlaßt eine
Erhöhung des Wasserstandes oberhalb des
Wehrs, wodurch
sehr häufig die Abwässerung des anliegenden
Landes unmöglich gemacht wird.
Nach den dargestellten wichtigstem
Ursachen der Versumpfungen lassen sich die
Mittel zur Beseitigung derselben bestimmen. In der
Hauptsache finden folgende
Methoden Anwendung:
1) Abhaltung des fremden, d. h. des von höhern Gebieten in das Sumpfterrain eintretenden,
Wassers. Dasselbe wird um oder in einem bedeichten
Kanal
[* 4] durch die
Niederung in den Vorflutrezipienten geleitet.
2) Tieferlegung des Wasserlaufs durch Krautung und Baggerung; häufig das einfachste und durchaus zweckentsprechende
Mittel zur Beschaffung der
Vorflut für ein versumpftes Gebiet.
3) Abhaltung der durch Uferabbrüche und durch Seitenzuflüsse in Gebirgsländern in den Wasserlauf geführten Sinkstoffe
mittels Uferdeckungen,
Thalsperren und ähnlicher
Anlagen.
4)
Abkürzung stark gekrümmter Wasserläufe mittels Durchstichen; ein
Mittel, welches aus mehrfachen
Gründen
nur mit Umsicht angewendet werden darf. Die erzielte
Senkung des Wasserstandes macht oft die sehr wünschenswerte Überflutung
mittels des befruchtenden Winterhochwassers unmöglich. In diesem
Fall empfiehlt sich zumeist anstatt des Durchstichs 5) die
Anlage eines Parallelkanals, welcher das gesammelte
Wasser desSumpfes aufnimmt und mit geringstem zulässigen
Gefälle so weit nach abwärts geführt wird, bis er das
Wasser ohne schädlichen Rückstau in den Vorflutrezipienten einleiten
kann. Im
Flachland erhalten derartige Entwässerungskanäle zumeist eine sehr beträchtliche
Länge, und dieselben müssen
häufig durch fremdes
Terrain geführt werden, denen zwar die
Servitut der Durchleitung zuerkannt wird,
jedoch gegen sehr erhebliche
Entschädigung. In diesem
Fall verursacht die
Anlage eines Parallelkanals oft höhere
Kosten, als
die
Melioration Nutzen erwarten läßt.
6)
Senkung des Wasserspiegels von
Seen. Erhält die
Niederung ihre
Vorflut direkt oder indirekt in einen
See, dessen Wasserspiegel
während der Zeit der erforderlichen Trockenlegung eine zu beträchtliche
Höhe besitzt, so sucht man
eine
Senkung des Seewasserstandes durch Beförderung des Seeabflusses zu bewirken. Das
Verfahren richtet sich nach der
Ursache
des hohen Seestandes.
7) Beseitigung oder Tieferlegung von Stauwerken. Rührt die Versumpfung von einem Mühlenstau her, welcher eine zu
beträchtliche
Erhöhung des Oberwassers zur
Folge hat, so ist die Beseitigung oder eine für den vorliegenden
Zweck genügende Tieferlegung des Stauwerkes das sicherste
Mittel zur Beschaffung der
Vorflut. Wenn auch die
Gesetzgebung der
meisten
Länder eine Wiederherstellung des freien
Laufs oder eine
Erniedrigung des Stauwerkes für den
Fall zuläßt, daß die
Wehranlage einen überwiegenden Nachteil für die Landeskultur zur
Folge hat, so ist doch die Beseitigung
der
Anlage zumeist mit so erheblichen Entschädigungskosten verknüpft, daß dieselbe hierdurch oft unmöglich gemacht wird.
In einigen
¶
mehr
Gesetzen wird die Abänderung eines Stauwerkes überdies dadurch erschwert, bez.
verbindert, daß diese nur durchgeführt werden muß, insofern dem Besitzer selbst nicht dadurch ein überwiegender Nachteil
zugefügt wird, oder soweit die Abänderung erfolgen kann, ohne die nötige Triebkraft des fraglichen Werkes zu beeinträchtigen,
oder endlich, falls die Versumpfung oder Überschwemmung in keiner andern minder kostspieligen Weise beseitigt
werden kann.
8) Versenkung des angesammelten Wassers in eine durchlassende Schicht des Untergrundes, falls eine solche in hinreichender Mächtigkeit
und mit angemessener Kapazität der Wasserführung in nicht zu beträchtlicher Tiefe zu erreichen ist.
Kann durch die hier geschilderten Mittel die Vorflut nicht beschafft werden, so verbleibt noch 9) die Erhöhung des
Niederungsgebiets durch Kolmation (s. d.), ein Verfahren, welches bei reichlicher Menge von Sinkstoffen in den zur Aufhöhung
zu benutzenden Wasserläufen oft, wenn auch erst nach einer längern Reihe von Jahren, sehr gute Erfolge erzielt hat, und endlich
10) die mechanische Wasserhebung, um das in dem Sumpfgebiet angesammelte Wasser in den höher gelegenen
Ableitungskanal zu heben. Es ist dieses Mittel am Platz, wenn der Rezipient nicht entsprechend gesenkt werden kann und das
zu meliorierende Gebiet Aussicht auf hohe Erträge gewährt. Es besitzt dieses Mittel namentlich an den Ausmündungen der Ströme
ins Meer eine große Bedeutung, da hier eine anderweitige Vorflutbeschaffung ausgeschlossen ist. So sind
in Holland, an der deutschen Nordseeküste, ferner in neuester Zeit an der Mündung des Po bei Ferrara
[* 6] sehr bedeutende Wasserhebewerke
aufgestellt, um das in den Marschen angesammlte ^[richtig: angesammelte] Wasser abzuleiten.
Als Triebkraft für die Wasserhebewerke dient in Holland und an der deutschen Nordseeküste noch vielfach
die Windkraft. In neuerer Zeit benutzt man jedoch vorwiegend Dampfmaschinen
[* 7] mit Zentrifugalpumpen oder Overmarssche Pumpräder
zur Trockenhaltung der Niederungen, falls eine natürliche Vorflut nicht zu erzielen ist. Aber auch im Binnenland wird bereits
die Dampfmaschine
[* 8] zur Entwässerung versumpfter Gebiete benutzt, besonders in eingedeichten Niederungen, wenn lange
anhaltendes Hochwasser es unmöglich macht, das Binnenwasser auf natürliche Weise abzuführen.
An die Beschaffung der Vorflut schließt sich die Binnenentwässerung an, welche je nach der Situation durch einen Hauptkanal
oder durch ein Netz von Kanälen erfolgt. Die Richtung derselben bestimmt die Lage des Terrains, während die Anzahl und
Profile nach der sorgfältig zu ermittelnden abzuführenden Wassermenge bestimmt werden. Oft gelingt es Hierdurch, das
Terrain vollständig zu sanieren; zuweilen wird jedoch noch eine lokale Trockenlegung der einzelnen Parzellen durch offene
Gräben oder durch Drainage
[* 9] (s. d.) erforderlich.
in der Physiologie die allmähliche Ausbildung des formlosen Keims eines lebenden, insbesondere tierischen,
Wesens zu bestimmterer Gestaltung und Gliederung sowie zu selbständigem
Individualleben (s. Entwickelungsgeschichte);
[* 11] in der
Logik Auseinandersetzung, Erklärung, Verdeutlichung eines Begriffs oder Gedankens nach Inhalt und Umfang. Über die Entwickelung des Menschen
s. Embryo. - Militärisch ist Entwickelung zum Gefecht das Hervorziehen der Truppen aus den schmalen Marschkolonnen oder aus der
Rendezvousformation in die breitere Gefechtsfronte. Diese Entwickelung erfolgt womöglich außerhalb der Sehweite,
mindestens außer wirksamer Schußweite vom Gegner.
[* 11] (Ontogenie), die Wissenschaft von der Entwickelung des pflanzlichen oder tierischen Lebewesens
von der Eizelle an bis zu seiner Vollendung; sie umfaßt also nicht nur die Embryologie (s. Embryo), sondern auch alle
spätern Metamorphosen. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte man im Sinn derEvolutions- oder Präformationstheorie angenommen,
daß die Entwickelung des Embryos nur auf einer Entfaltung von Teilen beruhe, welche im Ei
[* 12] bereits vorgebildet vorhanden seien.
Diese Anschauung gipfelte konsequenterweise in der Einschachtelungstheorie, nach welcher jede Tier- oder Pflanzenart ursprünglich
nur in einem Individuum oder Paar vorhanden gewesen sein sollte, welches aber die Keime aller folgenden Individuen derselben
Art, einen in dem andern eingeschachtelt, enthalten habe. Auf einer Auswickelung solchergestalt eingeschachtelter vorgebildeter
Teile sollte demnach alle Entwickelung beruhen. DiesenAnschauungen machte K. F. Wolff ein Ende, indem er 1759 in seiner
»Theoria generationis« den Nachweis führte, daß der Embryo aus einer Reihe von Neubildungen hervorgeht, welche durch die Zeugungsstoffe
veranlaßt, aber in keiner Weise, weder im Ei noch im Sperma, vorgebildet vorhanden sind (Epigenesis-, Postformationstheorie).
Allein Wolff war seinen Zeitgenossen viel zu weit vorangeeilt, und das Ansehen seiner Gegner, an deren
SpitzeA. v. Haller stand, war zu groß, als daß seine Leistungen nach Gebühr hätten gewürdigt werden können; deshalb gerieten
seine Arbeiten in Vergessenheit, bis Merkel 1812 einzelne Teile derselben von neuem herausgab. Durch Oken wurde die Entwickelungsgeschichte zu derselben
Zeit zwar genauer studiert, aber zugleich in den Dienst einer besondern naturwissenschaftlichen Theorie
gestellt, nach welcher aller tierischen Entwickelung das Ziel der Menschwerdung zu Grunde liegen sollte, so daß die niedern
Tiere nur als eine Art Hemmungsbildung des Menschen, als Wesen, die auf dem Weg der Menschwerdung auf einer niedern Stufe stehen
geblieben seien, betrachtet wurden, während der Mensch und die höhern Tiere umgekehrt in ihrer Entwickelung
durch alle niedern Stufen hindurchgehen müßten.
Diese in Deutschland
[* 13] namentlich durch Oken, Rudolphi, in Frankreich durch EtienneGeoffroy de Saint-Hilaire und Serres verteidigte
sogen. Hemmungstheorie setzte, wie man sieht, die Einheit des Plans sämtlicher Tiere voraus und mußte erst durchBaer und
Cuvier widerlegt werden, bevor das Studium der Entwickelungsgeschichte emporblühen konnte. Der Aufschwung derselben begann mit den Forschungen
von Pander undBaer, welche von Döllinger in Würzburg
[* 14] zu erneuerten Forschungen auf diesem Gebiet veranlaßt worden waren.
Pander ist der Urheber der sogleich näher zu erwähnenden Keimblättertheorie, währendBaer zum erstenmal die
Entwickelung höherer Wirbeltiere durch alle Stadien und in allen Einzelheiten genau verfolgte, weshalb er auch mit Recht als
der »Vater der Entwickelungsgeschichte« bezeichnet wird. Das Resultat dieser Untersuchungen war, daß die Tiere nicht nach einheitlichem Plan sich
¶
mehr
entwickeln, und daß man wenigstens vier verschiedene Hauptabteilungen unterscheiden müsse, daß die Entwickelung stets vom
Allgemeinen ins Spezielle gehe, und daß sich zuerst die Kennzeichen der Klasse, dann die der Ordnung und hierauf nacheinander
die der Familie, Gattung und Art ausbilden. So erkennt man beim Hühnchen zuerst nur das Wirbeltier, dann
den Vogel, hierauf einen Angehörigen der Scharrvögel, das Huhn, und zuletzt die spezielle Art. Damit blieben aber die Thatsachen
unerklärt, auf welche die Okensche Schule ihre Hemmungstheorie gestützt hatte, daß nämlich höhere Tiere wirklich in ihrer
Entwickelung durch gewisse Zustände hindurchgehen, die bei tiefer stehenden Tieren bleibend sind, also
z. B. der lungenatmende Frosch
[* 16] durch den Zustand eines Kiementiers, und diese Thatsache war um so frappanter, als man bald
hernach auch bei den Embryos der höhern Wirbeltiere, die niemals durch Kiemen atmen, bis zum Menschen hinauf das Auftreten von
Kiemenspalten und andern Einrichtungen bemerkte, die bei niedern Tieren bleibend sind.
Für diese embryologischen Thatsachen konnte erst die durch Darwin zum Siege gelangte Deszendenztheorie die gesuchte Erklärung
geben, und hier waren es Huxley, O.Schmidt, FritzMüller, Häckel u. a., welche bald den Zusammenhang darlegten. In zweifellosester
Weise gelang dies FritzMüller (1865) durch seine Studien über die Entwickelung der Krebse, indem er zeigte,
daß Arten aus den verschiedensten Krebsfamilien, die im ausgewachsenen Zustand nur eine ziemlich entfernte Verwandtschaft
und nicht die geringste Ähnlichkeit
[* 17] miteinander zeigen, anfangs in fast gleicher Gestalt als sogen. Nauplius-Larve erscheinen.
Es ist dies ein kleines, sechsfüßiges Tier mit einem unpaarigen Ange auf dem Kopf, und einzelne niedere
Krebsformen gehen zeitlebens nur wenig über seine Gesamtorganisation hinaus.
Mit derselben Form beginnen aber auch gewisse Garneelen, die den höchsten Krebsfamilien angehören, ihre Entwickelung und
gehen
dann durch andre Larvenformen hindurch, die man als Zoëa- und Mysis-Larven bezeichnet hat, weil sie gewissen mittlern
Krebsgeschlechtern gleichen; kurz, der Schluß, wurde unabweisbar, daß die Nauplius-Larve dem gemeinsamen
Ahnen des Krebsgeschlechts gleiche, und daß die höhern, vollkommener differenzierten Krebsarten von den mittlern Formen abstammen,
deren Nachbilder ebenfalls in den Metamorphosen ihrer Larve auftreten.
Ganz unabweisbar wurde dieser Schluß bei jenen Krebsarten, die im erwachsenen Zustand zu einem Klumpen ohne alle Gestaltung
entartet sind, und deren Zugehörigkeit zum Krebsgeschlecht fast nur noch an der Nauplius-Larve oder durch
die Entwickelung überhaupt erkennbar ist (s. Entartung). Auf diese Thatsachen begründete FritzMüller die Folgerung, welche
Häckel unter dem Namen des biogenetischen Grundgesetzes kurz dahin formuliert hat: die Entwickelungsgeschichte des Individuums (Ontogenesis) ist
die abgekürzte Wiederholung seiner Stammesgeschichte (Phylogenesis).
Dieser Schluß hat sich seither in tausendfältiger Weise bewährt und das Studium der Entwickelungsgeschichte zu einer der wichtigsten Erkenntnisquellen
sowohl für die Ermittelung der natürlichen Verwandtschaften als besonders der Abstammung der Organismen erhoben. Freilich
ist diese Quelle
[* 18] eine nur mit großer Vorsicht zu benutzende, weil nicht immer ungetrübte, wie dies schon
FritzMüller erkannte. Die in der Entwickelungsgeschichte erhaltene geschichtliche Urkunde wird nämlich allmählich verwischt, indem die Entwickelung
einen immer geradern Weg vom Ei zum fertigen Tier einschlägt, sie wird außerdem sowohl, wenn das Tier sich nicht frei, sondern
in einem Ei entwickelt, als auch, indem es als Larve den Einflüssen des Kampfes ums Dasein ausgesetzt wird,
nachträglich verändert, also im Hinblick auf den getreuen Bericht der Stammesgeschichte gefälscht, und das ist, was Häckel
als Fälschungsgeschichte (Cenogenesis) bezeichnet. Das biogenetische Grundgesetz gibt uns demnach, wenn mit der
[* 11]
^[Abb.: Entwickelungszustände von Monoxenia Darwinii. Vergrößert.]
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mehr
nötigen Vorsicht angewendet, die wichtigsten Aufschlüsse darüber, warum sich viele Tiere, statt direkt, auf so vielen Umwegen
entwickeln, und warum sie zuerst die Kennzeichen der höhern Abteilungen und dann erst die der niedern und der Art erkennen
lassen, denn die Art ist ja das jüngst entstandene Glied
[* 20] dieser Formenkette; es erklärt ferner die Erscheinungen
des Atavismus, vieler Mißbildungen und vor allem die natürliche Verwandtschaft der Wesen. Daher der ungeheure Aufschwung, den
das Studium der Entwickelungsgeschichte in der Neuzeit genommen hat.
Auch bei den höhern Wirbeltieren ist das weibliche Ei, wie es aus dem Eierstock kommt, eine solche einfache
Zelle. Dieselbe unterliegt dann nach der Befruchtung
[* 24] zunächst dem von Prevorst und Dumas (1824) entdeckten Furchungsprozeß
oder der Segmentation, d. h. sie teilt sich zuerst in 2 Zellen und diese durch wiederholte Doppelteilung in 4, 8, 16, 32 etc.
Zellen
[* 19]
(Fig. A, B, C, D), die zuletzt einen kugeligen Klumpen, die sogen. Maulbeerlarve (Morula,
[* 19]
Fig. E),
bilden. Hierauf treten die einzelnen Zellen auseinander und bilden einen mit Flüssigkeit gefüllten Hohlraum, die Flimmerlarve,
auch Blasenkeim (Planula oder Blastula) genannt
[* 19]
(Fig. F, G). Indem sich diese aus einer einzigen Lage von Wimperzellen
bestehende Hohlblase durch Einstülpung (Invagination,
[* 19]
Fig. H) oder, wie es in einzelnen Fällen geschehen soll, durch Teilung
ihrer Wandzellen in einen aus einer doppelten Zelllage bestehenden Hohlsack mit Mundöffnung verwandelt, entsteht die sogen.
Darmlarve oder Gastrula
[* 19]
(Fig. I, K), auch Becherkeim, welche nach Häckel die letzte, allen echten, vielzelligen Tieren
(Metazoen) gemeinsame Grundform darstellt.
In der That ist der bis hierher beschriebene Entwickelungsgang bei den Tieren der verschiedensten Klassen derselbe, obwohl
die Gastrula-Larve unter mancherlei abgeleiteten Formen auftritt, und Häckel schloß daraus nach seinem oben erwähnten »biogenetischen
Grundgesetz«, daß die Gastrula-Larue das Nachbild einer gemeinsamen Ahnenstufe aller höhern Tiere sei,
der sogen. Gasträa, von der noch heute zu den Pflanzentieren gerechnete Verwandte (»Gasträaden der Gegenwart«) leben,
deren Körper zeitlebens nur aus einer doppelten Zellenschicht besteht. Es ist dies die vielgenannte Häckelsche Gasträatheorie,
die von mehreren Zoologen verworfen wird, indem sie annehmen, es seien einzig tektonische Ursachen, welche einen derartigen
Verlauf der ersten Entwickelung aller Tiere bedingen.
Auf diese Weise sind zwei deutlich unterschiedene Zellenschichten entstanden, welche den schon von Pander entdeckten primären
Keimblättern entsprechen, das die Innenwand der Gastrula auskleidende Magen- oder Innenblatt, auch unteres Keimblatt (Entoderm)
genannt, und das sie bedeckende Hautblatt oder äußere Keimblatt (Exo- oder Ektoderm), welche die Grundlage
aller fernern Entwickelung der Tiere bilden und zwar so, daß stets aus dem Hautblatt die Körperbedeckungen, das Nervensystem
und die Sinnesorgane hervorgehen, weshalb es auch Hautsinnesblatt genannt wird,
während sich aus dem Magenblatt die Schleimhaut
des Magens und die Eingeweide
[* 25] bilden.
Huxley wies 1849 die sogen. Homologie der Keimblätter, d. h. ihre Gleichwertigkeit durch alle Tierklassen,
nach und zeigte, daß der Körper der meisten Pflanzentiere zeitlebens nur aus diesen beiden Zellenschichten und deren Derivaten
besteht. Bei höhern Tieren bildet sich indessen zwischen beiden bald noch ein mittleres, sekundäres Keimblatt (Mesoderm)
oder auch zwei sekundäre Keimblätter, woraus die verschiedenen Muskelsysteme hervorgehen. Über den
Ursprung und die Beziehungen sowie die weitern Umbildungen der Keimblätter haben namentlich Remak im Beginn der 50er und Kowalewsky
um die Mitte der 60er Jahre gearbeitet, und in neuester Zeit haben Häckel, van Beneden, Balfour, Ray. Lankester, die Gebrüder
Hertwig u. a. darüber gearbeitet.
Bei der weitern Entwickelung der Tiere krümmen und falten sich diese drei Platten in der mannigfaltigsten
Weise, schließen sich an der Bauchseite röhrenförmig zusammen und bilden so die Grundlage des Embryos, über dessen weitere
Entwickelung bei den höhern Wirbeltieren der Artikel »Embryo« zu vergleichen ist.
höchster Grad des freudigen Affekts, welcher den davon Ergriffenen nicht bloß, wie jeder Affekt, außer
sich, sondern gleichsam und plötzlich an einen weit oder vielmehr hoch über seinem bisherigen gelegenen Ort (»in den siebenten
Himmel«)
[* 27] versetzt. Steigert sich derselbe dermaßen, daß der Entzückte nicht nur für das, was ihn zunächst umgibt, sondern
überhaupt für das mit Sinnen Wahrnehmbare blind und taub wird, d. h. »den
Sinn verliert«, so geht das Entzücken in Entzückung (s. Ekstase), verliert er aber überdies den Verstand für
dasselbe, in Verzückung über.
(Inflammatio, Phlogosis), ohne Frage der bei weitem häufigste und wichtigste pathologische Prozeß, der daher
nicht mit Unrecht als der Angelpunkt der gesamten Medizin bezeichnet worden ist. Die Entzündung tritt unter sehr
verschiedenen Formen auf und führt zu den verschiedensten Resultaten, so daß es schwierig ist, von vornherein festzustellen,
was alles unter dem Begriff der Entzündung zusammenzufassen ist. Der Ausdruck Entzündung weist auf einen krankhaften Vorgang hin, welcher mit
einer Steigerung der Temperatur verknüpft, aber lokal beschränkt ist; denn Zustände von allgemeiner
Temperatursteigerung im ganzen
¶
mehr
Körper heißen Fieber. Allein die örtlich gesteigerte Wärme
[* 29] reicht nicht zur Charakteristik der Entzündung aus. Schon der alte römische
ArztCelsus stellte vier Kardinalsymptome der Entzündung auf, nämlich Calor, Rubor, Tumor und Dolor, d. h. ein entzündeter Teil zeigt
gesteigerte Wärme, Rötung, Schwellung und Schmerz. Dies gilt allerdings für die Entzündung gefäß- und nervenhaltiger
Teile, welche dem Auge
[* 30] zugänglich sind, z. B. für die der äußern Haut
[* 31] und der sichtbaren Schleimhäute.
Für zahlreiche andre Organe will aber jener Symptomenkomplex nicht recht passen; man sah sich genötigt, mindestens nach
die gestörte Verrichtung des entzündeten Teils zur Charakteristik der Entzündung hinzuzufügen. Allein alle
die angeführten Symptome sagen nichts über das Wesen und die innere Natur des Entzündungsvorganges selbst aus, und man muß
heute die Einheit eines Entzündungsprozesses fallen lassen, da keine einzige Definition sich mit der Mannigfaltigkeit und
Verschiedenheit aller derjenigen geweblichen Veränderungen deckt, welche den verschiedenen Phasen der Entzündung entsprechen und
im weitesten Sinn zu den entzündlichen gerechnet werben.
Das Wesen der Entzündung liegt in einer örtlichen Störung der Ernährung der Gewebe mit dem Charakter des beschleunigten und gesteigerten
Stoffwechsels. Der gesteigerte Stoffwechsel aber setzt voraus erstens, daß ein vermehrter Zufluß von Ernährungsmaterial
zu dem gestörten Teil stattfindet (dies ist die sogen. entzündliche Kongestion), und zweitens, daß
aus den Blutgefäßen eine reichlichere Menge von Säften in die Gewebe übertritt (gesteigerte Exsudation).
Die gesteigerte Zufuhr von Ernährungsmaterial ist so wichtig für das Zustandekommen der Entzündung, daß man diese
lange Zeit hindurch als eine mit vermehrter Ausschwitzung einhergehende Blutkongestion bezeichnet hat. Es ist dies
unpassend, weil es Vorgänge gibt, wo Kongestion und vermehrte Ausschwitzung ohne Ernährungsstörung bestehen (z. B. nach
Durchschneidung des sympathischen Nervs am Hals), und namentlich auch, weil es eine Entzündung blutgefäßloser Teile gibt (z. B.
der Hornhaut des Auges, der Knorpel).
[* 32]
Diese letztern Stätten der Entzündung dienten Virchow zur Grundlage, als er in seiner »Cellularpathologie« die
Urquelle aller Entzündungen in die gesteigerte Ernährung und Vermehrung der Gewebszellen verlegte. Die Einheit bildet nach
ihm die Zelle, dann Zellenterritorien und ganze Organe; die Gefäßveränderungen sind später hinzutretende, allerdings sehr
bedeutungsvolle begleitende Vorgänge. Diese Erklärung mag nun für einzelne Gewebe, wie Knorpel und Hornhaut, allenfalls passen;
indessen bei allen andern Geweben tritt der Zellenanteil so in den Hintergrund, während eine Reihe von Alterationen an den Gefäßen
das Bild völlig dominiert, daß alle andern Erklärungsversuche immer wieder an die entzündliche Hyperämie angeknüpft haben.
Die ältern Entzündungstheorien faßten die Hyperämie als die Folge einer abnormen Einwirkung der Nerven
[* 33] auf die Gefäßwände auf. Diese Theorien haben sich nicht als stichhaltig erwiesen, auch die von Virchow begründete sogen.
Attraktionstheorie kann nicht als ausreichend angesehen werden.
Die richtige Erklärung der entzündlichen Blutfülle ist wohl die ganz neuerdings von Cohnheim aufgestellte, welcher eine
primäre, durch den Entzündungsreiz bewirkte Alteration der Gefäßwände annimmt, in deren Folge veränderte
Beziehungen des Blutstroms zu den Gefäßwänden sich ergeben. Der eigentliche Entzündungsvorgang beginnt mit Veränderungen
am Gefäßsystem, welche in der Hauptsache den Charakter der Blutüberfüllung (der
Kongestion oder Hyperämie) an sich tragen.
Ganz im Beginn der Entzündung, wenn der verursachende Reiz die größern Gefäße mit betroffen hat, beobachtet
man eine Erweiterung der Arterien und Venen mit Beschleunigung des Blutstroms, nachdem zuweilen eine ganz kurz dauernde Verengerung
der Arterien vorausgegangen ist. Nach einiger Zeit jedoch wird der Blutstrom in den erweiterten Gefäßen verlangsamt, ohne
daß eine mechanische Ursache dieser Verzögerung sichtbar ist. Gleichzeitig ändert der Blutstrom seinen bisherigen
Charakter.
In den weiten Arterien fließt das Blut langsam dahin und zwar in der Achse des Stroms nicht wesentlich schneller als in der Nähe
der Gefäßwand. Die Haargefäße erscheinen mit Blutkörperchen
[* 34] strotzend gefüllt; letztere rücken nur sehr langsam vorwärts
oder stehen selbst, dicht aneinander gedrängt, ganz still (Stasis). In denVenen endlich treten die farblosen
Blutkörperchen an den Rand des Stroms und haften der innern Gefäßoberfläche an, während die roten Blutkörper in der Achse
des Venenlumens langsamer weiterfließen.
Mit dieser Stromverlangsamung geht allemal Hand
[* 35] in Hand eine gesteigerte Ausschwitzung aus den blutüberfüllten Gefäßen (Exsudation).
Das entzündliche Exsudat ist höchst wahrscheinlich auch qualitativ etwas andres als das gewöhnliche
Transsudat, welches aus gesunden Blutgefäßen austritt. In leichtern Fällen der Entzündung kommt nur ein seröses, d. h. wässeriges,
Exsudat zu stande; dieses infiltriert die Gewebe, wenn die Lymphgefäße derselben nicht hinreichen, das Wasser rechtzeitig abzuführen,
und so entsteht das entzündliche Ödem (die Entzündungsschwellung), in Höhlen die entzündliche Wassersucht.
War der Entzündungsreiz stärker, so lassen die alterierten Blutgefäßwände nicht bloß Serum, sondern auch die farblosen
Blutzellen aus dem stark verlangsamten Blutstrom austreten, und es kommt zur Bildung eines eiterigen Exsudats. Vgl. Eiter. In
noch schwereren Fällen, wo der Blutstrom bis zur Stagnation verlangsamt ist, treten durch die schwer erkrankten
Gefäßwände außer dem Serum und den farblosen Blutzellen auch noch rote Blutkörperchen, zuweilen in großen Massen, aus,
und es entsteht das blutige oder hämorrhagische Exsudat.
Die Gefäßveränderung ist es, welche nach Cohnheims Auffassung das Wesen der Entzündung ausmacht, während derselbe Gedanke im Sinn der
Zellentheorie lauten würde, daß der Entzündungsreiz in gefäßreichen Teilen die Zellen der kleinen
Venen funktionell stört, so daß zwischen ihnen Blutkörperchen austreten können. Von einer neuen oder die Cellularpathologie
gar ersetzenden Theorie ist also nicht die Rede. Die physiologische Bestimmung der entzündlichen Ausschwitzung liegt darin,
daß die reichlich in die Gewebe übergetretenen Säfte die Ernährungsstörung der Gewebe ausgleichen
helfen sollen.
Die vermehrte Exsudation und die davon abhängige reichlichere Ernährung der Gewebe ist wohl auch die nächste Ursache dafür,
daß in vielen Fällen von Entzündung eine Neubildung von Geweben stattfindet. Letztere tritt namentlich bei den traumatischen Entzündungen,
als Narbenbildung etc., sowie bei den langsam verlaufenden (chronischen)
Entzündungen in den Vordergrund, indem sie zur Vergrößerung und Verhärtung der Organe (durch Bindegewebsneubildung) führt.
Die Gewebe, welche bei Gelegenheit der Entzündung neu gebildet werden, sind vorzüglich folgende: Epithelzellen beim Katarrh der Schleimhäute;
gefäßhaltiges Bindegewebe bei der Narbenbildung, bei den adhäsiven Entzündungen seröser Häute, bei der entzündlichen
Hypertrophie der Häute,
¶
mehr
Drüsen etc.; ferner gefäßhaltiges Knochengewebe bei Entzündung an der Knochenoberfläche
u. dgl. m. Außer diesen
progressiven Vorgängen trifft man rückschreitende (degenerative) Metamorphosen der Zellen, vor allem Verfettungen an. Am häufigsten
verfallen die Muskelfasern, die Nervenfasern, die Ganglien- und Drüsenzellen sowie die Haargefäße der Entartung, die in der
Regel mit vollkommenem Untergang der betreffenden Gebilde und Ausstoßung derselben aus dem Organismus endigt.
Auch solche Gewebe, welche sich erst bei Gelegenheit der Entzündung neu gebildet hatten, unterliegen häufig gegen das Ende
des Prozesses einer Rückbildung. Dies gilt besonders von den Haargefäßen der entzündlichen Neubildungen (z. B. des Narbengewebes),
welche häufig veröden und zu einer soliden Fasermasse umgebildet werden. Die Neigung des Narbengewebes
zur Schrumpfung beruht auf dem Untergang seiner feinsten Blutgefäße. Über die Ursachen der Entzündung läßt sich allgemein nur sagen,
was für die Ursachen der Krankheit (s. d.) gilt. Jeder Reiz, der ein Gewebe trifft, ohne dasselbe sofort zu töten, kann in
ihm die Ursache zu einer Entzündung werden; ob er es wird oder nicht, hängt von der Heftigkeit des Reizes, von der
Reaktionsfähigkeit der getroffenen Teile ab.
Der Verlauf der Entzündung ist bald ein akuter, schnell vorübergehender, der sich über einige Stunden bis zu wenigen (6-8) Tagen
erstreckt, bald ein chronischer, wobei der entzündliche Prozeß wochen- und monatelang anhält. Die Dauer
der Entzündung hängt vorzugsweise ab von der Natur der die Entzündung erregenden Ursachen und der damit zusammenhängenden Intensität der
Ernährungsstörung, sodann von der Ausdehnung
[* 37] des Entzündungsherdes und vorzugsweise auch von der Struktur und dem feinern
Bau derGewebe, welche von der Entzündung betroffen werden. In letzterer Beziehung darf man annehmen,
daß die Entzündung in zarten, blutgefäß- und zellenreichen Teilen im allgemeinen schneller verläuft als in harten
gefäßlosen oder gefäßarmen Geweben.
Dies hängt eben damit zusammen, daß der Ausgleich der Störung an den reichlichen Zufluß von Ernährungsmaterial geknüpft
ist. Je mehr Blut einem Teil zugeführt wird, um so intensiver wird die Entzündung in demselben ausfallen, aber
um so schneller wird sich auch die Störung wieder ausgleichen. An dem gefäßarmen Gewebe derSehnen und sehnigen Häute, an den
gefäßlosen Knorpeln, an den harten, unnachgiebigen Knochen
[* 38] werden deshalb die entzündlichen Prozesse unter sonst gleichen
Verhältnissen eine längere Dauer beanspruchen, als es bei parenchymatösen und drüsigen Organen der Fall ist. - Die Ausgänge
der Entzündung gestalten sich ebenfalls sehr verschieden. Es hängt dies gleichfalls vorzugsweise von der Natur und Stärke
[* 39] des die
Entzündung erregenden Reizes sowie von der Natur und dem feinern Bau der davon betroffenen Organe und Gewebe ab. Sehr
häufig geht die Entzündung, namentlich in leichtern Fällen, in Zerteilung oder Resolution über, d. h. es kommt nur zur Hyperämie
und vermehrten Ausschwitzung von Serum, nicht aber zur Neubildung von Geweben oder zum Untergang der entzündeten Teile, und die
Entzündung verschwindet, ohne eine Spur an den Geweben zurückzulassen, indem sich die normale Zirkulation des Bluts
wiederherstellt und der vorhandene Überschuß an Gewebesaft durch die Lymphgefäße abgeführt wird.
Heftigere Grade der Entzündung führen zur Vereiterung, bez. zur Verschwärung (Suppuration und Ulceration), d. h. die durch den Reiz
geschädigten Gewebe werden eingeschmolzen, die erweichten Massen werden ausgestoßen, und es erfolgt Heilung
mit Hinterlassung eines Substanzverlustes, der
eine mehr oder minder augenfällige Narbe zurückläßt. Eine gewöhnlich eintretende
und im gleichen Verhältnis mit der Heftigkeit der Entzündung zunehmende Störung des Allgemeinbefindens ist das Fieber (s. d.).
Die Behandlung der Entzündung, die sogen. Antiphlogose, gestaltet sich nach der Natur des Einzelfalles ungemein
verschieden. Wo es immer möglich ist, da muß zuerst die Entzündung erregende Ursache beseitigt werden. FremdeKörper, Splitter etc.
müssen entfernt, chemisch reizende Stoffe beseitigt und neutralisiert, physikalische Reize (Hitze, starke Kälte) vom Körper
fern gehalten werden. Wunden sind mit fäulniswidrigen Mitteln, geschwollene Hautstellen mit Eis
[* 40] oder Blutentziehungen zu behandeln;
gegen Schmerzen reicht man Morphium etc. Wird Eiterung erwartet, so macht man warme Umschläge, später Einschnitte.
Bei jeder Entzündungskrankheit ist aber darauf zu achten, daß der Patient sich einer angemessenen, d. h. reizlosen und nicht
zu stark nährenden, Diät unterziehe, und daß er für regelmäßigen Stuhlgang sorge. Ist im Gefolge einer
Entzündung Brand eingetreten, so bleibt nichts übrig, als abzuwarten, bis sich das Brandige auf natürlichem Weg vom Gesunden ablöst.
Mittel (Antiphlogistika, Antipyretika) sind 1) solche Mittel, welche fäulniswidrig
wirken, wie Karbol-, Salicylsäure etc. (vgl. Desinfektion,
[* 41] Wundheilung);
in ältern
Festungen eine vor den Hauptwall gelegte, aus Ravelins und Kontergarden bestehende oder zusammenhängende, verteidigungsfähige
Umwallung, welche namentlich das Breschieren der Eskarpenmauer des Hauptwalles aus größerer Entfernung
zu hindern bestimmt ist.