die
Wärme
[* 2] ebenso wie das
Wasser unvermindert zu dem tiefern
Niveau herabgelange, machte
Clausius (1850) darauf aufmerksam, daß
gemäß dem von
RobertMayer (1842) entdeckten
Satz von der Äquivalenz von
Wärme und
Arbeit (erster Hauptsatz der mechanischen
Wärmetheorie) nur ein Teil der zugeführten
Wärme als solche in den kälternKörper übergehen könne,
wogegen der andre Teil, indem er eine ihm äquivalente Arbeitsmenge erzeugt, als
Wärme verschwindet.
Ihre volle Begründung fand aber jene
Thatsache durch den von
Clausius aufgestellten zweiten Hauptsatz der mechanischen
Wärmetheorie,
wonach die
Wärme niemals von selbst aus einem kältern in einen wärmern
Körper übergehen kann, sondern, damit
dies geschehe, gleichzeitig entweder ein entgegengesetzter Wärmeübergang aus einem wärmern in einen kältern
Körper oder
eine sonstige Veränderung stattfinden muß, welche einen solchen entgegengesetzten Wärmeübergang zur
Folge hat. Um die
Wärme zu nötigen, ihrem Bestreben entgegen aus einem kältern in einen wärmern
Körper überzutreten, muß hiernach
Zwang
ausgeübt werden, wobei
Arbeit verbraucht wird, niemals aber
Arbeit gewonnen werden kann.
Zwischen der
Wärme und der
Arbeit (und andern
Formen der
Energie) besteht somit ein wichtiger und bedeutungsvoller Unterschied:
während mechanische
Arbeit z. B. durch
Reibung,
[* 3]
Stoß etc. leicht und vollständig in
Wärme umgewandelt werden kann, ist es
unmöglich, die ganze
Wärme wieder in
Arbeit zurück zu verwandeln, weil dabei immer ein Teil derselben
zu kältern
Körpern herabsinkt. Die
Folge davon ist, daß die mechanische
Energie des Weltalls von
Tag zu
Tag immer mehr in
Wärme
übergeht, welche sich nach allen Seiten hin verbreitet und die vorhandenen Temperaturunterschiede nach und nach ausgleicht.
W.
Thomson, welcher diese Schlußfolgerung zuerst zog (1851), nannte diesen Vorgang
»Zerstreuung« (Dissipation)
oder auch Herabsetzung
(Degradation) der
Energie.
Die vorhandene Gesamtenergie des Weltalls zerfällt somit in zwei Teile, wovon der eine als
Wärme von höherer
Temperatur,
ferner als mechanische, chemische, elektrische etc.
Energie noch teilweise in
Arbeit umsetzbar, der andre
aber, bereits in
Wärme verwandelt und in kältern
Körpern angesammelt, für die Arbeitsleistung unwiederbringlich verloren
ist. Dieser letztere Teil, die Entropie des Weltalls, wächst unaufhörlich auf
Kosten des erstern, oder, wie
Clausius sagt, »die
Entropie des Weltalls strebt einem
Maximum zu«. In diesem
Ausspruch erscheint der zweite Hauptsatz der mechanischen
Wärmetheorie in seiner höchsten Verallgemeinerung, ähnlich wie der erste Hauptsatz in dem
Satz: »die
Energie des Weltalls
ist konstant« gipfelt.
Wäre nach unabsehbar langer Zeit dieses
Maximum erreicht, so würde zwar von der ursprünglich vorhandenen
Energie nichts verloren
gegangen, dieselbe aber in der Form von
Wärme durch die zu einem einzigen tragen Klumpen geballte
Materie
gleichmäßig verbreitet sein. Temperaturunterschiede gäbe es nicht mehr, diese Grundbedingung für die Zurückverwandlung
der
Wärme in andre Energieformen würde fehlen, alle mechanische
Bewegung, alles organische
Leben im Weltall müßte aufhören,
der Weltprozeß wäre damit thatsächlich beendet und das wahre Ende der
Welt eingetreten.
Steht aber der
Welt dieses Ende bevor, so kann sie auch nicht von
Ewigkeit her bestehen, sondern sie muß
vor einer endlichen, wenn auch noch so langen Zeit einen Anfang gehabt haben, als die Entropie ein
Minimum und die Temperaturunterschiede
am größten waren; denn bestünde sie seit unendlich langer Zeit,
so müßte der Umwandlungsprozeß
bereits abgelaufen und jener Endzustand starren
Todes und lautloser
Ruhe jetzt schon eingetreten sein. Diese aus dem
Begriff
der Entropie gezogenen Folgerungen, welche dem Weltall ein so trauriges
Schicksal in Aussicht stellen, haben begreiflicherweise
manchen
Widerspruch hervorgerufen (vgl.
Caspari, Die Thomsonsche
Hypothese von der endlichen Temperaturausgleichung im Weltall,
Stuttg. 1874).
Rankine nahm an, daß an der
Grenze des von
Äther erfüllten Weltraums, hinter welchem sich ein absolut leerer
Raum befinden sollte, eine vollständige Zurückwerfung der strahlenden
Wärme stattfinde, und
Reuschle machte unter Zustimmung
RobertMayers geltend, daß durch das Zusammenstürzen von
SonnenKräfte entfesselt werden, welche die zerstäubten
Massen in den weitem Weltraum hinausschleudern und ihre träge Zusammenballung verhindern.
Abgesehen aber von allen Widerlegungsversuchen, wird der
Zweifel gestattet sein, ob der zweite Hauptsatz der mechanischen
Wärmetheorie, wie vollkommener auch mit den unsrer
Beobachtung zugänglichen
Thatsachen übereinstimmen mag, so allgemeingültig
und sicher begründet sei, daß
Schlüsse von solcher Tragweite und Kühnheit auf ihn gegründet werden
können.
Englische
[* 4]
Physiker, wie
Thomson,
Tait,
Maxwell u. a., fassen den
Begriff der Entropie im entgegengesetzten
Sinn von dem hier
angegebenen auf, indem sie darunter den Teil der Gesamtenergie verstehen, der sich noch in
Arbeit umwandeln läßt. Sie sagen
daher, daß die Entropie des Weltalls dereinst verschwinde, was mit dem obigen
Satz vom
Maximum der Entropie übereinstimmt.
Verfügung einer Behörde in einer Angelegenheit, welche bei derselben anhängig ist, insbesondere der
richterliche Beschluß in einer
Rechtssache. In dieser allgemeinen Bedeutung entspricht der
Ausdruck Entscheidung dem lateinischen Sententia
und dem französischen Jugement; er ist in der deutschen
Zivilprozeßordnung ebenso wie in der Strafprozeßordnung
die allgemeine Bezeichnung für alle richterlichen
Aussprüche und
Anordnungen. Im einzelnen unterscheidet dann die Strafprozeßordnung
zwischen
Urteilen, Beschlüssen und
Verfügungen (s.
Urteil) Entscheidungen, welche in
Abwesenheit der davon betroffenen
Person
ergehen, werden derselben durch Verkündung bekannt gemacht; auf Verlangen ist ihr eine
Abschrift zu erteilen.
Die Bekanntmachung andrer Entscheidungen erfolgt durch
Zustellung. Dem nicht auf freiem
Fuß Befindlichen ist das zugestellte
Schriftstück auf Verlangen vorzulesen. Die gerichtlichen Entscheidungen in
Strafsachen werden, wenn sie im
Lauf einer
Hauptverhandlung
ergehen, nach Anhörung der Beteiligten, wenn sie außerhalb einer
Hauptverhandlung erteilt werden, nach erfolgter schriftlicher
oder mündlicher
Erklärung der Staatsanwaltschaft gegeben. Auch in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
steht nach der deutschen
Zivilprozeßordnung das
Urteil (s. d.) den
»Verfügungen« der vorsitzenden, kommissarischen und requirierten
Richter und den prozeßleitenden oder entscheidenden Beschlüssen des
¶
(Rationes decidendi), im Rechtswesen die Motive, welche den Richter bei der Fällung eines Urteilsspruchs
geleitet haben. Nach früherm gemeinen Recht bestand für den Richter in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten keine Verpflichtung,
dem Urteil Entscheidungsgründe beizugeben, während die moderne Gesetzgebung und namentlich auch die deutsche Zivil-Prozeßordnung
(§ 282, 284, 324) die Entscheidungsgründe als einen wesentlichen Bestandteil des Urteils bezeichnet. Die Entscheidungsgründe sind von der Urteilsformel (Tenor)
getrennt zu geben.
Außerdem fordert die Zivilprozeßordnung, ebenso wie das französische Recht, daß ein Thatbestand (in Frankreich Qualité du
jugement), d. h. eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes, in das Urteil aufgenommen werde
(§ 284). Was hierbei die äußere Form anbelangt, so werden in Deutschland
[* 8] die Erkenntnisse in Zivilsachen regelmäßig in der
Weise abgefaßt, daß nach einer Aufführung und Angabe der Parteien und ihrer Rechtsangelegenheit, des erkennenden Gerichts
und der betreffenden Richterpersonen der Thatbestand, dann die Entscheidungsgründe und endlich die Entscheidung selbst,
d. h. der formulierte Urteilsspruch, folgen.
Diese Form ist der in Frankreich üblichen, wonach die Entscheidungsgründe und die Dezisivworte in eine Periode zusammengefaßt werden (sogen.
Schachtelerkenntnisse), der größern Deutlichkeit wegen vorzuziehen. Auch den Erkenntnissen in Strafsachen werden Entscheidungsgründe beigefügt.
Die auf die Wahrsprüche der Geschwornen gefällten Urteile beziehen sich jedoch hinsichtlich der Thatfrage
nur auf den Wahrspruch und geben bloß eine rechtliche Begründung unter Hinweisung auf das Strafgesetz. Außerdem müssen
nach der deutschen Strafprozeßordnung (§ 34) den durch ein Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen sowie denjenigen, durch
welche ein Antrag abgelehnt wird, Entscheidungsgründe beigegeben werden. Mangel der Entscheidungsgründe ist
im Zivil- wie im Strafprozeß ein Nichtigkeits-(Revisions-) Grund.
heißt die Furcht (s. d.), wenn das Gefürchtete nicht bloß plötzlich und unerwartet,
wie beim Schrecken, sondern auch in naturwidriger und aus der Art geschlagener Gestalt auftritt.
Man erklärt die scheinbar erhöhte Affinität der Körper im E. durch die Annahme, daß bei der Zersetzung der Körper die sich
ausscheidenden Elemente als isolierte Atome auftreten, welche aber als solche im freien Zustand nicht existieren können und
daher mit großer EnergieVerbindungen eingehen. Sind keine fremden Körper vorhanden, auf welche die naszierenden
Atome einwirken können, so vereinigen sich in der
Regel zwei Atome desselben Körpers zu einem Molekül, und aus solchen Molekülen
besteht jedes Element im freien Zustand. Soll dieses auf einen andern Körper wirken, so muß zunächst die Bindung
der Atome im Molekül wieder gelöst, also ein gewisser Widerstand überwunden werden, und daher zeigt der ausgeschiedene und
im freien Zustand vorhandene Wasserstoff geringere chemische Wirksamkeit als der Wasserstoff im E.
(Entwehrung, Eviktion, lat. evictio), Besitzentziehung, namentlich Entziehung einer Sache, welche man durch
einen Rechtsakt erworben hat, durch einen besser Berechtigten. Eine Sache wird entwährt oder evinziert,
wenn demjenigen, der sie von jemand erworben, z. B. gekauft hat, von einem Dritten die Sache selbst ganz oder teilweise oder
ein dingliches Recht an derselben vermöge eines bessern Rechts abgestritten wird. Das römische Recht hat bestimmte Grundsätze
aufgestellt, wie weit derjenige, dem eine Sache evinziert wird, von demjenigen, von welchem er sie erworben hatte (auctor),
Schadloshaltung (Eviktionsleistung) fordern kann.
Die Regel ist: wer mit einem andern ein Geschäft abschließt, welches eine Verbindlichkeit zur Übertragung oder Bestellung
eines Rechts begründet, wie z. B. ein Kauf-, Tausch- etc. Geschäft, haftet für den Fall der gänzlichen
oder teilweisen Entwährung dieses Rechts durch einen andern Berechtigten für Schadloshaltung. Vorausgesetzt wird aber immer einmal
ein entgeltliches, auf Veräußerung gerichtetes Geschäft, indem der Schenker, wenigstens nach der herrschenden Meinung, dem
Beschenkten für den Fall einer Entwährung keine Gewähr zu leisten hat, und dann Entwährung auf Grund eines schon zur
Zeit des Veräußerungsgeschäfts bestehenden Rechts; denn der Grund der Eviktionsleistung ist der, daß der Veräußerer der
Sache verpflichtet ist, dieselbe so auf den andern zu übertragen, daß dieser sie behalten kann.
Die Eviktionsleistung kommt namentlich vor 1) beim Kauf. Denn obschon ich als Verkäufer dem Käufer nicht
etwa das Eigentum an der Sache garantiere (der Besitzer weiß ja oft selbst nicht und kann nicht wissen, ob er auch wirklicher
Eigentümer ist), so muß ich ihm doch das »haben, behalten und gebrauchen
können« (habere licere) garantieren. Hätte ich nun z. B. vor dem Verkauf meiner
Sache einem Dritten ein Pfandrecht an derselben eingeräumt, und der Dritte macht nun (da ja das Pfandrecht
als dingliches Recht durch den Kauf nicht berührt wird) gegenüber dem Käufer von seinem PfandrechtGebrauch und läßt die
Sache veräußern, so muß ich natürlich meinem Käufer, dem nun die Sache evinziert ist, vollen Schadenersatz
leisten.
Ebenso verhält es sich 2) beim Tausch, 3) bei der Hingabe von Sachen an Zahlungs Statt, 4) bei der Teilung gemeinschaftlicher
Sachen, z. B. wenn zwei Miterben ein Haus so teilen, daß der eine das Haus gegen Geldentschädigung an den andern übernimmt
und nun das Haus auf Grund eines gegen den Erblasser zustehenden Rechts von einem Dritten abgestritten wird.
Hier muß der andre Miterbe den Schaden tragen helfen. Der Anspruch auf Eviktionsleistung wird ausgeschlossen durch Verzicht
und durch Kenntnis des Erwerbers von dem Bestehen des fremden Rechts. Entwährung ist heutzutage weit seltener als früher, weil partikularrechtlich
vielfach der redliche Erwerber einer SacheEigentümer derselben wird oder doch nur gegen Ersatz des Erwerbspreises
zu der Herausgabe an den klagenden Eigentümer verpflichtet ist. Von besonderer Wichtigkeit aber sind in dieser
¶
mehr
Beziehung die Bestimmungen des deutschen Handels-Gesetzbuchs (§ 306 ff.), wonach der redliche Erwerber an Waren oder andern
beweglichen Sachen das Eigentum erlangt, wenn sie ihm von einem Kaufmann in dessen Handelsbetrieb veräußert und übergeben
worden sind, auch wenn der Veräußerer nicht Eigentümer war. Handelt es sich um Papiere auf den Inhaber,
so findet diese Vorschrift auch dann Anwendung, wenn die Veräußerung oder Verpfändung nicht von einem Kaufmann in dessen
Handelsbetrieb geschehen ist.
Nur wenn die Gegenstände gestohlen oder verloren waren, gilt jene Regel des Handelsgesetzbuchs nicht. Inhaberpapiere werden
indessen, auch wenn sie gestohlen oder verloren waren, Eigentum des gutgläubigen Erwerbers, und wenn
sie verpfändet wurden, bleibt das Pfandrecht des gutgläubigen Erwerbers auch an gestohlenen oder verlornen Inhaberpapieren
bestehen.
die Ableitung des überschüssigen Wassers von versumpftem Boden, bez. die Fernhaltung des
den Boden versumpfenden Wassers. Die schädlichen Einflüsse der Sumpfgebiete sind allgemein bekannt. Abgesehen von den äußerst
geringen und stets unsichern Erträgen, entstehen durch die Ausdünstungen der infolge der abwechselnden Feuchtigkeit und Trockenheit
in Fäulnis übergehenden organischen Stoffe epidemische Krankheiten, welche auf fast allen Sumpfgebieten regelmäßige Erscheinungen
bei Menschen und Tieren sind.
Mit der Melioration verschwinden diese Nachteile und zwar zumeist in überraschender Weise. Der Boden ist bereits der Trockenlegung
bedürftig, wenn infolge anhaltender Nässe die Bestellung desselben nicht rechtzeitig ausgeführt werden kann. Oft zeigt
der nämliche Boden späterhin, nachdem infolge der Temperaturerhöhung der Verdunstungsprozeß gesteigert wurde, einen Mangel
an Feuchtigkeit, so daß er innerhalb eines Jahrs abwechselnd an zu großer Nässe und an Dürre leidet.
In diesem Fall muß die Melioration gleichzeitig für eine Ent- und Bewässerung Sorge tragen, so daß je nach Bedarf eine Entziehung
oder eine Zuführung von Wasser stattfinden kann.
Das Wasser, welches sich aus irgend einer Ursache auf oder in dem Boden ansammelt und diesen versumpft,
kann nur in dem Fall abgeführt werden, daß ein Rezipient zur Aufnahme des überschüssigen Wassers vorhanden ist oder beschafft
wird. Man bezeichnet denselben mit dem Namen »Vorflut«, worunter also in der Regel ein entsprechend tief gelegener Wasserlauf
von derartiger Kapazität zu verstehen ist, daß er das in dem Sumpfgebiet angesammelte Wasser aufzunehmen
und rechtzeitig abzuführen vermag.
Vorwiegend wird das Wasser in einem oberirdischen Rezipienten abgeleitet werden können; jedoch ist nicht ausgeschlossen, daß
dasselbe in eine unterirdische wasserleitende Schicht versenkt wird, falls die Kapazität dieser Schicht größer ist als die
zugeführte Wassermenge. Die Ursachen der Versumpfung können sehr verschieden sein, und das Verfahren
der Entwässerung muß sich stets nach denselben richten. Namentlich rühren die Versumpfungen von Erhöhung der Bach- und Flußbetten
durch Sinkstoffe her, herbeigeführt von den starken, oft unbewaldeten Hängen im Gebiet des Oberlaufs des Flusses.
Ferner von Flußkrümmungen (Serpentinen), welche das relative Gefälle vermindern und somit eine Erhöhung des
Wasserstandes sowie infolge Verzögerung der Wassergeschwindigkeit eine
Sinkstoffablagerung auf der Sohle bewirken. Bei eingedeichten
Flüssen nimmt das Binnenland nicht teil an den Erhöhungen des Außenlandes, welche durch den Niederschlag der Sinkstoffe erfolgen.
Demnach verliert das im Deichschutz liegende Gebiet im Lauf der Zeit seine natürliche Vorflut und fällt
der Versumpfung anheim. Eine der häufigsten Ursachen derselben sind ferner die Stauanlagen. Ein jedes Stauwerk, namentlich
ein solches bei schwachem Gefälle des Wasserlaufs, veranlaßt eine Erhöhung des Wasserstandes oberhalb des Wehrs, wodurch
sehr häufig die Abwässerung des anliegenden Landes unmöglich gemacht wird.
Nach den dargestellten wichtigstem Ursachen der Versumpfungen lassen sich die Mittel zur Beseitigung derselben bestimmen. In der
Hauptsache finden folgende Methoden Anwendung:
1) Abhaltung des fremden, d. h. des von höhern Gebieten in das Sumpfterrain eintretenden,
Wassers. Dasselbe wird um oder in einem bedeichten Kanal
[* 15] durch die Niederung in den Vorflutrezipienten geleitet.
2) Tieferlegung des Wasserlaufs durch Krautung und Baggerung; häufig das einfachste und durchaus zweckentsprechende
Mittel zur Beschaffung der Vorflut für ein versumpftes Gebiet.
3) Abhaltung der durch Uferabbrüche und durch Seitenzuflüsse in Gebirgsländern in den Wasserlauf geführten Sinkstoffe
mittels Uferdeckungen, Thalsperren und ähnlicher Anlagen.
4) Abkürzung stark gekrümmter Wasserläufe mittels Durchstichen; ein Mittel, welches aus mehrfachen Gründen
nur mit Umsicht angewendet werden darf. Die erzielte Senkung des Wasserstandes macht oft die sehr wünschenswerte Überflutung
mittels des befruchtenden Winterhochwassers unmöglich. In diesem Fall empfiehlt sich zumeist anstatt des Durchstichs 5) die
Anlage eines Parallelkanals, welcher das gesammelte Wasser des Sumpfes aufnimmt und mit geringstem zulässigen
Gefälle so weit nach abwärts geführt wird, bis er das Wasser ohne schädlichen Rückstau in den Vorflutrezipienten einleiten
kann. Im Flachland erhalten derartige Entwässerungskanäle zumeist eine sehr beträchtliche Länge, und dieselben müssen
häufig durch fremdes Terrain geführt werden, denen zwar die Servitut der Durchleitung zuerkannt wird,
jedoch gegen sehr erhebliche Entschädigung. In diesem Fall verursacht die Anlage eines Parallelkanals oft höhere Kosten, als
die Melioration Nutzen erwarten läßt.
6) Senkung des Wasserspiegels von Seen. Erhält die Niederung ihre Vorflut direkt oder indirekt in einen See, dessen Wasserspiegel
während der Zeit der erforderlichen Trockenlegung eine zu beträchtliche Höhe besitzt, so sucht man
eine Senkung des Seewasserstandes durch Beförderung des Seeabflusses zu bewirken. Das Verfahren richtet sich nach der Ursache
des hohen Seestandes.
7) Beseitigung oder Tieferlegung von Stauwerken. Rührt die Versumpfung von einem Mühlenstau her, welcher eine zu
beträchtliche Erhöhung des Oberwassers zur Folge hat, so ist die Beseitigung oder eine für den vorliegenden
Zweck genügende Tieferlegung des Stauwerkes das sicherste Mittel zur Beschaffung der Vorflut. Wenn auch die Gesetzgebung der
meisten Länder eine Wiederherstellung des freien Laufs oder eine Erniedrigung des Stauwerkes für den Fall zuläßt, daß die
Wehranlage einen überwiegenden Nachteil für die Landeskultur zur Folge hat, so ist doch die Beseitigung
der Anlage zumeist mit so erheblichen Entschädigungskosten verknüpft, daß dieselbe hierdurch oft unmöglich gemacht wird.
In einigen
¶
mehr
Gesetzen wird die Abänderung eines Stauwerkes überdies dadurch erschwert, bez.
verbindert, daß diese nur durchgeführt werden muß, insofern dem Besitzer selbst nicht dadurch ein überwiegender Nachteil
zugefügt wird, oder soweit die Abänderung erfolgen kann, ohne die nötige Triebkraft des fraglichen Werkes zu beeinträchtigen,
oder endlich, falls die Versumpfung oder Überschwemmung in keiner andern minder kostspieligen Weise beseitigt
werden kann.
8) Versenkung des angesammelten Wassers in eine durchlassende Schicht des Untergrundes, falls eine solche in hinreichender Mächtigkeit
und mit angemessener Kapazität der Wasserführung in nicht zu beträchtlicher Tiefe zu erreichen ist.
Kann durch die hier geschilderten Mittel die Vorflut nicht beschafft werden, so verbleibt noch 9) die Erhöhung des
Niederungsgebiets durch Kolmation (s. d.), ein Verfahren, welches bei reichlicher Menge von Sinkstoffen in den zur Aufhöhung
zu benutzenden Wasserläufen oft, wenn auch erst nach einer längern Reihe von Jahren, sehr gute Erfolge erzielt hat, und endlich
10) die mechanische Wasserhebung, um das in dem Sumpfgebiet angesammelte Wasser in den höher gelegenen
Ableitungskanal zu heben. Es ist dieses Mittel am Platz, wenn der Rezipient nicht entsprechend gesenkt werden kann und das
zu meliorierende Gebiet Aussicht auf hohe Erträge gewährt. Es besitzt dieses Mittel namentlich an den Ausmündungen der Ströme
ins Meer eine große Bedeutung, da hier eine anderweitige Vorflutbeschaffung ausgeschlossen ist. So sind
in Holland, an der deutschen Nordseeküste, ferner in neuester Zeit an der Mündung des Po bei Ferrara
[* 17] sehr bedeutende Wasserhebewerke
aufgestellt, um das in den Marschen angesammlte ^[richtig: angesammelte] Wasser abzuleiten.
Als Triebkraft für die Wasserhebewerke dient in Holland und an der deutschen Nordseeküste noch vielfach
die Windkraft. In neuerer Zeit benutzt man jedoch vorwiegend Dampfmaschinen
[* 18] mit Zentrifugalpumpen oder Overmarssche Pumpräder
zur Trockenhaltung der Niederungen, falls eine natürliche Vorflut nicht zu erzielen ist. Aber auch im Binnenland wird bereits
die Dampfmaschine
[* 19] zur Entwässerung versumpfter Gebiete benutzt, besonders in eingedeichten Niederungen, wenn lange
anhaltendes Hochwasser es unmöglich macht, das Binnenwasser auf natürliche Weise abzuführen.
An die Beschaffung der Vorflut schließt sich die Binnenentwässerung an, welche je nach der Situation durch einen Hauptkanal
oder durch ein Netz von Kanälen erfolgt. Die Richtung derselben bestimmt die Lage des Terrains, während die Anzahl und
Profile nach der sorgfältig zu ermittelnden abzuführenden Wassermenge bestimmt werden. Oft gelingt es Hierdurch, das
Terrain vollständig zu sanieren; zuweilen wird jedoch noch eine lokale Trockenlegung der einzelnen Parzellen durch offene
Gräben oder durch Drainage
[* 20] (s. d.) erforderlich.
in der Physiologie die allmähliche Ausbildung des formlosen Keims eines lebenden, insbesondere tierischen,
Wesens zu bestimmterer Gestaltung und Gliederung sowie zu selbständigem
Individualleben (s. Entwickelungsgeschichte);
[* 22] in der
Logik Auseinandersetzung, Erklärung, Verdeutlichung eines Begriffs oder Gedankens nach Inhalt und Umfang. Über die Entwickelung des Menschen
s. Embryo. - Militärisch ist Entwickelung zum Gefecht das Hervorziehen der Truppen aus den schmalen Marschkolonnen oder aus der
Rendezvousformation in die breitere Gefechtsfronte. Diese Entwickelung erfolgt womöglich außerhalb der Sehweite,
mindestens außer wirksamer Schußweite vom Gegner.
[* 22] (Ontogenie), die Wissenschaft von der Entwickelung des pflanzlichen oder tierischen Lebewesens
von der Eizelle an bis zu seiner Vollendung; sie umfaßt also nicht nur die Embryologie (s. Embryo), sondern auch alle
spätern Metamorphosen. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte man im Sinn derEvolutions- oder Präformationstheorie angenommen,
daß die Entwickelung des Embryos nur auf einer Entfaltung von Teilen beruhe, welche im Ei
[* 23] bereits vorgebildet vorhanden seien.
Diese Anschauung gipfelte konsequenterweise in der Einschachtelungstheorie, nach welcher jede Tier- oder Pflanzenart ursprünglich
nur in einem Individuum oder Paar vorhanden gewesen sein sollte, welches aber die Keime aller folgenden Individuen derselben
Art, einen in dem andern eingeschachtelt, enthalten habe. Auf einer Auswickelung solchergestalt eingeschachtelter vorgebildeter
Teile sollte demnach alle Entwickelung beruhen. DiesenAnschauungen machte K. F. Wolff ein Ende, indem er 1759 in seiner
»Theoria generationis« den Nachweis führte, daß der Embryo aus einer Reihe von Neubildungen hervorgeht, welche durch die Zeugungsstoffe
veranlaßt, aber in keiner Weise, weder im Ei noch im Sperma, vorgebildet vorhanden sind (Epigenesis-, Postformationstheorie).
Allein Wolff war seinen Zeitgenossen viel zu weit vorangeeilt, und das Ansehen seiner Gegner, an deren
SpitzeA. v. Haller stand, war zu groß, als daß seine Leistungen nach Gebühr hätten gewürdigt werden können; deshalb gerieten
seine Arbeiten in Vergessenheit, bis Merkel 1812 einzelne Teile derselben von neuem herausgab. Durch Oken wurde die Entwickelungsgeschichte zu derselben
Zeit zwar genauer studiert, aber zugleich in den Dienst einer besondern naturwissenschaftlichen Theorie
gestellt, nach welcher aller tierischen Entwickelung das Ziel der Menschwerdung zu Grunde liegen sollte, so daß die niedern
Tiere nur als eine Art Hemmungsbildung des Menschen, als Wesen, die auf dem Weg der Menschwerdung auf einer niedern Stufe stehen
geblieben seien, betrachtet wurden, während der Mensch und die höhern Tiere umgekehrt in ihrer Entwickelung
durch alle niedern Stufen hindurchgehen müßten.
Diese in Deutschland namentlich durch Oken, Rudolphi, in Frankreich durch EtienneGeoffroy de Saint-Hilaire und Serres verteidigte
sogen. Hemmungstheorie setzte, wie man sieht, die Einheit des Plans sämtlicher Tiere voraus und mußte erst durchBaer und
Cuvier widerlegt werden, bevor das Studium der Entwickelungsgeschichte emporblühen konnte. Der Aufschwung derselben begann mit den Forschungen
von Pander undBaer, welche von Döllinger in Würzburg
[* 24] zu erneuerten Forschungen auf diesem Gebiet veranlaßt worden waren.
Pander ist der Urheber der sogleich näher zu erwähnenden Keimblättertheorie, währendBaer zum erstenmal die
Entwickelung höherer Wirbeltiere durch alle Stadien und in allen Einzelheiten genau verfolgte, weshalb er auch mit Recht als
der »Vater der Entwickelungsgeschichte« bezeichnet wird. Das Resultat dieser Untersuchungen war, daß die Tiere nicht nach einheitlichem Plan sich
¶
mehr
entwickeln, und daß man wenigstens vier verschiedene Hauptabteilungen unterscheiden müsse, daß die Entwickelung stets vom
Allgemeinen ins Spezielle gehe, und daß sich zuerst die Kennzeichen der Klasse, dann die der Ordnung und hierauf nacheinander
die der Familie, Gattung und Art ausbilden. So erkennt man beim Hühnchen zuerst nur das Wirbeltier, dann
den Vogel, hierauf einen Angehörigen der Scharrvögel, das Huhn, und zuletzt die spezielle Art. Damit blieben aber die Thatsachen
unerklärt, auf welche die Okensche Schule ihre Hemmungstheorie gestützt hatte, daß nämlich höhere Tiere wirklich in ihrer
Entwickelung durch gewisse Zustände hindurchgehen, die bei tiefer stehenden Tieren bleibend sind, also
z. B. der lungenatmende Frosch
[* 26] durch den Zustand eines Kiementiers, und diese Thatsache war um so frappanter, als man bald
hernach auch bei den Embryos der höhern Wirbeltiere, die niemals durch Kiemen atmen, bis zum Menschen hinauf das Auftreten von
Kiemenspalten und andern Einrichtungen bemerkte, die bei niedern Tieren bleibend sind.
Für diese embryologischen Thatsachen konnte erst die durch Darwin zum Siege gelangte Deszendenztheorie die gesuchte Erklärung
geben, und hier waren es Huxley, O.Schmidt, FritzMüller, Häckel u. a., welche bald den Zusammenhang darlegten. In zweifellosester
Weise gelang dies FritzMüller (1865) durch seine Studien über die Entwickelung der Krebse, indem er zeigte,
daß Arten aus den verschiedensten Krebsfamilien, die im ausgewachsenen Zustand nur eine ziemlich entfernte Verwandtschaft
und nicht die geringste Ähnlichkeit
[* 27] miteinander zeigen, anfangs in fast gleicher Gestalt als sogen. Nauplius-Larve erscheinen.
Es ist dies ein kleines, sechsfüßiges Tier mit einem unpaarigen Ange auf dem Kopf, und einzelne niedere
Krebsformen gehen zeitlebens nur wenig über seine Gesamtorganisation hinaus.
Mit derselben Form beginnen aber auch gewisse Garneelen, die den höchsten Krebsfamilien angehören, ihre Entwickelung und
gehen
dann durch andre Larvenformen hindurch, die man als Zoëa- und Mysis-Larven bezeichnet hat, weil sie gewissen mittlern
Krebsgeschlechtern gleichen; kurz, der Schluß, wurde unabweisbar, daß die Nauplius-Larve dem gemeinsamen
Ahnen des Krebsgeschlechts gleiche, und daß die höhern, vollkommener differenzierten Krebsarten von den mittlern Formen abstammen,
deren Nachbilder ebenfalls in den Metamorphosen ihrer Larve auftreten.
Ganz unabweisbar wurde dieser Schluß bei jenen Krebsarten, die im erwachsenen Zustand zu einem Klumpen ohne alle Gestaltung
entartet sind, und deren Zugehörigkeit zum Krebsgeschlecht fast nur noch an der Nauplius-Larve oder durch
die Entwickelung überhaupt erkennbar ist (s. Entartung). Auf diese Thatsachen begründete FritzMüller die Folgerung, welche
Häckel unter dem Namen des biogenetischen Grundgesetzes kurz dahin formuliert hat: die Entwickelungsgeschichte des Individuums (Ontogenesis) ist
die abgekürzte Wiederholung seiner Stammesgeschichte (Phylogenesis).
Dieser Schluß hat sich seither in tausendfältiger Weise bewährt und das Studium der Entwickelungsgeschichte zu einer der wichtigsten Erkenntnisquellen
sowohl für die Ermittelung der natürlichen Verwandtschaften als besonders der Abstammung der Organismen erhoben. Freilich
ist diese Quelle
[* 28] eine nur mit großer Vorsicht zu benutzende, weil nicht immer ungetrübte, wie dies schon
FritzMüller erkannte. Die in der Entwickelungsgeschichte erhaltene geschichtliche Urkunde wird nämlich allmählich verwischt, indem die Entwickelung
einen immer geradern Weg vom Ei zum fertigen Tier einschlägt, sie wird außerdem sowohl, wenn das Tier sich nicht frei, sondern
in einem Ei entwickelt, als auch, indem es als Larve den Einflüssen des Kampfes ums Dasein ausgesetzt wird,
nachträglich verändert, also im Hinblick auf den getreuen Bericht der Stammesgeschichte gefälscht, und das ist, was Häckel
als Fälschungsgeschichte (Cenogenesis) bezeichnet. Das biogenetische Grundgesetz gibt uns demnach, wenn mit der
[* 22]
^[Abb.: Entwickelungszustände von Monoxenia Darwinii. Vergrößert.]
¶
mehr
nötigen Vorsicht angewendet, die wichtigsten Aufschlüsse darüber, warum sich viele Tiere, statt direkt, auf so vielen Umwegen
entwickeln, und warum sie zuerst die Kennzeichen der höhern Abteilungen und dann erst die der niedern und der Art erkennen
lassen, denn die Art ist ja das jüngst entstandene Glied
[* 30] dieser Formenkette; es erklärt ferner die Erscheinungen
des Atavismus, vieler Mißbildungen und vor allem die natürliche Verwandtschaft der Wesen. Daher der ungeheure Aufschwung, den
das Studium der Entwickelungsgeschichte in der Neuzeit genommen hat.
Auch bei den höhern Wirbeltieren ist das weibliche Ei, wie es aus dem Eierstock kommt, eine solche einfache
Zelle. Dieselbe unterliegt dann nach der Befruchtung
[* 34] zunächst dem von Prevorst und Dumas (1824) entdeckten Furchungsprozeß
oder der Segmentation, d. h. sie teilt sich zuerst in 2 Zellen und diese durch wiederholte Doppelteilung in 4, 8, 16, 32 etc.
Zellen
[* 29]
(Fig. A, B, C, D), die zuletzt einen kugeligen Klumpen, die sogen. Maulbeerlarve (Morula,
[* 29]
Fig. E),
bilden. Hierauf treten die einzelnen Zellen auseinander und bilden einen mit Flüssigkeit gefüllten Hohlraum, die Flimmerlarve,
auch Blasenkeim (Planula oder Blastula) genannt
[* 29]
(Fig. F, G). Indem sich diese aus einer einzigen Lage von Wimperzellen
bestehende Hohlblase durch Einstülpung (Invagination,
[* 29]
Fig. H) oder, wie es in einzelnen Fällen geschehen soll, durch Teilung
ihrer Wandzellen in einen aus einer doppelten Zelllage bestehenden Hohlsack mit Mundöffnung verwandelt, entsteht die sogen.
Darmlarve oder Gastrula
[* 29]
(Fig. I, K), auch Becherkeim, welche nach Häckel die letzte, allen echten, vielzelligen Tieren
(Metazoen) gemeinsame Grundform darstellt.
In der That ist der bis hierher beschriebene Entwickelungsgang bei den Tieren der verschiedensten Klassen derselbe, obwohl
die Gastrula-Larve unter mancherlei abgeleiteten Formen auftritt, und Häckel schloß daraus nach seinem oben erwähnten »biogenetischen
Grundgesetz«, daß die Gastrula-Larue das Nachbild einer gemeinsamen Ahnenstufe aller höhern Tiere sei,
der sogen. Gasträa, von der noch heute zu den Pflanzentieren gerechnete Verwandte (»Gasträaden der Gegenwart«) leben,
deren Körper zeitlebens nur aus einer doppelten Zellenschicht besteht. Es ist dies die vielgenannte Häckelsche Gasträatheorie,
die von mehreren Zoologen verworfen wird, indem sie annehmen, es seien einzig tektonische Ursachen, welche einen derartigen
Verlauf der ersten Entwickelung aller Tiere bedingen.
Auf diese Weise sind zwei deutlich unterschiedene Zellenschichten entstanden, welche den schon von Pander entdeckten primären
Keimblättern entsprechen, das die Innenwand der Gastrula auskleidende Magen- oder Innenblatt, auch unteres Keimblatt (Entoderm)
genannt, und das sie bedeckende Hautblatt oder äußere Keimblatt (Exo- oder Ektoderm), welche die Grundlage
aller fernern Entwickelung der Tiere bilden und zwar so, daß stets aus dem Hautblatt die Körperbedeckungen, das Nervensystem
und die Sinnesorgane hervorgehen, weshalb es auch Hautsinnesblatt genannt wird,
während sich aus dem Magenblatt die Schleimhaut
des Magens und die Eingeweide
[* 35] bilden.
Huxley wies 1849 die sogen. Homologie der Keimblätter, d. h. ihre Gleichwertigkeit durch alle Tierklassen,
nach und zeigte, daß der Körper der meisten Pflanzentiere zeitlebens nur aus diesen beiden Zellenschichten und deren Derivaten
besteht. Bei höhern Tieren bildet sich indessen zwischen beiden bald noch ein mittleres, sekundäres Keimblatt (Mesoderm)
oder auch zwei sekundäre Keimblätter, woraus die verschiedenen Muskelsysteme hervorgehen. Über den
Ursprung und die Beziehungen sowie die weitern Umbildungen der Keimblätter haben namentlich Remak im Beginn der 50er und Kowalewsky
um die Mitte der 60er Jahre gearbeitet, und in neuester Zeit haben Häckel, van Beneden, Balfour, Ray. Lankester, die Gebrüder
Hertwig u. a. darüber gearbeitet.
Bei der weitern Entwickelung der Tiere krümmen und falten sich diese drei Platten in der mannigfaltigsten
Weise, schließen sich an der Bauchseite röhrenförmig zusammen und bilden so die Grundlage des Embryos, über dessen weitere
Entwickelung bei den höhern Wirbeltieren der Artikel »Embryo« zu vergleichen ist.
höchster Grad des freudigen Affekts, welcher den davon Ergriffenen nicht bloß, wie jeder Affekt, außer
sich, sondern gleichsam und plötzlich an einen weit oder vielmehr hoch über seinem bisherigen gelegenen Ort (»in den siebenten
Himmel«)
[* 37] versetzt. Steigert sich derselbe dermaßen, daß der Entzückte nicht nur für das, was ihn zunächst umgibt, sondern
überhaupt für das mit Sinnen Wahrnehmbare blind und taub wird, d. h. »den
Sinn verliert«, so geht das Entzücken in Entzückung (s. Ekstase), verliert er aber überdies den Verstand für
dasselbe, in Verzückung über.
(Inflammatio, Phlogosis), ohne Frage der bei weitem häufigste und wichtigste pathologische Prozeß, der daher
nicht mit Unrecht als der Angelpunkt der gesamten Medizin bezeichnet worden ist. Die Entzündung tritt unter sehr
verschiedenen Formen auf und führt zu den verschiedensten Resultaten, so daß es schwierig ist, von vornherein festzustellen,
was alles unter dem Begriff der Entzündung zusammenzufassen ist. Der Ausdruck Entzündung weist auf einen krankhaften Vorgang hin, welcher mit
einer Steigerung der Temperatur verknüpft, aber lokal beschränkt ist; denn Zustände von allgemeiner
Temperatursteigerung im ganzen
¶