Seine Vorarbeiten zu kunsthistorischen Werken selbst abzuschließen, war ihm versagt; nach seinem Tod erschienen: »Das Leben
Christian Rauchs« (hrsg. und fortgesetzt von seinem Bruder Karl Eggers, Berl. 1873-1881, Bd.
1-3) sowie »Gedichte« (Bresl. 1874),
denen Dichtungen in mecklenburgischer Mundart unter dem Titel: »Tremsen« (das. 1875, ebenfalls
mit seinem Bruder Karl Eggers) folgten.
Franz Xaver, Glasmaler, geb. 1802 zu Höchstädt a. d. Donau, erlernte in Augsburg die Dekorationsmalerei, besuchte
dann 1824 die Münchener Akademie und fand Beschäftigung in der königlichen Glasmalereianstalt. Er beteiligte sich an den
Glasgemälden der Auer Kirche, den Kölner Domfenstern etc., den größten Teil der Architektur und Ornamentik
ausführend. 1837 gab er mehrere Hefte gotischer Ornamente, von ihm selbst auf Stein gezeichnet, 1841 bis 1849 die Glasmalereien
der Auer Kirche, 19 lithographische Blätter, heraus. 1852 folgten die 15 Nachbildungen der Salvatorkirche zu Kilndown in England.
Nach der Auflösung der königlichen Glasmalerei 1851 gründete Eggert eine eigne Anstalt und lieferte zahlreiche
Arbeiten, wie die Fenster im Münster zu Basel,
im Dom zu Konstanz, in der protestantischen Kirche zu Baden-Baden, zu Burgdorf in der Schweiz
u. a. Er starb in München.
Harbor, Dorf im nordamerikan. Staat New Jersey, am Egg Harbor River, südöstlich von Philadelphia, 27 km vom Meer, 1856 von
einem deutschen Kolonisationsverein gegründet, mit (1880) 1232 meist deutschen Einwohnern, welche
viel Wein bereiten.
(Eckmühl), Dorf im bayr. Regierungsbezirk Niederbayern, Bezirksamt Mallersdorf, an der
Großen Laber und der Linie München-Regensburg-Nürnberg der Bayrischen Staatsbahn, mit Schloß und (1880) 120 meist kathol. Einwohnern.
- Hier berühmte Schlacht Durch die Schlacht bei Abensberg 20. April war der linke Flügel des österreichischen Heers
bis über die Kleine Laber zurückgetrieben worden. Hier griffen ihn Napoleon I. von vorn und Masséna im
Rücken (21. April) an und warfen ihn mit großem Verlust über die Isar. Unterdessen hatte der Oberbefehlshaber Erzherzog Karl auf
dem rechten Donauufer eine Stellung bei Eggmühl, dem Hauptpaß von Regensburg, genommen, von wo er an der Spitze von vier Armeekorps
den Sieger von Abensberg im Rücken bedrohte. Da erschien plötzlich am 22. nachmittags Napoleon mit dem
Korps von Lannes, Bayern, Württembergern und den Kürassierdivisionen Nansouty und Saint-Sulpice von der Landshut-Regensburger
Straße her, dem Dorf Eggmühl gegenüber, wo Davout dem österreichischen Korps von Rosenberg gegenüberstand. Eggmühl wurde genommen,
nach tapferm Widerstand auch die österreichischen Batterien auf den Höhen hinter Eggmühl erstürmt und die
Trümmer des Rosenbergschen Korps auf die Hauptarmee bei Eglofsheim zurückgeworfen. Hier wurde zum zweitenmal Widerstand versucht,
aber trotz aller Tapferkeit ebenso vergeblich. 16 feindliche Kavallerieregimenter vollendeten die Niederlage der Österreicher.
In der Nacht führte der Erzherzog seine Truppen auf Schiffbrücken über die Donau und trat den Rückzug nach
Böhmen an. Von seinen 28,000 Mann, die gegen 65,000 Mann Franzosen ins Gefecht gekommen waren, hatte er 6000 Mann mit 16 Geschützen
verloren. Napoleon ernannte Davoût zum Fürsten von Eggmühl.
(spr.
egg-ham), Dorf in der engl. Grafschaft Surrey, an der Themse, oberhalb Staines, 26 km
vom Hyde Park, mit (1881) 2500 Einw. Dabei zwei großartige, von
dem Pillenfabrikanten Holloway gestiftete Anstalten: ein Sanatorium für Geisteskranke aus dem Mittelstand und ein Women's
College (Hochschule für Damen), beides Prachtbauten, ersteres in gotischem Stile, letzteres in französischer Renaissance. Auf
dem benachbarten Cooper's Hill liegt die 1871 gegründete indische Ingenieurschule. Längs der Themse erstreckt
sich die Wiese Runnimead, unterhalb Magna Charta-Insel, wo König Johann 1215 den englischen Freibrief unterzeichnete.
(Eigil), nach der nordischen Sage (Thidrekssaga, Völundarkvidha) ein berühmter Held, Bruder Völunds (Wielands)
und Gemahl der Walküre Ölrun, die er, als sie ihn im achten Jahr verlassen hatte, mit Schlittschuhen
die zugefrornen Meere durchfahrend, überall suchte, wodurch er Erfinder der Kunst des Schlittschuhlaufens wurde. Von Völund,
der bei dem König Nidung gefangen saß, gerufen, kommt Egil zu diesem, gerät über seine Fertigkeit im Bogenschießen
mit dem König in Streit u. schießt auf dessen Verlangen, um seine Geschicklichkeit zu zeigen,
einen Apfel vom Haupt seines Sohns (Tellsage!). Darauf ist Egil seinem Bruder mit List und Kunst bei der Flucht behilflich.
Skallagrimsson, berühmter Skalde auf Island, im 10. Jahrh., zugleich auch tapferer Krieger und Seeräuber, dessen
reichbewegtes Leben und Dichten Gegenstand einer der anziehendsten isländischen Sagas ist: »Eigla« oder
»Egilssaga« (am besten herausgegeben von der arnamagnäanischen Kommission, Kopenh. 1809, mit lat. Übersetzung und Kommentar).
Egils Dichterruhm beruht besonders auf drei Liedern. Als er einst seinem Todfeind Erich Blutaxt von Norwegen, dessen Sohn er
im Kampf erlegt, in die Hände geriet, erbot er sich, sein Leben durch einen improvisierten Gesang zu erkaufen;
Erich willigte ein und wurde durch den Gesang so ergriffen, daß er das Todesurteil zurücknahm.
Das bezügliche Gedicht ist bekannt unter dem Titel: »Höfudlausn« (»Lösung seines Hauptes«). Der Tod seines Lieblingssohns
veranlaßte ihn zu einem herrlichen Klagelied: »Sonartorrek« (»Sohnes Verlust«). Berühmt ist auch die
»Arinbjarnardrápa«, ein Loblied auf seinen Freund Arinbjarn an Erichs Hof. Die drei Gedichte sind in die Egilssaga mit aufgenommen;
separat erschien das erste mit deutscher Übersetzung von Ettmüller mit der »Völuspa« (Leipz. 1830),
mit dem zweiten zusammen
in Dietrichs »Altnordischem Lesebuch« (2. Aufl., das. 1865); das
zweite noch allein in Pfeiffers »Altnordischem Lesebuch« (das. 1860).
Sveinbjörn, einer der namhaftesten isländ. Gelehrten, geb. im isländischen Distrikt Gullbringa,
gest. als emeritierter Rektor der Gelehrtenschule zu Reykjawik. Als einer der Mitbegründer der Isländischen litterarischen
Gesellschaft (Islenzka Bókmentafélag, 1816) und der Nordischen antiquarischen Gesellschaft (Nordisk Oldskrift
Selskab, 1825) entwickelte er rege Thätigkeit für deren Bestrebungen, gab in Verbindung mit Rask, N. M. Petersen, Rafn u. a.
die 12 Bände der »Fornmanna Sögur« (Kopenh.
1825-37) heraus und übersetzte dieselben ins Lateinische (»Scripta historica Islandorum«, das.
1828-46). Er war einer der geschätztesten Mitarbeiter philologisch-antiquarischer Zeitschriften; auch
in Bessastader und Reykjawiker Programmen ist Treffliches von ihm veröffentlicht,
mehr
so z. B. die jüngere Edda (1848-49). Sein größtes Verdienst erwarb er sich durch Darstellung des poetischen Wortschatzes der
altnordischen Litteratur, ein Werk, das freilich erst nach seinem Tode durch die Oldskrift Selskab veröffentlicht ward: »Lexicon
poeticum antiquae linguae septentrionalis« (Kopenh. 1855-60). Sein Leben beschrieb Jon Arnason im 2. Band von
Egilssons »Gesammelten Schriften« (Reykjawik 1855-56, 3 Bde.).
Flecken im deutschen Bezirk Oberelsaß, Kreis Kolmar, am Fuß der Vogesen und an der Eisenbahn Straßburg-Basel, 5 km
südwestlich von Kolmar, hat eine Pfarrkirche, Weinbau und (1880) 1767 kath. Einwohner. Egisheim war
Hauptort einer Grafschaft, welche im 12. Jahrh. an die Grafen von Dagsburg, später an die von Pfirt kam. In der Nähe liegen
die Ruinen der Abtei Marbach und auf dem Gebirge die Ruine Drei-Exen oder die drei Türme von drei alte Schlösser (Weckmund, Wahlenburg
und Dagsburg), um 1100 erbaut und 1466 durch die Mülhäuser zerstört.
Joseph von, Architekt, geb. 1818 zu Dellmensingen in Württemberg, bildete sich an den polytechnischen Schulen
zu Stuttgart und Wien, dann an der Akademie zu Berlin, später auf Reisen in Italien, England und Frankreich. Als Professor an der
polytechnischen Schule zu Stuttgart angestellt, gab er diese Stelle wieder auf, nachdem ihn der König von Württemberg 1857 zum
Hofbaumeister ernannt hatte, behielt aber die Direktion der Baugewerkschule. Seine Hauptwerke sind: das
Polytechnikum in Stuttgart (1860-63), der innere Umbau des nordöstlichen Flügels des königlichen Schlosses (1864-67), die
neue Baugewerkschule (1866-70) und die gotische Marienkirche daselbst (1872-79). Auch leitete er die Restaurationen der Frauenkirche
zu Eßlingen und der Stiftskirche zu Urach. Er verfaßte unter anderm eine Beschreibung des Ulmer Chorgestühls
in den »Baudenkmälern aus Schwaben« (Stuttg. 1867),
dann »Schattierlehre der Oberflächen regelmäßiger Körper« (das. 1855),
worin er eine neue Theorie aufstellte, und gab »Photographische Ansichten von öffentlichen Gebäuden etc. in Stuttgart und
Umgebung« heraus. Er wurde 1863 zum Oberbaurat ernannt.
Johann Jakob, schweizer. Geograph, geb. zu
Laufen (Kanton Zürich),
war zuerst Lehrer an Sekundärschulen, wurde 1857 an die Realschule in St. Gallen berufen, promovierte in Zürich
auf Grund
der Monographie »Die Höhlen des Ebenalpstocks« (St. Gallen 1865) und habilitierte sich 1866 an der dortigen Universität und
dem Polytechnikum für Geographie, welches Fach ihm seit 1872 auch an der Kantonschule daselbst übertragen
ist. 1883 wurde er zum Professor ernannt. Von seinen Schriften sind die »Neue Erdkunde« (6. Aufl., St. Gallen 1881),
die »Neue
Schweizerkunde« (7. Aufl., das. 1883) und die »Neue Handelsgeographie« (3. Aufl., Leipz. 1882) sowie das »Taschenbuch
schweizerischer Geographie, Volkswirtschaft und Kulturgeschichte« (2. Aufl., Zür. 1878)
hervorzuheben. Seine Hauptwerke sind die »Nomina geographica, Versuch einer allgemeinen geographischen Onomatologie« (Leipz. 1870 bis
1872),
von welchem der lexikalische Teil unter dem Titel: »Etymologisch-geographisches Lexikon« (das.
1880) gesondert erschien,
und die »Geschichte der geographischen Namenkunde« (das.
1886),
über deren Fortschritte er auch in Perthes' »Geographischem Jahrbuch« (Bd. 9 ff.)
berichtet.
Pfarrdorf im württemberg. Donaukreis, Oberamt Wangen, unweit der bayrischen Grenze, mit altem Bergschloß und 133 (mit
den dazu gehörigen Weilern und Höfen 1230) kath. Einwohnern. - Eglofs (früher Megelolves, auch Meglof) bildete
einst eine eigne Grafschaft, die Graf Hartmann von Grüningen 1243 an Kaiser Friedrich II. verkaufte. Rudolf von
Habsburg machte den Flecken reichsfrei und verlieh ihm die Rechte, welche die Stadt Lindau besaß. Später kam er als Lehen an
die Grafen von Avensberg-Traun, 1804 durch Kauf an die Fürsten von Windischgrätz und 1810 als Standesherrschaft unter württembergische
Oberhoheit.
(franz.), im Kunsthandel vorkommende Bezeichnung für eine unter einer Glas- oder Kristallplatte auf Goldgrund
ausgeführte Malerei, die zuerst Ende des 12. Jahrh. in Gebrauch kam.
(Egmont), Lamoral, Graf von Egmond, Prinz von Gavre (Gaveren), geb. auf dem Schloß La Hamaide im Hennegau
aus einer alten niederländischen Adelsfamilie, welche seit dem 11. Jahrh.
die Schirmvogtei über die Benediktinerabtei Egmond bei Alkmar in Nordholland besaß und in der Nähe eine im 16. Jahrh. zerstörte
Burg erbaute, diente Kaiser Karl V. in verschiedenen Feldzügen, 1541 in Algier, 1544, 1546 und 1552 in Deutschland und gegen Frankreich,
und erwarb sich den Ruhm eines tapfern und verwegenen Soldaten. 1544 heiratete er zu Speier des Pfalzgrafen
Johann von Simmern Tochter Sabina, mit der er in glücklicher und kinderreicher Ehe lebte. 1546 erhielt er das Goldene Vlies. 1554 stand
er an der Spitze der Gesandtschaft, welche den Ehevertrag des Infanten Philipp mit der englischen Königin
Maria zu unterzeichnen hatte; dann ging er nach Spanien, seinen neuen Souverän zu begrüßen. Im spanisch-französischen Krieg
1556-59 spielte er eine hervorragende Rolle und zeichnete sich namentlich in den Schlachten bei St.-Quentin und bei Gravelines
aus. 1559 machte ihn König Philipp II. zum Statthalter von Flandern und Artois.
In den nun beginnenden niederländischen Unruhen gehörte Egmond zu den unzufriedenen Großen, welche sich der strammen Zentralisation
der niederländischen Verwaltung und der streng katholischen Politik Philipps II. widersetzten und ein aristokratisches Regiment
sowie ein gewisses Maß religiöser Toleranz durchsetzen wollten. Er wirkte mit zum Sturz des königlichen Ministers Granvella,
aber der Statthalterin Margareta von Parma suchte er sich als besondere Stütze zu empfehlen.
Als Sprecher der niederländischen Adelsopposition ging er 1565 nach Spanien, aber von Philipp II. mit Schmeicheleien überhäuft,
brachte er die ihm aufgetragenen Beschwerden nur zaghaft vor und kehrte unverrichteter Sache nach den Niederlanden zurück.
Hier zeigte er sich nach dem Bildersturm (1566) als entschiedener Anhänger Spaniens und des Katholizismus
und verfolgte in seiner Provinz Flandern die Protestanten auf das grausamste. Er stellte sich zur Unterwerfung des Aufstandes
der Regentin zur Verfügung, leistete ihr einen erneuerten Treueid und half das königliche Regiment auf neuer Grundlage befestigen.
Nichtsdestoweniger zürnte ihm Philipp wegen seiner frühern Opposition. Egmond aber fühlte sich ganz sicher,
ließ die Warnungen Oraniens auf ihrer letzten
mehr
Zusammenkunft in Willebroek unbeachtet, ging Alba, als derselbe 1567 nach den Niederlanden kam, bis zur Grenze entgegen und
ritt an seiner Seite in Brüssel ein. Dennoch ward er 9. Sept. gefangen genommen und vor den Ausnahmegerichtshof Albas, den sogen.
Blutrat, gestellt. Sein Privilegium als Ritter des Vlieses wurde nicht geachtet; als Hochverräter und Rebell
wurde er zum Tod verurteilt und gleichzeitig mit dem Grafen von Hoorn auf dem Marktplatz in Brüssel enthauptet.
Sein großes Vermögen wurde eingezogen. Ein Denkmal (von Fraikin) wurde ihm, gemeinschaftlich mit dem Grafen Hoorn, in Brüssel
errichtet (s. Tafel »Bildhauerkunst X«,
[* ] Fig. 9). Egmonds Schicksal ist bekanntlich Gegenstand des klassischen
Trauerspiels von Goethe; doch ist der Charakter des historischen Egmond ein andrer, als er von Goethe geschildert wird. Der historische
Egmond war leichtsinnig, eitel und unstet; für die Freiheit seines Vaterlandes hat er nichts gethan. Egmond hinterließ unter elf
Kindern drei Söhne, welche sich mit der spanischen Regierung aussöhnten und einen Teil der Güter zurückerhielten.
Der letzte Egmond starb als spanischer General 1707.
Vgl. Bavay, Le procès du comte d'Egmont (Brüss. 1854);
Juste, Le comte d'Egmont
et le comte de Hornes (das. 1862).
aanZee, Fischerdorf in der niederländ. Provinz Nordholland, an der Nordsee, westlich von
Alkmar, mit (1883) 2090 Einw. Dabei ein Leuchtturm mit kolossalem Löwen (1833 zu Ehren von van Spyk errichtet) und landeinwärts
die Trümmer des von den Spaniern zerstörten Stammschlosses der Grafen von Egmond.
Die dazu gehörige prachtvolle Abtei wurde 1572 von
den Bilderstürmern zerstört.
(Mount Egmont, neuseeländ. Pukehaupapa), ein isolierter, längst erloschener Vulkan in der Südwestecke
der Nordinsel von Neuseeland, Provinz Taranaki, 2521 m hoch.
Justus van, niederländ. Maler, geb. 1602 zu Leiden, trat 1615 ins Atelier von Jasp. van den Hoecke in Antwerpen,
kam später zu Rubens und half diesem an der Ausführung seiner Werke. 1628 ist er als Meister mit dem Beisatz
»bei Rubens« eingeschrieben. In demselben Jahr aber verließ er Antwerpen und begab sich nach Paris, wo er Hofmaler der Könige
Ludwig XIII. und XIV. wurde. 1648 war er eins der zwölf ersten Mitglieder der in demselben Jahr
gestifteten Pariser Bau- und Bildhauerakademie. Um 1660 kehrte er nach Antwerpen zurück, wo er starb. Egmont war hauptsächlich
Bildnismaler und hielt sich ganz an Rubens' Weise. Doch erreichte er dessen Lebendigkeit nicht. Sein Kolorit ist glätter, seine
Behandlung kleinlicher. Bilder von ihm finden sich in Wien (Porträte König Philipps IV. von Spanien und
des Erzherzogs Leopold Wilhelm), Schleißheim (Maria von Medicis) u. a. O.
Gemeinde im schweizer. Kanton Thurgau,
an der Eisenbahn Romanshorn-Rorschach, mit (1880) 2669 meist protestant.
Einwohnern, gewissermaßen das Zentrum des oberthurgauischen Obstbaues.
Vorherrschend ist Kernobst, besonders Birnen;
der Gesamtertrag
eines »vollen« Jahrs wird auf 900,000 Säcke geschätzt.
(»Ichsucht«, Selbstliebe, Selbstsucht), diejenige Gesinnungsart, welche nicht nur eudämonistisch, d. h. von der
Rücksicht auf die angenehmen oder unangenehmen Folgen der Handlungsweise abhängig, sondern zugleich eigennützig ist, d. h.
ausschließlich durch die Rücksicht auf den
eignen (nicht fremden) Nutzen oder Schaden ihr Wollen und
Thun bestimmen läßt. In ersterer Hinsicht steht der der moralischen (statt durch die Rücksicht auf die äußern Folgen,
durch jene auf den innern Wert der Handlung bestimmten), in dieser der uneigennützigen (das eigne Wohl dem fremden nachsetzenden)
Gesinnung (Altruismus) gegenüber.
Letztere Art des Egoismus, welche das eigne Wohl auf Kosten des fremden sucht, pflegt man auch wohl den groben,
erstere, welche den Wert menschlicher Handlungen von ihrem Vorteil oder Nachteil für den Handelnden abhängig macht, ohne
daß dadurch andre eben Schaden leiden müssen, feinen Egoismus zu nennen. Dieser kann zwar unschädlich (für
andre) sein, bleibt aber nichtsdestoweniger unsittlich, da auch die pflichtmäßige Handlung von ihm nicht um ihrer Pflichtmäßigkeit
willen (moralisch), sondern um ihrer (persönlichen) Vorteilhaftigkeit willen (eudämonistisch) gewollt wird.
Jener ist nicht nur unmoralisch, sondern positiv schädlich, da er das Wohl andrer unbedenklich dem eignen aufopfert. Die
Frage, ob der Egoismus die dem Menschen natürliche Gesinnung sei, läßt sich, je nachdem wir den groben oder
feinen Egoismus im Auge haben, verschieden beantworten. Dieser, der auch das Gute nur um des Lohns willen thut, das Böse nur aus Furcht
vor der Strafe unterläßt, stellt eine Gesinnungsstufe dar, auf welcher (bei Einzelnen wie bei Völkern
und Zeitaltern) von sittlichem Wert oder Unwert im wahren Sinn des Wortes noch nicht die Rede sein kann.
Dieselbe geht, wie jeder Erzieher weiß, beim Kind ebensowohl wie bei Völkern und bei der Menschheit im ganzen derjenigen
Epoche moralischer Mündigkeit, in welcher bei entwickeltem Pflichtbewußtsein das Gute um seiner selbst
willen gewollt, das Böse um seiner selbst willen unterlassen wird, notwendig voraus, und der feine Egoismus kann daher, mit der
(erst allmählich erworbenen) sittlichen Reife verglichen, allenfalls als der natürliche (obgleich keineswegs angeborne)
und durch Erziehung zu läuternde Zustand des Menschen angesehen werden. Die Behauptung dagegen, daß der
grobe der natürliche (und zwar angeborne) Zustand des Menschen sei, muß so lange für willkürlich gelten, als es, wie bisher,
nicht gelingt, sämtliche thatsächlich als uneigennützig erscheinende Handlungen der selbstlosen Aufopferung, des sympathetischen
Mitgefühls und der wohlwollenden Menschenliebe auf eigennützige Motive zurückzuführen.
Gabriel, ungar. Schauspieler, geb. 1807 zu Laßlófalva im Borsoder Komitat, fand, nachdem er mehreren wandernden
Truppen angehört, beim Theater zu Klausenburg eine bleibende Anstellung. Später vollendete er seine künstlerische Bildung zu
Wien und war seit 1837 eine Hauptzierde des neueröffneten ungarischen Nationaltheaters in Pest. Er zeichnete
sich durch abgerundetes Spiel, treffliche Mimik und reinen Vortrag sowohl in der Tragödie als im Konversationsstück aus und
übte einen großen
mehr
Einfluß auf die Entwickelung jenes nationalen Instituts. Die Shakespeareschen Dramen verpflanzte er durch Übersetzungen auf
die ungarische Bühne. In den Revolutionsstürmen von 1848 und 1849 wurde er als Regierungskommissar in die untere Theißgegend
geschickt, wegen zu großer Härte jedoch wieder abberufen. Er kehrte hierauf zur Bühne zurück, floh nach Unterdrückung
der Revolution nach der Türkei, erhielt aber 1854 die Erlaubnis zur straffreien Rückkehr. Er starb in Pest. -
Sein Bruder Benjamin, geb. 1813, betrat 1834 ebenfalls die Bühne und wurde 1837 Mitglied des Nationaltheaters zu Pest. Während
der Revolution trat er unter die Honveds, wurde aber amnestiert und der Bühne zurückgegeben. Er starb Bedeutender
denn als Schauspieler war er als Komponist. Seine musikalischen Werke zeichnen sich durch Reichtum lieblicher Melodien aus und
erlangten in Ungarn große Beliebtheit.
(spr. eghilads), Don Luis, span. Bühnendichter, geb. 1830 zu Jeres de la Frontera, kam 1852 nach
Madrid, wo er mit den Dramen: »Verdades amargas« und »La
vida de Juan Soldado« seinen Dichterruf begründete und nun eine große Fruchtbarkeit entwickelte. Er starb 1878. Von seinen
übrigen Stücken verdienen besonders »La querellas del Rey Sabio« und das 1860 mit
großem Erfolg aufgeführte Schauspiel »La cruz del matrimonio« (abgedruckt in Bd. 24 der
»Coleccion de autores españoles«, Leipz. 1868)
Erwähnung. Aus seinem Nachlaß erschien noch »El salto del Pasiego« (Madr. 1878). Treffliche Charakteristik und fesselnde Situationen
zeichnen die Mehrzahl von Eguilaz' Stücken aus.
(franz., spr. eschipsjenn, Blockschrift), in der
Buchdruckerei eine lateinische Schriftgattung, deren Eigentümlichkeit das Fehlen aller feinen Striche
und Ausläufer ist. S. Schriftarten.
(v. altdeutschen Ewa, Euua, Eoa, Ea, d. h. Bündnis, Vertrag, Einigung, auch Gesetz), die nach
gesetzlichen Vorschriften eingegangene Vereinigung eines Mannes und Weibes zur lebenslänglichen und ungeteilten Gemeinschaft
aller Lebensverhältnisse. Die Ehe ist in erster Linie ein religiös-sittliches Institut; sie erhebt Mann und Weib über das
bloß Sinnliche, da ihre Grundlagen Liebe, Achtung und gegenseitige Hingebung, ihre Bedingungen gegenseitiges Sichfreuen, Dulden
und Beistehen sind. In diesem Wesen der Ehe als der vollkommensten sittlichen Lebensvereinigung der Geschlechter
liegt es daher auch, daß dieselbe ihre Bestimmung vollkommen nur erfüllen kann als Monogamie (Ehe. Eines Mannes mit Einer Frau),
indem nur so eine durch gegenseitige Ergänzung hervorgebrachte Einheit der Person denkbar ist. In den Ländern, wo Polygamie
(Vielweiberei) eingeführt ist, hat die Ehe einen ganz andern Charakter und gleicht mehr einem Dienstverhältnis
zwischen den Frauen und dem Mann.
Bedeutung der Ehe bei den verschiedenen Völkern.
Bei den orientalischen Völkern finden wir zwar fast überall Polygamie, doch kann dieselbe glücklicherweise nie allgemein
stattfinden, denn nur in seltenen Fällen vermag der Mann mehr als eine Frau zu ernähren; auch kommen
sich die Zahlenverhältnisse der Männer und Weiber meist einander so nahe, daß allgemeine Vielweiberei eine reine
Unmöglichkeit
ist. Bei den Chinesen wurden und werden noch heute die Frauen verkauft. Polygamie ist dort erlaubt. Die Frauen leben äußerst
eingezogen und dürfen sich fast nie öffentlich sehen lassen; nach dem Tode des Mannes steht seinen Erben
das Recht zu, die Witwen als Sklavinnen zu verkaufen.
Bei den Babyloniern herrschte Polygamie. Die Mädchen wurden auf dem Markt öffentlich versteigert. Von den Medern wird uns
berichtet, daß bei ihnen Polyandrie (Vielmännerei) bestanden habe. Unter den Persern dagegen führte
schon Zoroaster Monogamie ein, und bei ihnen scheinen überhaupt die Frauen eine würdigere Stellung eingenommen zu haben als
bei den übrigen asiatischen Völkern, was schon daraus hervorgeht, daß der Perser bloß in dem Fall der Unfruchtbarkeit einer
Frau sich eine andre nehmen durfte, und überdies nur mit Einwilligung der erstern.
Die Zustände der Inder haben viele Ähnlichkeit mit denen der Chinesen; Polygamie ist erlaubt, kommt aber selten vor. Es besteht
kein Verbot, aus einer Kaste in die andre zu heiraten, woraus viele Zwischen- oder Mischkasten entsprangen. In Ägypten war
die Polygamie beschränkt, und man begegnete dort den Frauen mit mehr Achtung. Sicher ist es, daß der Priesterkaste
nur Monogamie gestattet war. Bei den Juden wurde die Vielweiberei auch von Moses nicht abgeschafft; meist hatte der Mann vier
Frauen, zwei wirkliche und zwei Sklavinnen. Er konnte sich ohne alles Weitere von dem Weib scheiden und war nicht
einmal verpflichtet, der Verstoßenen Unterhalt zu gewähren.
Die Mädchen wurden verkauft, bisweilen um sehr sonderbare Kaufpreise (vgl.
1. Sam. 18, 21-27).
Erst nach der babylonischen Gefangenschaft schwand die Polygamie. Durch die höhere Bildungsstufe, auf welcher Griechen und
Römer standen, wurde bei ihnen auch eine humanere Behandlung des weiblichen Geschlechts und eine würdigere
Regelung der ehelichen Verhältnisse herbeigeführt. Von einem eigentlichen Familienleben war aber auch bei ihnen noch nicht
die Rede.
Das öffentliche Leben, der Staat, absorbierte fast alle übrigen Verhältnisse; so kam es denn, daß auch die Ehe vielfach
als eine Art Staatsanstalt betrachtet wurde. Durch den ihnen angebornen politischen Sinn wurden die Griechen
zur Monogamie hingeleitet, womit auch in den übrigen sozialen Verhältnissen eine Hauptwurzel des asiatischen Despotismus
vernichtet wurde. Am tiefsten unter allen griechischen Völkern standen in der Behandlung ihrer Frauen die Spartaner, welche
die Ehe bloß als Mittel betrachteten, um dem Vaterland gesunde, kräftige Krieger zu verschaffen, aus welchem
Grunde die Mädchen zu körperlichen Übungen angehalten, aber auch Ehelosigkeit (Agamia) sowie Mißheirat (Kakogamia) und zu
späte Heirat (Opsigamia) bestraft wurden. Zu demselben Zweck war es den spartanischen Frauen zu Zeiten, wo ihre Männer im Krieg
abwesend waren, erlaubt, sich mit andern, besonders schönen und kräftigen jungen Leuten, einzulassen.
Die auf diese Weise erzielten Kinder (Parthenier) wurden von Staats wegen erzogen. Die Ehe zwischen Verwandten in gerader Linie
war verboten. In Athen finden wir die Frauen mehr zurückgehalten als bei den Doriern, doch wurden dieselben im allgemeinen
weit besser behandelt; nicht bloß der Mann, sondern auch die Frau wurde als berechtigter Teil in der
Ehe betrachtet. Keine athenische Bürgerin durfte eine Ehe ohne Einwilligung ihrer Eltern schließen, auch war in gewissen Fällen
die Verheiratung naher Verwandten verboten. Dagegen war die Ehe unter
mehr
Verwandten Pflicht, wenn ein Bürger bloß eine Erbin hinterlassen hatte, in welchem Fall diese den nächsten ihrer Anverwandten
ehelichen mußte, um das Vermögen der Familie zu erhalten. Den Römern war es vorbehalten, den eigentlichen Begriff der Ehe herauszufinden.
Trotz des Versuchs mehrerer Kaiser, der Polygamie Eingang zu verschaffen, blieb die Ehe monogamisch. Ehelosigkeit
wurde bestraft, fruchtbare Ehen dagegen begründeten gewisse Rechte (jus liberorum).
Das strenge römische Zivilrecht erkennt von jeher nur eine Art der Ehe an unter den Namen nuptiae, justae nuptiae, justum matrimonium;
aber selbst diese konnte verschiedenerlei Wirkungen haben, je nachdem sie die Ehefrau in die volle Familiengewalt
(manus) des Mannes brachte oder nicht. Sie war nur bei römischen Bürgern möglich und unterschied sich dadurch von dem Matrimonium
juris gentium, der Ehe zwischen Peregrinen oder zwischen römischen Bürgern und Peregrinen.
Außerdem bestand noch ein gesetzlich zulässiges außereheliches Verhältnis, das Konkubinat, welches nur darin von der Ehe verschieden
war, daß die Konkubine nicht Genossin des Ranges und Standes ihres Mannes ward. Die eheliche Verbindung der
Sklaven hieß Kontubernium. Bei den altgermanischen Völkern finden wir Polygamie erlaubt, aber nur sehr selten (»Standes halber«,
wie Tacitus sagt) vorkommend. Der Mann gab eine Brautgabe an die Frau, meist in Rindern, gezäumten Pferden,
Waffen etc. bestehend. Besonders ausgezeichnet sind die Germanen durch ihre strenge Bewahrung der ehelichen Treue und durch
die schweren Strafen, welche auf deren Verletzung gesetzt waren. Bei einzelnen Völkerschaften bestand die Sitte, daß nur Jungfrauen
heiraten durften, wodurch den Witwen die Möglichkeit einer zweiten Verehelichung abgeschnitten war.
Auf mehrere Aussprüche der Apostel gestützt, erkannte die christliche Kirche von Anfang an nur die Monogamie
an, die sie übrigens überall schon verbreitet fand, indem die Römer in allen Ländern, wohin sie ihre Gesetzgebung getragen
hatten, gerade auf die Ehe einen entschiedenen Einfluß geübt hatten. Anfangs blieben die Bestimmungen des römischen
Rechts in Gültigkeit; allein als die Kirche nach und nach anfing, ihre Macht auszubreiten, kam es bald
dahin, daß sie sich vermöge des in der Ehe liegenden religiösen Elements ganz und gar derselben bemächtigte. So erhielten
im Orient seit dem 7. Jahrh. (und seit der Christianisierung der Germanen auch im Occident) die kirchlichen
Sanktionen das Übergewicht.
Gestützt auf
Eph. 5, 32,. wo die Ehe ein Mysterium genannt wird, was die Vulgata mit Sacramentum übersetzt, legte man der Ehe selbst
das Prädikat Sacramentum bei, und noch heutzutage erkennt die katholische Kirche die Ehe als eins der sieben Sakramente an. Von
nur vorübergehendem Einfluß war in der ersten Zeit des Christentums der übergroße Purismus, durch welchen
sich die Anhänger jener Religion auszeichneten. Wie alle Sinnenlust, so betrachtete man auch den Umgang der beiden Geschlechter
als etwas Sündliches, und die Ehe wurde fast nur als ein notwendiges Übel geduldet.
Wie sich zur Zeit der Entwickelungsperiode der germanischen Welt, im Mittelalter, in allen Verhältnissen
die schreiendsten Gegensätze ausbildeten, so geschah dies auch hinsichtlich der Ehe. Während wir auf der einen Seite die allerreinste,
das weibliche Geschlecht fast als göttliches verehrende Liebe erblicken, wie bei den Troubadouren und Minnesängern, sehen wir
auf der andern Seite Einrichtungen sich entwickeln, die der
rohesten Barbaren würdig gewesen wären,
wie das Jus primae noctis mancher Gutsherren.
Doch bleibt dem Mittelalter immer das Verdienst, daß sich in ihm ein eigentliches Familienleben herausbildete. Das Konkubinat
ward durch die Reichspolizeiordnung von 1577 als etwas Unsittliches und Gemeingefährliches verboten. Neben der vollwirksamen
Ehe kommen bei germanischen Völkern noch vor die Ehen zur linken Hand (morganatische Ehen, matrimonium
ad morganaticam, matrimonium ad legem salicam), welche sich darin von der eigentlichen Ehe unterscheiden, daß die
Frau nicht den Rang und Stand des Mannes teilt und die Kinder bezüglich der Succession in Lehen und Fideikommisse nicht die vollen
Rechte haben.
Ursprünglich auf die Ehe zwischen einer freien und einer unfreien Person beschränkt, steht dies Institut noch jetzt mit den
Verhältnissen des hohen Adels im Zusammenhang, bei welchem allein es heutzutage noch vorkommen kann (s. Ebenbürtigkeit).
Was die nichtchristlichen Völker der Neuzeit anlangt, so modifizieren die Juden ihre Eheverhältnisse
mehr oder minder nach den in den Ländern, wo sie sich aufhalten, herrschenden gesetzlichen Grundbestimmungen. Bei den Mohammedanern
herrscht Polygamie, doch auch nur unter der reichern Klasse.
Der vornehme Türke hat gewöhnlich gemäß den Bestimmungen der vierten Sure des Korans vier Weiber und außerdem noch eine
beliebige Anzahl von Sklavinnen, welche ihm als Konkubinen dienen. Verboten ist die Ehe mit den Weibern
des Vaters, mit den Müttern, Schwestern, Töchtern, Muhmen, mit den Töchtern der Brüder und Schwestern, mit den Säugammen
und Milchschwestern, den Müttern der Weiber, den Stieftöchtern sowie mit schon verehelichten Weibern, mit Ausnahme der Sklavinnen.
Als Kuriosität ist zu bemerken, daß auf der malabarischen Küste Polyandrie (Mehrheit von Männern) besteht.
Dieselbe kommt auch in Vorderindien, in Tibet und im Himalaja vor. Endlich ist auch noch der Sekte der Mormonen (s. d.) zu gedenken,
bei welcher die Polygamie üblich ist.
Voraussetzungen der Eheschließung.
Insofern die Ehe als ein Rechtsverhältnis zu betrachten, erscheint dieselbe als ein Vertrag, welchem nach
deutschem Eherecht meist noch ein präparatorischer Vertrag vorhergeht: das Sponsalium, Verlöbnis, Eheversprechen, das aber
nicht geradezu als notwendig erfordert wird (s. Verlöbnis). Der Abschluß der Ehe selbst kann, wie der jedes rechtlichen Geschäfts,
nur unter gewissen Voraussetzungen erfolgen. Ein Ehehindernis (impedimentum matrimonii) ist jeder Grund,
welcher dem Zustandekommen einer Ehe entgegensteht, sei es, daß die natürliche Fähigkeit zur Ehe fehlt,
oder daß dieser besondere gesetzliche Verbote entgegenstehen.
Die Ehehindernisse sind entweder trennende (impedimenta dirimentia) oder aufschiebende (impedimenta impedientia), je nachdem
die trotz derselben abgeschlossene Ehe nichtig ist, oder je nachdem sie gültig bleibt, wofern
nur das Ehehindernis beseitigt wird. Ferner unterscheidet man Impedimenta publica und I. privata (öffentliche und private
Ehehindernisse). Die Berücksichtigung der Impedimenta publica wird von Amts wegen überwacht, wie z. B. das Ehehindernis wegen
Verwandtschaft. Die Impedimenta privata dagegen werden nur insofern berücksichtigt, als der andre Ehegatte oder ein
dritter Berechtigter dieselben geltend macht, wie z. B. Zwang zur Eingehung der Ehe. Absolute Hindernisse
sind solche, welche jemand die Ehe überhaupt unmöglich machen, relative solche, welche die
mehr
Ehe nur für bestimmte Personen verhindern. Zu den erstern gehören: Fehler der physischen Fähigkeit, wie Mangel der Ehemündigkeit,
also zu junges Alter (nach römischem Recht wurde Pubertät [für Männer 14, für Weiber 12 Jahre], nach dem deutschen Reichsgesetz
vom betreffend die Beurkundung des Personenstandes und der Eheschließung, werden für Männer
20, für Weiber 16 Jahre gefordert), Kastration und Impotenz; Mangel der Fähigkeit zu einer Willensbestimmung: Wahnsinn, Trunkenheit.
Bei mangelnder Ehemündigkeit ist nach dem angezogenen deutschen Reichsgesetz Dispensation zulässig. Wer schon verheiratet
ist, kann keine fernere Ehe eingehen (impedimentum ligaminis); diejenigen, welche das Gelübde der Keuschheit abgelegt haben,
sind nach katholischem Kirchenrecht durch dasselbe von dem Eingehen einer Ehe abgehalten, namentlich also katholische Geistliche.
Witwen dürfen während des Trauerjahrs um ihren Gatten, nach dem deutschen Reichsgesetz vom während der ersten zehn
Monate nach seinem Tod, nicht wieder heiraten; doch ist Dispensation zulässig.
Ein absolutes, meist nur aufschiebendes Hindernis ist Mangel der Einwilligung von seiten der Eltern,
Verwandten, Vormünder und Vorgesetzten. Nach dem angezogenen deutschen Reichsgesetz bedürfen eheliche Kinder, solange der
Sohn das 25., die Tochter das 24. Lebensjahr nicht vollendet haben, der Einwilligung des Vaters, nach dem Tode des Vaters der
Einwilligung der Mutter und, wenn sie minderjährig sind, auch der Einwilligung des Vormundes. Sind beide
Eltern verstorben, so bedürfen Minderjährige der Einwilligung des letztern.
Uneheliche Kinder sind in dieser Beziehung wie vaterlose eheliche Kinder zu behandeln. Es kann aber bei grundloser Vertagung
der Einwilligung großjährigen Kindern gegenüber das Gericht dieselbe ergänzen. Personen, die im öffentlichen
Kirchen-, Hof-, Zivil- oder Militärdienst stehen, bedürfen des Ehekonsenses von seiten der vorgesetzten Dienstbehörde. Zu
den relativen Hindernissen gehört zunächst die Verwandtschaft. Das mosaische Recht verbot die Ehe mit der Mutter, mit des Sohnes
Tochter, mit der Tochter Tochter, mit der vollbürtigen und halbbürtigen Schwester, mit der Mutter Schwester.
Im römischen Recht bestanden Eheverbote zwischen Aszendenten und Deszendenten, zwischen Personen, die im Respectus parentelae
(Verhältnis zwischen Oheim oder Tante einerseits und Neffen oder Nichte anderseits) standen, und zwischen Geschwistern.
Das kanonische Recht stellte strengere Regeln auf und verbot nicht bloß die Ehe zwischen Geschwisterkindern, sondern selbst
die zwischen Andergeschwisterkindern (sobrini), also bis zum 6. Verwandtschaftsgrad einschließlich nach
römischer Komputation. Um die Eheverbote und mit diesen die Dispensationsgebühren zu mehren, ließ man später zwar den
Worten nach das Verbot bis zum 6. Grad fortbestehen, führte aber eine neue Zahlungsart der Grade ein, die sogen. Computatio
canonica, bei welcher nicht, wie bei der römischen Berechnungsweise, die Zeugungen auf beiden Linien,
sondern nur auf der einen und zwar der längern gezählt werden.
Hiernach waren also durch das kanonische Recht die Ehen erst vom 14. Grad römischer Komputation an erlaubt. Papst Innocenz III.
beschränkte jedoch 1216 die Eheverbote wieder bis auf den 4. Grad kanonischer Komputation inklusive. Nach
evangelischem Kirchenrecht ist die gerade Linie durchgehends ein vernichtendes, indispensables öffentliches Ehehindernis, die
Seitenlinie desgleichen im 1. Grad, also in Ansehung der Geschwister. Außerdem bestand früher
ein dispensables Ehehindernis
in dem vorhandenen Respectus parentelae.
Auch die Schwägerschaft bildet ein Ehehindernis. Nach mosaischem Recht war verboten die Ehe mit der Stiefmutter,
Stieftochter, Schwiegermutter, Schwiegertochter, Tochter des Stiefsohns und der Stieftochter, des Bruders Frau und des Vatersbruders
Frau. Hatte aber der verstorbene Bruder mit seiner Frau keinen Sohn erzeugt, so war die Ehe mit seiner Witwe nicht nur erlaubt,
sondern sogar eine Pflicht (Leviratsehe). Das römische Recht untersagte die Ehe zwischen verschwägerten
Aszendenten und Deszendenten; in der Seitenlinie war Schwägerschaft meist kein Hindernis, erst später wurde Verheiratung mit
der Frau des verstorbenen Bruders und der Schwester der verstorbenen Frau verboten.
Von dem kanonischen Recht wurden, ähnlich wie bei der Verwandtschaft, die Verbote unter Verschwägerten unmäßig ausgedehnt;
doch setzte Innocenz III. dies Verbot bis auf den 4. Grad herab, und das evangelische Kirchenrecht verminderte
die Verbote des kanonischen Rechts ebenso wie bei der Verwandtschaft. Ein ferneres Ehehindernis war die Adoptivverwandtschaft
und Schwägerschaft. Das römische Recht verbot nicht nur die Ehe zwischen Adoptiveltern und Adoptivkindern sowie zwischen dem
Adoptivkind und dem Agnaten des Adoptivvaters, sondern auch die Ehe des Adoptivvaters mit der Witwe des
Adoptivsohns und umgekehrt.
Das tridentinische Konzil leitete endlich auch aus der durch Taufe und Firmung entspringenden Cognatio spiritualis Ehehindernisse
zwischen dem Taufenden sowie zwischen dem Paten und dem Taufkind und analog bei der Firmung her. Die evangelische
Kirche und ebenso die neue deutsche Reichsgesetzgebung verwerfen jedoch den ganzen Begriff. Nach römischem Rechte durften ferner
der Vormund und dessen Sohn die Mündel vor abgelegter Vormundschaftsrechnung nicht heiraten.
Das deutsche Reichsgesetz vom hat dies Impediment beibehalten und die Eheschließung eines Pflegebefohlenen mit seinem
Vormund oder dessen Kindern während der Dauer der Vormundschaft für unzulässig erklärt. Doch kann eine
gleichwohl abgeschlossene Ehe als ungültig nicht abgefochten werden. Im übrigen kennt des Gesetz vom (§ 33) folgende
Ehehindernisse:
1) Verwandtschaft in auf- und absteigender Linie;
2) das Verhältnis zwischen voll- und halbbürtigen Geschwistern, 3) zwischen Stiefeltern und Stiefkindern,
Schwiegereltern und Schwiegerkindern jeden Grades, gleichviel ob dies Verhältnis auf ehelicher oder außerehelicher Geburt beruht,
und ob die Ehe, durch welche die Stief- oder Schwiegerverbindung begründet ist, noch besteht oder nicht;
4) das Rechtsverhältnis zwischen Personen, von denen die eine die andre an Kindes Statt angenommen hat,
während der Dauer desselben;
5) endlich ist die Ehe untersagt zwischen einem wegen Ehebruchs Geschiedenen und seinem Mitschuldigen, doch kann von diesem
letztgedachten Ehehindernis dispensiert werden. Dagegen ist die katholische Priesterweihe ein staatliches Ehehindernis nicht
mehr. Weiter hat das gedachte Gesetz, abgesehen von den bereits besprochenen und von ihm beibehaltenen
dispensabeln Hindernissen der noch nicht erreichten Ehemündigkeit, des mangelnden Konsenses und des für Witwen bestehenden
Verbots des Abschlusses einer anderweiten Ehe vor Ablauf des zehnten Monats seit Beendigung der frühern Ehe, verordnet, daß
an den partikularistischen Bestimmungen über die Wirkungen des Zwanges, Irrtums und Betrugs auf die Gültigkeit
der Ehe nichts geändert
mehr
werden solle. Ebenso ist das Verbot wiederholt, daß niemand eine neue Ehe schließen dürfe, bevor seine frühere
Ehe aufgelöst, für ungültig oder für nichtig erklärt sei (s. Bigamie). Was aber den Zwang als Ehehindernis anbetrifft, so
gilt eine Eheschließung als erzwungen, wenn jemand durch absolute oder durch psychische Gewalt, z. B.
durch ernstliche Drohung eines bedeutenden Übels, zur Eheschließung genötigt worden ist. Dahin gehört aber nicht der sogen.
Metus reverentialis, d. h. die Furcht vor dem elterlichen Zorn im Fall einer Weigerung.
Entführung war im römischen Recht ein absolut vernichtendes Ehehindernis, heute fällt sie lediglich unter den Gesichtspunkt
des Zwanges. Der Irrtum kann ebenfalls einen Grund zur Annullierung der Ehe abgeben, so Irrtum über die Identität
der Person, über Eigenschaften, welche bei Eingehung der Ehe ausdrücklich zur Bedingung gemacht worden sind, z. B. Virginität,
über körperliche, bereits bei Eingehung der Ehe vorhandene Gebrechen, welche die Zwecke der Ehe vereiteln, etc. Dagegen ist
der Betrug nicht als ein besonderes Ehehindernis zu betrachten, sondern es hängt hier alles von dem Grade
des durch den Betrug hervorgerufenen Irrtums ab. Was die Religionsverschiedenheit (disparitas cultus) anlangt, so waren nach
gemeinem Kirchenrecht Ehen mit Juden, Heiden oder Mohammedanern unstatthaft.
Die moderne Gesetzgebung hat jedoch jene Ehehindernisse, welche aus der Verschiedenheit der Konfessionen
entnommen waren, mehr und mehr beseitigt, und das nunmehrige deutsche Reichsgesetz vom hat alle Beschränkungen
der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte aus der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses und somit auch alle
derartigen Eheverbote aufgehoben. Schon zuvor war durch Gesetz vom welches jedoch in Bayern und
in Elsaß-Lothringen noch keine Gültigkeit erlangt hat, bestimmt worden, daß Bundesangehörige künftighin zur Eingehung
einer Ehe oder zu der damit verbundenen Gründung eines eignen Haushalts weder des Besitzes noch des Erwerbs der Gemeindeangehörigkeit
oder des Einwohnerrechts, noch der Genehmigung seitens der Gemeinde, der Gutsherrschaft oder des Armenverbandes,
noch einer obrigkeitlichen Erlaubnis bedürfen sollten.
Überhaupt geht die Tendenz der modernen Bevölkerungspolitik auf möglichste Beseitigung polizeilicher Ehebeschränkungen
(s. Bevölkerung, S. 854). Was die Dispensation von Ehehindernissen anbelangt, so war früher in der katholischen Kirche für
alle vernichtenden Ehehindernisse und für das aufschiebende Ehehindernis der Ketzerei der Papst allein
zur Dispensation befugt. In allen übrigen Fällen war der Bischof kompetent. In der evangelischen Kirche erteilen die Dispensation
je nach der Wichtigkeit der Fälle der Landesherr oder die hierzu geordneten Behörden.
Das oft erwähnte deutsche Reichsgesetz vom hat dagegen ausdrücklich verordnet, daß die Befugnis zur Dispensation
von Ehehindernissen nur dem Staat zustehen solle. Über die Ausübung dieser Befugnis haben die Landesregierungen
zu bestimmen. Ist bei einer ungültigen Ehe das der Gültigkeit entgegenstehende Ehehindernis einem Ehegatten unbekannt gewesen
(Glaubens-, Putativehe, matrimonium putativum), so gilt derselbe insoweit und so lange als rechtmäßiger Ehegatte, und
die aus einer solchen Verbindung hervorgegangenen Kinder haben die rechtliche Stellung von ehelichen.
Wer übrigens bei Eingehung einer Ehe dem andern Teil ein gesetzliches Ehehindernis arglistig verschweigt, oder wer den andern
Teil zur Eheschließung arglistig mittels einer solchen Täuschung
verleitet, welche den Getäuschten berechtigt, die Gültigkeit
der Ehe anzufechten, wird nach dem deutschen Strafgesetzbuch (§ 170), wenn aus einem dieser Gründe die
Ehe aufgelöst worden ist, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Doch tritt die strafrechtliche Verfolgung nur
auf Antrag des getäuschten Teils ein.
Form der Eheschließung.
Das römische Recht faßte die Eheschließung wesentlich aus dem Gesichtspunkt eines Vertrags auf; daraus erklärt es sich,
daß Hochzeitsgebräuche wohl üblich waren, daß sich mit der Zeit auch der Brauch einer kirchlichen Weihe des Ehebündnisses
(hierologia, Kopulation, Trauung) ausbildete, daß aber die Gültigkeit der Ehe selbst von diesem religiösen Weiheakt keineswegs
abhängig war. Ebensowenig war die kirchliche Trauung ursprünglich nach kanonischem Recht zur bürgerlichen Gültigkeit der
Ehe erforderlich; es gehörte dazu lediglich die übereinstimmende Willenserklärung der Verlobten.
Daher bezeichnet das kanonische Recht Ehe und Verlöbnis mit einem und demselben Wort: »Sponsalia« und läßt das Verlöbnis (sponsalia
de futuro) schon durch die fleischliche Verbindung der Verlobten von selbst zur Ehe (sponsalia de praesenti) werden. Indessen
waren mit diesem formlosen Abschluß der Ehe manche Mißstände verbunden, weshalb das tridentinische Konzil
(1563) die Gültigkeit der Ehe von der Konsenserklärung der Brautleute vor dem Pfarrer und vor zwei oder drei Zeugen nach vorgängigem
Aufgebot abhängig machte.
Hieran sollte sich als angemessene und übliche Form der Eheschließung die kirchliche Trauung anschließen. Auch
nach den Satzungen des tridentinischen Konzils ist indessen die Trauung nichts andres und nicht mehr als ein kirchlicher Weiheakt.
Das Wesentliche ist die Konsenserklärung. Zuständig ist zu deren Entgegennahme der Pfarrer des Wohnorts der Brautleute oder
ein von diesem durch einen Entlaßschein (dimissoriale) hierzu ermächtigter Geistlicher. Zu gewissen Zeiten, namentlich
zur Advents- und Fastenzeit (geschlossene Zeit), sollen keine kirchlichen Trauungen vorgenommen werden; doch ist Dispensation
statthaft.
Das protestantische Eherecht schloß sich ursprünglich dem kanonischen Recht an. Es bildete sich jedoch bald der Grundsatz
aus, daß die priesterliche Einsegnung der Ehe zu einer gültigen Eheschließung erforderlich sei. Die Unterlassung des auch
in der protestantischen Kirche vorgeschriebenen Aufgebots (s. d.) dagegen machte die gleichwohl abgeschlossene Ehe nicht
zu einer ungültigen. Erst in neuerer Zeit brach sich mehr und mehr die Auffassung Bahn, daß die bürgerliche Gültigkeit
der Ehe von dem religiösen Akt unabhängig sein müsse.
Diese Auffassung entspricht dem unser heutiges öffentliches Recht beherrschenden Grundsatz der Religions-
und Gewissensfreiheit. Sie findet ihre Anerkennung in dem Rechtsinstitut der Zivilehe oder Ziviltrauung, d. h. in der Konsenserklärung
der Brautleute vor einem staatlichen Beamten (Standesbeamten), wodurch die Ehe zu einer bürgerlich vollwirksamen
wird. Schon in der Mitte des 17. Jahrh. führte in Holland die religiöse Duldsamkeit zu einer gesetzlichen
Anerkennung der bürgerlichen Eheschließung, und zu derselben Zeit wurde in England, allerdings nur vorübergehend, die Zivilehe
eingeführt. Die französische Revolution führte in Frankreich die obligatorische Zivilehe ein, entsprechend dem Grundsatz der
Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Daß nämlich der Staat die bürgerliche Wirksamkeit der Eheschließung und die
Form der letztern durch seine Gesetzgebung
mehr
normieren kann, unterliegt keinem Zweifel. Er wird dadurch allen Religionsparteien gerecht und vermeidet wenn auch nicht den
Widerstreit der religiösen Auffassungen verschiedener Konfessionen, so doch dessen nachteilige Wirkung in Ansehung einzelner
Staatsbürger bei dem Vorhaben einer Eheschließung. Zu diesem Zweck muß aber die Zivilehe eine obligatorische sein, d. h.
der bürgerliche Eheschließungsakt muß unter allen Umständen und für alle Staatsangehörigen in gleicher
Weise gefordert werden, indem es den Brautleuten überlassen bleibt, ob sie neben der zivilen Eheschließung noch um
die kirchliche Weihe ihres Ehebundes nachsuchen wollen oder nicht.
Besteht die Möglichkeit der bürgerlichen Trauung nur aushilfsweise für den Fall, daß die kirchliche
Trauung nicht erlangt werden kann (Notzivilehe), wie z. B. in Österreich (Gesetz vom für die Konfessionslosen,
oder läßt das Gesetz, wie es in England für die zur Staatskirche Gehörigen der Fall ist, den Brautleuten zwischen der kirchlichen
und der bürgerlichen Eheschließung die Wahl (fakultative Zivilehe), so hat ein solches System weit eher
den Charakter einer Opposition gegen Kirche und Religion, ganz abgesehen davon, daß jene Systeme den Charakter der Ausnahmegesetze
tragen.
Durch die obligatorische Zivilehe dagegen ist eine allgemeine Norm für alle Eheschließungen aller Konfessionen gegeben, ohne
daß dabei das Bedürfnis der Verlobten nach kirchlicher Trauung und Einsegnung irgendwie beeinträchtigt
wird. Dies System ging von Frankreich aus auch in diejenigen deutschen Territorien über, in welchen das französische bürgerliche
Gesetzbuch Gesetzeskraft erlangt hat, nämlich Rheinbayern, Rheinpreußen, Rheinhessen und Birkenfeld.
Aus den deutschen Grundrechten von 1848 erhielt sich die obligatorische Zivilehe nur für die Stadt Frankfurt a. M. in Geltung,
und 1870 schloß sich auch Baden jenem System an, nachdem dort zuvor, ebenso wie in verschiedenen andern deutschen Staaten,
schon die fakultative Zivilehe eingeführt gewesen war. Der Kulturkampf in Preußen, welcher sich im Anschluß an die Verkündigung
des Dogmas von der päpstlichen Unfehlbarkeit auf dem Konzil von 1870 entspann, machte die Einführung der
Zivilehe zur Notwendigkeit, und so ist dieselbe und zwar die obligatorische Ziviltrauung zunächst für die preußische Monarchie
durch Gesetz vom demnächst aber durch das wiederholt angeführte Reichsgesetz vom für das gesamte Reichsgebiet
eingeführt worden. In Italien war die obligatorische Zivilehe bereits in Kraft getreten, wie
sie denn auch in der Schweiz, in England für die Dissenters, in Dänemark, Schweden und Norwegen, in den Donaufürstentümern,
in Mexiko und teilweise auch in Südamerika eingeführt, auch in Spanien vorübergehend während der Republik in Geltung gewesen
ist. In Deutschland hat sich in neuester Zeit eine rückläufige Bewegung gegen die obligatorische Zivilehe
geltend gemacht, die jedoch nicht über das Stadium der Petitionen hinausgekommen ist, wenn sich auch Fürst Bismarck im Reichstag
nicht ungünstig für solche Bestrebungen ausgesprochen hat.
Nach dem Reichsgesetz vom (§ 41 ff.) erfolgt die Eheschließung nach stattgehabtem
Aufgebot (s. d.) vor dem Standesbeamten, in dessen Bezirk einer der Verlobten seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort
hat. Auf schriftliche Ermächtigung des zuständigen Standesbeamten hin darf die Eheschließung auch vor dem Standesbeamten
eines andern Ortes stattfinden. Der Mangel der Zuständigkeit des Standesbeamten zieht
die Nichtigkeit der Ehe nicht nach sich.
Die Eheschließung erfolgt in Gegenwart von zwei großjährigen Zeugen durch die an die Verlobten einzeln und nacheinander
gerichtete Frage des Standesbeamten, ob sie erklären, daß sie die Ehe miteinander eingehen wollen, durch die bejahende
Antwort der Verlobten und durch den hierauf erfolgenden Ausspruch des Standesbeamten, daß er sie nunmehr kraft
des Gesetzes für rechtmäßig verbundene Eheleute erkläre. Hierauf erfolgt die Eintragung in das Heiratsregister.
Ein Geistlicher oder ein andrer Religionsdiener, welcher zu den religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung schreitet,
bevor ihm nachgewiesen worden ist, daß die Ehe vor dem Standesbeamten geschlossen sei, wird mit Geldstrafe bis zu 300 Mk. oder
mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. Das Reichspersonenstandsgesetz hat übrigens (§ 82) ausdrücklich
erklärt, daß die kirchlichen Verpflichtungen in Beziehung auf die Trauung durch dieses Gesetz nicht berührt werden.
Auch ist die katholische Kirche bei ihren bisherigen Vorschriften gegenüber diesem Gesetz, welches sich ja lediglich auf die
bürgerliche Gültigkeit der Ehe bezieht, einfach stehen geblieben. Dagegen sind für die protestantische
Kirche in den meisten deutschen Staaten Trauordnungen infolge jenes Reichsgesetzes erlassen worden. Mitunter ist darin als Folge
der verweigerten kirchlichen Trauung der Verlust des aktiven und passiven kirchlichen Wahlrechts und des Rechts, Taufpate zu
sein, statuiert, auch wohl der Ausschluß vom heiligen Abendmahl als zulässig erklärt.
Indessen sind die Fälle, in welchen die nachfolgende kirchliche Trauung nicht nachgesucht wird, verhältnismäßig selten.
Angehörige des Deutschen Reichs können im Ausland nach dem Bundes- (Reichs-) Gesetz vom auch vor einem zuständigen
Reichskonsul oder vor einem sonst hierzu ermächtigten diplomatischen Vertreter rechtsgültig eine Ehe schließen.
Eine Eheschließung im Weg der Stellvertretung oder im Weg der Prokuratur kann nach dem deutschen Personenstandsgesetz nicht
stattfinden.
Bei fürstlichen Personen wird indessen zuweilen diese Form gewählt, die nach kanonischem Recht auf Grund eines Spezialmandats
zulässig ist, aber nachträgliche ausdrückliche Zustimmung des abwesenden Teils erheischt. Eine sogen.
Gewissensehe (matrimonium conscientiae), d. h. eine Vereinigung von Mann und Weib zu einem ehelichen Beisammensein auf Lebenszeit
ohne Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften, bloß durch gegenseitige Erklärung des Ehekonsenses, ist rechtlich lediglich
als eine Form des Konkubinats zu betrachten.
Wirkungen der Eheschließung.
Wenn auch die Bedeutung der Ehe zunächst eine religiös-sittliche ist, so übt dieselbe doch
einen so erheblichen Einfluß auf die menschlichen Lebensverhältnisse aus, daß die bürgerliche Gesetzgebung sich der Aufgabe
nicht entziehen kann, die Ehe als Rechtsinstitut zu normieren und den Ehebund unter strafrechtlichen Schutz zu stellen. Eine
Doppelehe (s. Bigamie) wird streng geahndet, und auch die Verletzung der ehelichen Treue kann öffentliche
Strafe nach sich ziehen (s. Ehebruch). Da die katholische Kirche die Ehe als Sakrament betrachtet, nimmt sie das Recht der Gesetzgebung
in Ehesachen in Anspruch, wie denn auch im Mittelalter und bis in die neuere Zeit hinein die Ehestreitigkeiten vor geistlichen
Gerichten verhandelt wurden. Wenn nun aber, wie es in Deutschland durch das Personenstandsgesetz geschehen,
der Staat die Ehesachen zum Gegenstand seiner Gesetzgebung macht, so können die
mehr
abweichenden kirchlichen Satzungen nicht mehr den Charakter zwingender Gesetze, sondern nur die Bedeutung von Vorschriften beanspruchen,
welche das Gewissen der einzelnen Katholiken binden. In privatrechtlicher Hinsicht ist das Eherecht, d. h. der Inbegriff der
auf die Ehe bezüglichen Rechtsnormen, von jeher Gegenstand der weltlichen Gesetzgebung gewesen. Aber gerade in Ansehung der
Wirkungen, welche die Ehe auf die Vermögensverhältnisse der Ehegatten ausübt (eheliches Güterrecht), ist in Deutschland keineswegs
ein einheitliches Rechtssystem zur Geltung gelangt.
Nur teilweise fanden die Bestimmungen des römischen Rechts Eingang, und auf keinem Rechtsgebiet ist die Zerrissenheit eine
gleich große und das Bedürfnis nach Abhilfe ein dringenderes als auf demjenigen des ehelichen Güterrechts.
Das in Vorbereitung befindliche allgemeine deutsche bürgerliche Gesetzbuch wird auch hier die so nötige Rechtseinheit bringen
(s. Güterrecht der Ehegatten). Im übrigen schulden sich die Ehegatten eheliche Treue und eheliche Pflicht.
Sie können nicht zum Zeugnis gegenüber dem Gatten gezwungen werden. Den Wohnort bestimmt der Ehemann.
Er kann von der Frau häusliche Dienste verlangen. Dafür hat die Frau von dem Ehemann standesgemäßen Unterhalt zu beanspruchen.
Dieselbe kann sich ohne Zustimmung des Mannes nicht vertragsmäßig verpflichten, wofern sie nicht eine Handelsfrau ist. In
häuslichen Geschäften hat jedoch das deutsche Recht der Ehefrau eine gewisse Vertragsfähigkeit eingeräumt (sogen.
Schlüsselrecht).
Die Frau teilt den Namen, den Rang, Stand und Gerichtsstand des Mannes, sofern es sich um eine vollwirksame und nicht etwa um eine
morganatische Ehe handelt. Diese Rechte verbleiben ihr auch im Witwenstand. Kinder aus einer legitimen Ehe sind gleichfalls legitim.
Die Ehefrau kann gegen den Ehemann auf Anerkennung der ehelichen Kinder klagen. Durch nachfolgende Ehe (per
subsequens matrimonium) können auch außereheliche Kinder die Rechte von ehelichen erhalten. Die Eltern haben die Pflicht,
ihre Kinder zu erhalten und zu erziehen. Auf der andern Seite ist für dieselben die elterliche und für den Vater insbesondere
die väterliche Gewalt begründet.
Auflösung der Ehe.
Eine Ehe wird entweder so getrennt, daß sie gänzlich aufhört, daß also eine neue Ehe möglich, oder so,
daß nur das eheliche Zusammenleben, nicht aber das Eheband selbst gelöst wird, also eine neue Ehe nicht möglich
ist. Der erstere Fall liegt vor bei dem Tod eines Ehegatten, bei richterlicher Nullitätserklärung sowie
bei der Ehescheidung. Der letzte Fall, die dauernde Scheidung von Tisch und Bett, Separatio perpetua quoad mensam et torum, ist
nur der katholischen Kirche bekannt.
Eine zeitweilige Scheidung von Tisch und Bett aber kennen beide Kirchen. Bei vorliegender Nichtigkeit würde es eigentlich einer
besondern Nichtigkeitsklage nicht bedürfen; es sind aber doch Klagen gegeben, welche auf die Nullitätserklärung
der Ehe gehen, sogen. Nullitätsklagen, wobei natürlich nur die trennenden, nicht die
zu beseitigenden Ehehindernisse entscheiden. Die Nichtigkeitsklage wird begründet durch Seelenstörungen, durch den Mangel
des gesetzlichen Alters, durch geflissentliche Verheimlichung solcher Übel, welche außerdem in die Sinne gefallen sein
würden und namentlich den Zwecken der Ehe mittelbar oder unmittelbar hinderlich sind, durch Körpergebrechen und Mängel,
die, als nicht sofort in die Sinne fallend, dem andern Teil unbekannt blieben, und wodurch die Begattung und Kindererzeugung
entweder ganz verhindert oder bedeutend erschwert, oder
der natürliche Antrieb dazu unterdrückt oder die Besorgnis
der Ansteckung und Übertragung auf die Kinder gerechtfertigt wird.
Was die Trennung einer rechtsgültigen Ehe anbelangt (Ehescheidung, divortium), so bestand bei den Römern vollkommene Scheidungsfreiheit;
jeder der Ehegatten konnte die Ehe einseitig auflösen (repudium mittere). Eine Auflösung mit gegenseitiger Übereinstimmung
(divortium bona gratia) war ganz ohne nachteilige Folgen für die beiden Parteien; hatte dagegen der eine
Ehegatte dem andern einseitig die Ehe ohne Grund aufgekündigt, oder hatte er ihm gegründete Ursache zur Auflösung der Ehe gegeben,
so waren gewisse vermögensrechtliche Nachteile damit verbunden.
Auch nach mosaischem Recht bestand vollkommene Scheidungsfreiheit. Christus erklärte
(Matth. 19, 8. f.) jedoch,
daß eine Scheidung nie nach menschlichem Willen erfolgen solle; bloß beim Ehebruch solle sie erlaubt sein.
Auch wird vor Wiederverehelichung gewarnt und dieselbe geradezu Ehebruch genannt. Deshalb entstand in der ältern Kirche ein
großer Streit, ob überhaupt eine Wiederverehelichung zuzulassen sei, der durch die Autorität Augustins dahin entschieden
wurde, daß ein Geschiedener bei Lebzeiten des andern Teils nicht wieder heiraten dürfe.
Doch wurde diese kirchliche Lehre keineswegs gleich ins Leben eingeführt; erst im 12. Jahrh. gelang es, die Ansicht von der
gänzlichen Unauflösbarkeit der Ehe überall zur Geltung zu bringen, welche man aus der Sakramentalität der Ehe herleitete.
Nur eine Scheidung von Tisch und Bett (separatio quoad mensam et torum) erlaubt die katholische Kirche, und
zwar eine beständige (perpetua) und zeitweilige (temporaria). Die Separatio perpetua erfolgt wegen Ehebruchs und wegen böslicher
Verlassung (malitiosa desertio), die Separatio temporaria dagegen aus gegenseitigem Haß und Feindschaft, wegen Abfalls vom katholischen
Glauben und Gefahr der Verführung für den andern Teil, wegen ansteckender Krankheit etc. Die katholische
Separatio perpetua wird partikularrechtlich in ihren zivilen Wirkungen oft der völligen Scheidung gleichgesetzt, und es wird
dem Gewissen der Getrennten überlassen, ob sie eine fernere Ehe eingehen wollen oder nicht. In Frankreich wurde während der
Republik die Scheidung den Eheleuten völlig freigegeben; Napoleon I. erklärte jedoch die eigenmächtigen
Scheidungen für unzulässig, und im Code Napoléon wurden nur Untreue des Mannes, die jedoch erst dann vorliegt, wenn er eine
Konkubine in der gemeinschaftlichen Wohnung gehabt hat, und Untreue der Frau, Mißhandlungen und grobe Injurien, Verurteilung zu
entehrenden Strafen und beiderseitige Einwilligung, doch nur, wenn der Mann über 25 und die Frau über 21 Jahre
alt ist, und unter vielen Förmlichkeiten, als gültige Scheidungsgründe anerkannt.
Nach evangelischem Kirchenrecht ist eine Ehescheidung auf zweifache Weise möglich, und zwar nicht nur eine Scheidung von Tisch
und Bett (quoad mensam et torum), sondern eine gänzliche Trennung der Ehegatten (quoad vinculum); nämlich
einmal in manchen protestantischen Ländern aus landesherrlicher Machtvollkommenheit, da der Landesherr nach evangelischem Kirchenrecht
das Oberhaupt der Landeskirche ist, und außerdem durch richterliches Erkenntnis. Es ist jedoch nicht unbestritten, ob das
landesherrliche Scheiderecht überhaupt noch zu Recht besteht. Durch gerichtliche Entscheidung kann eine Ehe getrennt
werden wegen Sodomie und Päderastie, fortgesetzter Verweigerung der ehelichen Pflichten, unversöhnlichen Hasses und Feindschaft,
Lebensnachstellung, Verhinderung der
mehr
Zeugung und Abtreibung der Leibesfrucht, Unfruchtbarkeit der Frau, Untüchtigkeit des Mannes, wegen entehrender Strafen, wegen
böslicher Verlassung und wegen Ehebruchs. Nach dem preußischen allgemeinen Landrecht dürfen auch wegen Wahnsinns des einen
Teils und auf Grund gegenseitiger Einwilligung kinderlose Ehen geschieden werden. Die Wirkung einer vollständigen Scheidung
besteht in der Auflösung des bisherigen Nexus in persönlicher und dinglicher Beziehung.
Die Vermögensverhältnisse werden mit Rücksicht auf Schuld und Unschuld gesondert und dabei bestimmte Vorteile und Nachteile
zuerkannt. Ob die Kinder einem der beiden Ehegatten allein zu überlassen sind, oder ob sie geteilt werden sollen, darüber
hat der Richter nach den Umständen des Falles zu bestimmen. Für das Deutsche Reich hat das Gesetz vom (§
77) die wichtige Bestimmung getroffen, daß, wenn nach bisherigem Recht auf beständige Trennung der Ehegatten vom Tisch und
Bett zu erkennen sein würde, fortan die Auflösung des Bandes der Ehe ausgesprochen werden soll.
Die Gerichtsbarkeit in Ehesachen stand früher allgemein den geistlichen Gerichten, in der evangelischen
Kirche den Konsistorien zu, ist aber allenthalben auf die weltlichen Behörden übergegangen. Nach dem Reichsgesetz vom und
nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz sind in streitigen Ehe- und Verlöbnissachen die bürgerlichen Gerichte ausschließlich
kompetent. Für Rechtsstreitigkeiten, welche die Trennung, Ungültigkeit oder Nichtigkeit einer Ehe oder
die Herstellung des ehelichen Lebens zum Gegenstand haben (Ehesachen), ist ausschließlich das Landgericht zuständig, bei
welchem der Ehemann seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (deutsche Zivilprozeßordnung, § 568 ff.). Das Verfahren in Ehesachen
(Eheprozeß) ist um deswillen ein eigentümliches, weil die Parteien über den Streitgegenstand, die Ehe, nicht
beliebig verfügen können.
Denn es handelt sich dabei nicht lediglich um ein Privatrechtsverhältnis. Darum kann z. B.
ein Eheprozeß nicht einfach durch ein Geständnis einer Partei erledigt werden, sondern das Gericht hat von Amts wegen darauf
Bedacht zu nehmen, daß die nötigen Beweise geführt werden, um objektiv den Sachverhalt darzulegen.
Darum kommen im Eheprozeß die Vorschriften über die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über Thatsachen
oder über die Echtheit von Urkunden, die Vorschriften über den Verzicht der Parteien auf die Beeidigung der Zeugen und Sachverständigen
sowie die Vorschriften über die Wirkungen eines Anerkenntnisses, eines gerichtlichen Geständnisses und
die Erlassung eines Eides nicht zur Anwendung.
Die Eideszuschiebung und der Antrag, dem Gegner die Vorlegung einer Urkunde aufzugeben, sind nicht zulässig, soweit es sich
um Thatsachen handelt, welche die Trennung, Ungültigkeit oder Nichtigkeit der Ehe begründen. Im Interesse der Erforschung der
materiellen Wahrheit, auf welche es im Eheprozeß ankommt, kann auch das persönliche Erscheinen der Parteien
vor Gericht verlangt und erzwungen werden. Die Staatsanwaltschaft ist zur Mitwirkung im Prozeßverfahren befugt.
Ein Versäumnisurteil ist gegen den Beklagten oder Widerbeklagten ausgeschlossen, es sei denn, daß er in einem zur Leistung
eines richterlichen Eides bestimmten Termin ausbleibt. Die Öffentlichkeit ist im Eheprozeß stets auf Antrag
einer Partei auszuschließen. Bevor ein Termin zur mündlichen Verhandlung über eine Ehescheidungsklage oder eine Klage auf
Herstellung des ehelichen Lebens stattfindet, muß bei dem Amtsgericht, bei welchem der Ehemann seinen
allgemeinen Gerichtsstand
hat, stets ein Sühnetermin stattgefunden haben, zu welchem die Parteien in Person erscheinen müssen.
Vgl.
außer den Lehrbüchern des Kirchenrechts und des Zivilprozesses: Unger, Die Ehe in ihrer welthistorischen Entwickelung (Wien 1850);
(Adulterium), die wissentliche Verletzung einer bestehenden Ehe durch den außerehelichen Beischlaf solcher
Personen, von denen mindestens die eine verheiratet ist. Leben in einem solchen Fall beide Personen in verschiedenen Ehen, werden
also durch den Ehebruch zwei Ehen verletzt, so spricht man von einem Doppelehebruch (adulterium duplex, Oberhurerei
in der peinlichen Gerichtsordnung Karls V. genannt), während, wenn nur eine der beiden schuldigen Personen verheiratet, ein
einfacher Ehebruch (adulterium simplex) vorhanden ist. Es erscheint jedoch im letztern Fall nach heutigem Recht auch der nicht verheiratete
Teil als Ehebrecher, wofern er nur von der Ehe des andern Kenntnis hatte.
Der Begriff des Ehebruchs ist nicht zu allen Zeiten derselbe gewesen. Die Römer beurteilten von jeher den Fall, wenn eine Ehefrau
die ihrem Ehemann schuldige Treue brach, anders und strenger als den Fall, wenn ein Ehemann sich mit einer andern, aber unverheirateten
Frau verging. Nur der erstere Fall erscheint nach römischem Recht, mit welchem in dieser Hinsicht auch das ältere deutsche
und das mosaische Recht übereinstimmen, als eigentlicher Ehebruch. Zudem begnügte sich das altrömische Recht damit, dem beleidigten
Ehemann oder demjenigen, welcher die treulose Ehefrau in seiner väterlichen Gewalt hatte, die Bestrafung
der Schuldigen zu überlassen; es war diesen gestattet, den auf der That ertappten Ehebrecher und die schuldige Frau eigenmächtig
zu töten.
Als dann an Stelle der ursprünglichen Sittenreinheit des römischen Volkes eine immer größere Verdorbenheit einriß, machte
sich die Aufstellung von Strafbestimmungen über den Ehebruch erforderlich, welche namentlich in der unter
Augustus erlassenen Lex Julia de adulteriis coërcendis in ausführlicher Weise gegeben wurden. Erst das kanonische Recht, die
Ehe als Sakrament betrachtend, ahndet die Verletzung der ehelichen Treue nicht bloß an der Ehefrau, sondern in gleicher Weise
an dem Ehemann und an der ledigen Konkumbentin eines solchen. In der peinlichen Halsgerichtsordnung Karls
V. (Carolina) ward für den Ehebruch die Todesstrafe beibehalten. Nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch (§ 172) wird der
mehr
Ehebruch an dem schuldigen Ehegatten und an dessen Mitschuldigen mit Gefängnis von einem Tag bis zu sechs Monaten bestraft. Die
Bestrafung eines vollendeten Ehebruchs setzt aber voraus: einmal, daß die in Frage stehende Ehe, welche durch den Ehebruch verletzt
wurde, rechtskräftig geschieden, und dann, daß ein besonderer Antrag auf Bestrafung von seiten des verletzten
Ehegatten gestellt worden sei. Erstere Bestimmung erscheint deshalb als gerechtfertigt, weil dadurch verhütet wird, daß
eine Anzeige wegen angeblich oder wirklich verübten Ehebruchs zur Erlangung von Vorteilen oder gar zu Erpressungen benutzt
werde, während sich die letztere Bestimmung durch die Rücksichtnahme auf das Familienleben und durch
den Umstand rechtfertigt, daß jeder Ehebruch in erster Linie als ein Eingriff in die individuelle Rechtssphäre des verletzten Ehegatten
erscheint, daher diesem auch überlassen bleiben muß, ob er den schuldigen Ehegatten bestraft haben will oder nicht.
Vgl.
Rosenthal, Die Rechtsfolgen des Ehebruchs (Würzb. 1880);
Bennecke, Die strafrechtliche Lehre vom Ehebruch (Marb. 1884 ff.).
alter deutscher Ausdruck für rechtsgültig, vom Gesetz anerkannt;
daher Ehehaften (ehehafte Nöte), nach dem
Gesetz gültige Entschuldigungsgründe für jemand, welcher der Ladung vor Gericht nicht Folge leistete, als welche in den ältesten
deutschen Rechtsaufzeichnungen angeführt werden: Krankheit, Herrendienst und Tod eines nahen Verwandten;
im weitern Sinn
s. v. w. rechtsgültige Hindernisse überhaupt.
(Heiratsbrief, Ehebrief, Ehepakten, Eherezeß, Pactum sponsalium, Sponsalium, Pacta dotalia), ein zwischen
Brautleuten errichteter Vertrag, in welchem sie sich die Ehe versprechen und die vermögensrechtlichen Verhältnisse sowohl
für die Dauer der Ehe als auch für die Zeit nach Auflösung derselben festsetzen.
1) (Ehingen an der Donau) Oberamtsstadt im württemberg.
Donaukreis, am Südfuß der Alb, an der Schmieche, unweit
der Donau, und an der Linie Ulm-Sigmaringen der Württembergischen Staatsbahn, ist Sitz eines Amtsgerichts, hat ein Gymnasium
mit einem katholischen Konvikt, 3 kath. Kirchen, ein reiches Hospital, Bierbrauerei, Wachszieherei, Bleicherei,
Hopfenbau, Uhrenfabrikation und (1880) 4065 Einw. Ehingen kommt
schon 961 vor, war seit 1228 Stadt und fiel 1805 von Österreich an Württemberg. -
2) Vorstadt von Rottenburg (s. d.) in Württemberg.
Louis, Komponist und Musikschriftsteller, geb. zu Königsberg, widmete sich zuerst
dem Kaufmannsstand, wandte sich jedoch bald (1845) der Musik zu und bildete sich um Konservatorium zu Leipzig sowie später
in Wien und Berlin für seinen neuen Beruf aus. Nach vorübergehender Wirksamkeit in seiner Vaterstadt ließ er sich 1850 in
Berlin nieder und wirkte hier mit Erfolg
als Lehrer (unter anderm auch an der Tausigschen Musikschule)
sowie als Kritiker bis 1873, wo er sich aus Familienrücksichten nach Wiesbaden zurückzog.
Hier starb er Als Komponist hat sich Ehlert nicht allein in Liedern und kleinern Klavierkompositionen, sondern auch
in großen Orchesterwerken, wie »Frühlingssymphonie«,
»Hafis-Ouvertüre« etc., bewahrt. Noch mehr Erfolg aber hat er als Schriftsteller gehabt, namentlich mit den Werken: »Briefe
über Musik an eine Freundin« (Berl. 1859, 3. Aufl. 1879),
(Ehnn-Sand), Bertha, Opernsängerin, geb. 1845 zu Pest, kam als Kind mit ihren Eltern nach Wien und erhielt später
ihre künstlerische Ausbildung im dortigen Konservatorium sowie privat im durch die Gesangslehrerin Frau Andriesen. Die Bühne
betrat sie zuerst 1864 in Linz als Irene und Agathe, gastierte dann an verschiedenen Bühnen Österreichs und Deutschlands, bis
sie 1865 in Stuttgart ein Engagement fand, welches sie jedoch drei Jahre später mit einem ungleich vorteilhafter an der k. k.
Hofoper in Wien vertauschte. Dort hat sie bis zur Gegenwart als vorwiegend dramatische Sängerin reichen
Beifall gefunden, nicht minder auch auf ihrer spätern Gastspielen, namentlich 1873 in Berlin, wo sie sich nach dem Abgang
der Lucca in deren Forcerollen Mignon, Margarete, Selika, Cherubin nicht nur gesanglich als ihr vollkommen ebenbürtig erwies,
sondern sie in Bezug auf die Darstellung noch übertraf.
Flecken im preuß. Regierungsbezirk und Landkreis Trier, an den Linien Koblenz-Perl und Köln-Trier der Preußischen
Staatsbahn, mit Eisengruben, Thonwarenfabrik, Obstbau und (1880) 2234 Einw.;
im subjektiven Sinn (honor, dignitas) die sittliche Würde einer Person; im objektiven Sinn (existimatio) die dieser
Würde entsprechende äußere Achtung, welche eine Person von andern beanspruchen kann. Dabei ist zwischen der allgemein menschlichen
und der bürgerlichen Ehre zu unterscheiden. Erstere ist diejenige Würde und Achtung, welche dem Menschen
als solchem zukommt und nach den Grundsätzen der Moral von ihm einerseits beobachtet werden muß und anderseits beansprucht
werden kann. In diesem Sinn pflegen schon die mittelalterlichen Rechtsbücher namentlich von der weiblichen Ehre zu sprechen.
Die bürgerliche Ehre dagegen ist die Anerkennung und Achtung, welche der Persönlichkeit als solcher, dem
Rechtssubjekt, gebührt, die wir als rechtsfähige Wesen - sei es überhaupt (sogen. gemeine Ehre), sei es in besondern Kreisen
und als Genossen eines gewissen Standes (sogen. besondere oder Standesehre) - in Anspruch nehmen können. Diese bürgerliche
Ehre ist der unmittelbare Ausfluß der Rechtsfähigkeit, und darum muß ein totaler oder teilweiser
Verlust der letztern auch den Verlust oder die Minderung der bürgerlichen Ehre nach sich ziehen; mit andern Worten: die Schmälerung
und der Verlust der bürgerlichen Ehre sind gleichbedeutend mit Minderung und Entziehung der Rechtsfähigkeit selbst.
Eine
mehr
völlige Ehrlosigkeit im wahren Sinn des Wortes aber, einen bürgerlichen Tod (s. d.), kennt unser heutiges deutsches Recht nicht
mehr, während nach römischem Rechte durch eine Capitis deminutio maxima oder media eine völlige Aufhebung der Rechtsfähigkeit
und ebendamit auch der bürgerlichen Ehre (consumtio existimationis) möglich war (s. Capitis deminutio). Ebenso hatte
nach dem deutschen Rechte des Mittelalters die Erklärung einer Person in die Oberacht oder Reichsoberacht die Friedlosigkeit oder
Ehrlosigkeit, d. h. die völlige Rechtlosigkeit und Ehrlosigkeit des Geächteten, zur Folge (s. Acht).
Eine Schmälerung der bürgerlichen Ehre (minutio existimationis) aber trat nach römischem Rechte durch die Infamie (s. d.)
ein, welche ihre Wirkungen sowohl auf dem Gebiet der politischen Rechte als auch in privatrechtlicher Beziehung
äußerte. Auch das ältere deutsche Recht kannte eine teilweise Entziehung der bürgerlichen Ehre in der sogen.
Rechtlosigkeit, welche die Folge gewisser Verbrechen, wie Raub und Diebstahl, auch gewisser Gewerbe, wie des Gewerbes der Gaukler,
Spielleute und des Henkers, war.
Diese Rechtlosigkeit bezeichnet aber keineswegs den Verlust alles Rechts, sondern nur gewisser besonderer Rechte, namentlich
des Rechts, Richter, Schöffe, Anwalt oder Zeuge zu sein, Lehen zu erwerben und Wergeld zu beziehen. Auch die sogen. Ehrlosigkeit
des ältern deutschen Rechts gehört hierher, welche in dem Verlust der besondern Standesrechte und Standesehre,
namentlich des Adels, bestand und vom Richter bei manchen Verbrechen, z. B. bei Verräterei, sowie regelmäßig als Folge der
Rechtlosigkeit ausgesprochen wurde.
Auch war die Ehrlosigkeit eine stillschweigende Folge aller durch Henkershand vollzogenen Strafen. Endlich ist hier auch die
sogen. Anrüchigkeit (s. d.) des ältern deutschen Rechts zu erwähnen, welche eine Folge der unehelichen
Geburt und des Gewerbes des Abdeckers war. Das moderne deutsche Recht kennt eine Minderung der Rechtsfähigkeit und Schmälerung
der bürgerlichen Ehre in privatrechtlicher Beziehung nicht mehr; nur auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ist eine gänzliche
oder teilweise Entziehung der bürgerlichen Ehre statthaft (s. Ehrenrechte).
(Alt-Ehrenberg), Dorf in der böhm. Bezirkshauptmannschaft Schluckenau, mit Weberei, Steinnußknopf-, Holzböden-
und Sparteriewarenerzeugung und, einschließlich des damit zusammenhängenden Dorfs Neu-Ehrenberg, (1880) 5231 Einw.
1) Friedrich, evang. Theolog, geb. zu Elberfeld, wurde 1798 Prediger in Plettenberg, 1803 zu Iserlohn, 1806 Oberkonsistorialrat
und Hof- und Domprediger zu Berlin, 1834 Oberhofprediger daselbst;
starb Von seinen zahlreichen Schriften erwähnen
wir nur: »Handbuch für die ästhetische, moralische und religiöse Bildung des Lebens« (Elberf. 1807);
»Weiblicher Sinn und
weibliches Leben« (Berl. 1809; 4. Aufl. 1861, 2 Bde.);
»Reden an Gebildete aus dem weiblichen Geschlecht« (Elberf. 1804; 5. Aufl., Iserlohn 1853);
»Andachtsbuch
für Gebildete des weiblichen Geschlechts« (Leipz. 1816, 2 Bde.; 7. Aufl.
1856).
2) Christian Gottfried, Naturforscher, geb. zu Delitzsch, studierte in Leipzig und Berlin Theologie, dann Medizin und
Naturwissenschaften, bereiste mit F. W. Hemprich 1820-26 Ägypten, wurde 1827 außerordentlicher Professor
der Medizin in Berlin, begleitete 1829 mit Gustav Rose A. v. Humboldt auf dessen Reise
durch Asien bis an den Altai, bereiste 1838 Frankreich
und England, ward 1839 ordentlicher Professor der Medizin in Berlin und 1842 beständiger Sekretär der Akademie der Wissenschaften.
Er starb Über seine erste Reise veröffentlichte er: »Naturgeschichtliche Reisen durch Nordafrika
und Westasien« (Berl. 1828, Bd.
1, Abt. 1);
»Symbolae physicae, seu icones et descriptiones mammalium« (das.
1828-33, 2 Hefte);
ferner die »Symbolae physicae animalium evertebratorum sepositis
insectis« (das. 1829-31);
»Die Korallentiere des Roten Meers« (das. 1834);
Ȇber die Natur und Bildung der Koralleninseln und
Korallenbänke im Roten Meer« (das. 1834);
»Das Leuchten des Meers« (das. 1835);
»Die Akalephen des Roten Meers und der Organismus
der Medusen der Ostsee« (das. 1836).
Ehrenbergs wissenschaftliche Bedeutung beruht namentlich auf der von
ihm mit großem Glück geförderten Kenntnis mikroskopischer Organismen. Sind auch seine Beobachtungen gegenwärtig großenteils
überholt, so muß er doch als der Schöpfer dieser ganzen Richtung betrachtet werden. Von seinen hierher gehörigen Werken
sind die wichtigsten: »Organisation, Systematik und geographisches Verhältnis der Infusionstierchen« (Berl. 1830);
»Zur Kenntnis
der Organisation in der Richtung des kleinsten Raums« (das. 1832-1834);
»Zusätze zur Erkenntnis großer
Organisation im kleinen Raum« (das. 1836) und »Die Infusionstierchen als vollkommene Organismen« (Leipz. 1838, mit 64 Kupfertafeln).
Sehr eingehende Untersuchungen lieferte er auch über die fossilen kleinsten Wesen: »Die Bildung der europäischen, libyschen
und uralischen Kreidefelsen und des Kreidemergels aus mikroskopischen Organismen« (Berl.
u. Leipz. 1839);
»Die fossilen Infusorien und die lebendige Dammerde« (Berl. 1837);
»Mikrogeologie« (Leipz. 1854, mit 40 Tafeln;
Fortsetzung 1856 u. 1876).
Noch sind von ihm zu erwähnen: »Kurze Nachricht über 274 neu beobachtete Infusorienarten« (Berl.
1840);
»Über Verbreitung und Einfluß des mikroskopischen Lebens in Süd- und Nordamerika« (das. 1841);
»Passatstaub und Blutregen« (das. 1847, mit Nachträgen 1871 u. 1872);
»Über den Grünsand« (das. 1855);
»Über mächtige Gebirgsschichten aus mikroskopischen Bacillarien unter und bei der Stadt
Mexiko« (das. 1869);
»Über die roten Erden als Speise der Guineaneger« (das. 1868);
Ȇber die wachsende Kenntnis des
unsichtbaren Lebens als felsbildende Bacillarien in Kalifornien« (das. 1870);
»Mikrogeologische Studien über das kleinste Leben
der Meerestiefgründe aller Zonen« (das. 1873).
Klause, ein früher befestigter Punkt an der nördlichen Grenze Tirols, am Lech, auf der jetzigen Kunststraße
von Füssen nach dem Oberinnthal. Die früher hier befindliche starke Festung Ehrenberg, nach welcher der
Punkt benannt ist, wurde im Schmalkaldischen Krieg von Sebastian Schärtlin und von Moritz von Sachsen erobert,
welch letzterer infolgedessen den Kaiser Karl V. in Innsbruck beinahe gefangen genommen hätte. 1634 wurde die Festung von
Bernhard von Weimar vergeblich belagert, dagegen 1703 von den Bayern, bald darauf wieder von den Kaiserlichen erobert und im
Revolutionskrieg ganz geschleift.
militärische, sind die Honneurs, das Salutschießen, die Empfangsfeierlichkeiten bei Ankunft fürstlicher
oder andrer
mehr
hochgestellter Personen sowie die Trauerparaden bei Begräbnissen; alle diese Ehrenbezeigungen sind durch Vorschriften geregelt. Honneurs
werden von Militärpersonen niedern Grades denen höhern Grades erwiesen; der Untergebene hat den Vorgesetzten zu grüßen,
dieser den Gruß zu erwidern. Die Art der Honneurs richtet sich nach dem Rang des Vorgesetzten und der augenblicklichen
Lage des Untergebenen. Die in Deutschland üblichen Honneurs sind: Für unbewaffnete einzelne Mannschaften im Stehen: Stillstehen
in gerader Haltung, das Auge auf den Vorgesetzten gerichtet;
Offiziere stets unter Anlegen der Hand an die Kopfbedeckung, wie
dies in einigen deutschen Kontingenten früher auch bei Gemeinen etc. üblich war und in Österreich, England,
Frankreich etc. noch üblich ist. Im Gehen grüßt der Soldat durch Anlegen der rechten Hand an die Kopfbedeckung, direkte Vorgesetzte
aber durch Frontmachen.
Trägt er das Gewehr, so steht er still mit Gewehr bei Fuß, als Posten auch mit Gewehr über, mit angefaßtem
oder präsentiertem Gewehr; im Gehen faßt er Gewehr an oder geht mit Gewehr über in fester Haltung vorbei.
Geschlossene Abteilungen stehen still, nehmen genaue Richtung und wenden die Augen nach dem Vorgesetzten; das Gewehr bleibt im
Stehen bei Fuß, nur Wachen und zur Besichtigung aufgestellte Truppenteile nehmen Gewehr auf oder präsentieren, letzteres auch
mit Rühren des Spiels und Senken der Fahnen.
Marschierende Abteilungen fassen das Gewehr an, außerhalb bewohnter Orte wird nur Richtung und geschlossene Haltung angenommen.
Geschlossene Abteilungen erweisen alle Honneurs nur auf Kommando und vor Vorgesetzten, welche im Rang höher stehen als der eigne
Befehlshaber, außerdem vor Fahnen und Standarten, im Wachtdienst vor militärischen Leichenzügen etc.
Salutschüsse werden aus Geschützen mit Manöverkartuschen in Festungen, Kriegshäfen und von Kriegsschiffen abgefeuert.
Der Salut beträgt: am Geburtstag des Kaisers 101, für den Landesherrn und die Landesherrin 33, in Festungen und in der Marine
für die Prinzen, Prinzessinnen des eignen Fürstenhauses und auswärtige Fürsten 21, für Feldmarschälle in
Festungen 9, in der Marine für fremde Kriegsflaggen 21, für Feldmarschälle und Botschafter 19, für Admirale, Marineminister
und Generale 17, für Vizeadmirale, Generalleutnants und außerordentliche Gesandte 15, für Konteradmirale, Generalmajore und
Ministerresidenten 13, für Kommodoren und Geschäftsträger 11, für Generalkonsuln 9, für Konsuln 7 und für Vizekonsuln 5 Schüsse.
Es ist internationaler Brauch in der Marine, den Salut mit der gleichen Anzahl Schüssen zu erwidern.
Die Ehrenbezeigungen bei dem Empfang des Kaisers oder sonstiger fürstlicher Personen in Garnisonorten, einschließlich der Ehrenwachen (s. d.),
bestimmt das Reglement vom Die Trauerparade findet bei dem Begräbnis aller aktiven Offiziere sowie derjenigen
Unteroffiziere und Gemeinen statt, die einen Feldzug mitgemacht haben. Die Stärke und Zusammensetzung der Trauerparade richtet
sich nach der Charge des Verstorbenen: Feldmarschall 12 Geschütze, 3 Bataillone, 4 Eskadrons;
(Thalehrenbreitstein), Stadt im preuß. Regierungsbezirk und Kreis Koblenz, am rechten Rheinufer, der
Moselmündung gegenüber, an der Eisenbahn Friedrich-Wilhelmshütte-Niederlahnstein und am Fuß des
175 m hohen Felsens, worauf
die Festung (s. unten) steht, in einer engen Thalwindung, hat ein Amtsgericht, 2 kath. Kirchen, ein ehemaliges
Dikasterialgebäude (jetzt Proviantmagazin), eine Synagoge, Gerberei, Troddelfabrikation, Weinbau, Schiffahrt, Handel und (1880) 5700 Einw.
exklusive Militär.
Die Garnison besteht aus 2 Inf.-Bat.
Nr. 28, 1 Inf.-Bat.
Nr. 68, 1 Bat. des Artill.-Reg.
Nr. 4 und aus dem Train-Bat. Nr. 8. Mit dem gegenüberliegenden Koblenz ist Ehrenbreitstein durch eine Schiff- und Eisenbahnbrücke
verbunden. Über der Stadt liegt die Festung auf einem 118 m über den Rhein sich erhebenden Berg, der nach dem Fluß, nach S.
und SO. steil abfällt und dazu gegen S., wo die mehrfach gewundene Auffahrt ist, mächtige
Werke hat. Diese sowie die Wälle des Ehrenbreitsteins erheben sich größtenteils auf den Trümmern der
alten Festung, und das Hauptfort besteht aus doppelt und dreifach übereinander gewölbten Kasematten und Batterien. Gegen N.
und NO. sind starke Werke, die mit einem im Umfang der Befestigungen gelegenen Fort endigen; die übrigen Seiten sind
unangreifbar. Südlich von Ehrenbreitstein erhebt sich auf der Pfaffendorfer Höhe das Fort Asterstein. - Schon die Römer sollen hier zu
den Zeiten des Kaisers Julian ein Kastell erbaut haben. Später gehörte die Burg Ehrenbreitstein einem Adelsgeschlecht, in dem der Name Erembért
herrschend war, so daß die heutige Bezeichnung aus Erembertsstein zu erklären ist. Nach dem Aussterben
dieses Geschlechts kam Ehrenbreitstein an den Erzbischof Hillin von Trier, der die Burg 1153 stärker befestigte. Erzbischof Heinrich (gest.
1286) erweiterte die Befestigungen, ebenso 1481 Johann II., welcher auch einen 90 m tiefen Brunnen anlegte.
Kurfürst Philipp Christoph räumte die Burg 1631 den Franzosen ein; doch ward sie 1637 von den Kaiserlichen
durch Kapitulation wieder genommen und dem Kurfürsten Ferdinand von Köln übergeben mit der Bedingung, sie dem Kurfürsten von
Trier wieder zuzustellen, was aber erst 1650 geschah. Eine regelmäßige Befestigung des Ehrenbreitsteins kam erst unter dem
Kurfürsten Karl Kaspar von der Leyen seit 1672 zu stande. Im J. 1688 ward die Festung von den Franzosen erfolglos
beschossen.
Von 1759 bis 1762 hielten diese dieselbe besetzt; 1795, 1796 und 1797 ward sie von ihnen blockiert, 1798 von ihnen während
der Friedensunterhandlungen völkerrechtswidrig von neuem eingeschlossen und endlich durch Hunger zur Übergabe
gezwungen. Die Franzosen schleiften die Festungswerke. 1803 wurden Festung, Stadt und das dazu gehörige Amt dem Fürsten von
Nassau-Weilburg zugeteilt und von diesem durch einen infolge des Wiener Kongresses 1815 geschlossenen Vertrag an Preußen abgetreten.
1816-26 wurde die Festung Ehrenbreitstein unter der Oberleitung des Generals Aster mit einem Kostenaufwand von 8 Mill.
Thlr., wozu Frankreich 15 Mill. Frank Kriegssteuer hatte zahlen müssen, neu aufgebaut und bildet nun mit dem Fort Asterstein
(s. oben) und den Werken von Koblenz eine der wichtigsten Festungen Deutschlands. Am Westabhang wurde seit 1856 der Luisenturm
(zu Ehren der Großherzogin von Baden, Tochter Kaiser Wilhelms, so benannt) erbaut.
Stadt (seit 1879) im preuß. Regierungsbezirk und Landkreis Köln, westlich bei der Stadt Köln, an der Eisenbahn
Köln-Langerwehe, ist schön gebaut, hat eine katholische und eine evang. Pfarrkirche und (1880) 14,886
Einw. (1858 erst 762), die teils in den Fabriken Kölns beschäftigt sind, teils aber eigne Fabriken unterhalten, namentlich
in Bleiweiß, Anilin, Salpeter, Glaswaren, Goldleisten, Eisenbahnutensilien, Ziegelsteinen etc.;
streng auf Ehre haltend, zu Anfang des 16. Jahrh. Prädikat für den niedern Adel, ging
später auf bürgerliche Obrigkeiten und endlich auf einzelne angesehene Bürger über.
Friedrich August Eduard, protest. Theolog, geb. 1814 zu Leopoldshafen bei
Karlsruhe, wurde 1841 Stadtvikar in Karlsruhe, 1845 außerordentlicher Professor der Theologie und Universitätsprediger zu Göttingen, 1849 ordentlicher
Professor daselbst, 1855 Konsistorialrat, 1856 Abt von Bursfelde und 1859 Oberkonsistorialrat; 1864 auf
seinen Wunsch der Konsistorialgeschäfte enthoben, starb er in Göttingen. Von seinen Schriften sind hervorzuheben:
»Theorie des christlichen Kultus« (Hamb. u. Gotha 1840);
»Zur Geschichte des Katechismus« (Götting. 1857);
»Die praktische Theologie«
(das. 1859, Bd. 1);
»Christentum und moderne Weltanschauung« (das. 1876).
Bergstadt in der sächs. Kreishauptmannschaft
Zwickau, Amtshauptmannschaft Annaberg, in öder Gegend des Erzgebirges (»Elend« genannt), Endstation der Zweigbahn Wilischthal-Ehrenfriedersdorf,
hat ein Amtsgericht, eine alte Kirche (von 1300) und (1880) 3866 Einw., welche besonders Spitzenklöppelei,
Posamenten-, Gold- und Silbertressen- und Schuhwarenfabrikation betreiben.
Der früher blühende Bergbau und Hüttenbetrieb
ist zurückgegangen.
Die Stadt brannte 1866 fast ganz ab.
In der Nähe das Granitfelsenchaos Greifenstein
mit schöner Rundsicht.
im allgemeinen die zur Untersuchung und Beilegung von Ehrensachen niedergesetzten Gerichte von Standesgenossen.
Sie kamen zuerst beim deutschen Adel als vertragsmäßige Einrichtungen, sogen. Ehrentafeln (judicia heroica oder equestria)
vor, wurden aus hohen Adligen zusammengesetzt und vom Landesherrn bestätigt, urteilten nach einem eignen
Ehrenrecht und hatten einen Ehrenmarschall an ihrer Spitze, der zuvor die Schilde und Ahnen dessen erprobte, der vor dem Ehrengericht
erscheinen wollte.
Die heutigen militärischen Ehrengerichte haben den Zweck, die gemeinsame Ehre des Offizierstandes sowie die Ehre des Einzelnen zu wahren,
gegen Mitglieder, deren Benehmen die Standesehre verletzt, einzuschreiten und auf die Entfernung unwürdiger
Glieder aus der Genossenschaft anzutragen. Außerdem haben die Ehrengerichte Streitigkeiten und Beleidigungen der Offiziere unter sich sowie
Anreizungen zum Zweikampf vor ihr Forum zu ziehen, insofern dieselben nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Akte des
Dienstes stehen, in welchem Fall sie als Dienstvergehen zu bestrafen sind.
Für das Deutsche Reich sind jetzt die preußischen Bestimmungen über die militärischen Ehrengerichte maßgebend. Hiernach
bildet für die Hauptleute und Leutnants das Offizierkorps jedes Regiments oder selbständigen Bataillons, für Reserve-, Landwehr-
und verabschiedete Offiziere das Offizierkorps des Landwehrbataillonsbezirks, in
dem sie wohnen, für Stabsoffiziere die
Gesamtheit der Stabsoffiziere in einem Divisionsbereich ein Ehrengericht, dessen jährlich gewählter Ehrenrat (je ein Hauptmann,
Premier- und Sekondeleutnant, resp. ein Oberst, Oberstleutnant und Major) vom Kommandeur, bei Stabsoffizieren vom Divisionskommandeur
mit der Führung etwaniger Untersuchungen beauftragt wird.
Sind die Akten spruchreif, so spricht das Offizierkorps das Urteil, welches, abgesehen von Erklärung der
Unzuständigkeit oder dem Antrag auf Vervollständigung der Untersuchung, nur lauten darf auf Freisprechung oder auf »Schuldig
der Gefährdung der Standesehre und Warnung«, »Schuldig der Verletzung der Standesehre und Beantragung der Entlassung«, für
letzteres bei Verabschiedeten »Verlust des Rechts, die Uniform zu tragen«, oder endlich auf »Schuldig und Beantragung
der Entfernung aus dem Offizierstand«, bei Verabschiedeten »Verlust des
Offiziertitels«.
Urteile bis zur Warnung bestätigt der Divisionskommandeur, die übrigen bedürfen der Bestätigung des Königs. Bei Streitigkeiten
und Beleidigungen soll der Ehrenrat die Vermittelung versuchen. Das Ehrengericht hat »darüber
zu wachen, daß unnütze Händel und mutwillige Zänkereien vermieden werden, um die Ehre eines jeden Offiziers
und dadurch auch des ganzen Korps, mit Rücksicht auf die eigentümlichen Verhältnisse des Offizierstandes, fleckenlos zu
erhalten«.
Läßt sich jedoch eine Vermittelung nicht herbeiführen, und beabsichtigen die Beteiligten, die Sache durch ein Duell zu erledigen,
so sind dieselben auf die gesetzlichen Strafen zu verweisen, an dem Zweikampf selbst jedoch nicht zu hindern;
vielmehr haben Mitglieder des Ehrenrats dem Duell als Kampfrichter beizuwohnen (Vgl. preußische Verordnung vom Kabinettsordern
vom 3. April und neuere preußische Verordnung vom August 1874, von Bayern angenommen und publiziert - Auch
auf Universitäten, wo früher nur die Burschenschaften Ehrengerichte hatten, sind letztere in neuester Zeit in allgemeinere
Aufnahme gekommen und haben hier und da sogar gesetzliche Sanktion erhalten.
Endlich gehören die der Rechtsanwalte hierher. Nach der Rechtsanwaltsordnung für das Deutsche Reich (§ 41 ff., 62 ff.) besteht
dies Ehrengericht aus dem Vorstand derjenigen Anwaltskammer, welcher der betreffende Rechtsanwalt angehört.
Der Vorstand entscheidet im ehrengerichtlichen Verfahren in der Besetzung von fünf Mitgliedern, und zwar setzt sich dies
Ehrengericht aus dem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und drei andern Mitgliedern des Vorstandes zusammen.
Die ehrengerichtliche Bestrafung, welche ein Rechtsanwalt, der die ihm obliegenden Pflichten verletzte, verwirkt hat,
kann in Warnung, Verweis, Geldstrafe bis zu 3000 Mk. oder Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft bestehen. Gegen die Urteile
des Ehrengerichts ist das Rechtsmittel der Berufung an den Ehrengerichtshof gegeben, welcher aus dem Präsidenten des Reichsgerichts
als Vorsitzendem, drei Mitgliedern des Reichsgerichts und drei Mitgliedern der Anwaltskammer bei dem Reichsgericht besteht.
1) Fürstlich lippescher Hausorden, gestiftet von den Fürsten Paul Friedrich Emil Leopold und Adolf Georg für Verdienst
um das Land und das fürstliche Haus, in drei Klassen. Die Dekoration ist ein achteckiges, weiß emailliertes Kreuz, auf dem
ein goldener Stern liegt mit weißem Schilde, der die lippesche Rose und im blauen Ring
mehr
die Umschrift: »Für Treue und Verdienst« zeigt, auf dem Revers: »L. A.« mit Krone im Stern. Die zweite Klasse ist kleiner, die
dritte von Silber. Die beiden Landesfürsten tragen dazu einen Stern, die erste Klasse das Kreuz am Hals. - 2) Fürstlich reußischer
Hausorden. a) Jüngere Linie, gestiftet von Heinrich LXVII. für Inländer, in zwei Klassen, erste
von Gold, zweite von Silber. Die Dekoration ist ein achtspitziges Kreuz mit weiß emailliertem Schild: »Für treue Dienste« in
einem Eichenkranz. Auf dem Revers: »F. R.« mit Krone. Das Band ist amarantrot. b) Ältere Linie, gestiftet von Heinrich XIV. für
Inländer und Ausländer, in drei Klassen. Die Dekoration ist ein achtspitziges Kreuz mit goldener Einfassung und Goldstrahlen
zwischen den Armen, im Mittelschild auf dem Avers das Wappen, im Revers: »H.« mit Fürstenhut. Die erste Klasse wird am Hals, die
zweite Klasse kleiner, die dritte von Silber am amarantenen Band getragen. - 3) Schwarzburgischer Hausorden,
gestiftet von Friedrich Günther und Günther Friedrich Karl in vier Klassen. Die Dekoration besteht für erste und zweite
Klasse in einem achtspitzigen, weiß emaillierten Goldkreuz, in dem blauen Mittelschild ein gekrönter Löwe, im Revers der
gekrönte Namenszug des betreffenden Fürsten. Die dritte Klasse trägt ein silbernes Kreuz mit blauem Schilde,
die vierte mit silbernem Mittelschild. Das Band ist gelb mit drei blauen Streifen.
der einzige gegenwärtig in Frankreich bestehende Militär- und Zivilverdienstorden, ward durch Konsularorder
vom 29. Floréal des Jahres X gestiftet. Die weitere Organisation erhielt der Orden jedoch erst
durch kaiserliches Dekret vom 22. Messidor XII Die Dekoration bestand aus einem fünfstrahligen, weiß emaillierten
Stern, auf der einen Seite mit Napoleons Bild, von einem Eichen- und Lorbeerkranz umgeben, mit der Umschrift: »Napoléon, Empereur
des Français«, auf der Kehrseite der französische Adler mit Blitzen in den Krallen und der Inschrift: »Honneur
et Patrie«;
das Band war scharlachrot gewässert.
Die Bourbonen behielten den Orden bei, verwandelten ihn jedoch durch Ordonnanz
vom aus einem Verdienst- in einen Ritterorden, setzten an die Stelle des Kaiserbildes das Heinrichs IV., an die Stelle
des Adlers die Lilien, nannten den Stern Kreuz (croix), die Kommandanten Kommandeure, die Legionäre Ritter.
Die zweite Restauration (1816) setzte die Zahl der Großkreuze (grands-croix) auf 80, die der Kommandeure auf 400, die der Ritter
auf 2000 fest. Die Julirevolution verwandelte die Lilien in zwei dreifarbige Fahnen und brachte über dem Stern
eine königliche Krone an. Ein Beschluß vom entfernte letztere aus dem Ordenszeichen und änderte die Form desselben
dahin ab, daß das Zentrum des Sterns auf der einen Seite den Kopf Napoleons mit der Inschrift: »Bonaparte, premier consul, XIX
mai 1802«, auf der andern die beiden dreifarbigen Fahnen mit der Umschrift: »République Française« nebst
der hergebrachten Devise enthalten sollte.
Dagegen stellte ein Dekret vom die vom Kaiser festgesetzte Form des Ordens wieder her, teilte ihn in Großkreuze,
Großoffiziere, Kommandeure, Offiziere und Ritter. Die Ordensdekoration war ein Stern mit fünf doppelten Strahlen und einer Krone;
auf dem Avers zeigte er in der Mitte das von einem Eichen- und Lorbeerkranz eingefaßte Bild Napoleons I.
mit der Umschrift: »Napoléon, Empereur des Français« und auf dem Revers den
kaiserlichen Adler mit der Devise: »Honneur et Patrie«.
Der Stern der Ritter bestand aus Silber, der der höhern Grade aus Gold. Die Ritter und Offiziere trugen den
Orden an einem roten Band, letztere mit einer Rosette, die Kommandeure am Hals, die Großoffiziere dazu noch einen fünfstrahligen
silbernen Stern und das Offizierskreuz, die Großkreuze das Kommandeurkreuz an breitem Band über die Schulter und dazu den Stern.
Der Kaiser war der Großmeister des Ordens; die Verwaltung versah ein Großkanzler, der das Ordenshaus (Hotel
de la Légion d'honneur) in der Rue de Lille zu Paris bewohnte.
Die Mitglieder wurden auf Lebenszeit ernannt, verloren aber ihre Privilegien, sobald sie sich der französischen Bürgerrechte
verlustig machten. Nach dem Sturz Napoleons III. und der Errichtung der Republik erhielt der Orden, der infolge
des Kriegs von 1870 sehr reichlich ausgeteilt wurde, eine neue Organisation. Die Dekoration trägt statt des Bildes des Kaisers
jetzt das der Republik mit der Umschrift: »République Française« und der Jahreszahl 1870, auf der Rückseite zwei Fahnen mit
der Umschrift: »Honneur et Patrie«.
Auch wird sie statt der Krone von einem Kranz, halb Eichenlaub, halb Lorbeer, gehalten. Es gibt jetzt fünf
Klassen des Ordens der Ehrenlegion mit streng normierter Anzahl von Diplomen und zwar von der fünften Klasse (Ritter) 25,000, vierten
Klasse (Offiziere) 4000, dritten Klasse (Kommandeure) 1000, zweiten Klasse (Großoffiziere) 200 und ersten Klasse
(Großkreuze) 70. Drei Fünftel der Anzahl in den verschiedenen Graden wird an Militär-, der Rest an Zivilpersonen gegeben.
Militärs, welche die fünfte Klasse besitzen, erhalten 250, Offiziere 500, Kommandeure 1000, Großoffiziere 2000, Großkreuze 3000 Frank
jährliche Pension. Ausländer können den Orden auch erhalten, zählen aber nicht mit. Außer dem Orden
der Ehrenlegion bleibt für die Armee die Armeemedaille beibehalten, welche an 40,000 Personen ausgegeben werden darf und 100 Fr. Pension
einbringt. Im Februar 1874 betrug die Zahl der Dekorierten im Zivil 28,919, im Militär 34,381. Da somit die Normalsumme von
30,270 um mehr als das Doppelte überschritten ist, so soll bis auf weiteres jede neue Verleihung erst
nach Eintritt von zwei Vakanzen erfolgen dürfen. Zu der Ehrenlegion gehört die Maison nationale de St-Denis, eine Erziehungsanstalt
für die Töchter, Schwestern und Nichten der Ordensmitglieder, womit zwei Sukkursalen verbunden sind, die eine in der Rue Babette
zu Paris, die andre, la Maison des Loges, im Wald von St.-Germain, welche zusammen 400 Freischülerinnen
fassen und von den Damen der Muttergotteskongregation geleitet werden. Die Kosten der Ehrenlegion betragen jährlich 7 Mill. Fr. S. Tafel
»Orden«.
Vgl. Jerrold, Story of the legion of honour (Lond. 1877).
vonBolivia, Orden des Freistaats Bolivia, gestiftet von Santa Cruz 1836 zu Ehren
Bolivars. Die Dekoration besteht in einem brillantierten, achtspitzigen silbernen Stern, in dessen Mitte auf rot emailliertem
Feld ein von einem blauen Rand eingefaßtes weißes Feld sich befindet, auf welchem in Relief das golden belorbeerte Brustbild
Bolivars angebracht ist. In dem blauen Reif steht in Goldschrift: »Simon Bolivar Liberator«, auf der Kehrseite:
»Simon Bolivar en Coronel Bouffet de Montauban 1822«. Der Orden wird an einem rot, gelb und grün gestreiften Band getragen.
Mitglied einer Gesellschaft, Korporation etc., welches man zu einem solchen ernannt hat,
mehr
um ihm ein Zeichen von Hochachtung, Dankbarkeit etc. zu geben;
es erhält als Urkunde seiner Ehrenmitgliedschaft ein Ehrendiplom
und ist weder zu Geldbeiträgen noch zur Teilnahme an der gelehrten, künstlerischen etc. Thätigkeit der Gesellschaft verpflichtet.
die durch den Vollgenuß der bürgerlichen Ehre bedingten Einzelbefugnisse, welche
der Mensch als Person und als Staatsbürger im öffentlichen Leben in Anspruch nehmen kann. Der Verlust dieser bürgerlichen
Ehrenrechte tritt als Nebenstrafe infolge eines ausdrücklich hierauf gerichteten Strafurteils ein, und zwar ist nach dem deutschen
Reichsstrafgesetzbuch zwischen dem Verlust aller und dem einzelner Ehrenrechte zu unterscheiden. Verlust
aller bürgerlichen Ehrenrechte muß ausgesprochen werden bei Meineid (§ 161) und bei schwerer Kuppelei (§ 181); außerdem kann darauf
erkannt werden neben der Todesstrafe und der Zuchthausstrafe; neben der Gefängnisstrafe nur dann, wenn die Dauer der erkannten
Strafe drei Monate übersteigt und entweder das Gesetz den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ausdrücklich zuläßt,
oder die Gefängnisstrafe an Stelle der Zuchthausstrafe wegen Annahme mildernder Umstände ausgesprochen wird.
Die Hauptfälle, in denen neben Gefängnisstrafe auch auf Verlust der Ehrenrechte erkannt werden kann, sind: Diebstahl, Unterschlagung,
Hehlerei, Erpressung, Urkundenfälschung, Münzverfälschung, falsche Versicherung an Eides Statt, Blutschande, Kuppelei, widernatürliche
Unzucht, öffentliche unzüchtige Handlungen, Leichenraub, Selbstverstümmelung zum Zweck des Untauglichmachens
zum Militärdienst, Untreue (§ 266), gewerbsmäßiges unbefugtes Jagen, gewerbsmäßiges Glücksspiel, Fälschung öffentlicher
Wahlen und Kauf und Verkauf von Wahlstimmen.
Die Zeitdauer des Verlustes, welche von dem Tag an berechnet wird, an dem die betreffende Freiheitsstrafe verbüßt, verjährt
oder erlassen ist, beträgt bei zeitiger Zuchthausstrafe mindestens zwei und höchstens zehn, bei Gefängnisstrafe
mindestens ein und höchstens fünf Jahre. Die Folgen der Aberkennung der Ehrenrechte sind:
1) die Unfähigkeit, während der im Urteil bestimmten Zeit die Landeskokarde zu tragen; in das Reichsheer oder in die Marine
einzutreten; öffentliche Ämter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen zu erlangen, in öffentlichen Angelegenheiten
zu stimmen, zu wählen oder gewählt zu werden und andre politische Rechte auszuüben; Zeuge bei Aufnahme von Urkunden zu sein;
Vormund, Nebenvormund, Kurator, gerichtlicher Beistand oder Mitglied eines Familienrats zu sein, es sei denn, daß es sich um
Verwandte absteigender Linie handle und die obervormundschaftliche Behörde oder der Familienrat die Genehmigung
erteile;
2) Verlust der aus öffentlichen Wahlen für den Verurteilten hervorgegangenen Rechte und der dauernde Verlust der öffentlichen
Ämter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen. Verlust einzelner bürgerlicher Ehrenrechte kommt einmal bei der Verurteilung zur Zuchthausstrafe
vor, die unter allen Umständen die dauernde Unfähigkeit zum Dienst im Reichsheer und in der Marine sowie
die dauernde Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, Advokatur, Anwaltschaft, Notariat, Geschwornen- und Schöffendienst
mit inbegriffen, nach sich zieht. Außerdem ist es dem Richter nachgelassen, neben einer Gefängnisstrafe, mit welcher die
Aberkennung aller bürgerlichen Ehrenrechte verbunden werden könnte, nur auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher
Ämter auf die Dauer von einem bis zu fünf Jahren zu erkennen, welche zugleich den
dauernden Verlust der
bisher bekleideten Ämter von Rechts wegen zur Folge hat
Vgl. Deutsches Reichsstrafgesetzbuch, § 31-37. - In einem andern Sinn
spricht man von den Ehrenrechten besonderer Standespersonen, namentlich regierender Fürsten und andrer fürstlicher Personen,
als von denjenigen Rechten, welche einen äußerlichen Ausdruck ihrer bevorzugten Stellung enthalten (Titel,
Insignien, Kirchengebet, militärische Ehrenbezeigungen etc.).
1) August, Graf von, schwed. General, geb. begleitete Friedrich d. Gr. 1745 im böhmischen Feldzug,
erbaute, zum General befördert, 1749 die Festung Sweaborg, schuf die schwedische Schärenflotte, hob Finnland
durch Urbarmachungen und neue Wasserleitungen, verbreitete neue Erfindungen, stiftete Wohlthätigkeitsvereine etc. Im Siebenjährigen
Krieg führte er einige Zeit den Oberbefehl, konnte aber wenig ausrichten. Er ward in den Grafenstand erhoben und starb in
Finnland als Feldmarschall.
2) Karl August, Graf von, schwed. Admiral und Kunsttheoretiker, Sohn des vorigen, geb. studierte 1768 das
französische Seewesen in Brest und half seinem Vater bei der Anlegung von Sweaborg und dem Bau der Schärenflotte. Beim Beginn
des finnischen Kriegs 1788 zum Admiral ernannt, befehligte er in der Seeschlacht von Svensksund
legte aber sein Kommando nieder, als sein Plan, sich zurückzuziehen, vom König Gustav III. nicht gebilligt wurde. Nach dessen
Tod 1792 mit dem Titel eines Generaladmirals an die Spitze des ganzen Seewesens gestellt, trat er freiwillig bald wieder ab,
um sich dem Studium der Naturwissenschaften und der Kunst zu widmen. 1780-82 machte er Reisen in Italien,
um die antiken Denkmäler im Geist Winckelmanns zu studieren. Seine höchst scharfsinnigen Anschauungen über die Kunst und ihre
Gesetze führte er aus den Schriften: »Resa till Italien« (Stockh. 1786, neue Aufl. 1819) und »De fria konsters filosofi« (das.
1786). In diesen beiden genialen Abhandlungen, die ihres wortkargen Stils wegen schwer verständlich sind,
betont er namentlich die hohe Bedeutung der antiken Kunst. Er starb in Örebro. Sein System, anfangs mißachtet, ist
später zu verschiedenen Malen von den vorzüglichsten Schriftstellern Schwedens, namentlich von Atterbom (in dem Werk »Sveriges
siåre och skalder«) und von Nybläus, entwickelt worden. Seine »Skrifter«
erschienen zu Stockholm 1812. (4. Aufl. 1866).
Julius, Maler, geb. zu Frankfurt a. O., Sohn eines Lithographen, wurde ebenfalls Lithograph, studierte
daneben aber auf der Berliner Kunstakademie, in welche er 1861 eintrat, und wo er schließlich den Unterricht
von Professor Schrader genoß. Durch Familienverhältnisse genötigt, widmete er sich wieder der Lithographie, deren Ertrag ihm
die Mittel gab, bei D. Becker (Tier- und Genremaler, geb. 1830) und unter dessen Anleitung einige Kostümfiguren (Bauerntrachten)
auszuführen. Da dieselben Käufer fanden, gründete er ein eignes Atelier und begann nun im Anschluß
an Meissonier, der sein Vorbild wurde, Soldaten aus dem 17. Jahrh. zu malen. Langsam vorwärts rückend, bildete er sich durch
fleißiges Studium der Niederländer, durch Reisen nach Paris, Holland und Belgien weiter und kam so an die Quellen, aus welchen
Meissonier