mehr
durch die der Karpidenzahl entsprechende Fächerung des Fruchtknotens und die völlige Entwickelung der bei den Primulinen unterdrückten Kronstaubgefäße verschieden;
enthält die Familien der Sapotaceen, Ebenaceen und Styraceen.
durch die der Karpidenzahl entsprechende Fächerung des Fruchtknotens und die völlige Entwickelung der bei den Primulinen unterdrückten Kronstaubgefäße verschieden;
enthält die Familien der Sapotaceen, Ebenaceen und Styraceen.
L. (Dattelpflaume, Lotuspflaume), Gattung aus der Familie der Ebenaceen, Bäume und Sträucher mit abwechselnden, kurzgestielten, länglichen, ganzrandigen, lederigen Blättern, in den Blattachseln meist gehäuft stehenden, diözischen, selten polygamischen Blüten und kugeligen oder eiförmigen Beeren. Etwa 153 über die ganze Erde zerstreute Arten. Diospyros Lotus L. (gemeine Dattelpflaume, grünes Ebenholz, wildes Franzosenholz) ist ein stattlicher Baum, auch Strauch mit länglich-eiförmigen, behaarten Blättern, bräunlichen Blüten und bläulichschwarzen, zuletzt gelbbraunen, wohlschmeckenden Beeren von der Größe einer kleinen Kirsche, welche roh (schwarze Datteln, Karachurma) gegessen, auch auf Sirup und Wein verarbeitet werden; das graugrünliche, harte Holz [* 2] wird als Nutzholz verwendet. Der Baum wächst in den Ländern des südlichen Kaukasus bis zum armenisch-kleinasiatischen Hochland, auch (wahrscheinlich eingeführt) im südlichen Europa, [* 3] vornehmlich in Italien [* 4] bis Verona, [* 5] in Piemont, im Kanton Tessin, [* 6] und wird bei uns in Gärten gezogen.
Diospyros Kaki L. fil., ein Baum oder Strauch von mittlerer Höhe mit auf der Unterfläche behaarten, breit-elliptischen, zugespitzten Blättern und safrangelben, pflaumenartigen, süßen Früchten, welche sowohl roh genossen werden, als auch, wie Feigen getrocknet, als Kakifeigen in den Handel kommen, findet sich in Japan [* 7] und China und durch Kultur über das ganze südöstliche Asien [* 8] verbreitet. Die Früchte spielen in Japan eine große Rolle. Bei uns gedeiht er selbst am Rhein nur in sehr geschützten Lagen. Diospyros virginiana L., ein niedrig bleibender Baum mit breitlänglichen, spitzen, nur auf der Unterseite behaarten Blättern, weißlichen Blüten und fleischigen, gelblichroten Früchten (Persimonen) von der Größe der Mispeln, welche sehr zusammenziehend schmecken, aber gefroren einen milden Geschmack annehmen und sowohl roh als auf verschiedene Weise zubereitet gegessen und auf Branntwein verarbeitet werden, wächst in den Vereinigten Staaten [* 9] besonders auch im Osten und verträgt unsre härtern Winter.
Die unreifen Früchte werden als Wurmmittel, das weiße, sehr harte Holz als Nutzholz verwendet. Diospyros ebenum Retz, ein über 12 m hoher Baum mit schwarzer Rinde, 5 cm langen, lederigen Blättern, weißen, zottigen Blüten und olivenartigen Beeren, in Ostindien, [* 10] besonders auch auf Ceylon [* 11] und auf den Malaiischen Inseln, liefert in seinem schweren Kernholz das echte schwarze Ebenholz (s. d.).
Auch Diospyros ebenaster Retz, mit 26 cm langen Blättern und apfelähnlichen Früchten (Mehläpfeln) mit gelbem, schleimigem, säuerlichem Fleisch, auf Ceylon und den Molukken, Diospyros melanoxylon Roxb. (Schwarzholz), ein 6 m hoher Baum mit länglich-lanzettförmigen Blättern, blaßgelben Blüten und runden, saftigen, eßbaren Beeren, in Ostindien, und andre Arten liefern Ebenholz.
Diospyros hirsuta L. fil., auf Ceylon, liefert das Kalamanderholz für Drechsler.
1) Markt im ungar. Komitat Bihar, am Er, mit (1881) 5458 Einw., Winzerschule, reichem Getreide- und vortrefflichem Tabaks- und Weinbau.
2) Markt im Komitat Preßburg, [* 12] an der Wien-Budapester Eisenbahn, mit 2235 Einw. und großer Zuckerfabrik.
Priesterin aus Mantineia, nach Platons »Gastmahl« (Kap. 22) Lehrerin des Sokrates, der in diesem Dialog aus ihrem Mund über das Wesen und den Ursprung der Liebe spricht;
wahrscheinlich eine von Platon erdichtete Person. - Unter ihrem Namen verherrlichte Hölderlin (s. d.) die von ihm hoffnungslos verehrte Mutter seiner Zöglinge in Frankfurt [* 13] a. M.
(Diözes, griech. dioikēsis), ursprünglich ein Distrikt, der zu einer Provinz geschlagen und vom Statthalter der letztern mit verwaltet wurde, besonders in Kleinasien; seit Konstantin d. Gr. Unterabteilung der Präfektur. Wie an der Spitze der letztern ein Präfekt stand, so verwaltete die Diözese meist ein Vicarius (mitunter auch ein Prokonsul oder Comes). In der kirchlichen Sprache [* 14] ist Diözese der Jurisdiktionsbezirk eines Erzbischofs, später auch der eines Bischofs.
Derjenige Geistliche, welcher an einem Orte die bischöfliche Jurisdiktion ausübt, wird Diözesan genannt. Eine geschichtliche Darstellung der alten »Diözesan- und Gaugrenzen Norddeutschlands« lieferte H. Böttger (Hannov. 1874). In der protestantischen Kirche ist Diözese der Bezirk, über welchen ein Superintendent oder Dekan die kirchliche Aufsicht führt. Die zu einer Diözese gehörigen Gemeinden oder Geistlichen heißen Diözesanen; der Vorsteher einer Diözese (Ephorus, Superintendent, Dekan) führt vorzugsweise den Titel Diözesan. Die ganze Einrichtung wird als Diözesanverfassung bezeichnet.
(griech.), mit zwei Blumenblättern versehen.
s. Anilin, ^[= (Amidobenzol, Phenylamin, Kristallin, Kyanol, Benzidam) C6H7N, eine organische Base, findet ...] S. 592.
Dichter der neuern attischen Komödie, aus Sinope, im Anfang des 3. Jahrh. v. Chr., Zeitgenosse des Menander und des Philemon, lebte in Athen [* 15] und starb in Smyrna. Er soll gegen 100 Stücke geschrieben haben, wovon noch etwa 50 ihren Titeln nach und aus Bruchstücken bekannt sind. Diese und die Urteile der Alten lassen ihn als einen der geistreichsten Dichter seiner Zeit erkennen. Seine Stoffe entlehnte er nicht bloß dem alltäglichen Leben, sondern auch dem Mythus. Wie Menander, so diente auch er vorzugsweise den römischen Lustspieldichtern zum Muster; Plautus' »Casina« und »Rudens« sind nach Stücken von Diphilos gedichtet, auch Terenz hat ihn in den »Adelphen« benutzt. Sammlung der Fragmente in Meinekes »Fragmenta comic. graecor.«, Bd. 4.
(Diphtherie, v. griech. diphthera oder diphtheris, Haut, [* 16] Fell), eine schwere Form der Schleimhautentzündung, welche vorzugsweise den Rachen, Gaumen und die Mandeln befällt (angina diphtherica), aber auch am Dickdarm (Ruhr) und in der Gebärmutter [* 17] (Kindbettfieber) oder der Harnblase vorkommen kann und anatomisch dadurch charakterisiert ist, daß sich die kranke Schleimhautstelle mit einer gelbgrauen, anfänglich fest aufsitzenden Membran oder Haut (daher der Name) überzieht.
Indessen genügt die Bildung einer solchen Ausschwitzungsmembran nicht zur Definition des Wesens der Diphtheritis. Bei der diphtheritischen Entzündung ist das Gewebe der [* 18] Schleimhaut selbst, meist in der ganzen Dicke derselben, schwer erkrankt; die Schleimhaut ist in verschiedenem Grad geschwollen, außerordentlich blutreich, ihr Gewebe mit zahlreichen roten wie weißen Blutkörperchen, [* 19] welche aus den Blutgefäßen ausgetreten sind, stark infiltriert. Die Schicht der Epithelzellen, welche die freie Schleimhautfläche überzieht, wird entweder frühzeitig abgestoßen, oder sie verschmilzt mit der aus den Blutgefäßen ausgesickerten und auf der Schleimhautoberfläche geronnenen faserstoffigen Exsudatmembran. Leichtere Grade dieser Entzündungsform können sich wohl wieder zurückbilden, ohne augenfällige Spuren zu hinterlassen; in schwereren Fällen aber stirbt die erkrankte ¶
Schleimhautpartie ab, wird in einen feuchten, schmutzig graubraunen Schorf umgewandelt und stellt ein brandiges Geschwür dar, welches sich beim Übergang zur Heilung allmählich reinigt, aber einen Substanzverlust zurückläßt, welcher nur mit Hinterlassung einer Narbe ausheilt. Die Ursachen der Diphtheritis sind noch nicht ganz einwurfsfrei festgestellt, indessen nimmt man mit hoher Wahrscheinlichkeit an, daß die massenhaft an den erkrankten Stellen vorkommenden kleinsten Pilze [* 21] (Bakterien) die eigentlichen Träger [* 22] des diphtheritischen Giftes seien. Für diese Deutung spricht das Vorkommen eines sogen. Inkubations- oder Latenzstadiums, d. h. einer mehrtägigen Pause zwischen der Ansteckung und dem Ausbruch der Krankheit, ferner das epidemische Auftreten der Rachendiphtheritis, die notorische Übertragbarkeit sowie der Umstand, daß man durch absichtliche Übertragung der sogen. Diphtheriepilze auf die Schleimhaut (sogar auf die Hornhaut des Auges) von Tieren die Diphtheritis künstlich hervorrufen kann.
Es ist daher die epidemische Diphtheritis des Rachens (brandige Bräune, s. Tafel »Halskrankheiten«; [* 23] Fig. 5) eine mit Recht gefürchtete, in hohem Grad ansteckende Krankheit, deren Ansteckungskeime von großer Widerstandsfähigkeit sind, wochen- und monatelang angetrocknet liegen können, um dann auf geeignetem Nährboden sofort mit alter Bösartigkeit weiterzuwuchern. Ein kleinster Fetzen der Diphtheritishaut, den der Kranke beim Bepinseln aushustet, kann dem Arzte, der nicht mit größter Sorgsamkeit demselben ausweicht, Auge [* 24] und Leben kosten, wie zahlreiche traurige Erfahrungen gelehrt haben. Auch diese Ansteckungsfähigkeit kleinster Mengen deutet auf einen parasitischen Ursprung, und wenn die Diphtheritis in milderer Form niemals ausstirbt, dagegen zuweilen sich zu verheerenden Epidemien steigert, so ist auch dieser Wechsel in der Bösartigkeit nur bei der Annahme eines lebenden Kontagiums einigermaßen verständlich (vgl. Mykosen).
Seitdem die Diphtheritis zu Anfang der 60er Jahre unsers Jahrhunderts in unsern Gegenden aufzutreten begann, hat sie allmählich an Ausdehnung [* 25] und Bösartigkeit stetig zugenommen, und sie ist jetzt als einheimische Epidemie definitiv bei uns eingebürgert. Die Diphtheritis besitzt von allen entzündlichen Krankheiten die größte Sterblichkeitsziffer und fordert die weitaus meisten Opfer im zarten Kindesalter. Die Gesetze, welche den Ausbruch und die Verbreitung dieser Volkskrankheit regeln, kennen wir nicht; es hängen dieselben nicht von den Witterungsverhältnissen ab, sondern die Diphtheritis erhebt sich zu epidemischer Verbreitung im Winter wie im Sommer.
Bei ihrer Verbreitung im Binnenland hält sie sich nicht an die Verkehrswege, auch zeigen die herrschenden Winde [* 26] keinen Einfluß auf dieselbe. Begünstigt wird in den Städten die Verbreitung der Diphtheritis durch schlechte hygieinische Beschaffenheit der Wohnungen, durch feuchte, verdorbene Luft, besonders in Kellerwohnungen, durch schlechte Nahrung und Unsauberkeit. Die Sterblichkeitszahl betrug nach den Ermittelungen des Gesundheitsamtes vom Jahr 1876 in Augsburg [* 27] 0,8 Proz. aller Verstorbenen, in Straßburg [* 28] 0,9, Breslau [* 29] 1,9, Hannover [* 30] 2,6, Köln [* 31] 3,3, Stettin [* 32] 4,1, Quedlinburg [* 33] 7,3, Nordhausen [* 34] sogar 12 Proz.
Der Verlauf der Rachendiphtheritis beginnt gewöhnlich mit unbedeutendem Frösteln, Mattigkeit, Mangel an Appetit, selten mit einem Schüttelfrost. Die Kranken klagen dabei über Schlingbeschwerden, welche anfangs nicht eben sehr lästig sind. Untersucht man jetzt die Schleimhaut des Rachens und des Gaumens, so findet man sie bereits stark gerötet und mit weißgrauen Flecken oder zusammenhängenden Membranen überzogen; auch entdeckt man am Hals einige angeschwollene Lymphdrüsen.
Dies sind schlimme Zeichen, welche eine schwere und gefährliche Krankheit erwarten lassen, auch wenn kein Fieber vorhanden ist und die Patienten bisher sich verhältnismäßig so wohl fühlten, daß sie kaum im Bett [* 35] bleiben mögen. Hatte die Krankheit einen stürmischen Anfang mit einem Frostanfall und Erbrechen genommen, so pflegt auch der weitere Verlauf derselben ein schwerer zu sein. Allerdings erreichen weder die Schlingbeschwerden noch das Fieber in der Regel einen besonders hohen Grad; aber die Kranken sehen blaß und eingefallen aus, die Augen sind matt, der Puls ist klein und sehr frequent, große Hinfälligkeit und Teilnahmlosigkeit für alle Vorgänge in ihrer Umgebung bemächtigt sich der Kranken.
Die Bildung fauliger Geschwüre im Rachen ist mit einem sehr übeln und penetranten Geruch aus dem Mund verbunden; aus dem Mund und nicht selten auch aus der Nase [* 36] fließt eine mißfarbige, stinkende Flüssigkeit ab. Bei der Untersuchung des Harns findet man denselben sehr häufig reich an Eiweiß. In günstigen Fällen währt der Zustand 2-3 Wochen, dann reinigen sich die Geschwüre, die Gefahr ist vorüber, und es folgt ein oft recht langes Stadium der Rekonvaleszenz. In bösartigen Fällen kann schon nach wenigen Tagen unter den Erscheinungen schnell fortschreitender Erschöpfung, aber meist bei ganz klarem Bewußtsein der Tod eintreten.
Merkwürdigerweise zeigen viele Patienten trotz tief gehender Veränderungen an der Rachenschleimhaut ein kaum gestörtes Befinden, so daß ihr Zustand nicht die geringste Besorgnis zu erregen scheint. Aber gerade solche Patienten erleiden häufig gegen alle Erwartung einen plötzlichen Kräfteverfall und gehen in kürzester Frist zu Grunde. Am gefährlichsten steht es für den Kranken, wenn die Diphtheritis mit Kehlkopfskrupp verbunden ist, und namentlich, wenn die Diphtheritis im Verlauf einer Scharlachepidemie aufgetreten ist. Ist der Tod erfolgt, so findet man am Orte der Erkrankung selbst massenhafte Bakterienhaufen, sehr oft aber solche auch in den Nieren oder der stets geschwollenen Milz, jedenfalls als Zeichen einer schweren Allgemeininfektion parenchymatöse Entzündungen des Herzens, der Nieren und Leber, zuweilen Blutungen der Netzhaut und der Gehirnsubstanz.
Als Nachkrankheiten stellen sich zuweilen Lähmungen ein, allein diese schließen sich niemals unmittelbar an die an, sondern treten erst auf, wenn der ehemalige Patient seit 2-4 Wochen vollkommen genesen zu sein scheint. Am häufigsten werden der weiche Gaumen und die Rachenmuskeln gelähmt, so daß das Schlingen sehr erschwert und die Sprache eine näselnde wird. Hierzu gesellen sich häufig Lähmungen der Augenmuskeln mit Verlust des Akkommodationsvermögens, wobei die Kranken anfangen zu schielen. Auch die Arme oder Füße, namentlich die letztern, werden oft von einer Lähmung betroffen. Es ist noch nicht gelungen, den Zusammenhang dieser Lähmungen mit der Diphtheritis aufzuklären. Übrigens geben diese diphtheritischen Lähmungen eine gute Prognose: sie gehen fast in allen Fällen nach kürzerer oder längerer Dauer vollständig vorüber.
Von großer Bedeutung ist es bei der Diphtheritis, Schutzmaßregeln gegen ihre weitere Verbreitung zu treffen. Nur der Arzt und das Wartepersonal soll sich in der Nähe der an D. Erkrankten aufhalten, alle andern Personen sind zu entfernen, und wenn Kinder im Hause sind, so thut man gut, sie aus dem Ort zu ¶
entfernen, um die Möglichkeit einer weitern Ansteckung abzuschneiden. Die Krankenzimmer müssen wohl gelüftet werden, die Fenster sollten womöglich gar nicht geschlossen werden, und die höchste Sorgfalt muß auf Lüftung und Reinigung aller Räume verwendet werden, in welchen ein Kranker mit Diphtheritis gelegen hat.
Über die Behandlung der Diphtheritis gehen die Ansichten weit auseinander. Die meisten Ärzte huldigen einer lokalen Behandlung der Diphtheritis, indem sie die häutigen Belagmassen von der Schleimhaut abkratzen und die Schleimhaut mit Ätzmitteln bepinseln oder mit dem Ätzstift eingreifend touchieren. Gewöhnlich wird der Höllenstein in Lösung oder Substanz als Ätzmittel benutzt; manche Ärzte geben der konzentrierten Salzsäure, der Chromsäure, dem Liquor ferri sesquichlorati oder andern Ätzmitteln den Vorzug.
Viele erfahrene Ärzte halten dagegen eine solche örtliche Behandlung der Diphtheritis für gänzlich nutzlos und sind nur bestrebt, auf das Allgemeinbefinden kräftigend einzuwirken. Solange wir indessen ein durchschlagendes Mittel nicht haben, scheint es geboten, örtlich die Ausbreitung der Pilze wenigstens nach Möglichkeit zu bekämpfen; möglichst frühzeitig lasse man mit einer angenehm sauer schmeckenden Zitronensäurelösung alle fünf Minuten gurgeln. Nur die dauernde Berührung der Säure gibt Aussicht auf Abschwächung der Diphtheritisorganismen, so daß man bei Kindern die Flüssigkeit, die ohne Schaden verschluckt werden darf, wenigstens 2-3 Tage lang in kurzen Pausen durch Zerstäubung in Mund und Nase an die kranken Flächen zu bringen hat.
Daneben versuche man bei Beginn kalte Umschläge und Eispillen, später, wenn die Eiterung nicht mehr zu hindern ist, warme Breiumschläge um den Hals. Die Hauptaufgabe des Arztes bleibt, die Kräfte des Kranken durch China- und Eisenpräparate, durch Wein und kräftige Nahrung aufrecht zu erhalten. Jede schwächende Behandlung, zumal Blutentziehung, ist unter allen Umständen zu vermeiden, namentlich auch in dem Fall, wenn Krupp des Kehlkopfes zur Diphtheritis hinzutritt, welcher übrigens für sich, am besten durch frühzeitige Tracheotomie, zu behandeln ist. Gegen die diphtheritischen Lähmungen hat man den galvanischen Strom, kalte Douchen, Seebäder etc. empfohlen. Da diese Lähmungen jedoch erfahrungsmäßig von selbst heilen können, so ist es schwer zu sagen, ob jener Behandlung ein erheblicher Einfluß beizumessen ist.
Vgl. Seitz, Diphtheritis und Krupp, geschichtlich dargestellt (Berl. 1877);
Francotte, Die Diphtherie (deutsch, Leipz. 1885);
Schottin, Die diphtheritische Allgemeinerkrankung (Berl. 1885).
Diphtherie der Rinder [* 38] (bösartiges Katarrhalfieber, akute Kopfkrankheit), durch spezifische Infektion in der Schleimhaut des Schlundkopfes, des Kehlkopfes, der Nasen- und Kieferhöhlen sowie in der Luftröhre und in den Bronchien entstehende exsudative Entzündung, wobei sich Fibrin in größern oder geringern Mengen abscheidet und die Schleimhaut in ihren obern Schichten brandig abstirbt. Mit dieser schweren Störung ist immer eine Blutvergiftung verbunden, durch welche Fieber, Pulsfrequenz, Appetitmangel und große Schwäche verursacht werden.
Regelmäßig stellt sich entzündliche Infiltration der weichen Hirnhaut und infolgedessen starke Benommenheit des Bewußtseins, selbst förmliche Schlafsucht ein. Ebenso konstant ist die Trübung der Augen (Entzündung der Kornea und der Iris). Als Symptome sind außerdem schniebendes Atmen und Unvermögen zum Stehen zu beachten. Die Diphtheritis kommt sporadisch oder in größerer Verbreitung innerhalb eines Viehbestandes vor. Auf andre Tiere oder auf den Menschen ist sie nicht übertragbar. Die Behandlung der ausgebildeten Krankheit ist nur selten von Erfolg. Am meisten hat sich die Applikation von Kalkwasser auf die kranken Schleimhäute des Kopfes und die Einatmung von Kalkdämpfen bewährt. In prophylaktischer Hinsicht ist die sofortige Trennung der kranken von den gesunden Rindern und die Desinfektion [* 39] des Standorts der kranken Tiere erforderlich.
Diphtherie der Schafe, [* 40] eine eigentümliche Infektionskrankheit, der vorwaltend die Lämmer unterworfen sind. Als Ursache ist das Betreiben einer Weide, [* 41] die kurz zuvor mit Jauche gedüngt wurde, bekannt. Die Diphtheritis kann aber auch im Stall durch spezifische Miasmen veranlaßt werden. 3-8 Tage nach der Infektion zeigen die Tiere Fieber, Mangel an Appetit, Rötung der Schleimhäute und Verfall der Kräfte, zuweilen Durchfall. Mit wenigen Ausnahmen gehen die erkrankten Lämmer stets zu Grunde.
Die Sektion ergibt in der Rachenschleimhaut eine ausgebreitete Entzündung mit Ertötung des Epithels und flächenartige Modifikation der obern Schleimhautschicht, zuweilen auch das Vorhandensein tieferer Geschwüre. Die in den andern Organen des Körpers befindlichen Veränderungen haben einen symptomatischen Charakter und stehen mit der Blutvergiftung in ursachlichem Zusammenhang. Von einer Behandlung der kranken Tiere ist kein Erfolg zu erwarten. Es erübrigt daher nur, auf die Entfernung der Krankheitsursachen Bedacht zu nehmen und insbesondere die Lämmerherden nicht auf Weiden gelangen zu lassen, auf welchen kurz zuvor eine Düngung mit Fäkalstoffen, resp. mit Jauche stattgefunden hat.
Diphtherie des Geflügels. Bei Tauben, [* 42] Hühnern, Pfauen und Puten, aber auch bei Gänsen und Enten [* 43] kommt die Diphtheritis vor, die sich als eine ansteckende Seuche charakterisiert und zuweilen mehrere Monate in einem Gehöft herrscht. Die Diphtheritis besteht in einer kruppösen (faserstoffigen) Entzündung und oberflächlichen Modifikation der Schleimhäute, vorzugsweise der Maul- und Rachenhöhle und der Augen. Durch Resorption der Krankheitsprodukte vollzieht sich eine eigentümliche Blutvergiftung mit sekundärer Affektion der meisten innern Organe.
Das an D. leidende Geflügel zeigt beschwerliches, von rasselnden und pfeifenden Geräuschen begleitetes Atmen; die Körpertemperatur steigt bis 42° und darüber; vermehrtes Durstgefühl und verminderte Futteraufnahme. Schwer erkrankte Tiere niesen und husten viel. Die Schleimhäute des Mauls und der Nase sind mit kruppösen Exsudaten bedeckt. Nicht selten kompliziert sich das Leiden [* 44] mit Lungenentzündung und mit kruppöser Darmentzündung. Durchschnittlich erliegen 40 Proz. des Bestandes der Seuche.
Zuweilen verläuft dieselbe günstiger. Bei Vernachlässigung der Behandlung kann der Verlust auf 80 Proz. steigen. Für das Heilverfahren ist die Vernichtung des Infektionsstoffes die Hauptsache. Der Kausalindikation wird entsprochen durch Einrichtung von Kontumazställen, durch schleunige Trennung der gesunden von den kranken Tieren, Vergraben oder Verbrennen der gestorbenen Tiere und sorgfältige Desinfektion der Ställe mit Karbolsäure. Bei den erkrankten Tieren ist die häufige Verabreichung einer 2proz. Alaunlösung oder Tannin in Wasser nützlich. Auch leistet ein Zusatz von Salzsäure zum Trinkwasser gute Dienste. [* 45] Die faserstoffigen Belege in der Maul- und Nasenhöhle sind behutsam abzustreifen. In geeigneten Fällen ist die Bepinselung der kranken Schleimhäute mit Höllensteinlösung oder Jodtinktur zu versuchen. ¶
(griech., »Doppellaut«),
eine aus zwei Vokalen, von denen der erste betont ist, bestehende Lautgruppe. Die Aussprache kommt dadurch zu stande, daß bei fortdauerndem Stimmton die Mundstellung von der zum einen Vokal erforderlichen in die für einen andern Vokal gehörige übergeht. In der Regel ist der erste Vokal heller als der zweite; doch kommt auch das umgekehrte Verhältnis vor, z. B. in pfui und in den noch jetzt in süddeutschen Mundarten erhaltenen mittelhochdeutschen Diphthongen ie, uo, üe. Diphthonge der letztern Art werden bisweilen als unechte bezeichnet. Sprachgeschichtlich betrachtet, verschmilzt sehr häufig ein Diphthóng zu einem einfachen Vokal, z. B. in Mutter aus älterm muoter, franz. ai, au, nach jetziger Aussprache s. v. w. e, o; umgekehrt ist z. B. das mittelhochdeutsche î im Neuhochdeutschen zu dem ei geworden, z. B. in mein aus mîn.
s. Juraformation. ^[= (oft bloß Jura, nach dem gleichnamigen Gebirge so genannt, Oolithgebirge, Terrains jurassiques, ...] [* 47]
(griech.), zweiblätterig.
(griech., »Verdoppelung«),
in der Grammatik Verdoppelung eines Konsonanten.
s. Doppelflügel. ^[= (Vis-à-vis), eine veraltete Art Flügel, die an beiden Enden mit Klaviaturen versehen ...]
(griech., »Doppelbildseher«),
astronom. Instrument, 1844 von Dent in London [* 48] erfunden, besteht aus drei fein geschliffenen rechteckigen Glastafeln, welche ein gleichschenkeliges Prisma [* 49] einschließen, wobei von den drei Neigungswinkeln der Seitenflächen der eine 90°, folglich jeder der beiden andern 45° beträgt. Wird das Dipleidoskop [* 50] vor dem Objektivglas eines Fernrohrs so befestigt, daß die dem rechten Winkel [* 51] gegenüberstehende Seitenfläche in der Ebene des Meridians liegt und genau senkrecht auf der Achse des Fernrohrs steht, so wird man von allen Gegenständen, welche nicht genau in der Ebene des Meridians liegen, im Gesichtsfeld zwei Bilder erblicken, wogegen sich bei Objekten in der Meridianebene diese beiden Bilder decken. Man kann daher mit einem jeden mit dem Dipleidoskop versehenen und gehörig aufgestellten Fernrohr [* 52] die Kulmination hell glänzender Gestirne, besonders der Sonne, [* 53] beobachten. Doch gewährt das Dipleidoskop immer nur eine beschränkte Genauigkeit und kann niemals für eine Sternwarte [* 54] an Stelle des Passageninstruments (Mittagsfernrohrs) treten.
(griech.), die schwammige, markhaltige Substanz der platten Knochen. [* 55]
(diplōma, griech.), eigentlich die aus zwei Blättern zusammengelegte Schreibtafel; bei den Römern im allgemeinen eine amtliche Ausfertigung, namentlich eine durch Unterschrift und Siegel beglaubigte Urkunde. In dieser Bedeutung war das Wort Diplom während des ganzen Mittelalters nicht mehr gebräuchlich, denn alle jene Staatsschriften, welche jetzt Gegenstand der Urkundenlehre oder sogen. Diplomatik sind, wurden damals mit Charta, Pagina, Literae etc. bezeichnet.
Erst im 17. Jahrh. kam das Wort Diplom wieder in Aufnahme, und zwar führte es Mabillon (durch ein Werk »De re diplomatica«) in den wissenschaftlichen Sprachgebrauch und Joachim in die deutsche Sprache ein. Es bedeutete damals alle amtlichen geschichtlichen Aufzeichnungen, besonders solche, welche einer ältern Zeit angehörten. Seitdem die Diplomatik deutsche Bearbeiter gefunden, ist das Wort Urkunde für Diplom herrschend geworden; dagegen erhielt Diplom die Bedeutung einer solchen schriftlichen Erklärung, welche zur Beglaubigung irgend eines Vorgangs oder Beschlusses von seiten der dabei beteiligten Personen absichtlich und beweiskräftig ausgestellt worden ist. In engerer Bedeutung sind Diplome Urkunden über Erteilung akademischer Würden, des adligen Standes oder über die Aufnahme in gelehrte Gesellschaften. Diplomatarium (Chartularium), eine Sammlung von Abschriften oder Abdrücken alter Urkunden.
Vgl. Leist, Urkundenlehre (Leipz. 1882).
(griech.), ursprünglich derjenige, welcher Diplome verabfaßt (s. Diplom); dann Bezeichnung derjenigen, welche im internationalen Staatenverkehr die Interessen eines Landes zu vertreten haben (s. Diplomatie). Diplomatisch, auf die Diplomatie, auf den Beruf der Diplomaten bezüglich, z. B. eine diplomatische Mission. Die Ausdrücke Diplomat und diplomatisch werden aber auch nicht selten auf andre Lebensverhältnisse übertragen, um ein Verfahren nach Art der Diplomaten zu charakterisieren. Diplomatisierend nennt man eine Politik, eine Haltung dann, wenn sie nicht gerade und offen, sondern mehr auf Umwegen zum Ziel zu gelangen sucht.
(v. griech. diploma, s. Diplom), ein Wort, welches zur Bezeichnung dreier verschiedener Verhältnisse oder Gegenstände dient. Es bezeichnet 1) die Wissenschaft der Staatsschriften und Staatsurkunden. In dieser Richtung bezweckt Diplomatie die Ermittelung des Inhalts und die Feststellung der Echtheit der Staatsurkunden, zumal der Staatsverträge, auf Grundlage der Paläographie, welche die außer Gebrauch gekommenen Schriftzeichen früherer Jahrhunderte enträtselt, und der historischen und philologischen Textkritik.
Soweit die Diplomatie diesen Zweck verfolgt, erscheint sie einfach als Hilfswissenschaft der Geschichte, zu deren allerersten Aufgaben es gehört, unter ihren urkundlichen Grundlagen Echtes von Unechtem zu unterscheiden und Urkundenfälschungen zu entlarven. Zur Sicherung der Staatsurkunden gegen Verdunkelung dienen gegenwärtig die Einrichtungen der Staatsarchive. Diese erste Bedeutung des Wortes Diplomatie ist fast außer Gebrauch gekommen, häufiger bedient man sich dafür des Wortes Diplomatik.
Auf Grundlage der ersten Bedeutung entstand eine zweite: hiernach ist Diplomatie 2) die Wissenschaft der auf die auswärtigen Staatsverhandlungen bezüglichen Regeln und Formen. In dem Worte Diplomatie liegt zunächst kein Unterschied zwischen innern und äußern Staatsangelegenheiten angedeutet. Insofern aber, insbesondere zur Zeit der absoluten Monarchie, der Gebrauch und der Abschluß von Staatsverträgen häufiger ward und das innere Staatsleben an Inhalt u. Bedeutung für die kontinentalen Staaten einbüßte, faßte man den äußern Verkehr als die Hauptzweckbestimmung des Staatsschriftenwesens auf.
Schriftlichkeit, welche seit dem 16. Jahrh., vornehmlich unter dem Einfluß der Kirche, die regelmäßige Prozeßform im Gerichtsverfahren geworden war und den alten volkstümlichen Grundsatz der Mündlichkeit verdrängt hatte, beherrschte die äußern Beziehungen der Regierung mit um so größerm Recht, als jedermann überall darauf Bedacht nahm, seine Rechte in urkundlicher Form zu sichern und Beweismittel für spätere als möglich vorausgesehene Streitfälle zu bewahren. Im Zusammenhang damit bildete sich eine feste Technik in der Verwendung, Abfassung, Vorbereitung und Redaktion der für den auswärtigen Verkehr bestimmten Staatsurkunden, der Gebrauch einer Chifferschrift, das Kurierwesen u. a. Da indessen, zumal bei der Verhandlung von Staatsverträgen, den endgültigen Vereinbarungen überall mündliche Verabredungen vorangehen mußten, umfaßte allmählich die Bedeutung der Diplomatie jede Art des internationalen Meinungsaustausches. In der Sache selbst war auch der materielle Inhalt der unter den Vertretern des Staats getroffenen Vereinbarungen wichtiger als die formale Technik der urkundlichen Aufzeichnung. So erschien ¶
denn schließlich 3) Diplomatie gleichbedeutend mit dem Inbegriff der Staatsverhandlungskunst und aller darauf bezüglichen Regeln. Erst in neuerer Zeit, wahrscheinlich seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts, bediente man sich des Wortes Diplomatie in diesem erweiterten Sinn. Wann der Sprachgebrauch sich zuerst bildete, ist mit Sicherheit noch nicht festgestellt; jedenfalls ist er durchaus modern. Diplomatie als Staatsverhandlungskunst ist überall im Gegensatz zu denken zu den Mitteln der kriegerischen und gewaltsamen Entscheidung von Streithändeln.
Zuständlich gewürdigt, erscheinen die Beziehungen der Staaten zu einander überall stets als friedliche oder kriegerische. Dieser Zweiteilung entspricht auch die Gegenüberstellung von Diplomatie und Heerführung (Strategie). Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen unter mehreren Staaten erscheint deswegen als Zeichen einer ernsthaften, häufig zum Krieg führenden Verwickelung, anderseits die Wiederanknüpfung diplomatischer Verhandlungen während des Kriegs als Vorbedeutung friedlicher Gesinnungen.
Krieg und Diplomatie schließen sich im gewissen Maß gegenseitig aus. Wofern es sich nicht um die Einleitung eines ernst gemeinten Friedensschlusses handelt, wäre es auf seiten eines Feldherrn verkehrt, zu »diplomatisieren«, ebenso auch der Aufgabe des Diplomaten fremd, seinerseits vorzeitig mit Gewalt zu drohen, ein Verhalten, welches dem Endzweck der Friedenserhaltung meistenteils schwere Nachteile zufügt, wie aus neuester Zeit das Verhalten des Herzogs von Gramont vor dem Ausbruch des französisch-deutschen Kriegs im Juli 1870 besonders deutlich erkennen läßt.
Ehe der Krieg von seiten eines Staats nicht beschlossene Sache ist, darf die Diplomatie niemals eine kriegerische Sprache führen. Auch im bürgerlichen Verkehr ist daher das »Undiplomatische« gleichbedeutend mit dem Unklugen. Zuweilen können allerdings diplomatische Verhandlungen und kriegerische Operationen nebeneinander hergehen. Meistenteils wird dies dann der Fall sein, wenn der eine Teil durch Staats Verhandlungen, die nicht ernsthaft gemeint sind, Zeit für die bessere Vorbereitung seiner militärischen Operationen zu gewinnen sucht.
Lange Zeit vor dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs schwebten unter den beteiligten Mächten fruchtlose Friedensverhandlungen. Napoleon I. suchte 1814 mit den Verbündeten in Chaumont zu verhandeln, und ebenso knüpfte Thiers während der Belagerung von Paris [* 57] 1870 im November Unterhandlungen an. Solange es einen auswärtigen Staatsverkehr gibt, besteht auch eine Verhandlungskunst. Es ist daher Mißverständnis oder Unklarheit, wenn viele Schriftsteller den Satz aufstellen, daß erst seit dem Ende des 15. Jahrh. mit der Ausbildung des gegenwärtigen Staatensystems eine Diplomatie entstanden sei.
Schon die antiken Staatswesen hatten eine bestimmte Tradition und herkömmliche Regeln für ihre Verhandlungen mit den Nachbarstaaten. Insbesondere gilt dies von Sparta, Karthago [* 58] und Rom; [* 59] von jeher ward Philipp von Makedonien als einer der gewandtesten Unterhändler angesehen. Was das Mittelalter anbelangt, so haben unbestreitbar seit dem 10. Jahrh. die Päpste vorzugsweise durch ihre kirchliche Diplomatie ihre Machtstellung begründet und behauptet; unter den weltlichen Staaten war es vorzugsweise Venedig, [* 60] dessen Diplomatie und Gesandtschaftswesen frühzeitig einen hohen Grad von Festigkeit [* 61] und Geschicklichkeit erkennen lassen.
Eine wesentliche Veränderung ist in der neuern Zeit insofern vor sich gegangen, als erstens (allerdings erst seit dem 16. Jahrh.) ein ständiges Gesandtschaftswesen in Europa aufkam und zweitens seit dem Westfälischen Frieden die Beziehungen der europäischen Staaten zu einander auf eine allgemeine Rechtsgrundlage gegenseitiger Anerkennung gestellt waren. Die antike und mittelalterliche Diplomatie ging in bewußter Weise von den einseitigen Vorteilen und Machtzwecken des eignen Staats als der alleinigen Norm ihres Handelns aus.
Die moderne Diplomatie steht auf einer doppelten Grundlage: auf dem Gesamtrecht einer europäischen Staatengesellschaft und auf dem berechtigten Eigennutz der einzelnen Staaten, so daß sie zwischen diesen beiden Thatsachen des völkerschaftlichen Zusammenlebens eine friedliche Vermittelung und Ausgleichung zu suchen hat. Vorderhand ist freilich der Gesichtspunkt des eignen Vorteils und der egoistischen Machterweiterung in der Praxis der Diplomatie überall der entscheidende gewesen.
Allein das Vorhandensein eines Prinzips der menschlichen Handlungen ist niemals zu verwechseln mit dem jeweiligen Stand seiner Verwirklichung in der Praxis. Ebendeswegen ist nicht zu bestreiten, daß die moderne Diplomatie auf ganz andrer Grundlage steht und stehen soll als die antike oder mittelalterliche. Obgleich der Eigennutz die in der diplomatischen Praxis herrschende Thatsache ist, darf man nicht vergessen, daß die auf sittlichen Grundsätzen ruhende Staatslehre gegen diese Praxis zu jeder Zeit Widerspruch erhoben hat, und daß die Diplomatie sich nicht enthalten konnte, die Berechtigung der idealen Ziele des menschheitlichen Lebens bei sehr wichtigen Gelegenheiten anzuerkennen: sie unterdrückte den Sklavenhandel;
sie befreite die großen europäischen Ströme von den Hindernissen der Schiffahrt;
sie wahrte die Freiheit der Meere;
sie sicherte im Pariser Frieden in höherm Maß das Privateigentum im Seekrieg;
sie schützte in der Genfer Konvention von 1864 das Leben der Verwundeten;
sie versuchte auf der Brüsseler Konferenz 1874 die Schrecken des Kriegs durch feste Regeln zu mildern.
Die Zwecke der Diplomatie sind also über die Landesgrenzen der einzelnen Staaten hinaus erweitert und auf eine sittliche Basis gestellt worden, indem man die Harmonie der Gesamtinteressen als wünschenswertes Ziel anerkennt. Ebenso haben sich im Vergleich zu früher die Mittel der Diplomatie völlig verändert. Der Eigennutz der Staaten in Kollision mit dem Eigennutz gleich mächtiger kann nimmer zum Ziel gelangen, außer durch Gewalt, Hinterlist, Lüge oder Vertragsbruch. Machiavellismus und Jesuitismus beherrschten daher die alte Diplomatie. Jedes zweckdienliche Mittel war erlaubt, weil es als notwendig galt.
Wenn auch solche Mittel gegenwärtig nicht aus der Praxis verschwunden sind, so werden sie doch durch die öffentliche Meinung gebrandmarkt: sie verstecken sich hinter Ableugnungen und Entschuldigungen, während sie früherhin sich dreist und einfach als verdienstlich und berechtigt betrachteten. Den Nachwirkungen der ehemaligen Verderbnis der Staatssitten ist es zuzuschreiben, daß sich selbst heute noch an die Diplomatie dieselbe unvolkstümliche Vorstellung knüpft wie an die Wirksamkeit der geheimen Staatspolizei, und daß manche in der Verhandlungskunst nichts andres erblicken wollen als die Kunst des Hinterhalts und der Übervorteilungen. Ob von einer Wissenschaft der Diplomatie, nicht bloß von einer Kunst, gesprochen werden könne, ist zweifelhaft. Sicherlich gibt es gewisse Maximen und Regeln für die Diplomatie wie für jede andre Kunst. Die bloße Technik der Formalien im schriftlichen Verkehr der Regierungen hat indessen keinen Anspruch darauf, eine Wissenschaft zu heißen, und ebensowenig scheint es zulässig, mit Pölitz die Gesamtheit der für Staatsverhandlungen nützlichen Kenntnisse in andern Wissenszweigen (Völkerrecht, ¶
Staatsrecht, Geschichte, neuere Sprachen) auf Grund einer nur äußerlichen Zweckbestimmung und des praktischen Gebrauchs zu einer eignen und selbständigen Wissenschaft der Diplomatie zu vereinigen. Es gibt keine Wissenschaft der Diplomatie, weil die Zwecke der Diplomatie bis jetzt noch vorwiegend individuell nationale der einzelnen Staaten sind und darum auch die Mittel angesichts der in der Staatenwelt vor sich gehenden Veränderungen überall den konkreten Verhältnissen besonders angepaßt werden müssen.
Unter allen Faktoren des diplomatischen Gelingens oder Mißlingens sind bestimmte theoretische Kenntnisse, obwohl unentbehrlich, doch am wenigsten entscheidend, und eben diese Kenntnisse sind nicht aus der eigentümlichen Natur der äußern Staatenbeziehungen, sondern geradeaus andern Wissensgebieten zu entnehmen. Jeder Staat hat seine eigentümliche Aufgabe und darum auch eigentümliche Maximen in der Verfolgung seiner Ziele. England als Handels- und Seestaat ist anders gestellt als die kontinentalen Staaten, Deutschland [* 63] in zentraler Lage anders als Rußland mit seinen orientalischen Beziehungen, eine Großmacht anders als neutrale Staaten, wie die Schweiz [* 64] und Belgien. [* 65]
Die Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit und Sicherheit des friedlichen Bestandes ist je nach der geographischen Lage für die einzelnen Staaten eine ganz verschiedene, und daraus ergibt sich auch die Unmöglichkeit allgemein anwendbarer, abstrakter Regeln für die Verhandlungskunst. Soweit, als allgemein menschliche Ziele in Betracht kommen, ist die wissenschaftliche Grundlage der Diplomatie identisch mit dem Völkerrecht und den darauf beruhenden Forderungen der auswärtigen Politik.
Endlich 4) bedeutet Diplomatie die Gesamtheit der für auswärtige Staatsverhandlungen thätigen Amtsorgane, somit der an den europäischen Höfen beglaubigten Gesandten (s. d.) und ihrer Gehilfen, außerdem aber auch der in den auswärtigen Ministerien fungierenden Personen. Diplomatie in dieser letzten Bedeutung ist also umfassender als Gesandtschaftspersonal und auch als der Ausdruck diplomatisches Korps (s. d.), welches die an einem bestimmten Hof [* 66] beglaubigten Gesandtschaften in sich begreift.
Die Spitze und der Ausgangspunkt der gesamten europäischen Diplomatie liegt überall in den Ministerien der auswärtigen Angelegenheiten, in denen die Richtschnur für das Verhalten der Diplomatie in Gestalt bestimmter Instruktionen festgesetzt wird. Die Befähigung zum diplomatischen Dienst ist gegenwärtig in allen größern Staaten an gewisse Vorbedingungen geknüpft, die indessen vielfach dem Dispensationsrecht unterliegen. Die Auswahl eines geeigneten Staatsvertreters richtet sich nämlich überall, abgesehen von einem gewissen Maß theoretischen Wissens und allgemeiner Bildung, auch danach, welche technischen Kenntnisse an einem bestimmten Platz vorzugsweise erforderlich scheinen (z. B. militärische oder handelspolitische), und welchen persönlichen Einfluß in den entscheidenden Kreisen eines fremden Hofs man von den bestimmten Personen nach der Gesamtheit ihrer Eigenschaften erwarten darf, so daß es beispielsweise sehr verkehrt sein könnte, einen gelehrten Orientalisten an den Hof eines orientalischen, jeder Gelehrsamkeit und Bildung unzugänglichen Fürsten zu senden.
Die gegenwärtig in Europa für die diplomatische Laufbahn erforderlichen Vorbedingungen sind meistenteils: ein theoretisches Studium der Rechts- und Staatswissenschaften auf den Universitäten und ein praktischer Vorbereitungsdienst, teils an den Gerichten und Verwaltungsstellen des eignen Landes, teils bei einer auswärtigen Gesandtschaft als Attaché, wobei bestimmte Kenntnisse zu erwerben sind, über welche die Aspiranten sich in Prüfungen auszuweisen haben. Im allgemeinen entsprechen diese Anforderungen der Natur der Dinge.
Doch finden sich zahlreiche Beispiele, welche zeigen, daß auch Männer ohne juristische Vorbildung durch ihre diplomatischen Leistungen hervorragen. Cavour war von Haus aus Ingenieur, Niebuhr Historiker. Mit Vorliebe wählt man in neuester Zeit hochstehende Militärs zur Besetzung einflußreicher Posten. Neben der Kenntnis neuerer Sprachen und seines eignen, später zu vertretende Landes und seiner Rechtsinstitutionen muß von dem Diplomaten verlangt werden, daß er sich befähigt zeige, richtig zu beobachten und sicher zu beurteilen, was in fremden Ländern an politisch einflußreichen Faktoren hervortritt. Zu ihren schriftlichen Verhandlungen bediente sich die Diplomatie seit den letzten Jahrhunderten der französischen Sprache als der seit dem 17. Jahrh. verbreitetsten internationalen Verkehrssprache; in neuester Zeit hat sich England und seit dem Krieg von 1870 auch Deutschland für den Schriftwechsel teilweise von diesem Gebrauch losgesagt. Doch bleibt das Französische die Verhandlungssprache der Kongresse. - Die ältere Litteratur über Diplomatie ist fast völlig unbrauchbar. Aus neuerer Zeit vgl. v. Kaltenborn in Bluntschlis »Staatswörterbuch«;
Heffter, Das europäische Völkerrecht (7. Aufl., Berl. 1882);
Vergé, Diplomates et publicistes (Par. 1856);
v. Martens, Guide diplomatique (5. Aufl., hrsg. von Geffcken, Leipz. 1866, 2 Bde.).
(griech.), der Inbegriff von Regeln für die Auslegung und für den Gebrauch von Urkunden;
Diplomatiker, ein in die Wissenschaft der Diplomatik Eingeweihter und darin Erfahrener. Vgl. Diplomatie.
s. Diplomat. ^[= (griech.), ursprünglich derjenige, welcher Diplome verabfaßt (s. Diplom); dann Bezeichnung ...]
Korps (Corps diplomatique), die Gesamtheit der diplomatischen Vertreter fremder Staaten bei einem Souverän. Regelmäßig werden nur die eigentlichen Gesandten (s. d.) hierzu gerechnet, Konsuln und sonstige diplomatische Agenten nicht. Da die Gesandten der einzelnen Staaten verschiedene und oft sehr weit auseinander gehende Interessen verfolgen, so kann von einer eigentlichen Körperschaft oder rechtlichen Korporation der diplomatischen Vertreter der verschiedenen Staaten bei einem und demselben Souverän nicht wohl die Rede sein.
Nur bei gewissen zeremoniellen Gelegenheiten bilden sie eine äußerliche Gemeinschaft, so bei Krönungen, Hoffesten, Gratulationen, Eröffnung der Ständeversammlungen u. dgl. Der Vortritt und die Wortführung gebührt hierbei demjenigen Gesandten erster Klasse, welcher am längsten bei der betreffenden Regierung akkreditiert ist, dem Ältesten (Doyen) des diplomatischen Korps. Doch wird bei den katholischen Mächten meist dem päpstlichen Nunzius der Vorrang gelassen. In Deutschland sind gegenwärtig auch die Mitglieder des Bundesrats (s. d.) zum diplomatischen Korps der Reichshauptstadt zu rechnen.
(griech.), s. Doppeltsehen. ^[= eine krankhafte Erscheinung, deren Ursache bald zentral (im Gehirn), bald peripherisch ...]
(griech.), Zwillingsmißgeburt, wobei zwei vollständig entwickelte Individuen an einer oder an mehreren Stellen miteinander verwachsen sind.
(griech.), mit doppeltem Staubblattkreis, Bezeichnung einer Blüte [* 67] mit zwei Staubblattkreisen in regelmäßiger Alternation, wie bei den Sapotaceen. Im Gegensatz zu Obdiplostemon (s. d.).
s. Fische. ^[= (Pisces, hierzu Tafel "Fische I u. II"), im Wasser lebende, kaltblütige Wirbeltiere. ...] [* 68]
(griech., »Doppelfuß«),
in der Metrik die Verbindung zweier Versfüße zu einem Versglied. So gibt es eine iambische Dipodie (^-^-), eine trochäische (-^-^), eine anapästische Dipodie (^-^-) etc. ¶