Deventer, ehedem Daventria genannt, ist schon im 6. Jahrh. entstanden,
erhielt im 13. Jahrh. die
Rechte einer freien Reichsstadt und trat der
Hansa bei. Dann kam es unter die
Oberhoheit der
Bischöfe
von
Utrecht,
[* 10] bis deren
Rechte 1528 auf
KaiserKarl V. übergingen. Unter König
Philipp II. wurde hier 1559 ein
Bistum errichtet,
aber 1591 aufgehoben, als derPrinzMoritz von
Oranien Deventer den Spaniern wieder entriß, in deren
Hände es 1589 durch
Verrat des englischen
KommandantenStanley gefallen war. Seitdem blieb Deventer als Hauptstadt von
Overyssel mit den niederländischen
freien
Provinzen verbunden. Von 1672 bis 1674 wurde es von dem
Bischof von
Münster,
[* 11] B. v.
Galen, besetzt gehalten.
1813-14 wurde es von den
Franzosen gegen die Verbündeten behauptet und erst nach dem
SturzNapoleons freigegeben.
1)
Achille, franz.
Maler und Lithograph, geb. 1800 zu
Paris,
[* 12] machte sich zuerst bekannt durch
Lithographien
von
Porträten, von denen er mit Grévedon seit 1830 eine Sammlung herausgab, der eine historische Frauengalerie
folgte.
Später malte er religiöse
Bilder, deren süßliche
Eleganz und schwächliches
Gefühl unangenehm wirkten; trotzdem
waren sie seiner Zeit als Andachtsbilder für Privatkapellen und
Boudoirs sehr gesucht. Er starb 1857 in
Paris.
2)
Eugène, franz.
Maler,
Bruder des vorigen, geb. 1805 zu
Paris, lernte bei Girodet und trat zuerst im
Salon
von 1824 hervor. Er schloß sich der romantischen
Schule an und errang, nachdem er sich durch einige
Genre- und Kirchenbilder
bekannt gemacht hatte, durch das Gemälde:
Heinrichs IV.
Geburt (im
Louvre) einen großen
Triumph, der jedoch sein einziger blieb;
man fand darin ein großes Kompositionstalent, fein individualisierte
Köpfe,
fleißige Ausführung und
klare
Farbe und betrachtete Devéria seitdem als einen der
Führer der
Romantiker. 1836 zog er sich nach
Pau
[* 13] zurück und wurde protestantischer
Pfarrer, wandte sich aber bald wieder der
Kunst zu und malte nun unter anderm die
Schlacht an der Marsaille (im Versailler
Museum),
die Enthüllung derStatueHeinrichs IV. zu
Pau (1846), den
Tod der
JohannaSeymour (1847), die vier
Heinriche
(1857), Halt spanischer Kaufleute (1859), Empfang des
Kolumbus durch
Ferdinand und
Isabella (1861). Er starb in
Pau.
bei den altitalischen Völkern eine der drei
Gottheiten, welche Wöchnerinnen gegen nächtliche Beschleichung
des Waldgottes
Silvanus
[* 14] (s. d.) schützten. Vgl.
Pilumnus.
(lat.),
Abweichung eines
Körpers von seiner
Bahn oder
Richtung; im
Seerecht insbesondere die willkürliche Veränderung
der
Reiseroute seitens des
Schiffers
(Kapitäns). Der
Führer eines
Schiffs macht sich einer Deviation dann schuldig,
wenn er ohne genügenden
Grund von dem ihm vorgeschriebenen
Kurs abweicht, sei es nun, daß er einen
Hafen anläuft, dessen
Angehung nicht in Aussicht genommen war, oder daß er die Reihenfolge der anzugehenden Häfen eigenmächtig verändert, oder
daß er einen andern als den vereinbarten Bestimmungshafen wählt.
Sind über die
Reiseroute keine besondern Vereinbarungen getroffen, so ist der »entsprechende«
Weg zu wählen, und es entscheiden nötigen Falls
Sachverständige darüber, welcher Weg der entsprechende war. Es ist dies
der Weg, welchen ein gewissenhafter
Schiffer unter Berücksichtigung der
Jahreszeit und von
Wind undWetter
[* 15] und unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände im gegebenen
Fall gewählt haben würde. Nur Notfälle, z. B. Verfolgung
durch Seeräuber, können den
Schiffer von der Verpflichtung, auf der vorgeschriebenen oder auf der entsprechenden
Route zu
bleiben, entbinden, und selbst dann darf das Verlassen des direkten, geraden Wegs nicht weiter ausgedehnt werden, als
die
Not oder das
Gebot der Menschlichkeit erfordert oder der
Kontrakt gestattet. Jede andre
Abweichung von der
Reise verpflichtet
den
Schiffer zum
Schadenersatz. Die Assekuradeure kommen, wenn die Deviation ohne
Wissen des Versicherten geschah, so
¶
mehr
weit dafür auf, als sie für Fehler des Schiffers haften; wo die Deviation mit Wissen und Willen des Assekurierten vorgenommen wurde,
betrachten sie dieselbe als eine Verletzung des Kontrakts, die sie von jeder Verpflichtung entbindet. Nach englischem und französischem
Recht haftet der Versicherer für die nach einer Deviation vorgekommenen Unfälle überhaupt
nicht. S. auch Bodmerei.
(spr. döwíl), 1) Achille, franz. Altertumsforscher, geb. 1789 zu Paris, trat zuerst mit
einer metrischen Übersetzung von Vergils »Bucolica« (1813) an die Öffentlichkeit und widmete sich dann archäologischen
Studien. Seit 1827 in Rouen
[* 19] als Steuerbeamter angestellt, wurde er in der FolgeDirektor des dortigen Museums für Altertümer
und starb in Paris. Außer mehreren lokalgeschichtlichen Werken (über die AbteiSt.-Georges
de Bocherville, das SchloßGaillard, die Kathedrale zu Rouen, das Château Tancarville u. a.) schrieb er: »Chants bucoliques«
(1856);
»Essai sur l'exile d'Ovide« (1859) und »Histoire de l'art de la verrerie dans l'antiquité« (1874, mit 113 Tafeln).
In der Konditorei sind Devisen kleine allegorische oder symbolische Figürchen von
gewöhnlichem Teig, in denen Zettel mit Devisen enthalten sind; in der kaufmännischen Sprache s. v. w. Wechsel auf ausländische
Plätze.
(spr. diwēīsis), alte, wohlhabende Stadt in Wiltshire (England), in der fruchtbaren Ebene von Pewsey, 131 m ü. M.,
am Kennetkanal gelegen, hat eine in Ruinen liegende FesteHeinrichs I., ein Museum, Irrenhaus, Gefängnis,
etwas Seidenmanufaktur, Malzdarren und (1881) 6645 Einw.
Fluß in Türkisch-Albanien, entspringt am Grammosberg, welcher in der nördlichen Fortsetzung der
Pinduskette liegt, durchfließt, durch einen Abfluß des langgestreckten Wentroksees verstärkt, den Swirinasee, dann ein
noch völlig unbekanntes Bergland südöstlich von Elbassan, vereinigt sich etwa 40 km vor seiner Mündung
mit dem Ljumi-Beratit, nimmt nun den NamenSemeni oder Ergent an und mündet zwischen Valona und Durazzo in das Adriatische Meer.
Bis heute gehört sein Gebiet zu den unbekanntesten Teilen Europas.
Devolutionsrecht ist das in der hierarchischen Ordnung unmittelbar begründete allgemeine Recht, vermöge dessen der höhere
Kirchenobere dann thätig werden darf, sobald der ihm unmittelbar Untergeordnete seiner Pflicht entweder
nicht oder doch nicht in der gesetzlichen Weise genügt. Unter den Verhältnissen, in denen das Devolutionsrecht in Ausübung
kommen kann, ist schon durch das dritte Konzil vom Lateran (1179) die Verleihung der Kirchenämter besonders hervorgehoben.
Hier gilt die allgemeine Regel, daß, sobald der zur Provision Berechtigte die Besetzung des Amtes nicht
den kanonisch-rechtlichen Satzungen gemäß, also namentlich nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist vornimmt, sein Recht
sofort, und ohne daß es noch einer besondern Erinnerung bedarf, für diesmal verloren geht, immer jedoch unter der Voraussetzung
eines wirklichen Verschuldens, weshalb z. B. dieser Verlust dann nicht
eintritt, sobald dem Berechtigten irgend ein faktisches oder rechtliches Hindernis entgegenstand. So devolviert z. B.
das Besetzungsrecht vom Kapitel an den Bischof, von diesem an den Erzbischof und von dem letztern an den Papst selbst. In der
evangelischen Kirche kann das Devolutionsrecht im wahren Sinne nur dann vorkommen, wenn der Patron entweder
die Präsentationsfrist versäumt, oder simonisch oder einen
¶
der Krieg, durch welchen Ludwig XIV. von Frankreich 1667 die spanischen Niederlande
[* 25] sich anzueignen
suchte. Er stützte sich dabei auf das sogen. Devolutionsrecht, welches in Brabant und einigen Nachbarprovinzen
galt, und nach welchem das Erbe eines Mannes den Kindern der ersten Ehe ausschließlich gehörte und im Augenblick einer zweiten
Vermählung auf dieselben »devolvierte« (überging), während der wieder
verheiratete Vater nur den Nießbrauch dieses Vermögens bis zu seinem Tod behielt.
Gebirgsstock in der obern Dauphiné, in den französischen DepartementsOberalpen, Drôme und Isère, besitzt
außer dem Obiou (2793 m) mehrere Gipfel von nicht minder beträchtlicher Höhe und entsendet die Souloise,
welche an dem Hauptort der Landschaft, dem FleckenSt.-Etienne en Dévoluy, vorbeifließt, zum Drac.
Untergeordnet eingelagert sind dem Schichtensystem eine Reihe sonstiger Gesteine, darunter manche von großer technischer Wichtigkeit
(s. unten). Meist unbauwürdig sind die hier und da vorkommenden Steinkohlenflöze. Die in den Schichten begrabenen Organismen
tragen, dem hohen Alter der Formation entsprechend, einen fremdartigen, von der heutigen Schöpfung weit
abweichenden Charakter. Dünn gesäet sind die Pflanzenformen: Fucus-Arten, einige Gefäßkryptogamen (Kalamiten, Lepidodendren,
Farne),
[* 34] Sigillarien mit ihren Wurzelstöcken, den Stigmarien und Koniferen
[* 35] (letztere namentlich als verkieselte Stämme, Araucarioxylon).
Unter den Tierformen sind die Korallen
[* 36] durch mannigfaltige Genera (Cystiphyllum, Cyathophyllum, Pleurodictyum u. a.) vertreten;
eine sehr charakteristische und deshalb als Leitfossil besonders geeignete Form ist die Deckelkoralle Calceola sandalina
(auf der Tafel mit abgehobenem Deckel dargestellt). Dagegen fehlen die für die silurische Formation so bezeichnenden Graptolithen
im Devon gänzlich. Unter den Echinodermen sind die Krinoideen weitaus am zahlreichsten (so Cupressocrinus und Haplocrinus; vgl.
Tafel, auf welcher auch eine Blastoideenform, Pentremites, dargestellt ist).
Macrocheilus subcostatus und Murchisonia bigranulosa sind Beispiele devonischer Gastropoden. Unter den Cephalopoden, welche außerdem
durch zahlreiche Genera verschiedener Aufwickelungsformen mit einfachstem Verlauf der Kammerwandungen
(Nautilus-Suturlinien) vertreten sind, ist die abgebildete Clymenia Sedgwickii ausschließlich, Goniatites costulatus wenigstens
sehr vorwaltend im Devon entwickelt. Von Krustaceenformen treten die Trilobiten (unsre Tafel stellt die bizarre Form des Arges
armatus dar) weniger zahlreich als im Silur auf, dagegen kommt der kleine, zweischalige Krebs
[* 40] Cypridina
(Entomis) serratostriata (s. Tafel) in unzähligen Exemplaren in dem nach ihm genannten Schiefer vor.
(spr. déww'nschir, kurz Devon), Grafschaft im südwestlichen England, zwischen dem Kanal von
Bristol und dem EnglischenKanal gelegen, östlich von den GrafschaftenDorset und Somerset, westlich von Cornwallis begrenzt, umfaßt
einen Flächenraum von 6698 qkm (121,6 QM.). Die Küsten sind im allgemeinen steil, und die Oberfläche des Bodens ist sehr
mannigfaltig gestaltet. Im westlichen Teil nimmt das aus Granit bestehende wüste TafellandDartmoor Forest
(s. d.) mit seinen Sümpfen und Moorstrecken eine Oberfläche von 500 qkm ein und erreicht im Yeo Tor eine Höhe von 633 m.
Im N. erstreckt sich von Somerset aus der aus devonischem Kalkstein bestehende Exmoor Forest (s. d.) in die Grafschaft, und im
O. steigen die BlackDowns zu einer Höhe von 220 m an. Mit Ausnahme der genannten Landstriche, welche sich
nur zur Weide
[* 59] eignen, ist das Land fruchtbar, namentlich in den Thälern.
Die Mehrzahl der zahlreichen Flüsse
[* 60] ergießt sich nach S. in den EnglischenKanal (so Tamer, Avon, Dart, Teign, Ex); nur Taw und
Torridge fließen in nordwestlicher Richtung in die große, aber seichte Barnstapler Bai. Die Südküste
ist reich an
guten Häfen, darunter vornehmlich der Plymouthsund (s. d.). Das Klima
[* 61] ist mild und feucht und günstiger für
Viehzucht
[* 62] als für Ackerbau. Die Bevölkerung zählte 1881: 603,595 Einw., von welchen mehr als die Hälfte in Städten wohnt.
oder Devon, engl. Adelstitel, der, seit Heinrich I. bestehend, 1335 von dem Haus Redvers auf das HausCourtenay
überging, das seit Heinrich II. in England ansässig war.ThomasCourtenay, sechster Graf von Devonshire, wurde in der Schlacht von Tewton
gefangen und 1461 enthauptet; EdwardCourtenay, der 1485 Graf von Devonshire wurde, zeichnete sich unter Heinrich
VII. aus; dessen Sohn William heiratete die Prinzessin Katharine, jüngste Tochter Eduards IV., und spielte unter Heinrich VIII.
eine Rolle ebenso wie sein Sohn Henry, der nach vielen Gunstbezeigungen von seiten Heinrichs VIII. 1538 in Ungnade fiel und 1539 hingerichtet
wurde.
legte er die Oberkammerherrnstelle nieder und starb in Spaa. Sein ältester Sohn, William, fünfter Herzog von Devonshire, geb.
1748, wurde 1766 Großschatzmeister von Irland und stand, wie seine ganze Familie, auf seiten der Opposition gegen die irische
Politik des Hofs. Er starb Seine erste Gemahlin, Georgiana Cavendish, Herzogin von Devonshire, die Tochter
des GrafenJohnSpencer, geb. glänzte ebensosehr durch Schönheit und Liebenswürdigkeit wie durch Geist und poetisches
Talent und beteiligte sich lebhaft an den politischen Angelegenheiten.
Sie starb Seine zweite Gemahlin, Elisabeth Hervey, Tochter des vierten Grafen von Bristol und
Witwe von JohnThomasFoster, gewann seit ihrer Vermählung mit dem Herzog von Devonshire großen Einfluß auf die politischen Angelegenheiten
und wandte sich nach dem Tod ihres Gemahls 1815 nach Rom,
[* 71] wo ihr Haus der Sammelplatz vieler ausgezeichneter Künstler und Gelehrten
ward. Auf ihre Veranlassung wurden auf dem Forum romanum die Säulen des
[* 72] Phokas aufgedeckt und erschienen
Annibale Caros Übersetzung der »Äneide« des Vergil mit ausgezeichneten Kupferstichen in 150 Exemplaren (1818, 2 Bde.) sowie
die Illustrationen der fünften Satire des Horaz (Parma
[* 73] 1818) und ein Gedicht ihrer Freundin Georgiana (Rom 1816) im Druck.
(lat.), bei den alten Römern ursprünglich jede Weihung an die unterirdischen Götter,
insbesondere der feierliche und heilige Gebrauch, kraft dessen sich jemand zum Wohl des Vaterlandes durch einen freiwilligen
Tod den unterirdischen Göttern weihte, wie z. B. Curtius, die Decier u. a. Zuweilen war die Devotio mit Exsecratio (wobei durch die
Priester über Personen oder Städte feierliche Verwünschungen ausgesprochen wurden) oder mit
Evocatio
(Aufforderung an den Schutzgott einer belagerten Stadt, dieselbe zu verlassen) verbunden. Jetzt bezeichnet Devotio (Devotion)
in der Kirchensprache die hingebende Verehrung Gottes und der Heiligen, dann Andacht (daher Devotio domestica, Hausandacht, Hausgottesdienst),
auch Gelübde; endlich Unterwürfigkeit Höhergestellten gegenüber.
(franz., spr. dewumāng), s. v. w.
Devotion, ^[= (lat.), bei den alten Römern ursprünglich jede Weihung an die unterirdischen Götter, insbesondere ...] Ergebenheit;
Leider verfiel Devrient schon damals in eine ungeregelte Lebensweise und dadurch in zerrüttete Verhältnisse, die
seine Studien hemmten und ihm nicht gestatteten, alle in ihm schlummernden Gaben durch sorgfältige Pflege zu entfalten. Seine 1807 eingegangene
Ehe mit MargareteNeefe, der Tochter des bekannten Kapellmeisters in Dessau, unterbrach seine regellose Lebensweise
nur auf kurze Zeit, da sie nach kaum einjähriger Dauer durch den Tod der Gattin wieder gelöst wurde.
In der Folge war Devrient noch zweimal verheiratet. 1809 sah er sich endlich genötigt, die DessauerTruppe heimlich zu verlassen.
Er ging zuerst nach Breslau,
[* 82] ward dann (1815) durch die Vermittelung Ifflands nach Berlin berufen, wo er
bald der gefeierte Liebling des Publikums wurde und bis an sein Ende blieb. Der übermäßige Genuß geistiger Getränke, dem er
sich in Gesellschaft unterhaltender und geistvoller Genossen (darunter namentlich des Humoristen E. T. A. Hoffmann) Nächte hindurch
hingab, zehrte vor der Zeit seine Kräfte auf; er starb Die eigentümlichen Vorzüge Devrients
als darstellenden Künstlers waren geniale Charakteristik und angeborner, echt poetischer Humor, worin er unter allen deutschen
Komikern obenan stand. Er schaffte aus sich, mit gänzlicher Umänderung der Maske und des Redetons, täglich neue und gänzlich
voneinander verschiedene Menschen und stattete dieselben mit Leben und Originalität aus.
Dabei bediente er sich nie greller Mittel; sein komisches Produzieren war vielmehr leicht, ohne scheinbare Absicht und traf
deshalb mit den Bildern der Natur in der vollendetsten, reinsten Objektivität wieder zusammen. Gleich groß stand aber Devrient als
tragischer Künstler da. FranzMoor, Lear, Talbot, Richard III., Shylock, Mercutio, Schewa, Kooke, der Mohr in
»Fiesco«, Lorenz Kindlein waren seine Hauptrollen, von denen er mehrere gleichsam neu geschaffen hat, und eine Menge kleiner
Charakterrollen erhielten durch ihn erst Leben und Bedeutung. Seine ganze Auffassungsweise, seine Mimik
[* 83] und Deklamation waren
aber mehr charakteristisch ergreifend als in idealem Sinn schön zu nennen. Man hat ihn mit Recht eine
dämonische Künstlernatur genannt, denn seine ganze äußere Erscheinung, seine Gebärden und Gesten, sein Organ übten die
frappanteste Wirkung auf den Zuschauer aus. Vgl. Z. Funck, Aus dem Leben zweier
¶
Gerold in der »Berlinischen Chronik« (Berl. 1876, Heft 13).
Novellistisch
behandelten ihn H. Smidt in den »Devrient-Novellen« (3. Aufl., Berl.
1882) und R. Springer in dem Roman »Devrient und Hoffmann« (das. 1873). Treffliche Schilderungen von Devrients Eigentümlichkeit finden
sich auch in Ed. Devrients »Geschichte der deutschen Schauspielkunst« (Bd. 4) und in HolteisRoman »Die Vagabunden«.
Nach Vollendung einer großen Kunstreise trat Devrient 1835 ein Engagement in Karlsruhe
[* 89] an, von wo er 1839 nach
Hannover
[* 90] übersiedelte. Er starb. in Lauterberg am Harz. Von den drei Brüdern war Karl der begabteste; aber er hat
sein Talent weder konzentriert, noch durch ausdauernde Willenskraft ausgebildet. Daher glückten ihm oft Teile einer Darstellung
ganz ungemein, während sich der Rest verflachte oder verflüchtigte. Früher spielte er jugendliche
Helden und Liebhaber; in der letzten Zeit hatte er sich mehr den ältern Charakterrollen (Lear, Wallenstein) zugewandt. - Sein
Sohn Friedrich, geb. zu Dresden,
[* 91] ebenfalls ein geachteter Schauspieler, war 1848-52 am Wiener Burgtheater beschäftigt
und erhielt 1865, nach häufig gewechseltem Aufenthalt, eine Anstellung am deutschen Theater in
[* 92] St. Petersburg,
[* 93] wo er starb.
3) PhilippEduard, der zweite der Brüder Devrient, geb. zu Berlin, eröffnete seinen Brüdern die Künstlerlaufbahn, indem
er diese zuerst und zwar als Sänger betrat und seine Eltern mit ihr versöhnte. Seit 1819 gehörte er
der BerlinerBühne an, wo ihm seine schöne Baritonstimme und gründliche, unter Zelter erworbene musikalische Bildung eine
Stelle bei der königlichen Oper verschafften. Später wandte er sich dem rentierenden Fach zu, worin er sich bald durch Studium
und Streben, weniger aber durch das Feuer der Begeisterung auszeichnete. 1844 übernahm Devrient die Oberregie
des Hoftheaters in Dresden, legte sie aber 1846 wieder nieder, entsagte 1852 der Wirksamkeit als Darsteller und erhielt im
Herbst 1852 einen Ruf als Direktor des Hoftheaters nach Karlsruhe, wo er später zum Generaldirektor ernannt wurde. Er hatte
dort die Reorganisation des äußerlich wie innerlich zerrütteten Hoftheaters vorzunehmen, und es gelang
ihm, in einer mehr als 17jährigen Leitung den Beweis von der Ausführbarkeit alles dessen zu liefern, was er in seinen dramaturgischen
Schriften als Aufgabe der Schauspielkunst hingestellt hatte.
Die korrekte und lebendige Totalwirkung der Darstellungen sicherte er durch unermüdliche Sorgfalt und lehrhaften Einfluß,
wobei ihm seine schon in Berlin, Dresden, Karlsruhe und Mannheim
[* 94] bewährte Kunst des dramatischen Vorlesens
zu Hilfe kam. Nachdem er
1869 sein 50jähriges Künstlerjubiläum gefeiert, legte er die Direktion aus Gesundheitsrücksichten
nieder. Er starb in Karlsruhe. Devrient hat sich als Schriftsteller für die Bühne bedeutende Verdienste erworben. Seine
frühsten Arbeiten waren drei Operntexte: »HansHeiling«, »Die Kirmes«, »Der Zigeuner«, die von 1833 bis 1843 entstanden,
und denen fünf Bühnenstücke: »Das graue Männlein«, »Die
Gunst des Augenblicks«, »Verirrungen«, »TreueLiebe« und »Wer bin ich?« (Leipz. 1846),
nachfolgten. Weiter veröffentlichte er an
dramaturgischen Schriften: »Briefe aus Paris« (2. Aufl., Berl. 1846);
Sein Hauptwerk ist aber die auf fleißigen Studien und gründlicher Kenntnis des
Bühnenwesens beruhende »Geschichte der deutschen Schauspielkunst« (Leipz. 1848-74, 5 Bde.).
Ferner ließ er »MeineErinnerungen an FelixMendelssohn-Bartholdy und seine Briefe an mich« (2. Aufl., Leipz.
1872) erscheinen und gab mit seinem Sohn Otto Devrient einen »DeutschenBühnen- und Familien-Shakespeare« (das. 1873 ff.)
heraus. Eine Gesamtausgabe seiner Schriften erschien Leipzig
[* 95] 1846-74, 11 Bde.
Hier vollendete er seine dramatische Bildung und fand 1831 in Dresden an der Hofbühne eine dauernde Stellung,
von der er nach 37jähriger ruhmvoller Thätigkeit zurücktrat, um sich, nach seinen eignen Worten, als Künstler
nicht selbst überleben zu müssen. Zum außerordentlichen Ehrenmitglied ernannt, erhielt er vom König persönlich das Ritterkreuz
des sächsischen Zivilverdienstordens, das bis dahin noch kein Bühnenkünstler erhalten hatte, und wurde zum
Hofrat ernannt.