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Teil seines Gebiets an die Westgrenze Deutschlands [* 2] verlegt wurde, war für die künftige Haltung der preußischen Politik und die Entwickelung Deutschlands von den wichtigsten Folgen. Hessen-Darmstadt, Nassau, Baden [* 3] und Württemberg [* 4] blieben in den von Napoleon geschaffenen Grenzen. [* 5] Bayern [* 6] trat Tirol [* 7] und Salzburg [* 8] an Österreich [* 9] ab, behielt aber die althohenzollerischen Fürstentümer Ansbach [* 10] und Baireuth [* 11] und bekam Würzburg [* 12] und die Rheinpfalz; von der letztern abgesehen, bildete es fortan einen kompakten, wohlabgerundeten Staat. Österreich verzichtete auf seinen frühern Besitz am Oberrhein, erlangte aber (außer Tirol und Salzburg) Galizien, Illyrien, Dalmatien und Istrien [* 13] zurück und dazu das Lombardisch-Venezianische Königreich. Es gewann damit im mittlern Donaugebiet, zu beiden Seiten der Alpen [* 14] und in Italien [* 15] eine herrschende Stellung, die hier durch die Wiederherstellung seiner Sekundogenituren in Modena und Toscana verstärkt wurde.
Österreich zog sich aus Deutschland [* 16] möglichst zurück und gab damit zu erkennen, daß es auf eine unmittelbare Herrschaft über Deutschland durch Erneuerung der Kaiserwürde zu verzichten gesonnen sei. Diese ward in der That bei den Verhandlungen über die Deutschland zu gebende Verfassung ausgeschlossen, obwohl die kleinern deutschen Staaten sie ausdrücklich beantragten. Die größten Schwierigkeiten bereiteten in der deutschen Verfassungsfrage die Regelung des Verhältnisses der beiden deutschen Großmächte und der Widerspruch der größern Mittelstaaten, Bayerns, Württembergs und Hannovers, gegen jede starke Zentralgewalt.
Trotz seiner glänzenden Heldenthaten im Befreiungskrieg konnte Preußen [* 17] unmöglich auf die Hegemonie Anspruch machen; dem standen die Vergangenheit, nicht am wenigsten auch die preußische Politik 1795 bis 1806 und die Eifersucht der andern deutschen Dynastien entgegen. Mehr als eine Ehrenstellung wollte Preußen aber Österreich über sich nicht einräumen, da dieses die deutschen Interessen wirksam zu wahren und eine rein deutsche Politik zu treiben weder willens noch in der Lage war. Deutschland unter die Herrschaft von Österreich und Preußen zu teilen und den Dualismus damit zu verewigen, widerstrebte allen patriotischen Männern aufs äußerste. So kam man denn auf den Ausweg, die Rivalität der Großmächte dadurch abzustumpfen, daß man ihren Einfluß auf die Bundesgewalt verringerte, sie nur mit einem Teil ihres Gebiets in den Bund eintreten ließ und die Mittel- und Kleinstaaten mehr an der obersten Leitung beteiligte.
Hierdurch wurde das Streben der Mittelstaaten, die Befugnisse der Zentralgewalt möglichst zu verringern und den Bund zu einem bloß völkerrechtlichen Verein zu machen, begünstigt, und als Napoleons Landung in Frankreich zu einem schleunigen Abschluß drängte, begnügte man sich endlich, um nur etwas zu stande zu bringen, mit einem Minimum; selbst das Bundesgericht wurde in letzter Stunde fallen gelassen. Man tröstete sich damit, daß es besser sei, einen unvollkommenen Bund zu bilden als gar keinen, und daß derselbe keine Verbesserung ausschließe; die unbefriedigten Erwartungen der Nation werde die Zukunft erfüllen.
Der Deutsche Bund.
Die Bundesakte vom sagte in ihrem 1. und 2. Artikel: »Die souveränen Fürsten (die Könige von Bayern, Sachsen, [* 18] Hannover [* 19] und Württemberg, der Kurfürst von Hessen, [* 20] die Großherzöge von Hessen, Sachsen, Baden, Mecklenburg [* 21] und Oldenburg, [* 22] die Herzöge von Sachsen [4], von Anhalt [* 23] [3], Braunschweig [* 24] und Nassau, die Fürsten von Schwarzburg, [* 25] Reuß, [* 26] Lippe, [* 27] Hohenzollern, Liechtenstein [* 28] und Waldeck) [* 29] und die Freien Städte (Lübeck, [* 30] Bremen, [* 31] Hamburg [* 32] und Frankfurt [* 33] a. M.) mit Einschluß des Kaisers von Österreich und des Königs von Preußen, beide für ihre gesamten vormals zum Deutschen Reiche gehörigen Besitzungen, ferner der König von Dänemark [* 34] für Holstein, der König der Niederlande [* 35] für Luxemburg [* 36] vereinigen sich zu einem beständigen Bund, welcher der Deutsche [* 37] Bund heißen soll. Zweck desselben ist die Erhaltung der äußern und innern Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten.« Die Angelegenheiten des Bundes besorgte eine Bundesversammlung (Bundestag),
welche aus den Gesandten der Staaten bestand, in der Österreich den Vorsitz führte, und die in Frankfurt a. M. tagte (über ihre Geschäftsordnung s. den Art. »Deutscher Bund«). Streitigkeiten der Bundesglieder sollten durch Vermittelung des Bundes und, wenn diese fehlschlage, durch eine Austrägalinstanz beigelegt werden. In allen Bundesstaaten sollte eine landständische Verfassung bestehen, ebenso Gleichberechtigung der christlichen Religionsparteien. Als nächste Aufgaben der Bundesversammlung wurden die Abfassung der Grundgesetze des Bundes und dessen organische Einrichtung in Rücksicht auf seine auswärtigen, militärischen und innern Verhältnisse sowie Vereinbarungen über Preßfreiheit und Sicherstellung des Verlags- und Autorrechts und über Regelung des Handels und Verkehrs bezeichnet.
Unzweifelhaft ließ diese Akte viele berechtigte Wünsche der Nation, sowohl was Einheit als was Freiheit betraf, unbefriedigt und entsprach weder der geistigen Entwickelung des deutschen Volkes, das in dem mächtigen Aufschwung der schönen Litteratur und der Wissenschaften eine den ersten Kulturvölkern ebenbürtige Bildung und ein Anrecht auf freie und nationale politische Institutionen erworben hatte, noch den großen Opfern, die im Befreiungskrieg an Blut und Geld gebracht worden waren.
Dennoch war der Bund lebens- und entwickelungsfähig, wenn der gute Wille, welchen die Regierenden bei seiner Begründung bekundeten, auch in der Zukunft ernst und aufrichtig bethätigt wurde und die Stimme der Nation, wie sie sich in der Presse [* 38] und der Litteratur äußerte, die gebührende Berücksichtigung fand. Namentlich das Versprechen landständischer Verfassungen in den Einzelstaaten mußte ehrlich erfüllt werden. Dies geschah aber nur in wenigen Mittel- und Kleinstaaten, wie Sachsen, Weimar, [* 39] Baden, Bayern, Württemberg, vor allem nicht in Österreich und Preußen, obwohl der König Friedrich Wilhelm III. durch seinen Erlaß vom die Berufung von Reichsständen mit konstitutionellen Rechten ausdrücklich versprochen hatte.
Anfangs waren es die Schwierigkeiten der Neuorganisation der Verwaltung, welche die Ausführung des Versprechens in Preußen verzögerten. Bald aber machte sich der unheilvolle Einfluß reaktionärer, konterrevolutionärer Strömungen, welche von Österreich und Rußland mit Eifer unterstützt wurden, in Deutschland und Preußen immer mehr bemerkbar. Alle lebhaftern Äußerungen liberalen und nationalen Geistes von seiten der Männer der Wissenschaft und der studentischen Jugend wurden von den Häuptern der Reaktion in Preußen, Tzschoppe, Kamptz und Schmalz, von den österreichischen Staatsmännern Metternich und Gentz und von den russischen Agenten Kotzebue und Stourdza ausgebeutet, um die deutschen Regierungen einzuschüchtern, ihnen Furcht vor einer gewaltsamen Umwälzung einzujagen und sie ¶
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zu polizeilicher Unterdrückung aufzufordern. Görres' »Rheinischer Merkur« [* 41] ward verboten, der Tugendbund aufgehoben, und das Wartburgfest der Jenaer Burschenschaft wurde zum Anlaß genommen, Karl August von Weimar zur Wiedereinführung der Zensur und zur Beschränkung der studentischen Freiheit zu nötigen. Die Bekämpfung des sogen. revolutionären Geistes in seinen unschuldigsten Regungen war auf dem Aachener Kongreß (1818) ein Hauptgegenstand der Beratung der Monarchen.
Die Wiener Politiker, welche am liebsten in Europa [* 42] und in Deutschland eine Kirchhofsruhe hergestellt hätten, um ungestört ihrer epikureischen Genußsucht frönen zu können, benutzten namentlich die Ermordung Kotzebues durch einen Jenaer Studenten, K. L. Sand (1819), dazu, um deutsche Ministerkonferenzen nach Karlsbad (August 1819) zu berufen, welche sich über gewisse Beschlüsse gegen die Presse, die Burschenschaft, das Turnwesen und die Freiheit der Universitäten vereinigten. Diese Karlsbader Beschlüsse wurden vom Bundestag in einer einzigen Sitzung sämtlich bestätigt.
Während alle in der Bundesakte versprochenen Dinge, organische Bundeseinrichtungen, Grundgesetze, Sicherung der Freiheit der Presse und des Handels und Verkehrs, landständische Verfassungen u. dgl., seit 1815 nicht im geringsten gefördert worden waren, ward jetzt sofort eine Exekutivordnung für die Ausführung von Bundesbeschlüssen, welche die Sicherung der öffentlichen Ordnung bezweckten, beschlossen, die Überwachung sämtlicher Universitäten und eine strenge Zensur eingeführt und in Mainz [* 43] eine Zentraluntersuchungskommission gegen die demagogischen Umtriebe eingesetzt, die eine Menge meist schuldloser junger Leute verhaften ließ und jahrelang in Gefängnissen herumschleifte. Die gewissenhaften, aber rauhen preußischen Behörden verfuhren bei den Demagogenverfolgungen mit gehässigem Ungeschick. Männer wie Arndt, Welcker und Jahn wurden verhaftet und ihrer Ämter entsetzt.
Damit noch nicht zufrieden, bewirkte Metternich, stets getreulich von Preußen unterstützt, die Annahme der Wiener Schlußakte welche den Deutschen Bund zu einem völkerrechtlichen Verein zur Erhaltung innerer und äußerer Ruhe herabdrückte und den Bundestag zu einem bloßen Polizeiorgan der beiden deutschen Großmächte, hinter denen Rußland stand, machte. Selbst das Versprechen landständischer Verfassungen wurde dahin deklariert, daß in dem Staatsoberhaupt in seiner Eigenschaft als Souverän die gesamte Staatsgewalt vereinigt bleiben müsse und dasselbe nur hinsichtlich der Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden sei, sowie daß keiner der Fürsten durch die Verfassung an der Erfüllung seiner bundesmäßigen Pflichten behindert werden dürfe.
Die süddeutschen Staaten, in welchen sich ein konstitutionelles Leben in den Landtagen entwickelt hatte und ein liberaler Geist herrschte, namentlich Württemberg, suchten sich den Karlsbader Beschlüssen zu entziehen und eine freisinnige Haltung gegen Presse, Vereinswesen und Universitäten zu bewahren. Sie mußten sich zwar dem Druck der Mächte fügen, rechtfertigten aber durch ihr Auftreten nachträglich ihre unpatriotische Opposition auf dem Wiener Kongreß gegen eine starke Zentralgewalt.
Denn nun sah ja die Nation, wie eine solche nicht zur Begründung eines einheitlichen Staatswesens, sondern nur zur Unterdrückung der Freiheit verwendet wurde, und mußte froh sein, daß die Staaten noch genug Selbständigkeit gerettet hatten, um der Polizeiwillkür einige Schranken zu ziehen. Der Bundestag verfiel seitdem der gerechten allgemeinen Verachtung, und von ihm hoffte man nichts mehr. Die Masse des Volkes ging damals allerdings noch ganz in den Sorgen des täglichen Lebens auf, in der Heilung der Kriegswunden durch gesteigerte gewerbliche und kommerzielle Thätigkeit, und das Nationalgefühl machte bei ihr wenig Fortschritte. Die gebildeten Kreise [* 44] aber, die geistigen Führer Deutschlands, richteten ihre Aufmerksamkeit vor allem auf die Erringung der Freiheit und nahmen sich ein Vorbild an den französischen Liberalen, deren Bestrebungen und Ideen namentlich in Süddeutschland maßgebend wurden.
Die Pariser Julirevolution von 1830 gab denn auch in Deutschland den Anlaß zu einer liberalen und unitarischen Bewegung. In Braunschweig wurde der Herzog Karl, der sein Land durch eine tolle Mißregierung aufs äußerste gereizt hatte, vertrieben und im Oktober 1832 eine neue, freisinnigere Verfassung proklamiert. Der Kurfürst Wilhelm II. von Hessen wurde gezwungen, seinen Sohn zum Mitregenten anzunehmen und die seit 14 Jahren nicht versammelten Landstände zu berufen, welche eine liberale Verfassung zu stande brachten.
Auch in Sachsen wurde durch Unruhen in verschiedenen Städten die Einsetzung eines freisinnigen Ministeriums und der Beginn von Reformen veranlaßt. In Hannover endlich wurde das ständisch-aristokratische Grundgesetz von 1819 durch ein echt konstitutionelles ersetzt (1833). Im badischen und hessen-darmstädtischen Landtag wurden Anträge auf Berufung einer deutschen Nationalrepräsentation eingebracht. Die reaktionären Staatsmänner gerieten schon in die höchste Unruhe, als zwei unkluge Ausschreitungen, welche durch das Vordrängen unreifer republikanischer und revolutionärer Elemente herbeigeführt wurden, das Hambacher Fest und das ganz kopflose Frankfurter Attentat einiger Studenten gegen den Bundestag ihnen den Vorwand gaben, von Bundes wegen mit scharfen Polizeimaßregeln gegen den Liberalismus einzuschreiten.
Der Bundestag faßte 28. Juni und mehrere von Metternich diktierte Beschlüsse, wonach die Regierungen verpflichtet wurden, nichts zu dulden, was den Beschlüssen des Bundestags zuwiderlaufe, und der Bund sich selbst das Recht vorbehielt, gegen revolutionäre Bewegungen unaufgefordert mit bewaffneter Hand [* 45] einzuschreiten; Steuern, zur Deckung von Bundeskosten bestimmt, sollten die Landstände gar nicht verweigern dürfen. Alle Vereinigungen politischen Charakters und alle Volksversammlungen wurden verboten und die existierenden liberalen Zeitungen unterdrückt. 1833-34 wurden wieder Ministerkonferenzen in Wien [* 46] abgehalten, die trotz des Widerspruchs mehrerer mittelstaatlicher Vertreter beschlossen, daß den Ständeversammlungen das Steuerverweigerungsrecht überhaupt nicht zustehe, die Zensur auf die Veröffentlichung der ständischen Verhandlungen ausgedehnt, diese auf die Beratung innerer Angelegenheiten beschränkt, die Universitäten einer noch strengern Kontrolle unterworfen, endlich zur Ausrottung des Demagogentums eine neue Zentraluntersuchungskommission in Frankfurt eingesetzt werden sollte. Wieder wurden ein paar Hundert ältere (Jordan und Weidig), besonders aber junge Männer in die Verbannung getrieben oder durch Verurteilung zu langer Festungshaft unglücklich gemacht. Den Handwerksgesellen wurde das Wandern in die Schweiz, [* 47] nach Frankreich und Belgien verboten, damit sie nicht vom Liberalismus angesteckt würden. In Baden mußte ¶
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die freisinnige Preßgesetzgebung aufgehoben werden, und die Vorkämpfer des Liberalismus, Rotteck und Welcker, wurden ihrer Professuren an der Freiburger Universität entsetzt. Der schamlose Rechtsbruch, mit welchem 1837 König Ernst August von Hannover aus Eigennutz die Verfassung von 1833 umstieß und an deren Stelle eine neue, »den wahren Bedürfnissen des Landes« und dem Vorteil seiner Zivilliste entsprechende verhieß, wurde vom Bundestag geradezu gebilligt, indem er sowohl den Protest der sieben Göttinger Professoren, welche dafür aus Hannover ausgewiesen wurden, als die Bitte der hannöverschen Kammer um seine Intervention gegen die Rechtsverletzung ablehnte.
Auch in der Wahrung der äußern Interessen Deutschlands leistete der Bundestag nichts. Die Deutschen im Ausland fanden höchstens den Schutz, den ihnen Österreich oder Preußen leihen konnte und wollte. Die Einrichtung einer Kriegsflotte zum Schutz des deutschen Handels und die Befestigung der Küsten hat der Bundestag nie auch nur erwogen. Die Verbesserung der Kriegsverfassung kam trotz wiederholter Anträge Preußens [* 49] nicht zu stande; die Frage namentlich über den Oberbefehl wurde nicht entschieden.
Der Ausbau der Grenzfestungen am Rhein verzögerte sich von Jahr zu Jahr, obwohl bereits 1829 von neuem die Gefahr eines französischen Angriffs, um die Rheinlande Deutschland zu entreißen, gedroht hatte; die Mittel dazu lagen aus der französischen Kriegsentschädigung von 1815 bereit, der Bund ließ sie aber dem Haus Rothschild gegen 2 Proz. Zinsen. Den gehässigen Schwierigkeiten, welche die selbstsüchtigen Holländer der freien Entwickelung der Rheinschiffahrt bereiteten, wußte der Bund ebensowenig ein Ende zu machen wie den Rheinzöllen.
Als Belgien sich von den Niederlanden losriß und auch den deutschen Staat Luxemburg beanspruchte, verstand sich der Bund zu einer Teilung und nahm das ohne die Festungen Maastricht [* 50] und Venloo militärisch ganz wertlose Limburg [* 51] zur Entschädigung. Als die schleswig-holsteinischen Stände sich über die Verletzung ihrer Privilegien durch die dänische Krone beschwerten und König Christian VIII. in seinem »offenen Brief« die rechtmäßige Thronfolgeordnung in den Herzogtümern und ihre untrennbare Vereinigung bedrohte, verwies der Bund die Stände 17. Sept. auf ihre Bitte um Schutz auf die Erklärung des dänischen Königs, der die Rechte aller zu beachten versprochen habe. Den Frieden, den Deutschland 1815-48 genoß, dankte es also nur der nachgiebigen Schwäche des Bundestags.
Nicht einmal auf dem ganz neutralen Gebiet des Zollwesens vermochte derselbe etwas zu leisten. Als 1817 nach einer Mißernte eine große Teurung eintrat, welche infolge des durch Zollschranken zwischen den einzelnen Staaten, ja durch Binnenzölle zwischen Provinzen gehemmten Verkehrs zu einer furchtbaren Hungersnot anwuchs, ging Preußen mit der Aufhebung der Wasser- und Binnenzölle in seinem Gebiet voran, proklamierte 1818 das Prinzip der Handelsfreiheit und eröffnete 1821 mit der Konvention über Befreiung der Elbschiffahrt die Reihe von Verträgen, welche 1833 zur Begründung des Deutschen Zollvereins führten; derselbe umfaßte mit Ausschluß Österreichs fast sämtliche deutsche Staaten, und seine segensreichen Wirkungen für Industrie und Handel machten sich bald bemerklich.
Als 1840 der geistreiche, schwungvolle König Friedrich Wilhelm IV. den preußischen Thron [* 52] bestieg, knüpfte man in Deutschland daran noch weitere Hoffnungen auf eine freiheitliche Entwickelung in den Einzelstaaten und auf Erfüllung des allgemeinen Wunsches nach nationaler Einheit. Wirklich regte Friedrich Wilhelm in Wien eine Reform der Bundesverfassung wiederholt an, da die Nation mit Recht erwarte und verlange, daß ihre gemeinsamen Interessen, ihre unabweisbaren Bedürfnisse volle Befriedigung fänden. Er erließ eine allgemeine politische Amnestie, welche die Opfer der Demagogenverfolgungen befreite, und milderte die Zensur.
Aber sein Zaudern, Preußen eine Verfassung zu geben, die enge Beschränkung der Rechte des Vereinigten [* 53] Landtags, der endlich 1847 berufen wurde, seine mit Vorliebe kundgegebenen mittelalterlich-ständischen Ansichten und seine Hinneigung zur kirchlichen Orthodoxie ernüchterten die Nation. Das Metternichsche System schien dauernd begründet zu sein, und dennoch hatte niemand ein festes Vertrauen auf seinen Bestand. Der Bundestag befriedigte außer Österreich weder Fürsten noch Volk, obwohl man ihn nicht zu reformieren wußte. Unter den Liberalen nahmen teils partikularistische, teils republikanische Neigungen zu und vermehrten die allgemeine Gärung, welche zum zweitenmal durch eine Umwälzung im westlichen Nachbarland, durch die Pariser Februarrevolution 1848, zum Ausbruch kam.
Die Frankfurter Nationalversammlung und die deutschen Einheitsbestrebungen.
Unmittelbar auf die erste Nachricht von der Pariser Revolution stellte Heinrich v. Gagern in der darmstädtischen Kammer den Antrag auf Errichtung einer deutschen Zentralgewalt mit Volksrepräsentation, und bereits 5. März faßte eine zu Heidelberg [* 54] aus eignem Antrieb zusammengetretene Versammlung von 51 angesehenen deutschen Männern, meist Mitgliedern deutscher Kammern, den Beschluß, die deutschen Regierungen auf das dringendste anzugehen, so bald wie möglich eine Vertretung der deutschen Nation ins Leben zu rufen.
Zugleich wurde eine Siebenerkommission beauftragt, Vorschläge über eine angemessene Volksvertretung vorzubereiten und die Grundlagen für eine neue deutsche Verfassung zu beraten, und 12. März forderte diese die frühern oder gegenwärtigen deutschen Landtagsmitglieder auf, 30. März sich zu einer Vorberatung in Frankfurt a. M. zu versammeln. Der Bundestag trat dem nicht entgegen, beschloß vielmehr selbst 10. März, eine Revision der Bundesverfassung unter Zuziehung von 17 Vertrauensmännern, welche die bedeutendsten Staaten deputieren sollten, vorzunehmen.
Die Regierungen hatten mit einemmal alles Selbstbewußtsein und allen Mut verloren und wichen fast überall ohne Widerstand den stürmischen Forderungen des Volkes. Römer, [* 55] ein Mitglied der Siebenerkommission, wurde in das württembergische, Gagern in das hessische, Stüve in das hannöversche Ministerium berufen. In Wien wurde Metternich durch einen Volksaufstand gestürzt und vertrieben. König Ludwig von Bayern, dessen Stellung durch den Lola Montez-Skandal erschüttert war, dankte 20. März zu gunsten seines Sohns Maximilian II. ab, der sofort ein liberales, den Volkswünschen geneigtes Ministerium berief.
Auch in Berlin [* 56] hatte sich Friedrich Wilhelm IV. durch die stürmischen Weltereignisse und die Volksdemonstrationen bestimmen lassen, den Vereinigten Landtag sofort zusammenzuberufen und in dem Ausschreiben auch die Errichtung eines deutschen Bundesstaats mit Nationalrepräsentation, gemeinsamer Heeresverfassung, deutscher Flotte, Bundesgericht, Freizügigkeit, Preßfreiheit u. a. als Programm seiner Regierung aufzustellen. Aber der ¶
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Straßenaufstand 18. März, der in gewisser Beziehung siegreich blieb, die schwankende Haltung des Königs und die Schwäche der preußischen Behörden raubten der Regierung Preußens gerade in dem Augenblick die notwendige Autorität und Kraft, [* 58] wo sie an die Spitze der deutschen Bewegung hätte treten müssen. Erst jetzt erteilte der König seine Zustimmung zu der Berufung einer preußischen Nationalversammlung, welche dem Staat eine liberale Verfassung geben sollte.
Dieselbe trat 22. Mai zusammen, beriet das ganze Jahr hindurch, stürzte ein Ministerium nach dem andern und untergrub das Ansehen der Regierung im eignen Lande durch Einmischung in die Verwaltung. Zugleich steigerte sie den Haß des Königs gegen den Liberalismus durch anmaßende Eingriffe in seine Rechte und machte ihn auch der deutschen Bewegung abgeneigt, kurz lähmte Preußens Aktion nach außen so, daß man in Frankfurt sich bald jeder Rücksicht auf den im Grunde doch unerschütterten und im Besitz wirklich bedeutender Machtmittel befindlichen Staat überhoben glaubte.
Am 30. März war nämlich in Frankfurt das Vorparlament unter Mittermaiers Vorsitz zusammengetreten. Es bestand aus über 500 Mitgliedern, darunter 141 Preußen, 84 Darmstädter, 75 Badenser, aber nur 2 Österreicher. Statt sich auf das Notwendigste zu beschränken, da es eine wirklich berechtigte Volksvertretung doch nicht war, und mit den Regierungen die Grundlagen der Reichsverfassung und die Berufung der Nationalversammlung zu vereinbaren, faßte es eine Anzahl schwer ausführbarer Resolutionen, wie Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund, Sühnung des an Polen begangenen Unrechts, Proklamation der Volkssouveränität u. dgl., und ließ sich mit den Republikanern Hecker und Struve auf eine heftige Debatte über die Vorzüge der Republik ein; als diese sich geschlagen sahen, suchten sie durch eine gewaltsame Schilderhebung im badischen Oberland ihr Ziel zu erreichen, die aber 20. April bei Kandern sofort unterdrückt wurde.
Schließlich übertrug das Vorparlament mit Zustimmung der Regierungen seine Aufgabe einem Fünfzigerausschuß, der am 7. April mit der Vorbereitung der Wahlen für die Nationalversammlung begann; in allen Ländern des bisherigen deutschen Bundesgebiets, außerdem in der Provinz Preußen sollten durch allgemeine Wahlen die Deputierten (je einer auf 50,000 Seelen) gewählt werden. Während eine Kommission der 17 Vertrauensmänner einen Verfassungsentwurf ausarbeitete, der ein erbliches, unverantwortliches Reichsoberhaupt, verantwortliche Minister und Einheit in Wehr- und Rechtsverfassung, Diplomatie und Verwaltung verlangte, fanden die Wahlen statt, von denen einige slawische Bezirke Österreichs sich ausschlossen.
Die Eröffnung der ersten deutschen Nationalversammlung, die 586 Mitglieder zählte, erfolgte 18. Mai der Paulskirche zu Frankfurt a. M. Heinrich v. Gagern wurde zum Präsidenten, Soiron zum Vizepräsidenten gewählt. Es war eine Reihe der trefflichsten Männer hier vereinigt, darunter die bedeutendsten Gelehrten (an 100) Deutschlands. Aber die mangelnde politische Schulung machte sich in einer allzu idealistischen Geringschätzung der praktischen Verhältnisse und der staatlichen Faktoren, mit denen man zu rechnen hatte, geltend.
Die augenblickliche Schwäche und Unthätigkeit der Regierungen verleitete die Versammlung, sich, als lediglich aus dem Volkswillen hervorgegangen, für souverän zu halten und jede Mitwirkung der Regierungen bei der Schaffung der neuen Reichsverfassung auszuschließen; übrigens konnte sie sich selbst nicht einmal über einen Verfassungsentwurf als Grundlage einigen. Ein Zentral- und Vermittelungsorgan für die Verständigung mit den Regierungen wurde nicht geschaffen, vielmehr 27. Mai auf Antrag Wernhers der souveräne Standpunkt der Nationalversammlung dahin präzisiert, daß den Bestimmungen der künftigen deutschen Verfassung prinzipiell der Vorrang vor widersprechenden Bestimmungen einzelner Landesverfassungen gebühre.
Nur die äußerste Rechte, die Konservativen (Partei Milani) unter der Führung von Radowitz und Vincke, verlangte die Vereinbarung der Verfassung mit den Einzelregierungen und die Beschränkung der Versammlung auf diese eine Aufgabe. Das rechte Zentrum (Kasinopartei, Bassermann, Mathy, Beckerath, Dahlmann, Heckscher, Simson, Welcker, Schmerling u. a.) wollte zwar Rücksichten auf die Staaten nehmen, hielt aber prinzipiell an der Souveränität der Versammlung fest, noch mehr das linke Zentrum (Württemberger Hof) [* 59] und die gemäßigte Linke.
Die Linke endlich (Deutscher Hof) forderte Volkssouveränität mit allgemeinem Wahlrecht, ausschließliche Überlassung der gesetzgebenden Gewalt an die Volksvertretung, eine verantwortliche, auf bestimmte Zeit gewählte Vollziehungsbehörde und Berechtigung jedes Einzelstaats, sich nach eigner Wahl als demokratischer Freistaat oder als demokratische Monarchie zu konstituieren; sie neigte also entschieden zur Republik hin, deren revolutionärste Prinzipien die äußerste Linke ganz offen bekannte.
Als sich das Bedürfnis nach einer provisorischen Exekutive, einer Zentralgewalt, dennoch herausstellte, wählte man nicht, wie Dahlmann vorschlug, gemeinsam mit den Regierungen drei Vertrauensmänner, sondern auf Betrieb des Österreichers Schmerling 29. Juni einen Reichsverweser in der Person des persönlich sehr populären Erzherzogs Johann von Österreich. Obwohl sich Preußen durch diese Wahl nicht verletzt zeigte, war sie doch um so unkluger, als Österreich damals durch innere Wirren so in Anspruch genommen war, daß es dem Reichsverweser und dem Parlament gar keinen Machtrückhalt hätte gewähren können, selbst wenn es gewollt hätte.
Auf Österreich, das ohnmächtig war, nahm die Frankfurter Versammlung zu viel Rücksicht, auf Preußen, dessen man nicht entbehren konnte, gar keine. Erzherzog Johann traf 11. Juli Frankfurt ein, löste 12. Juli gemäß Parlamentsbeschluß den Bundestag auf und bildete ein Reichsministerium, das unter dem Vorsitz des Fürsten von Leiningen aus Schmerling für Inneres und Äußeres, dem preußischen General v. Peucker für Kriegswesen, dem Hamburger Advokaten Heckscher für die Justiz, Beckerath für die Finanzen und Duckwitz aus Bremen für Handel bestand.
Der preußische Antrag, neben dieser Zentralgewalt die Bevollmächtigten der einzelnen Staaten zu einem Rat zu vereinigen, der die organische Verbindung der Reichsregierung mit denen der Staaten herstelle, wurde abgelehnt. Dagegen erließ das Reichsministerium direkte Befehle an die letztern, wie z. B. den der allgemeinen Huldigung für den Reichsverweser durch die Landestruppen, der in Österreich ganz unbeachtet blieb, in Preußen aber einen Armeebefehl des Königs vom 21. Juli zur Folge hatte, in welchem derselbe seine Zustimmung zur Wahl des Reichsverwesers aussprach. Weitere Konflikte in dieser Frage wurden übrigens vermieden, indem sich die Nationalversammlung nun endlich der Beratung der Verfassung und zwar zunächst des von Dahlmann, R. v. Mohl und Mühlfeld ausgearbeiteten Entwurfs der ¶
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»Grundrechte des deutschen Volkes« zuwendete. Die Debatten über diese theoretischen Paragraphen waren eingehend, teilweise gediegen und mitunter heftig, zogen sich aber endlos hin und wurden durch eine wichtige Frage der auswärtigen Politik unterbrochen.
Das Parlament und die Zentralgewalt hatten den Versuch gemacht, Deutschland dem Ausland gegenüber als einen einheitlichen Staat zu repräsentieren. Aber ihre Bevollmächtigten hatten an den Höfen der Großmächte ebensowenig eine förmliche Anerkennung erlangen können wie die neue schwarz-rot-goldene Kriegs- und Handelsflagge. Dennoch beanspruchten sie, auch in der äußern Politik die höchste Instanz für die deutschen Staaten zu bilden. Als die Erhebung Schleswig-Holsteins gegen Dänemark im März 1848 wegen ungenügender Streitkräfte zu scheitern drohte, hatte der Bundestag Preußen damit beauftragt, die Unabhängigkeit der Herzogtümer zu schützen, und Friedrich Wilhelm war auch bereitwillig darauf eingegangen. Im Verein mit den Schleswig-Holsteinern schlugen die Preußen unter Wrangel 23. April die Dänen bei Schleswig [* 61] und rückten im Mai in Jütland ein.
Die Nationalversammlung faßte 2. Juni die Resolution, daß energische Maßregeln getroffen werden müßten, um den Krieg zu Ende zu führen und beim Friedensschluß die Rechte der Herzogtümer und die Ehre Deutschlands zu wahren. Am 1. Aug. befahl der Reichsverweser den Marsch eines beträchtlichen süddeutschen Heers nach dem Kriegsschauplatz. Die energische Intervention Englands und Rußlands zu gunsten Dänemarks jedoch, die Lähmung des preußischen Handels durch die dänische Blockade, gegen welche Deutschland ohne Kriegsflotte wehrlos war, und die geheime Abneigung Friedrich Wilhelms gegen die Schleswig-Holsteiner, welche er für Rebellen gegen ihren rechtmäßigen König hielt, bewogen die preußische Regierung, 26. Aug., ohne die Genehmigung der Reichsregierung vorzubehalten, den Waffenstillstand von Malmö [* 62] mit Dänemark auf sieben Monate abzuschließen, der alle Beschlüsse der provisorischen Regierung von Schleswig-Holstein [* 63] für ungültig erklärte und eine halb von Dänemark, halb von Preußen ernannte gemeinschaftliche Regierung einsetzte.
Die Nachricht hiervon rief in Frankfurt allgemeine Entrüstung hervor. Der Antrag der Rechten, in anbetracht der Zwangslage Preußens den Waffenstillstand dennoch zu genehmigen, wurde bei der ersten Verhandlung der schleswig-holsteinischen Angelegenheit 5. Sept. abgelehnt. Als aber nun das Reichsministerium zurücktrat und ein neues zu bilden nicht gelang, genehmigte die Majorität der Versammlung bei einer zweiten Verhandlung 16. Sept. den Vertrag vorbehaltlich einiger Modifikationen.
Inzwischen hatte die äußerste Linke die Volksmassen, die in Frankfurt zusammengeströmt waren, durch agitatorische Reden gegen die Versammlung aufgereizt. Eine große Volksversammlung auf der Pfingstweide 17. Sept. erklärte die 258 Abgeordneten, welche für den Vertrag gestimmt hatten, für Verräter des Volkes, der deutschen Freiheit und Ehre. Am 18. Sept. war die Nationalversammlung selbst ernstlich bedroht; ein allgemeiner Aufstand war organisiert und Barrikaden erbaut.
Österreichisches und preußisches Militär schützte die Paulskirche, nahm die Barrikaden und trieb das Volk auseinander; dagegen fielen zwei Abgeordnete, General v. Auerswald und Fürst Lichnowski, der Volkswut zum Opfer. Die Republikaner versuchten nun an andern Orten Erhebungen des Volkes zu veranlassen. Struve machte einen Einfall von Basel [* 64] in das Badische und proklamierte die Republik, indes wurde er rasch vertrieben, und auch sonst blieben die Bewegungen erfolglos.
Die Majorität der Versammlung erkannte jedoch nun, daß sie mit den Regierungen engere Fühlung suchen und die Beratung der Verfassung rasch zu Ende führen müsse, um den radikalen Wühlereien nicht so viel Spielraum zu gönnen. Am 20. Okt. wurde die Beratung der Grundrechte vorläufig abgebrochen und mit der Beratung über den Verfassungsentwurf begonnen, welchen der Verfassungsausschuß 8. Okt. vorgelegt hatte. Derselbe wurde in den Hauptpunkten angenommen: die Reichsgewalt erhielt die ausschließliche Vertretung Deutschlands nach außen, die Verfügung über die ganze Heeresmacht und das Recht der Gesetzgebung auf allen Gebieten der materiellen Entwickelung, des Handels und Verkehrs.
Eine besondere Tragweite hatte die Bestimmung des Entwurfs, daß jeder deutsche Staat, der mit nichtdeutschen Territorien verbunden sei, dieselben nur in Personalunion besitzen dürfe. Dieselbe war gegen Österreich gerichtet, dessen Regierung nach den Siegen [* 65] Radetzkys in Italien und nach der Einnahme Wiens durch Windischgrätz (31. Okt.) die habsburgischen Lande durch eine Gesamtstaatsverfassung enger zu vereinigen strebte und ihre Geringschätzung der Frankfurter Versammlung und ihre Absicht, sich nicht durch deren Verfassung binden zu lassen, in schroffster Weise dadurch kundgab, daß sie zwei Abgeordnete derselben, die in Wien hatten Frieden stiften sollen, verhaften und den einen, Robert Blum, den gefeierten Führer der Linken, 9. Nov. erschießen ließ. Der österreichische Ministerpräsident erhob sogar 27. Nov. in seinem Regierungsprogramm den Anspruch, daß die Stellung Österreichs zu D. erst dann geregelt werde, wenn ersteres zu neuen, festen Formen gelangt sei, bis dahin aber Österreich seinen Bundespflichten treulich nachkommen, also nicht ausscheiden werde; er verlangte also unbedingte Unterordnung der deutschen unter die österreichischen Interessen. Der Gegensatz Österreichs zu den Zielen der Nationalversammlung war damit so deutlich ausgesprochen, daß Schmerling 17. Dez. das Präsidium des Reichsministeriums niederlegte. Dasselbe übernahm Heinrich v. Gagern, an dessen Stelle als Präsident der Nationalversammlung der bisherige Vizepräsident, Simson, trat.
Mit entschiedener Offenheit trat Gagern 18. Dez. mit seinem Programm (der sogen. kleindeutschen Partei) vor die Versammlung, das die Trennung Österreichs von Deutschland und die Regelung der Verhältnisse beider zu einander durch eine zu vereinbarende Bundesakte als den einzigen Weg zur Rettung des Bundesstaats bezeichnete. Hiermit erleichterte er jedoch Österreich und seinen Anhängern ihre Stellung, indem sie, anstatt selbst Vorschläge zu einer bundesstaatlichen Verfassung mit Gesamtösterreich machen zu müssen, die sich sofort als unmöglich erwiesen hätten, nun mit einer negativen Kritik und Opposition sich begnügen durften, wobei sich ihnen Ultramontane und Radikale bereitwilligst anschlossen.
Die österreichische Regierung protestierte 28. Dez. formell gegen das Gagernsche Programm und erklärte, daß die deutsche Verfassungsfrage nur gelöst werden könne auf dem Weg der Verständigung mit den deutschen Regierungen, unter welchen die kaiserliche den ersten Platz einnehme. Dazu kam, daß die liberalen Anhänger Preußens durch den Bruch der preußischen Regierung mit der dortigen Nationalversammlung, die Berufung des konservativen Ministeriums Brandenburg [* 66] und die Oktroyierung einer Verfassung (5. Dez.) mißtrauisch gemacht worden waren. Daher wurde Gagern die ¶
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verlangte Ermächtigung zu Unterhandlungen mit Österreich nach heftiger Debatte (11.-13. Jan. 1849) nur mit 261 gegen 224 Stimmen erteilt, und 60 Österreicher protestierten von vornherein gegen jeden Beschluß, der den Ausschluß Österreichs herbeiführe. Der Antrag, daß die Würde des Reichsoberhauptes einem der regierenden deutschen Fürsten übertragen werde, ward 19. Jan. mit 258 gegen 211 Stimmen angenommen, die Erblichkeit der Würde aber verworfen und nur der Titel »Kaiser von Deutschland« mit 214 gegen 205 Stimmen zugestanden (25. Jan.). Hiermit war die erste Lesung des Verfassungsentwurfs beendet. Österreich protestierte dagegen 4. Febr. und veranlaßte die Bildung eines »großdeutschen Klubs«, schnitt aber selbst jede Verständigung mit der deutschen Zentralgewalt ab, indem es 7. März eine österreichische Verfassung oktroyierte, welche ganz Österreich mit Ungarn [* 68] und Lombardo-Venetien für eine unteilbare konstitutionelle Monarchie erklärte; es war für Österreich fortan im neuen deutschen Bundesstaat kein Platz, wenn es sich nicht zum unbedingten Herrscher desselben aufschwingen konnte. Nun beantragte selbst ein bisheriger Gegner der erbkaiserlichen Partei, Welcker, 12. März, die Verfassung, wie sie vorliege, sofort ohne zweite und dritte Lesung endgültig anzunehmen, etwanige Verbesserungen einem nächsten Reichstag vorzubehalten und die erbliche Kaiserwürde dem König von Preußen zu übertragen. Durch die vereinten Anstrengungen der Gegner der Kleindeutschen ward 21. März die Ablehnung dieses Antrags mit 283 gegen 252 Stimmen erreicht. Die Beratung über die Verfassung ging also ihren regelmäßigen Gang [* 69] weiter. Mit äußerster Kraftanspannung setzte die Einheitspartei, 267 gegen 263 Stimmen, 27. März die Erblichkeit der Kaiserwürde durch. Am 28. März fand die Kaiserwahl statt: von 538 Anwesenden wählten 290 den König von Preußen (248 enthielten sich der Abstimmung). Unter Glockengeläute und Kanonendonner wurde die Wahl Friedrich Wilhelms IV. zum erblichen Kaiser von Deutschland proklamiert. Hiermit war die Reichsverfassung, der im voraus 28 Regierungen sich unterwerfen zu wollen erklärt hatten, abgeschlossen; ihre Publikation erfolgte
Die Reichsverfassung beschränkte die Rechte der Einzelstaaten nicht unbedeutend: sie verloren das Recht, eigne Gesandte zu halten, ihre Truppenmacht wurde der Zentralgewalt untergeordnet u. dgl. Der Reichsgewalt war die oberste Gesetzgebung vorbehalten. Der Kaiser übt seine Gewalt durch verantwortliche Minister, erklärt Krieg und schließt Frieden, beruft und schließt den Reichstag, welcher in ein Staatenhaus und ein Volkshaus zerfällt. Das erstere bilden die Vertreter der einzelnen Staaten, welche zur Hälfte die Regierung, zur Hälfte die Volksvertretung des einzelnen Staats ernennt; das Volkshaus wird durch allgemeine, direkte Wahlen (auf 100,000 Seelen ein Abgeordneter) gebildet.
Den Beschlüssen des Reichstags gegenüber hatte der Kaiser nur ein suspensives Veto, eine Bestimmung von geringer politischer Bedeutung, welche jedoch die Autorität des Reichsoberhauptes von vorherein zu sehr schwächte. Der radikal-demokratische Charakter der Verfassung prägte sich namentlich im sechsten Abschnitt aus, welcher die »Grundrechte des deutschen Volkes« enthielt: unbeschränkte Freizügigkeit, unbedingte Preßfreiheit, welche selbst nicht durch Konzessionen, Kautionen und Staatsauflagen beschränkt werden darf, volle Glaubens- und Gewissensfreiheit, Aufhebung der Staatskirchen, Gleichheit der bürgerlichen Rechte ohne Rücksicht auf Stand und Glauben, Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre, [* 70] Unentgeltlichkeit des Volksunterrichts, fast unbeschränktes Vereins- und Versammlungsrecht, Abschaffung der Adels und aller Titel: Grundsätze, die teilweise das politisch noch unreife Volk selbst nicht durchgeführt hätte sehen mögen, viel weniger die Regierungen. Gleichwohl war die Reichsverfassung lebens- und verbesserungsfähig, und es kam nur darauf an, ob der Fürst, dem die Nation die Reichsgewalt anvertraute, entschlossen war, sie zu verwirklichen. Noch schien der Einheitsdrang mächtig genug, um den Widerstand, der sich gegen das neue Reich regte, im Verein mit Preußens Kraft niederzuwerfen.
Aber Friedrich Wilhelm vermochte diesen Entschluß nicht zu fassen. Zwar erkannte er wohl, daß Deutschlands Macht und Einheit nur in der Richtung zu finden war, welche die Mehrheit des Frankfurter Parlaments, Männer, deren Mäßigung, Besonnenheit und Loyalität er anerkennen mußte, in den letzten entscheidenden Beschlüssen eingeschlagen hatte. Aber seinen romantischen Vorurteilen widerstrebte es, die Kaiserkrone aus der Hand der »Revolution«, wie er die Bewegung von 1848 nannte, zu empfangen. Er erklärte daher der Kaiserdeputation in feierlicher Audienz im königlichen Schloß zu Berlin daß die Wahl ihm ein Anrecht gebe, dessen Wert er zu schätzen wisse, daß er sie aber ohne das freie Einverständnis der Fürsten und Freien Städte Deutschlands nicht annehmen könne.
Eine Note des preußischen Ministeriums vom 4. April bestätigte die Absicht des Königs, die deutsche Verfassung auf dem Weg der Vereinbarung zu stande zu bringen, und lud die deutschen Regierungen ein, zu diesem Zweck Bevollmächtigte nach Frankfurt zu senden. Die Nationalversammlung ernannte 11. April ihrerseits hierzu einen Dreißigerausschuß. Noch war die Sache nicht hoffnungslos. Österreich hatte zwar seine Abgeordneten zurückgerufen und damit kundgethan, daß es sich nicht gutwillig fügen werde.
Aber damals erlitten seine Heere in Ungarn Niederlage auf Niederlage, die es dem Untergang nahebrachten. Am 14. April übergaben die Vertreter der 28 Regierungen dem preußischen Bevollmächtigten in Frankfurt a. M. eine Note, in der sie der Wahl des Königs von Preußen zum Kaiser und der Reichsverfassung zustimmten. Allerdings fehlten die vier Königreiche. Aber König Wilhelm von Württemberg, der zuerst mit Entschiedenheit verkündet hatte, er unterwerfe sich keinem Hohenzoller, fügte sich 24. April aus Furcht vor einem Volksaufstand, und in Bayern, Sachsen und Hannover drängte ein großer Teil der Bevölkerung [* 71] zu demselben Entschluß. Am 21. April nahm die preußische Zweite Kammer einen Antrag von Rodbertus auf Anerkennung der Rechtsbeständigkeit der deutschen Reichsverfassung an und stellte ihren Beistand der Regierung zur Verfügung.
Jedoch gerade dieser Beschluß, welcher als ein Eingriff in die königlichen Prärogativen aufgefaßt wurde, verhalf der reaktionären Strömung in Berlin zum Sieg. Am 27. April wurde die Kammer aufgelöst, und in einer Note an die deutsche Zentralgewalt vom 28. April verwandelte die preußische Regierung die bedingte Ablehnung der Kaiserkrone in eine unbedingte, indem sie zugleich erklärte, daß, wenn die Nationalversammlung nicht auf eine Vereinbarung mit den Regierungen eingehe, diese selbst eine Verfassung oktroyieren müßten. Durch diese unnötige und auch gar nicht ausführbare Drohung warf der preußische König dem Frankfurter Parlament den Fehdehandschuh hin und überlieferte einen großen Teil Deutschlands aufs neue der ¶