mehr
Deutschen Reichs, 1:850,000, Leipz. 1883, 10 Blätter). Eine von der kartographischen Abteilung der königlich preußischen Landesaufnahme herausgegebene Karte des Deutschen Reichs in 1:100,000 erscheint seit 1880. Wandkarten: »Post- und Eisenbahnkarte des Deutschen Reichs«, 1:600,000 (offiziell, Berl. 1873-76, 12 Blätter);
H. Wagner (das.),
Kiepert (Berl.),
Dechen, Geologische Karte von Deutschland [* 4] (Berl. 1869, 2 Blätter);
Andree und Peschel, Physikalisch-statistischer Atlas [* 5] von Deutschland (Leipz. 1877);
»Atlas der Bodenkultur des Deutschen Reichs« (hrsg. vom kaiserlichen Statistischen Amt, Berl. 1881, 15 Karten);
Kiepert, Völker- und Sprachenkarte [* 6] von Deutschland (das. 1874).
Geschichte Deutschlands.
Übersicht der deutschen Könige und Kaiser.
Sächsisches Haus: | |
---|---|
919-936 | Heinrich I. |
936-973 | Otto I. |
973-983 | Otto II. |
983-1002 | Otto III. |
1002-1024 | Heinrich II. |
Fränkisches Haus: | |
1024-1039 | Konrad II. |
1039-1056 | Heinrich III. |
1056-1106 | Heinrich IV. |
1106-1125 | Heinrich V. |
- | |
1125-1137 | Lothar II. v. Sachsen |
Hohenstaufen: | |
1138-1152 | Konrad III. |
1152-1190 | Friedrich I. |
1190-1197 | Heinrich VI. |
1198-1208 | Philipp v. Schwaben; zugleich: |
1198-1215 | Otto VI. v. Braunschweig |
1215-1250 | Friedrich II. |
1250-1254 | Konrad IV. |
- | |
1273-1291 | Rudolf v. Habsburg |
1292-1298 | Adolf von Nassau |
1298-1308 | Albrecht I. v. Österreich |
1308-1313 | Heinrich VII. von Luxemburg |
1314-1346 | Ludwig IV. deutschland Bayer; zugleich: |
1314-1330 | Friedrich der Schöne von Österreich |
Luxemburger: | |
1346-1378 | Karl IV. |
1378-1400 | Wenzel |
- | |
1400-1410 | Ruprecht von der Pfalz |
1410-1437 | Siegmund von Luxemburg |
Habsburger: | |
1438-1439 | Albrecht II. |
1440-1493 | Friedrich III. |
1493-1519 | Maximilian I. |
1519-1556 | Karl V. |
1556-1564 | Ferdinand I. |
1564-1576 | Maximilian II. |
1576-1612 | Rudolf II. |
1612-1619 | Matthias |
1619-1637 | Ferdinand II. |
1637-1657 | Ferdinand III. |
1658-1705 | Leopold I. |
1705-1711 | Joseph I. |
1711-1740 | Karl VI. |
- | |
1742-1745 | Karl VII. v. Bayern |
Habsburg-Lothringer: | |
1745-1765 | Franz I. |
1765-1790 | Joseph II. |
1790-1792 | Leopold II. |
1792-1806 | Franz II. |
- | |
Haus Hohenzollern: | |
Seit 1871 | Wilhelm I., König von Preußen. |
Der Name »Deutsch« (s. d.) kommt für die Sprache [* 7] der das ostfränkische Reich bildenden germanischen Stämme erst im 9. Jahrh. unsrer Zeitrechnung auf, für das aus demselben gebildete Volk und Reich erst im 10. Jahrh. Streng genommen darf man nur von König Heinrich I. (919-936) an, dem Begründer der sächsischen Dynastie, von einer »deutschen Geschichte« reden. Bis dahin bildeten die Stämme, aus welchen das deutsche Volk erwuchs, bloß einen Teil der großen germanischen Völkerfamilie, welche in ältester Zeit ganz Mittel- und Nordeuropa bewohnte, und welcher auch die zahlreichen Stämme angehörten, die zur Zeit der Völkerwanderung mächtige germanische Reiche in Italien, [* 8] Gallien, Britannien, Spanien [* 9] und Afrika [* 10] gründeten.
Nur ein kleiner Teil der Germanen blieb in den alten Wohnsitzen, von denen das ganze Gebiet östlich der Elbe überhaupt geräumt und durch die Slawen in Besitz genommen wurde. Während die meisten in das römische Reich eingedrungenen Germanen (mit Ausnahme der Angelsachsen) zu Grunde gingen und gänzlich verschollen oder, mit den Romanen in Sprache und Kultur verschmolzen, ihre germanische Nationalität verloren, teilten sich die in dem ursprünglich germanischen Gebiet zurückgebliebenen Germanen in zwei Gruppen, die Nordgermanen (Skandinavier) und die Süd- oder Westgermanen, welche letztern in der Zeit vom 5.-8. Jahrh. unter der Herrschaft des Frankenreichs vereinigt wurden und dadurch eine engere politische Zusammengehörigkeit gewannen.
Diese wurde verstärkt, als durch die Teilungsverträge von Verdun [* 11] (843) und Mersen (870) die Stämme des Frankenreichs, welche ihre germanische Nationalität bewahrt hatten, von den romanisierten endgültig getrennt wurden, und führte endlich zur Bildung einer neuen Nationalität, des deutschen Volkes, das sprachlich allerdings zunächst noch in eine hochdeutsche und eine niederdeutsche Hälfte geteilt war, allmählich aber auch in dieser Beziehung durch das Übergewicht des Hochdeutschen und dessen Erhebung zur allgemein gültigen Schriftsprache zu einem einheitlichen Ganzen verschmolz.
Vorgeschichte (bis 919).
Die erste Kunde von dem Gebiet der Nordsee und einem an deren Südostküste wohnenden Völkerstamm, welcher sich von den bis dahin der Welt des Altertums bekannten Völkern als einer eigenartigen Nationalität angehörig unterschied, hat uns der griechische Geograph Pytheas von Massilia überliefert, der im 4. Jahrh. v. Chr. in jene Gegenden vordrang. Die benachbarten Kelten und demnächst die Römer [* 12] legten diesem Völkerstamm den Namen Germanen (s. d.) bei. Die West- und Südgrenze desselben reichte aber in ältester Zeit durchaus nicht so weit nach Westen und Süden wie jetzt.
Der Rhein bildete im Westen, die Gegend am Main im Süden die Grenze der festen Wohnsitze, welche allerdings bald von verschiedenen Stämmen überschritten wurde, die teils keltische Völkerschaften verdrängten, teils sich unter ihnen niederließen und mit ihnen verschmolzen. Einige Stämme, wie die Cimbern und Teutonen (s. d.), drangen sogar bis an die Grenzen [* 13] des römischen Weltreichs vor und wurden erst nach langen blutigen Kämpfen 102 und 101 v. Chr. vernichtet.
Eine andre Germanenschar, die unter dem Suevenfürsten Ariovist sich im innern Gallien festgesetzt und einen beträchtlichen Teil des Landes sich unterworfen hatte, ward 58 v. Chr. von Cäsar am Oberrhein besiegt, worauf dieser alle auf das linke Rheinufer vorgedrungenen Germanen teils ausrottete, teils unterjochte. Das linke Rheinufer wurde darauf in die beiden römischen Provinzen Germania [* 14] superior und Germania inferior eingeteilt. Das jenseit des Rheins gelegene eigentliche Gebiet der Germanen hieß Germania magna.
Den westlichsten Teil desselben zwischen Rhein und Elbe, Donau und Nordsee bewohnten die drei Hauptvölker der Istävonen, Ingävonen und Hermionen, denen den Wohnsitzen nach die spätern Gesamtnamen der Franken am Rhein, der Sachsen [* 15] an der Nordsee, der Thüringer im Mittelland entsprechen. Auch die dazu gehörigen Stämme haben an der Völkerwanderung teilgenommen, insofern die Franken sich über Belgien [* 16] und das nördliche Gallien ausbreiteten und die Sachsen nach Britannien übersetzten. Indes die Hauptmassen dieser Stämme haben ihre ältesten Wohnsitze und vereinzelt auch ihre Volksnamen, welche zu landschaftlichen geworden sind, festgehalten, so die Hermunduren, d. h. Thüringer, die Katten (Hessen), [* 17] Friesen, Sachsen, Angrivarier (Angeln) u. a. Diese westlichen Stämme der Germanen führten ein durchaus seßhaftes Leben, trieben Ackerbau und Viehzucht und [* 18] hatten eine wohlgeordnete, ¶
mehr
auf der Stammesgemeinde beruhende Verfassung. Ihre Unabhängigkeit von den Römern bewahrten sie sich, nachdem Drusus und Tiberius das Gebiet südlich der Donau völlig unterworfen und auch die Stämme zwischen Rhein und Weser größtenteils zur Anerkennung der römischen Oberhoheit bewogen hatten, durch den Sieg des Cheruskerbundes unter Arminius über die Legionen des Varus im Teutoburger Wald (9 n. Chr.) und die tapfere Verteidigung gegen die Heerzüge des Germanicus (14-16). Nur das Mündungsgebiet des Rheins und die Landschaften zwischen Mittelrhein und oberer Donau, das sogen. Zehntland (agri decumates), gelang es dem römischen Reich einzuverleiben und zu romanisieren.
Zahlreiche andre Germanenstämme bewohnten die weiten Ebenen östlich der Elbe bis über die Weichsel hinaus und am Nordfuß der Karpathen entlang bis zur untern Donau, so: die Langobarden, Semnonen, Markomannen, Quaden, Bastarner, Burgundionen, Skiren, Goten, Vandalen u. a. Von diesen ostgermanischen Völkern, welche einen wenig ergiebigen, zum Teil sandigen und sumpfigen Boden bewohnten und weniger von Ackerbau als von Jagd und Viehzucht lebten, daher schon früh Beutezüge in das Gebiet des römischen Reichs unternahmen und sich auf demselben neue fruchtbare Wohnsitze zu erobern suchten, ist hauptsächlich die große Bewegung der Völkerwanderung (s. d.) ausgegangen, welche teils mit dem völligen Untergang, teils mit der Romanisierung dieser Völker endete.
Nur Reste der Markomannen und Quaden haben sich in dem germanischen Stamm der Bayern [* 20] erhalten. Die Bayern, der aus rheinischen Germanenstämmen entstandene Völkerbund der Alemannen, die Thüringer, Sachsen und Franken bildeten nach der Völkerwanderung den im heutigen Deutschland zurückgebliebenen Rest der Germanen, die das ganze Gebiet östlich der Elbe, der Saale und des Böhmerwaldes den Slawen eingeräumt, dafür aber durch das Vordringen der Bayern im Alpengebiet, der Alemannen auf das linke Ufer des Oberrheins und die Ausbreitung der Franken über das Gebiet der Mosel, Maas und des Niederrheins ihre Grenzen nach Westen beträchtlich erweitert hatten.
Das von Chlodwig begründete Reich der Franken (s. d.) reichte noch bedeutend weiter nach Süden und Westen und umfaßte nach der Besiegung der Westgoten und der Zerstörung des Burgunderreichs ganz Gallien bis zum Mittelmeer und zur Garonne. Indes die Eroberer nahmen im eigentlichen Gallien Sprache und Sitten der Romanen an und gingen für das Germanentum verloren. Anderseits gelang es den im Rhein- und Maasgebiet gebliebenen Franken, 496 die Alemannen, 530 die Thüringer sich zu unterwerfen und in der Mitte des 6. Jahrh. auch das Herzogtum Bayern in Abhängigkeit von sich zu bringen und so eine kompakte Masse germanischer Elemente im Frankenreich zu vereinigen, welche ihre nationale Eigenart treu bewahrten.
Selbst das Christentum, welches sich seit dem 7. Jahrh. langsam auch im östlichen Teil des Frankenreichs verbreitete, im 8. Jahrh. von Bonifacius in Alemannien, Bayern und Thüringen dauernd begründet wurde und eine mit dem römischen Bistum eng verbundene kirchliche Organisation erhielt, beseitigte bloß die alte heidnische Religion, schmiegte sich aber im übrigen der volkstümlichen Anschauung an, und die christlichen Priester beeiferten sich, die einheimische Sprache der neuen Lehre [* 21] dienstbar zu machen. Die politischen und Rechtsverhältnisse der alten Zeit wurden unter der merowingischen Herrschaft wenig verändert. In keiner Weise wurde also die Kontinuität der allmählichen Entwickelung einer höhern Kultur unterbrochen.
Die Regierung Karls d. Gr. (768-814), des Sohns und Nachfolgers des Begründers der karolingischen Dynastie, Pippins des Kurzen, brachte in die Kulturentwickelung eine raschere Bewegung und einen höhern Aufschwung. Nachdem in langwierigen, blutigen Kämpfen der letzte Germanenstamm in Mitteleuropa, die Sachsen, dem Christentum und der fränkischen Herrschaft unterworfen worden, waren sämtliche Reste der Südgermanen unter Einem Reich vereinigt und ihre Verschmelzung angebahnt.
Ein zusammenhängendes Gebiet von der Elbe und dem Böhmerwald bis zur Mosel und Maas, von der Nordsee bis zum Südabhang der Alpen [* 22] bewohnend, konnten sie der Romanisierung mit Erfolg widerstehen, während die politische Verbindung mit Gallien und Italien die Aufnahme der christlichen und antiken Kulturelemente beförderte, durch welche der Grund zu einer nationalen geistigen Bildung gelegt wurde. Der Träger [* 23] derselben war der geistliche Stand. Die Gauverfassung, welche Karl seinem Reiche gab, regelte die Berufung des Heerbannes und das gerichtliche Verfahren.
Die Errichtung von militärisch organisierten Grenzländern (Marken), besonders nach Osten zu, bereitete die Rückeroberung großer an die Slawen verlorner Gebiete für das Germanentum vor. Obwohl nur einen Teil des christlichen Weltreichs bildend, welches Karl d. Gr. schuf, erstarkte doch das germanische Volkstum unter seiner Herrschaft bis zur Fähigkeit, als einheitliches Ganze selbständig weiterzuexistieren, als unter Karls Nachfolgern das fränkische Reich zerfiel.
Der Vertrag von Verdun (843), welcher dasselbe unter Ludwigs des Frommen Söhne Lothar, Ludwig den Deutschen und Karl den Kahlen teilte, ließ zwar noch ein Mittelreich bestehen, welches romanische und germanische Volksteile umfaßte, schied aber bereits das rein germanische Ostfranken, das östlich des Rheins gelegene Gebiet, von dem romanischen Westfranken. Als 870 im Vertrag von Mersen Lothringen, das Land zwischen Rhein, Mosel, Maas und Schelde, zwischen Ludwig dem Deutschen und Karl dem Kahlen so geteilt wurde, daß ersterer alles Land zwischen Rhein, Mosel und Maas erhielt, bildete fortan die Grenze, wo die romanische und die deutsche Sprache sich schieden, auch die Landesgrenze zwischen Westfranken (Frankreich) und Ostfranken, das damals zwar noch nicht Deutschland hieß, aber, weil es alle Südgermanen in fünf Stämmen, Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen und Lothringern, umfaßte, als die älteste Gestaltung eines selbständigen Deutschland angesehen werden kann.
Das ostfränkische Reich drohte freilich bald ebenso zu zerfallen wie das Reich Karls d. Gr., teils infolge der Teilung nach Ludwigs des Deutschen Tod (876), teils durch die von außen drängenden Feinde. Zwar starben die ältern Söhne Ludwigs des Deutschen, Karlmann und Ludwig, bald und rasch hintereinander, und Karl der Dicke (876-887) erbte das ganze Ostfrankenreich. Indem dieser, zum Kaiser gekrönt und von den westfränkischen Großen zum König erwählt, nach Wiederherstellung des karolingischen Weltreichs strebte, ohne sich im geringsten seiner erhabenen Stellung würdig zu zeigen, vernachlässigte er das ostfränkische Reich und überließ es den Einfällen der Normannen, Mähren [* 24] und Magyaren, gegen welche sich die einzelnen Stämme selbst zu wehren genötigt waren. An die Spitze dieser Stämme hatten sich alte, durch Besitz und Adel hervorragende Geschlechter ¶
mehr
gestellt und den durch Karl d. Gr. unterdrückten Titel der Herzöge wieder erneuert. Sie regierten den Stamm und setzten sich meist auch in den Besitz der in dessen Gebiet belegenen ehemaligen königlichen Güter. Gestützt auf die noch keineswegs verwischten Unterschiede der Stämme, welche nicht einmal durch Eine Sprache verbunden waren, beanspruchten sie fast königliche Selbständigkeit. Der König behielt nur so viel Macht und Ansehen, als er durch persönliche Tüchtigkeit und tapfere Thaten zu erringen vermochte. So besiegte Karls des Dicken Neffe, König Arnulf von Kärnten (887-899), die Normannen bei Löwen [* 26] an der Dyle 891, worauf dieselben die deutschen Küsten mit ihren räuberischen Einfällen verschonten, vernichtete 894 das Mährenreich Swatopluks und erlangte die Kaiserkrone.
Ihm ordneten sich die Herzöge bereitwilligst unter, nicht so seinem unmündigen Nachfolger Ludwig dem Kind (899-911). Bloß die hohe Geistlichkeit, an ihrer Spitze Erzbischof Hatto von Mainz, [* 27] hielt an der Einheit des Reichs und an der königlichen Autorität fest. Selbst mit blutiger Strenge war es kaum möglich, die Macht der herzoglichen Geschlechter zu bezwingen. Freilich zeigten die schrecklichen Niederlagen, welche die Stammesherzöge in ihren Einzelkämpfen gegen die Magyaren erlitten, daß nur vereinte Kraft [* 28] die drohende Gefahr der völligen Vernichtung durch die Barbarenhorden abzuwenden vermochte.
Gleichwohl war der nationale Zusammenhang zwischen den Stämmen des ostfränkischen Reichs schon so gelockert, daß 911, nach dem Tod Ludwigs des Kindes, mit welchem der ostfränkische Zweig der Karolinger erlosch, nur die zwei Stämme der Franken und Sachsen die Reichseinheit aufrecht zu erhalten sich entschlossen und zu einer neuen Königswahl schritten. Noch war das Übergewicht der Franken so bedeutend, daß nicht der edle sächsische Herzog Otto der Erlauchte, sondern der Herzog von Franken aus dem Geschlecht der Konradiner gewählt wurde. Er bestieg als Konrad I. (911-918) den Thron. [* 29]
Seine Bemühungen, die Rechte des Reichs und des Königtums wahrzunehmen und alle ostfränkischen Stämme wieder unter seine Hoheit zu bringen, waren jedoch erfolglos; denn mit Strenge und Gewalt die Herzöge zu unterjochen, dazu war seine Macht zu gering, zumal er sich mit seinem einzigen Verbündeten, dem Herzog von Sachsen, verfeindete. Lothringen ging an Westfranken verloren, Bayern und Schwaben vermochte Konrad weder gegen die Magyaren zu verteidigen, noch zur Anerkennung seiner Herrschaft zu zwingen.
Als er 918 starb, lies er das ostfränkische Reich arg zerrüttet und dem Zerfall nahe zurück. Der nationale Zusammenhang der südgermanischen Stämme war nicht gewachsen, sondern geschwächt, die Grenzen bedroht, die Kultur durch Verwilderung des Volkes und die Eroberungszüge der benachbarten Barbaren gefährdet. Die Organisation eines dem Königtum ergebenen Beamtentums, die Karl d. Gr. geschaffen, war gänzlich zu Grunde gegangen; die Unterordnung des Adels unter das Stammesherzogtum und der Herzöge unter das Königtum beruhte durchaus auf dem Lehnsverhältnis, dessen Herrschaft eine feste politische Staatsform ausschloß und die Gemeinfreien des Volkes dem öffentlichen Leben mehr und mehr entfremdete und ihrer alten Rechte beraubte. Das ostfränkische Reich mußte von kräftiger Hand [* 30] neu begründet werden, wenn es weiter bestehen sollte, und diese Neubegründung ist das Verdienst der sächsischen Dynastie, unter der das Reich nun auch den Namen eines »deutschen« erhielt.
Die Gründung des Deutschen und des Heiligen Römischen Reichs durch die sächsischen Kaiser. 919-1024.
Auf dem Sterbebett hatte Konrad I. nach seiner unglücklichen Regierung Deutschland wenigstens noch den großen Dienst geleistet, daß er seinen Bruder Eberhard verpflichtete, nicht selbst nach der Krone zu streben, sondern die Reichskleinodien dem Sachsenherzog Heinrich zu überbringen, da dieser allein sie mit Ehren würde tragen können. Der sächsische Stamm war unter allen deutschen Stämmen der kräftigste. Zwischen Rhein und Elbe bewohnte er ein ausgedehntes, in sich geschlossenes Gebiet; die unaufhörlichen Kämpfe mit Normannen und Slawen erhielten beim Volk den alten Kriegsmut.
Die Anhänglichkeit an das angestammte Herzogsgeschlecht der Ludolfinger verschaffte diesem eine Macht, wie sie kein andres Stammesherzogtum besaß. Und der damalige Träger dieser Würde, Ottos des Erlauchten Sohn Heinrich, war ein durch Tapferkeit und besonnene Mäßigung ausgezeichneter Fürst, der den Schwierigkeiten der königlichen Herrschaft wohl gewachsen war. So wählten denn Franken und Sachsen, zu Fritzlar an der Grenzscheide sächsischen und fränkischen Gebiets versammelt, im April 919 diesen Herzog als Heinrich I. zum deutschen König.
Nicht durch schroffe Geltendmachung alter Königsrechte und blutige Strenge gegen die Stammesherzöge wollte Heinrich die Einheit des Reichs wiederherstellen, sondern durch Anerkennung derselben in bestimmten Schranken sie zu gewinnen suchen. Er schonte die Stammeseigentümlichkeiten, die in Deutschland nun einmal vorhanden waren, und begnügte sich, gestützt auf die fast königliche Macht, die er in Sachsen und Thüringen besaß, mit der Unterordnung der Herzöge unter seine Oberhoheit.
Wie er Eberhard von Franken, dem er die Krone verdankte, als Herzog bestätigte, so beließ er auch Burchard im Besitz des Herzogtums Schwaben, als derselbe 920 ihm als Oberherrn huldigte, und behielt sich bloß die in Schwaben gelegenen königlichen Domänen und die Besetzung der Bistümer als sein Recht vor; die letztere gestand er noch Arnulf von Bayern zu, als derselbe bei einer friedlichen Besprechung in Regensburg [* 31] sich zur Anerkennung seines Königtums bequemte. 925 gelang es ihm endlich, auch Herzog Giselbert von Lothringen, der sich dem westfränkischen Reich angeschlossen, nun aber von dem schwachen König Karl dem Einfältigen keine Hilfe zu erwarten hatte, für Deutschland wiederzugewinnen und durch Vermählung mit seiner Tochter Gerberga an sein Haus zu fesseln. So hatte er die fünf großen Herzogtümer, welche seit 870 das ostfränkische Reich bildeten, wieder zu einem Ganzen vereinigt und einen Grund gelegt, auf dem seine Nachfolger weiterbauen konnten.
Nun wendete er sich der Sicherung der Grenzen seines Reichs zu. Als die Magyaren 924 wieder einen Einfall in Sachsen gemacht hatten, schloß Heinrich mit ihnen einen Waffenstillstand auf neun Jahre, während dessen er sich sogar zu einem Tribut bequemte, nur um Zeit zu gewinnen für die Vorbereitung zum Entscheidungskampf. Es galt vor allem, die Sachsen und Thüringer wieder wehrhaft zu machen. Er erneuerte daher die alten Ordnungen des Heerbannes und gewöhnte seine Krieger an den Kampf zu Roß, in welchem allein sie den Ungarn [* 32] mit Erfolg begegnen konnten. Er schützte das offene Land durch Anlage von Städten und Burgen [* 33] und unternahm, sowohl um sein Heer im Krieg zu üben, als um die Ostgrenze Sachsens zu sichern, 928-929 mehrere Feldzüge gegen die slawischen Völkerschaften zwischen Elbe und Oder; er bezwang die Heveller und die Daleminzier, legte in ihrem ¶
mehr
Gebiet Marken an und nötigte den Herzog von Böhmen zur Huldigung. Als 933 nach Ablauf [* 35] des Waffenstillstandes die Magyaren von neuem in Thüringen einfielen, konnte ihnen Heinrich mit einem trefflichen Reiterheer entgegentreten und durch den glänzenden Sieg bei Riade in der Goldenen Aue Norddeutschland für immer von ihren Einfällen befreien. Nachdem Heinrich auf einem siegreichen Feldzug gegen die Dänen die Mark Schleswig [* 36] gegründet und für die Nachfolge seines Sohns Otto die Zustimmung der Großen gewonnen hatte, starb er 936 in Memleben.
Die förmliche Königswahl Ottos I. (936-973) fand in Aachen [* 37] statt, wo sich der neuerwählte König auch krönen ließ. Die königliche Macht war schon so gekräftigt, die Einheit der Stämme hatte so feste Wurzeln geschlagen, daß niemand dem neuen Herrscher den Gehorsam verweigerte und dieser die Herzöge als seine Lehnsträger betrachten durfte, die ihm bei Tisch und Hof die [* 38] persönlichen Dienste [* 39] der höchsten Hofbeamten zu leisten hatten. Nur die slawischen Grenzvölker benutzten den Thronwechsel zu erfolglosen Versuchen des Abfalles, die Magyaren zu einigen Plünderungszügen.
Erst ein Streit mit Eberhard von Franken entzündete im Innern des Reichs einen Aufruhr, an dem außer Eberhard die Brüder des Königs, Thankmar und Heinrich, Herzog Giselbert von Lothringen und Erzbischof Friedrich von Mainz teilnahmen, in den sich auch der westfränkische König einmischte, und der das Werk Heinrichs I. wieder zu zerstören drohte. Indes gelang es der unerschütterlichen Standhaftigkeit und Tapferkeit Ottos, dem nicht bloß seine Sachsen, sondern auch Große aus andern Stämmen treu zur Seite standen, die Empörung niederzuwerfen und damit die Herzogsgewalt unter die des Königs zu beugen.
Die Herzöge waren fortan Beamte und Vertreter des Königs, denen überdies Pfalzgrafen zur Seite gestellt wurden, welche die königlichen Güter verwalteten, an des Königs Statt Gericht abhielten und die Herzöge überwachten und beschränkten. In Franken wurde nach Eberhards Tod (939) die herzogliche Würde überhaupt beseitigt und das Land vom König selbst verwaltet; die übrigen Herzogtümer verlieh er nach ihrer Erledigung an Männer, die ihm nahe verwandt oder unbedingt ergeben waren, so: Bayern seinem Bruder Heinrich, Schwaben seinem Sohn Liudolf, Lothringen seinem Schwiegersohn Konrad dem Roten, dann seinem Bruder Bruno, Sachsen dem tapfern Grafen Hermann Billung.
Die Abzweigung oder Neugründung von Markgrafschaften, die Teilung einiger Herzogtümer beseitigten nach und nach die Gefahr eines Zerfalles des Reichs in die großen Stammesherzogtümer völlig. Endlich suchte Otto eine Stütze für die monarchische Autorität in der hohen Geistlichkeit, welche, vom König nach Gutdünken zu ihren Würden ernannt, von ihm ganz abhängig war und, im Besitz höherer Bildung und weniger von Egoismus und Habgier beherrscht, den wahren Interessen des Reichs eine größere Einsicht und Teilnahme entgegenbrachte.
Eine festgefugte, durch Gesetze und Herkommen genau geregelte Organisation fehlte auch diesem Staatswesen wie fast allen mittelalterlichen Reichen; die staatliche Kraft beruhte vielfach bloß auf persönlichen Beziehungen, die immer etwas Zufälliges und Schwankendes an sich hatten. Anderseits vermochte ein energischer Geist wie der Ottos einem solchen Gemeinwesen rasch einen außerordentlichen Aufschwung zu geben, und dies bewährte sich zunächst in der kraftvollen Entwickelung der deutschen Macht nach außen.
Die Wenden zwischen Elbe und Oder wurden der deutschen Herrschaft und dem Christentum unterworfen und die Kolonisation ihres Gebiets begonnen. Die Bistümer Havelberg, [* 40] Brandenburg, [* 41] Merseburg, [* 42] Meißen [* 43] und Zeitz [* 44] (Naumburg) [* 45] wurden gegründet und später (968) dem Erzstift Magdeburg [* 46] unterstellt. Wie der Herzog von Böhmen, mußten auch der von Polen und der Dänenkönig Deutschlands [* 47] Oberhoheit anerkennen. Nach Norden [* 48] hin wurde die christliche Kultur durch Errichtung der Bistümer Oldenburg [* 49] (Lübeck), [* 50] Schleswig, Ripen und Aarhus [* 51] ausgebreitet. Der glorreiche Sieg über die Magyaren auf dem Lechfeld bei Augsburg [* 52] (10. Aug. 955) sicherte Deutschland für immer vor den Einfällen dieser Barbaren, welche sich fortan in festen Wohnsitzen an der Donau und Theiß niederließen.
Bis zur mittlern Donau und bis nach Istrien [* 53] und Friaul dehnte Herzog Heinrich von Bayern die Herrschaft der christlichen Kultur und des deutschen Namens aus. Obwohl in jener Zeit gewaltigster Erhebung der deutschen Kraft die Stämme des Reichs sich zuerst mit dem Gesamtnamen der Deutschen zu bezeichnen begannen, so beschränkte sich der Ehrgeiz des Königs und seines Volkes doch nicht darauf, ein einheitliches Reich zu schaffen und seine Grenzen möglichst auszubreiten, sondern faßte sofort höhere Ziele ins Auge, [* 54] vor allen die Ausbreitung der Herrschaft des deutschen Königs über die Nachbarlande und die Erwerbung der Kaiserkrone.
Das Mittelalter war ganz vom christlich-universalen Geist erfüllt, wie er sich im römischen Weltreich ausgebildet und in der germanischen Welt in Karl d. Gr. seinen glänzendsten Vertreter gefunden hatte. Die christliche Welt des Abendlandes sollte Ein Ganzes, Einen Leib bilden, der auf eine Nation beschränkte Staat erschien dem Mittelalter nie als politisches Endziel. Sowie daher Deutschland das politische Übergewicht in Mitteleuropa erlangt hatte, sobald der deutsche König von den burgundischen und italienischen Großen als Schiedsrichter angerufen wurde und in Frankreich den vertriebenen König wieder hatte einsetzen können, hielt er sich auch für berufen, das Werk Karls d. Gr. zu erneuern und die christlichen Völker des Abendlandes unter seinem Zepter zu vereinigen. Zu diesem Zweck unternahm er 951 seinen ersten Zug über die Alpen nach Italien, auf welchem er nebst der Hand der italienischen Königswitwe Adelheid die Lehnshoheit über das Königreich erwarb.
Auf dem zweiten Zug stürzte er den Lehnskönig Berengar, nahm mit der lombardischen Krone die unmittelbare Herrschaft über Italien an sich und ließ sich 962 in Rom [* 55] von Papst Johann XII. zum römischen Kaiser krönen. Er erneuerte damit das Kaisertum Karls d. Gr., das selbst nur eine Wiederherstellung des weströmischen Kaiserreichs gewesen war, und stiftete das Heilige Römische Reich [* 56] deutscher Nation, welches sich von dem alten römischen Reich dadurch unterschied, daß das herrschende Volk nicht mehr die Römer, sondern die Deutschen waren, deren König von selbst auch König von Italien war und ein Anrecht auf die Kaiserkrone hatte, aber ebenso wie jenes auf die Herrschaft über alle Länder des christlichen Abendlandes Anspruch erhob.
Ohne Zweifel hat das deutsche Volk, indem es sich fortan dieser universalen Aufgabe widmete, der Erbe der alten Römer zu sein, einen mächtigen Aufschwung genommen und die Entwickelung seiner Zivilisation durch die eifrige Pflege der antiken Kulturelemente, welche es in Italien noch vorfand, sehr gefördert, auch durch den Versuch der Organisation eines Weltreichs und durch die Errettung der Kirche aus völligem Verfall zur Entfesselung der geistigen Kräfte ¶
mehr
des Abendlandes sowie zur Begründung einer allgemeinen christlichen Kultur im Mittelalter wesentlich beigetragen. Aber wie alle Nationen, die sich zu ausschließlich dem Dienst einer weltgeschichtlichen Idee hingeben, so hat auch die deutsche ihrer Stellung an der Spitze des Abendlandes schwere Opfer bringen müssen und ihre gesunde politische und materielle Entwickelung dauernd geschädigt. Nicht bloß, daß in den Kämpfen um Italien unzählige deutsche Heere zu Grunde gegangen sind: verhängnisvoller war, daß die Deutschen ihren wichtigsten Lebensinteressen entfremdet wurden;
die großartig begonnene Kolonisation an der Ostgrenze geriet ins Stocken, die politischen Institutionen wurden nicht befestigt und weiter ausgebildet, die untern Stände den mächtigen Vasallen wehrlos preisgegeben und Deutschland fort und fort durch jede auswärtige Verwickelung auch in innere Unruhen und Wirren gestürzt.
Die Aufgabe, die Otto auf sich geladen, war sogar für ihn fast zu schwierig. Seit seiner Kaiserkrönung mußte er sich beinahe ausschließlich in Italien aufhalten, um immer neue Empörungen zu unterdrücken, und vermochte doch nicht die südlichen Provinzen Kalabrien und Apulien dem griechischen Kaiserreich zu entreißen. Wieviel weniger waren seine Nachfolger der Stellung gewachsen. Sein 18jähriger Sohn Otto II., der ihm 973 folgte, war bereits gewählt und gekrönt und trat daher ohne Schwierigkeit die Regierung an. Er verband mit seiner Bildung einen energischen, thatkräftigen Geist.
Eine Empörung seines Vetters, Herzog Heinrichs des Zänkers von Bayern, unterdrückte er und schwächte Bayern durch Abtrennung Österreichs, das als Markgrafschaft den Babenbergern gegeben wurde, und Kärntens, das er zum selbständigen Herzogtum erhob. Er bezwang aufs neue die Böhmen und Dänen und strafte einen treulosen Überfall des französischen Königs Lothar durch einen Rachezug bis vor die Thore von Paris [* 58] (978). Als er aber 980 nach Italien zog und 982 die Eroberung Süditaliens unternahm, erlitt er südlich von Cotrone durch die Sarazenen eine völlige Niederlage, und ehe er sie rächen konnte, starb er 983 in Rom, einen dreijährigen Sohn, Otto III., hinterlassend, der zwar schon zum König gewählt und gekrönt war, dessen Unmündigkeit aber Heinrich der Zänker sofort zum Versuch benutzte, die Regentschaft und dann die Krone an sich zu reißen.
Allerdings wurde durch die Entschlossenheit Theophanos, Ottos Mutter, und die Weisheit des Erzbischofs Willigis von Mainz dieser Versuch vereitelt und die rechtmäßige Thronfolge gewahrt; aber die Wenden und Dänen, welche sich auf die Nachricht von Ottos II. Niederlage und Tod erhoben und mit dem Christentum die verhaßte Herrschaft der Deutschen abgeschüttelt hatten, wieder zu unterwerfen, war die Regentin Theophano nicht im stande. Während der Regierung der Kaiserin wie nach ihrem Tod (991) erlangten die Reichsfürsten, die Herzöge, Markgrafen, Pfalzgrafen und Grafen, die Erzbischöfe, Bischöfe und größern Äbte, einen maßgebenden Einfluß auf die Regierungsgeschäfte, wandelten die ihnen übertragenen Ämter in erbliche Lehen um und rissen die Güter des Reichs und die Regalien der Krone (Münzrecht, Zollrecht und Gerichtsbann) an sich. Sobald Otto III. mündig geworden (996), zog er nach Rom, wo er sich mit geringen Unterbrechungen bis ans Ende seines Lebens aufhielt.
Seinem Volk, seinem deutschen Vaterland entfremdet, hing er dem phantastischen Gedanken nach, die Macht der Religion durch eine große Reform der Kirche zu erhöhen und das alte römische Reich in allen seinen Formen wiederherzustellen. Deutschland überließ er sich selbst, ja er schwächte es, indem er durch Errichtung des selbständigen Erzbistums Gnesen die Lostrennung der Polen von dem Verband [* 59] mit Deutschland beförderte. Aber nicht einmal in Rom und Italien selbst vermochte er die kaiserliche Macht zur allgemeinen Anerkennung zu bringen. Durch einen Aufstand aus Rom vertrieben, starb er 1002 ohne Erben.
Nicht ohne Schwierigkeiten errang der letzte noch übrige Sproß des sächsischen Herrscherhauses, Herzog Heinrich von Bayern, Sohn Heinrichs des Zänkers, Urenkel König Heinrichs I., bei der Bewerbung um die Krone den Sieg über seine Nebenbuhler Hermann von Schwaben und Eckard von Meißen. Nur die bayrischen, fränkischen und oberlothringischen Großen wählten ihn zum König; die Stimmen der übrigen mußte er durch Zugeständnisse erkaufen. Während seiner Regierung (1002-1024) war Heinrich II. unermüdlich thätig, das Reich und den Kaiserthron wieder aufzubauen.
Nach außen hin gelang ihm dies nur teilweise. Gegen den mächtigen und kühnen Polenherzog Boleslaw Chrobry kämpfte er mit entschiedenem Unglück und mußte im Frieden von Bautzen [* 60] (1018) nicht bloß dessen Unabhängigkeit anerkennen, sondern ihm auch die Lausitz abtreten, während er Böhmen behauptete. Das Land nördlich der Elbe ging in einem großen Aufstand der Wenden in Holstein und Mecklenburg [* 61] gänzlich verloren. In Italien besiegte er den Markgrafen Arduin von Ivrea, der sich zum unabhängigen König hatte erheben wollen, erlangte 1014 die Kaiserkrone und stellte 1022 auf einem dritten Römerzug das kaiserliche Ansehen in ganz Italien wieder her. In Deutschland selbst hatte er in der ersten Zeit seiner Herrschaft fortwährend mit Empörungen einzelner Großen zu kämpfen; selbst Grafen und Herren wagten, ihm den Gehorsam zu verweigern.
Wenn es ihm auch endlich gelang, Ruhe und Frieden im Reich zu stiften und die Fürsten zur Botmäßigkeit zurückzuführen, so mußte er doch die Erblichkeit ihrer Lehen anerkennen und ihren Beirat in allen wichtigen Angelegenheiten sich gefallen lassen. Gegen den anmaßenden Trotz und die Habsucht der weltlichen Großen suchte er eine Stütze in der hohen Geistlichkeit, deren politischen Einfluß er durch Verleihung von weltlichen Ämtern und Besitzungen vermehrte, die er aber durch das unbeschränkte kaiserliche Ernennungsrecht in Abhängigkeit von sich erhielt.
Hierdurch und durch seinen Eifer für kirchliche Dinge (er trug sich ernstlich mit dem Gedanken einer streng asketischen Kirchenreform) hat er den Namen des Heiligen und die Kanonisation erworben. Mit seinem Tod 1024 erlosch das sächsische Herrscherhaus. Die Schöpfung Heinrichs I. und Ottos I., die unter Otto III. zusammenzubrechen drohte, hat Heinrich II. wiederhergestellt, freilich nicht ohne erhebliche Einbußen an innerer Kraft und äußerer Macht. Vor allem hatte sich aber die Verschmelzung der deutschen Stämme zu einem Volk, zu einer Reichseinheit dauerhaft und unlöslich erwiesen.
Der Kampf mit der Kirche unter dem fränkischen Kaiserhaus. 1024-1125.
(Hierzu die »Geschichtskarte von Deutschland I«.)
Die Einheit des deutschen Volkes zeigte sich bei der großen Wahlversammlung im September 1024 in Kamba am Mittelrhein bei Mainz zur Neuwahl eines deutschen Königs. Die eigentliche Wahl, die auf den fränkischen Grafen Konrad, den Urenkel Konrads des Roten und Liutgards, der Tochter Ottos I., fiel, wurde allerdings von den Fürsten vollzogen; der Anteil des Volkes daran beschränkte sich auf den zustimmenden ¶
Deutschland um das Jahr 1000
Römisch-Deutsches Kaiserreich.
KGR. Königreich, HZ. Herzogtum, MGR. Markgrafschaft.
Zum Artikel »Deutschland«. ¶
mehr
Zuruf. Konrad II. (1024-1039), der erste Kaiser aus dem fränkischen oder salischen Haus, glich dem ersten Sachsen, Heinrich I., in nüchterner Besonnenheit, Ausdauer und weiser Beschränkung. Die Nord- und Ostgrenze des Reichs sicherte er, indem er mit dem mächtigen Beherrscher von Dänemark, [* 65] Knut d. Gr., Frieden und Freundschaft schloß und durch Abtretung der nördlich der Eider gelegenen Teile der Mark Schleswig sich dessen Beistand gegen die Slawen verschaffte.
Das Polenreich zerfiel nach Boleslaws Tod ebenso schnell wieder, wie es aufgebaut war, und geriet von neuem in Abhängigkeit von Deutschland 1032 erwarb er nach dem Tode des Königs Rudolf III. auf Grund alter Verträge, die dieser schon mit Heinrich II. geschlossen, das Königreich Burgund, das, ohne mit Deutschland verschmolzen zu werden, das dritte Königreich des Kaiserreichs bildete. Auf seinem ersten Römerzug erwarb er 1027 die Kaiserkrone. Mehrere Empörungen von Großen, worunter die seines Stiefsohns Ernst von Schwaben vom Volk in Lied und Sage gefeiert wurde, unterdrückte er mit Kraft und Strenge.
Die Erblichkeit der Fürstentümer konnte er allerdings ebensowenig beseitigen, wie die Unbeschränktheit der kaiserlichen Gewalt erreichen. Der aufstrebenden Selbständigkeit der Herzogtümer brach er aber dadurch die Spitze ab, daß er die Mehrzahl derselben an seinen Sohn Heinrich (so Bayern und Schwaben) oder an nahe Verwandte brachte. Auch setzte er, oft ohne Rücksicht auf ihre kirchliche Befähigung, Anverwandte und Freunde in die höchsten geistlichen Reichsfürstentümer ein. Die kleinern Vasallen (Ministerialen) suchte er von ihren fürstlichen Lehnsherren unabhängig zu machen, indem er auch ihre Lehen für erblich erklärte. In Oberitalien [* 66] geschah dies 1037 durch ein besonderes Gesetz. Die Erblichkeit der Krone selbst konnte Konrad aber nicht durchsetzen, er mußte sich begnügen, daß sein Sohn schon früh gewählt und gekrönt wurde u. ihm nach seinem Tod als Heinrich III. (1039-1056) ohne weiteres auf dem Thron folgte.
Heinrich III. führte das Werk seines Vaters mit Energie und Erfolg fort. Dänemark, Polen und Böhmen wurden in Gehorsam erhalten, selbst Ungarn durch mehrere Kriegszüge 1044 zur Anerkennung der deutschen Oberhoheit gezwungen. Rücksichtslos und streng verfuhr er gegen die Fürsten; wiederholt entsetzte er Herzöge ihres Amtes, und Bayern verlieh er sogar, um es nicht wieder aus der Hand zu lassen, seiner eignen Gemahlin Agnes. Freilich reizte diese Strenge zu immer neuen Empörungen, und nur die Hand am Schwert vermochte der Kaiser die erbitterten Fürsten niederzuhalten.
Eine kluge Beschränkung auf dies Ziel, die ausschließliche und andauernde Verwendung aller Machtmittel des neuerstarkten Kaisertums auf die Unterdrückung der Aristokratie, endlich wohlwollende Förderung der niedern Stände hätten die Begründung einer starken erblichen Monarchie in Deutschland zur Folge haben können. Aber wie 100 Jahre früher Otto I., so setzte auch Heinrich III. die neugewonnene Macht für die Erreichung eines universellern Ziels ein, nämlich für die Regeneration der entarteten Kirche im Sinn der Cluniacenser, welche durch Erweckung streng religiösen Sinnes die Herrschaft der Kirche über die Gemüter verstärken und durch Errettung des Papsttums aus seinem Verfall die bedrohte Einheit der abendländischen Christenheit fester begründen wollten.
Selbst streng asketisch gesinnt, setzte Heinrich nur kirchlich eifrige Bischöfe ein, und 1046 auf der Synode zu Sutri zum Schiedsrichter zwischen drei um die Tiara [* 67] streitenden Päpsten aufgerufen, beseitigte er alle drei, um in einem frommen deutschen Bischof dem Stuhl Petri wieder einen würdigen Inhaber zu geben und das Ansehen des Papsttums wiederherzustellen. Seine Oberhoheit über die Kirche benutzte er nur, um sie von Mißbräuchen zu befreien, sittlich zu heben und sie zur erhabensten Institution auf Erden zu machen. Die von ihm eingesetzten Päpste unterstützte er eifrigst in dem Bestreben, ihre hierarchische Gewalt über die Kirche zu verstärken; selbst den Vertrag des Papstes mit den Normannen, durch welchen deren Reich in Unteritalien in ein päpstliches Lehen umgewandelt wurde, hinderte er nicht. So verhalf er selbst der Macht zur Herrschaft, welche seinem Nachfolger so verderblich wurde.
Die Gärung unter den unzufriedenen Fürsten, namentlich in Sachsen, war auf das höchste gestiegen und wurde nur durch die Furcht vor Heinrichs eiserner Strenge im Zaum gehalten, als dieser plötzlich in Bodfeld im Harz, noch nicht 40 Jahre alt, starb und das Reich einem sechsjährigen Kind, Heinrich IV. (1056-1106), unter Vormundschaft einer Frau, der Kaiserin Agnes, hinterließ. Je empfindlicher die Fürsten den gewaltigen Arm des verstorbenen Kaisers gefühlt hatten, desto mehr beeilten sie sich, die Schwäche der neuen Regierung zur Vermehrung ihrer Macht und Selbständigkeit zu benutzen.
Ein sächsischer Großer, Otto von Nordheim, zwang die Kaiserin, ihm das Herzogtum Bayern, ein burgundischer Fürst, Rudolf von Rheinfelden, ihm mit der Hand ihrer Tochter Schwaben, endlich der Zähringer Berthold, ihm Kärnten zu übertragen. Durch den Raub in Kaiserswerth (1062) bemächtigte sich der ehrgeizige, finstere Erzbischof Anno von Köln [* 68] des königlichen Knaben, dessen Erziehung er fortan leitete, und für den er in Gemeinschaft mit den übrigen Großen die Regierung führte.
Unter dieser konnte, wer wollte, seine Habgier an dem Königsgut befriedigen; weder in Italien noch in Ungarn vermochte Anno das Ansehen des Reichs zu behaupten; durch eine Empörung der Wenden östlich der Elbe (1066) ging die deutsche Kultur in jenen Gegenden für lange Zeit verloren. Mit Hilfe Adalberts von Bremen [* 69] befreite sich Heinrich von den verhaßten Fürsten, und sowie er zum Mann herangereift war, strebte er, die verlorne Macht seiner Väter wiederzugewinnen.
Die habsüchtigen, trotzigen Großen verfolgte er mit leidenschaftlicher Rachsucht. Otto von Nordheim beraubte er 1070 Bayerns, das er Welf verlieh; die Billunger wurden geächtet und durch Anlage von Burgen die Unterjochung der Sachsen, welche der Herrschaft der Franken hartnäckig widerstrebten, begonnen. 1073 kam es infolge von Gewaltthätigkeiten der Anhänger des Königs zu einem allgemeinen Aufstand der Sachsen, welcher den König in große Gefahr stürzte, da die deutschen Fürsten sich wankelmütig und treulos zeigten. Durch den glänzenden Sieg Heinrichs bei Hohenburg a. d. Unstrut 1075 wurde jedoch die Empörung unterdrückt, und die sächsischen Großen wurden streng bestraft.
Wäre es Heinrich, dessen glänzende Herrschereigenschaften sich jetzt zeigten, nun vergönnt gewesen, seine Gewalt ungestört zu befestigen, so würde er das während seiner Minderjährigkeit Verlorne wieder haben einbringen können. Da aber verwickelten ihn die Ansprüche auf die höchste Autorität in der Christenheit, welche ihm von seinen Vorfahren überkommen waren, in einen neuen, weit gefährlichern Kampf mit einem Gegner, dem er weder an Macht noch an Charakterstärke ebenbürtig war, mit Papst Gregor VII. Schon als Kardinal Hildebrand hatte dieser die mönchisch-strenge ¶