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Zwecken amtlich denaturiertes Salz [* 2] 7285 T.; dagegen sind in demselben Jahr ausgegangen 144,198 T. Der Steuerbetrag des von den deutschen Salzwerken etc. in den freien Verkehr gesetzten Salzes belief sich im Etatsjahr 1884/85 auf 22,1 Mill. Mk.
Neben dem gesuchten Steinsalz besitzt Deutschland [* 3] in den Staßfurter Kalisalzablagerungen einen Schatz von großer nationaler Bedeutung, welcher nicht nur der Industrie, sondern auch der Landwirtschaft unersetzliche Dienste [* 4] leistet und gleichzeitig ein wichtiges deutsches Exportprodukt bildet. War früher der Steinsalz- und Kalisalzbergbau bei Staßfurt [* 5] auf das dortige preußische und das anhaltische Staatswerk Leopoldshall beschränkt, so hat er in neuerer Zeit durch Privatunternehmungen namentlich bei Aschersleben [* 6] einen bedeutenden Zuwachs erhalten.
Die Förderung der Kalisalze ist daselbst von 116,840 Ton. im J. 1864 auf 969,196 T. im J. 1884 gestiegen. Das wichtigste derselben bildet der Carnallit, ein Doppelsalz, aus Chlorkalium und Chlormagnesium bestehend, dessen Förderung sich 1883 auf 733,694 T. belief; nächstdem hat der Kainit, ein dreifaches Salz, aus schwefelsaurem Kali, schwefelsaurer Magnesia und Chlormagnesium bestehend, zu Düngezwecken eine große Bedeutung erlangt; von ihm wurden 1877 erst 31,742 T., 1884 dagegen 203,120 T. gefördert.
Industrie in Stein, Erde, Glas.
An Thonen, von der reinsten Porzellanerde bis zum Lehm für Ziegel- und Backsteine, ist Deutschland reich, und dieser Reichtum hat eine ausgedehnte Gewerbthätigkeit hervorgerufen. Wenngleich der Backstein ein für die meisten Gegenden wichtiges, für die bausteinarmen Ebenen unentbehrliches Baumaterial ist, aus dem selbst große Dome erbaut sind, so steht die Fabrikation doch in der Provinz Brandenburg [* 7] obenan, wo die sich mächtig erweiternde Hauptstadt fast nur auf dieses Baumaterial angewiesen ist, wo die neuen Ringöfen, seit 1860 aufgekommen, eine allgemeine Verbreitung haben, und wo die Ziegeleien vorzugsweise an der Havel von Werder bis Rathenow [* 8] (Rathenower Mauersteine) [* 9] und am Finowkanal zahlreich sind. Im ganzen Reiche gibt es ca. 20,000 Ziegeleien, von denen die meisten allerdings klein sind und nur örtliche Bedeutung haben.
Die Thone der Braunkohlenformation bilden die Grundlage der Fabrikation von Steingut und andern irdenen Waren, vorzüglich in Berlin, [* 10] in den Regierungsbezirken Trier, [* 11] Magdeburg, [* 12] Potsdam, [* 13] Kassel, [* 14] Wiesbaden [* 15] und Liegnitz, [* 16] weiter in Hannover, [* 17] im Königreich Sachsen, [* 18] in Württemberg, [* 19] Baden [* 20] etc. Berühmt sind die Thonpfeifen von Uslar in Hannover, die Thonpfeifen und Krüge [* 21] von Ransbach etc. im Westerwald aus dem sogen. Kannenbäckerland, die als »Koblenzer Waren« in den Handel kommen, die Fliesen [* 22] von Mettlach an der Saar, die weißen Ofenkacheln von Velten in Brandenburg, das Töpfergeschirr von Großalmerode im Regierungsbezirk Kassel und von Bunzlau [* 23] i. Schl., die aus dem Graphit des Böhmerwaldes verfertigten Passauer Schmelztiegel, die Thonwaren [* 24] von Zell am Harmersbach, Hornberg, Schramberg etc. im Schwarzwald u. a. Aus noch ältern Thonen, besonders in den Steinkohlengebirgen, werden feuerfeste oder Schamottesteine bereitet.
Porzellanfabriken gibt es in Deutschland etwa 110. Die älteste in Europa [* 25] ist die zu Meißen [* 26] (1710 gegründet), welche jetzt in das Triebischthal verlegt worden ist. Am zahlreichsten sind sie im Thüringer Wald, woselbst diese Industrie, die 1759 Eingang fand, auf der Ablagerung des Kaolinsandsteins am Rennsteig (bei Limbach) beruht und vorzüglich Nippsachen zur Ausfuhr liefert. Große und berühmte Anstalten finden sich weiter in Berlin, Waldenburg [* 27] i. Schl., Nymphenburg und Bamberg [* 28] in Bayern; [* 29] die Porzellanknöpfe und Porzellanperlen von Freiburg [* 30] i. Br. finden Absatz nach allen Teilen der Erde. In einigen Orten (z. B. in Bamberg) erfreut sich auch die Porzellanmalerei eines hohen Rufs. Im J. 1884 wurden in das deutsche Zollgebiet eingeführt: gewöhnliche Mauersteine und feuerfeste Steine 1,125,039, Dachziegel und Thonröhren (nicht glasiert) 262,360, Schmelztiegel, Ofenkacheln 7212, glasiertes Töpfergeschirr 11,000, Porzellan und porzellanartige Waren, weiß 1527, farbig, bedruckt etc. 2723 Doppelzentner;
ausgeführt: gewöhnliche Mauersteine und feuerfeste Steine 5,526,920, Dachziegel und Thonröhren (nicht glasiert) 555,783, nicht glasiertes Töpfergeschirr 16,749, glasiertes 33,383, Porzellan und porzellanartige Waren 104,168 Doppelzentner.
Von hoher Wichtigkeit ist die Glasindustrie, für welche in Deutschland ungefähr 300 Anstalten bestehen. Ihre Hauptsitze hat sie in Schlesien, [* 31] Rheinpreußen, in der bayrischen Oberpfalz, in Mittelfranken, Niederbayern, Thüringen und Elsaß-Lothringen. [* 32] Aus den Waldungen der Norddeutschen Tiefebene verschwinden die Glashütten wegen der bessern Verwertung des Holzes immer mehr; jedoch behauptet sich Baruth in Brandenburg noch mit seinen Lampenglocken. Großartig sind die Anstalten in den Steinkohlengebieten; im Thüringer Wald, wo sich die feine Glasbläserei besonders von Böhmen [* 33] her verbreitet hat, findet man sie in dem Distrikt der Porzellanfabrikation, hier Thermometer, [* 34] Barometer, [* 35] Glasperlen, Spielsachen etc. liefernd; im Oberpfälzer Wald ist der Hauptsitz der Glasschleiferei im Reich, von Nürnberg [* 36] und Fürth [* 37] aus geleitet.
Nürnberg und Fürth, dann aber auch Stolberg [* 38] in der Rheinprovinz [* 39] und Mannheim [* 40] liefern Spiegelgläser und Spiegel; [* 41] Nürnberg, München, [* 42] Berlin und Rathenow in Brandenburg die verschiedensten optischen Gläser; Berlin, München und Nürnberg sind endlich Hauptorte für die Glasmalerei, [* 43] für welche in München eine besondere Kunstanstalt besteht. Einfuhr in das deutsche Zollgebiet 1884: Hohlglas 5414, Fenster- und Tafelglas 7263, Spiegelglas 31,243, Glasmasse etc. 1149 Doppelzentner etc.;
Ausfuhr: Hohlglas 656,436, Fensterglas 38,756, Spiegelglas. 67,877, Glasmasse etc. 7259 Doppelzentner etc.
Kalkbrennereien gibt es 5200, kleinere in der Norddeutschen Tiefebene, auf den Verbrauch der Kalksteine unter den erratischen Blöcken berechnet, größere im Bereich der umfangreichen Kalksteinlager, zu Rüdersdorf bei Berlin, Lüneburg, [* 44] Gogolin in Oberschlesien etc. Hieran schließen sich die Gipsmühlen und Zementfabriken. Gips, [* 45] als Dungmittel von großer Wichtigkeit, findet sich mehrfach in Schlesien und der Norddeutschen Tiefebene, wo sein Vorkommen in der Regel auf Steinsalzlager deutet, ferner in der Provinz Sachsen; Zementkalk in der Mindenschen Bergkette, im rheinischen Kreise [* 46] St. Wendel etc. Portlandzement, eine Zusammensetzung aus reinem Kalkstein und Thon, wird bei Stettin, [* 47] Oppeln, [* 48] Bonn [* 49] etc. bereitet. Auch der Traß der Eifel, in zahlreichen Traßmühlen gemahlen, gibt in Verbindung mit Kalk einen Zement. Phosphorit, gleichfalls ein wichtiges Dungmittel, wird jährlich in großen Mengen namentlich im Regierungsbezirk Wiesbaden gefördert; Mergel hat sich vielfach auf den Wiesen des Flachlandes abgelagert.
Magnesit, zur Darstellung des Bittersalzes und einer reinen Kohlensäure verwendet, wird in Schlesien gewonnen; Flußspat, [* 50] als Zuschlag in ¶
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Schmelzöfen gebraucht, am Harz, im Erzgebirge, Thüringer Wald etc.; Schwerspat in den Regierungsbezirken Wiesbaden und Kassel. Bau- und Werksteine gibt es fast überall, in der nördlichen Ebene werden die erratischen Blöcke dazu verwendet. Die Sandsteine der Sächsischen Schweiz, des Sollinger Waldes, des Wesergebirges etc. werden als vortreffliches Baumaterial weithin befördert, ebenso der Tuffstein der Eifel und der Trachyt des Siebengebirges. Die Granite des Riesen- und Fichtelgebirges liefern Platten und Pflastersteine, treffliche Pflastersteine auch der Basalt in Mitteldeutschland.
Münchens Prachtbauten haben zur Aufschließung vieler schöner Marmorlager am Alpenrand geführt, selbst zur Bearbeitung des deutschen Statuenmarmors, der auch in den mitteldeutschen Gebirgen nicht fehlt. Zu größern Kunstsachen verwendet man auch den Serpentin aus Sachsen und Schlesien, den Alabaster, den feinsten und reinsten Gips, in Thüringen; ebenda werden auch Milliarden von Steinmärbeln verfertigt und mit den Sonneberger Spielwaren ausgeführt.
Die lithographischen Steine von Solnhofen an der Altmühl im Fränkischen Jura sind weltberühmt. Wetzsteine werden im Thüringer Wald, in den Alpen [* 52] etc. gebrochen. Die ausgezeichnetsten Lager [* 53] von Dachschiefer in Europa trifft man im Thüringer Wald bei Lehesten und Gräfenthal an, woselbst jährlich Dachschiefer im Wert von mehr als 2 Mill. Mk. gebrochen werden; daselbst gibt es auch Lager von Tafel- und Griffelschiefer, die das Material zur Anfertigung der weitverbreiteten, von Sonneberg [* 54] ausgeführten Schiefertafeln und Griffel liefern. Sonst findet sich Dachschiefer noch im Erzgebirge, Oberharz und in mehreren vorzüglichen Lagern im Schiefergebirge in Westfalen [* 55] und der Rheinprovinz. Mühlsteine [* 56] werden mehrfach gebrochen, ganz besonders aus der Lava zu Niedermendig auf der Eifel.
Von Edelsteinen finden sich in Deutschland nur untergeordnete Arten, der Topas [* 57] im Königreich Sachsen, der Chrysopras in Schlesien, der Achat [* 58] an der Nahe bei Oberstein und Idar, der nebst fremdem eingeführten im oldenburgischen Fürstentum Birkenfeld eine eigne Industrie geschaffen hat; der Bergkristall in Schlesien, Sachsen, im Harz etc. erscheint in vielen Formen, als Amethyst, Rauchtopas, Chalcedon, Onyx, Karneol, Jaspis etc. Noch ist der Bernstein [* 59] zu erwähnen, der in einzelnen Stücken in der Norddeutschen Tiefebene in Lehmlagern, Kies etc. an den verschiedensten Orten, ganz besonders aber an der Küste der Ostsee und in ihrer nächsten Nähe, vorkommt und in Ostpreußen [* 60] in großer Menge durch Baggerung im Kurischen Haff bei Memel, [* 61] durch Graben im Samland und durch Tauchen und Schöpfen in der See an der sogen. Bernsteinküste von Brüsterort bis Pillau gewonnen wird. Kunstsachen daraus werden in Danzig, [* 62] Memel und Stolp [* 63] gefertigt.
Chemische Industrie.
Chemische Fabriken von Wichtigkeit gibt es außer zu Staßfurt und Leopoldshall in Berlin, Pommerenzdorf bei Stettin, Schönebeck an der Elbe, Neusalzwerk in Westfalen, Duisburg, [* 64] Aachen, [* 65] Hamburg, [* 66] Nürnberg, Ludwigshafen, [* 67] Heilbronn, [* 68] Stuttgart [* 69] etc. Schreibkreide kommt aus Rügen; Farberde wird in Thüringen und Franken gefunden. Farbenfabriken gibt es in Thüringen, Bayern (Nürnberg, Schweinfurt, [* 70] Amberg); [* 71] wichtig sind die Ultramarinfabriken zu Nürnberg und in der Rheinprovinz und die in neuester Zeit ganz besonders hervortretenden Anilin- und Alizarinfabriken (zu Höchst a. M., Elberfeld, [* 72] Offenbach, [* 73] Krefeld, [* 74] Mannheim etc.). Parfümerien erzeugen vorzüglich Berlin und Frankfurt [* 75] a. M., wohlriechendes Wasser Köln, [* 76] vortreffliche Mineralöle und Paraffin, [* 77] wie schon bemerkt, die Kreise Weißenfels [* 78] und Aschersleben in der Provinz Sachsen.
Zündwaren werden in Hessen, [* 79] Württemberg, Rheinbayern, den Provinzen Sachsen, Schlesien und Hannover teilweise für den Export hervorgebracht; die Seifen- und Kerzenerzeugung führt uns nach Berlin, Barmen, Köln. Nürnberg hat durch seine Bleistifte, zu deren Anfertigung Graphit aus Sibirien herbeigeschafft wird, einen Weltruf erhalten; Gasbereitungsanstalten findet man jetzt bereits in den meisten mittelgroßen Städten, selbst schon in kleinern Städten, Dörfern und Fabriken; Leimfabriken in den Rheinlanden.
Eingeführt wurden 1884 in das deutsche Zollgebiet: Pottasche 22,992, Soda, kalciniert 37,647, roh 66,767, Chilisalpeter 2,006,474, andrer Salpeter 28,872, Salpetersäure 2970, Salzsäure 22,037, Schwefelsäure [* 80] 71,295, Superphosphate 302,727, Zündwaren und Feuerwerk 8280 Doppelzentner;
ausgeführt: Pottasche 84,489, Soda, kalciniert 110,821, roh 46,390, Chilisalpeter 9599, andrer Salpeter 68,395, Salpetersäure 7441, Salzsäure 98,202, Schwefelsäure 161,352, Superphosphate 114,350, Zündwaren und Feuerwerk 39,254 Doppelzentner.
Industrie in Papier, Leder, Stroh etc.
Für die Papierfabrikation [* 81] bestehen im Reich etwa 1140 Anstalten und 100 kleinere Handpapierfabriken, davon allein 130 Anstalten mit 190 Maschinen in Westfalen und der Rheinprovinz, 92 Anstalten mit 133 Maschinen im Königreich Sachsen, 73 Anstalten mit 84 Maschinen in Bayern etc. Sie ist am bedeutendsten in den Regierungsbezirken Aachen (in den Roerkreisen Düren [* 82] und Jülich), Arnsberg [* 83] (zu beiden Seiten der untern Lenne), Liegnitz und im Königreich Sachsen; viele der Fabriken in diesen Gegenden aber liefern nur Stroh- und Packpapiere.
In den übrigen Teilen des Reichs sind sie mehr vereinzelt, nicht selten aber groß und durch Leistung ausgezeichnet. Papiertapeten werden vorzugsweise in Rheinpreußen, Unterfranken, Hessen, Berlin und Hamburg erzeugt, Buntpapiere in Aschaffenburg [* 84] und Mainz, [* 85] Dachpappen und Preßspäne in den Regierungsbezirken Potsdam und Liegnitz, Papiermachéwaren in Berlin, Sonneberg in Thüringen, Koblenz [* 86] etc., geschmackvolle Buchbinderwaren in Berlin, Leipzig, [* 87] Frankfurt a. M., Offenbach, Nürnberg, Koblenz etc. In das deutsche Zollgebiet wurden 1884: 102,234 Doppelzentner Papier aller Art, Papiertapeten und Waren aller Art aus Papier ein-, aus demselben 1,058,980 Doppelzentner ausgeführt.
Strohwaren werden vorzüglich im Schwarz- und Wasgenwald, bei Dippoldiswalde (Sachsen), in den Regierungsbezirken Erfurt, [* 88] Trier und Breslau, [* 89] in Berlin etc. verfertigt. Die Korbflechterei arbeitet für den Export vornehmlich im bayrischen Regierungsbezirk Oberfranken bei Lichtenfels. Die Hutfabrikation befindet sich seit der Emanzipation von Frankreich in steigender Entwickelung. Für Gummi- und Guttaperchawaren gibt es große Fabriken in Harburg, [* 90] Berlin etc.
Die Gerberei ist in Deutschland ein altes Gewerbe; bedeutender ist sie im S. und W. als im N. und O. Ausgezeichnete Ledersorten liefern Mainz und Worms [* 91] in Rheinhessen. Im preußischen Staat ist die Lederbereitung am bedeutendsten in der Rheinprovinz zu Malmedy, in Westfalen im Siegenschen, in Hessen-Nassau [* 92] zu Eschwege. Auch in Thüringen ist dieser Industriezweig von Wichtigkeit. Feine Lederwaren werden in allen größern Städten angefertigt, jedoch ¶
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vorzugsweise in den süddeutschen Staaten und in der Rheinprovinz. Die Schuhmacherei in Pirmasens [* 94] und Mainz liefert die feinsten Waren für das Ausland; wichtig ist dieselbe ferner in der Provinz Sachsen, in Thüringen, Berlin, Offenbach, im württembergischen Amt Balingen etc. Handschuhe produziert namentlich Württemberg zur Ausfuhr. Ledergalanteriewaren von ausgezeichneter Güte liefern Berlin, Nürnberg, Offenbach, Hanau [* 95] etc. Für die Anfertigung von Sattler-, Riemer- und Täschnerwaren sind Berlin, Breslau, Aachen, Düsseldorf, [* 96] München, Nürnberg, Stuttgart, Karlsruhe [* 97] und andre Städte Hauptplätze. Einfuhr in das deutsche Zollgebiet 1884: 699,578 Doppelzentner Häute und Felle und 76,933 Doppelzentner Leder und Lederwaren;
Ausfuhr: 184,695 Doppelzentner Häute und Felle; 140,560 Doppelzentner Leder und Lederwaren.
Textilindustrie etc.
Deutschland ist ein Wolle, Flachs und Hanf erzeugendes Land; zu ihrer Verarbeitung haben sich die aus dem Ausland eingeführten großen Mengen dieser Rohmaterialien gesellt. Deutschland bringt aber nicht bloß Wollen- und Leinenstoffe, sondern vor allem auch Baumwollen- und Seiden- sowie gemischte Stoffe in den Welthandel. Viele Tausend Hände am preußischen Niederrhein, in Westfalen, in Sachsen und Schlesien sind mit Spinnen [* 98] und Weben [* 99] beschäftigt. In den Streich- und Kammwollspinnereien sowie in den Tuch- und Wollwarenfabriken arbeiten wenigstens 150,000 Menschen.
Die Streichwolle, zur Fabrikation von tuchartigen Geweben gebraucht, wird in großen Anstalten gesponnen, die in der Regel mit der Tuchfabrikation verbunden sind. Sie verfügt im Reich über wenigstens 2,600,000 Feinspindeln. Hauptsitze der Tuchfabrikation sind vor allen die Rheinprovinz, der südliche Teil von Brandenburg nebst angrenzenden Kreisen von Schlesien (Lausitz) und das westliche Sachsen nebst Teilen von Thüringen. In der Rheinprovinz steht der Regierungsbezirk Aachen obenan, woselbst in den Städten Aachen, Burtscheid, Düren, Eupen [* 100] und Montjoie diese Industrie schon seit langer Zeit in Flor ist und eine Vollkommenheit erreicht hat, die ihren Erzeugnissen den überseeischen Markt sichert; nach Nordamerika [* 101] allein gehen von hier jährlich Tuche und Buckskins im Wert von mindestens 5 Mill. Mk. Im Regierungsbezirk Düsseldorf treten die Städte Lennep, [* 102] Werden und Kettwig hervor.
In dem zweiten Mittelpunkt, der Lausitz, erfreut sich die Tuchfabrikation durch die in jüngster Zeit erfolgte Erbauung zahlreicher Eisenbahnen einer steigenden Entwickelung und arbeitet ebenfalls für den Export nach Nordamerika und dem Orient. Im Regierungsbezirk Frankfurt liefern Buckskins hauptsächlich Kottbus, Peitz, Forst und [* 103] Spremberg, [* 104] glatte Tuche Guben, [* 105] Sorau, [* 106] Sommerfeld und Finsterwalde. Andre brandenburgische Städte, ausgezeichnet durch dieselbe Industrie, sind Schwiebus [* 107] mit glatten Tuchen und Luckenwalde [* 108] mit Buckskins. In Schlesien treten besonders die Städte Görlitz [* 109] mit Export nach Ostasien, Grünberg [* 110] und Sagan [* 111] und im Königreich Sachsen Großenhain, [* 112] in der Provinz Sachsen Burg und in Anhalt [* 113] Zerbst [* 114] und Dessau [* 115] hervor. Im dritten Hauptsitz der Tuchfabrikation sind von ganz besonderer Wichtigkeit die Städte Meerane, [* 116] Krimmitschau, Reichenbach, [* 117] Werdau, [* 118] Kirchberg, Lengenfeld, Döbeln [* 119] und Roßwein im Königreich Sachsen, Pößneck in Thüringen etc. In andern Städten blühen die Kammwollspinnerei und die Fabrikation von Wollwaren (Glauchau), [* 120] während Gera, [* 121] Greiz [* 122] und Zeulenroda im Reußischen der Sitz der deutschen Tibetfabrikation sind und jährlich Tibetwaren im Wert von mehr als 30 Mill. Mk. liefern, die mit den englischen Waren auf überseeischen Märkten erfolgreich konkurrieren.
Gleichfalls von großer Wichtigkeit sind die Kammwollspinnereien und Wollwarenfabriken zu Mülhausen [* 123] und Gebweiler [* 124] sowie die Tuchfabriken zu Bischweiler [* 125] im Elsaß. Auch Württemberg besitzt in einigen Städten noch eine ziemlich erhebliche Tuch- und Wollwarenmanufaktur, während in Oberhessen die zahlreichen Anstalten für diese Industrie nur klein sind. Vereinzelt tritt mit Tuchfabriken in andern Gegenden noch manche Stadt hervor, z. B. Neumünster in Schleswig-Holstein. [* 126]
Die Tuchmacherei war zu Anfang dieses Jahrhunderts noch ein allgemein verbreitetes Gewerbe, das in den östlichen Provinzen Preußens [* 127] selbst für Polen arbeitete; heute hat es in den nordöstlichen Provinzen indes fast gänzlich aufgehört, nur grobe Wollwaren werden durch Nebenbeschäftigung noch auf dem platten Land erzeugt. Die Strumpfwarenfabrikation ist von Bedeutung in Sachsen (Zwickau, [* 128] Chemnitz), [* 129] in Thüringen (Apolda) [* 130] und im Reußischen (Zeulenroda).
Die Teppichweberei wird vorzüglich in Berlin, Hanau, Schmiedeberg i. Schl. und Barmen betrieben; in Schmiedeberg i. Schl. und Wurzen [* 131] im Königreich Sachsen werden sogen. Smyrnateppiche verfertigt. Die Shawlweberei ist in Berlin zu Hause, das Deutschland auch mit Stickwolle und die Welt mit Stickmustern versieht. Einfuhr in das deutsche Zollgebiet 1884: 1,056,662 Doppelzentner Schafwolle, 189,978 Doppelzentner Wollengarne und 19,042 Doppelzentner Wollwaren aller Art;
Ausfuhr: 119,140 Doppelzentner Schafwolle, 51,889 Doppelzentner Wollengarne, 24,897 Doppelzentner wollene Strumpfwaren und 246,806 Doppelzentner andre wollene Waren etc.
Die Leinweberei hatte einst für Deutschland fast noch größere Bedeutung als die Tuchfabrikation; sie war für die Landbevölkerung eine allgemein gebräuchliche Nebenbeschäftigung. Noch hat sich dieselbe in dieser Weise vorzüglich in den Provinzen Ost- und Westpreußen, Pommern [* 132] und Posen [* 133] erhalten. Schlesien, die sächsische Lausitz, Westfalen, Hannover und die Schwäbische Alb, wo früher schon der Hauptsitz dieser Thätigkeit war, sind auch gegenwärtig durch Einführung englischen Maschinengarns sowie der mechanischen Flachsspinnerei wieder einigermaßen Herr über die englische Konkurrenz geworden.
Die Flachsspinnereien (mit etwa 300,000 Feinspindeln), die noch keineswegs den innern Bedarf decken, sind besonders im schlesischen Gebirge (Liebau etc.), woselbst sie ein kleines Seitenstück zu der großartigen Flachsspinnerei Böhmens (von Trautenau bis Reichenberg) [* 134] bilden, sowie in Westfalen (Bielefeld) [* 135] und in der Rheinprovinz (Dülken, Viersen, Düren) zu Hause; die außerhalb Preußens sind meist nur klein. Die Einfuhr an Rohmaterial und Garnen übertrifft bei weitem die Ausfuhr.
Garne kommen namentlich aus dem britischen Reich (Belfast), Belgien [* 136] und Österreich. [* 137] Die ausgezeichnetsten Leinengarne in Deutschland liefert Bielefeld, das nebst seiner Umgegend, der Grafschaft Mark, auch ein Mittelpunkt der deutschen Leinwandfabrikation ist, von dem dieselbe sich über andre Gegenden Westfalens (Warendorf), über große Teile von Hannover (Osnabrück, [* 138] Hildesheim), [* 139] über Lippe [* 140] etc. ausbreitete. Ein zweiter Mittelpunkt dieser Industrie liegt in der sächsischen Lausitz, wo in Zittau [* 141] und dessen Umgegend, namentlich in Großschönau, die schönsten Leinwandsorten und die feinsten Damaste verfertigt werden. Von hier nach O. erstreckt sich das Gebiet der Leinweberei weit nach ¶
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Schlesien hinein, wo vorzüglich die Kreise Lauban, Hirschberg, [* 143] Bolkenhain, Landshut [* 144] und Waldenburg in Frage kommen; gegen N. gewendet, trifft man eine rege Leinweberei noch im brandenburgischen Kreise Sorau. Zur gewerbsmäßigen Anfertigung von Leinwand dienen in Deutschland etwa 250,000 Webstühle, [* 145] eigentliche Fabriken gibt es nur zu Bielefeld, Zittau und in Schlesien. Die Fabrikation fertiger Wäsche hat in Bielefeld und Umgegend erheblich an Ausdehnung [* 146] gewonnen, auch in Berlin hat sich dieser Industriezweig neuerdings zu großer Blüte [* 147] entfaltet.
Die Segelmacherei ist in den Seestädten, aber auch im Kreis [* 148] Halle in [* 149] Westfalen, die Fabrikation von Packleinwand im nordwestlichen Deutschland, die Verfertigung von Seilerwaren in Westfalen, im Regierungsbezirk Kassel, in den Seestädten, im hannöverschen Kreis Osterholz, in Oppeln, Augsburg, [* 150] Mannheim zu Hause, während für die Hanfspinnerei Baden (Emmendingen) und Schwaben und für die Jutespinnerei (1883 mit 32,200 Feinspindeln und 1350 mechanischen Webstühlen) Braunschweig, [* 151] Meißen, Bonn, Hamburg, Kassel, Berlin etc. Hauptsitze sind und die Zwirnfabrikation vorzüglich im Königreich Sachsen, in Schlesien und der Rheinprovinz angetroffen wird. Einfuhr in Deutschland 1884: Flachs 651,854 Doppelzentner, Hanf 403,077, Hede u. Werg 130,685, Jute [* 152] 337,994, Manilahanf und Kokosfaser 23,598, Leinengarn 141,866, Leinwand, Zwilch und Drilch 65,280 Doppelzentner;
Ausfuhr: Flachs 381,546, Hanf 199,541, Hede und Werg 70,971, Leinengarn 19,607, Leinwand, Zwilch, Drilch 28,462, Damast etc. 5680, Seilerwaren 35,915 Doppelzentner.
Die Industrie in Baumwolle [* 153] ist der wichtigste Zweig der gewerblichen Thätigkeit in Elsaß-Lothringen, im Königreich Sachsen, in Württemberg und Baden; im erstern Land in den Städten Mülhausen, Gebweiler, Thann, Kolmar, [* 154] Münster [* 155] und Markirch [* 156] und im Wesserlinger Thal, [* 157] in Sachsen in der Kreishauptmannschaft Zwickau mit der Gegend zwischen Chemnitz und Annaberg, [* 158] in Württemberg in den Oberämtern Reutlingen, [* 159] Nürtingen, Kannstatt [* 160] und Geislingen am Nordfuß der Alb, in Baden im Thal der Wiese und im S. überhaupt.
Außerdem ist sie von hoher Wichtigkeit in den bayrischen Regierungsbezirken Schwaben und Oberfranken, in der Rheinprovinz, in Schlesien, in der Provinz Sachsen etc. Gegenwärtig gibt es in Deutschland etwa 500 Baumwollspinnereien mit 7 Mill. Feinspindeln. Am großartigsten erscheint die Baumwollspinnerei zu Mülhausen i. E. und in Chemnitz;
jenes hat mit der nächsten Umgegend 21 Spinnereien mit 593,000 Spindeln, 2 Zwirnereien mit 4900 Spindeln und 16 Webereien mit 5280 Webstühlen, dieses mehr als 40 Spinnereien mit der entsprechenden Anzahl Spindeln;
Augsburg nähert sich ihnen. In Bayern gibt es außer Augsburg große Spinnereien noch zu Kempten, [* 161] Kaufbeuren, [* 162] Bamberg, Baireuth, [* 163] Hof [* 164] etc.;
in der bayrischen Rheinpfalz zu Kaiserslautern; [* 165]
in Württemberg zu Eßlingen, [* 166] Unterhausen, Kuchen, Wangen etc.;
in Baden zu Ettlingen, St. Blasien, Haagen, Schopfheim etc.;
in der Rheinprovinz zu München-Gladbach, Köln, Rheydt, [* 167] Neuß, [* 168] Barmen, Elberfeld etc.;
in Hannover zu Linden und Münden.
Die Entwickelung der Baumwollindustrie läßt sich ganz besonders aus dem Verbrauch an roher Baumwolle erkennen;
1836-40 belief sich derselbe im jährlichen Durchschnitt auf 92,986, 1866-70 auf 701,257, 1884 aber mit Einschluß von Elsaß-Lothringen auf 1,594,710 Doppelzentner, indem die Einfuhr in letzterm Jahr überhaupt 1,775,863, die Ausfuhr 181,153 Doppelzentner betrug; entsprechend ist die Ausfuhr von Baumwollwaren aus Deutschland gestiegen; dieselbe stellte sich 1884 auf 149,784 Doppelzentner dichte, 9281 Doppelzentner undichte Baumwollwaren, baumwollene Spitzen und Stickereien, 89,068 Doppelzentner baumwollene Strumpf- und Posamentierwaren.
Die Garnproduktion der deutschen Spinnereien belief sich 1836-40 im jährlichen Durchschnitt auf 74,309, 1866 bis 1870 auf 561,035, 1883 aber mit Elsaß-Lothringen auf weit über 1 Mill. Doppelzentner; die Einfuhr an rohem ein- und zweidrähtigen Garn 1884 auf 207,201, die Ausfuhr auf 11,466 Doppelzentner. Die Zahl der Webstühle für Baumwollwaren in Deutschland beträgt gegenwärtig etwa 300,000, die der Anstalten für fabrikmäßige Weberei [* 169] (mit mehr als fünf Gehilfen), in denen die mechanischen Stühle durchaus überwiegen, über 1100. Die meisten dieser Stühle und Fabriken befinden sich in der Nähe der Baumwollspinnereien, werden aber auch in manchen Gegenden, z. B. im Eichsfeld, entfernt von denselben in großer Zahl angetroffen.
Die Fabrikation von Baumwollzeugen blüht in Preußen [* 170] ganz besonders zu Barmen, Elberfeld, München-Gladbach, Rheydt und Neuß in der Rheinprovinz, im nordwestlichen Teil des Regierungsbezirks Münster und in den großen schlesischen Dörfern (Langenbielau, Peilau etc.). Im Königreich Sachsen ist außer der Gegend von Chemnitz bis Annaberg noch besonders an Plauen [* 171] zu erinnern, das für die Verfertigung von Weißwaren (Musselin, Mull, Gardinen) der wichtigste Ort in Deutschland ist. In Bayern ist die Baumwollweberei ganz vorzugsweise mit der Spinnerei verbunden; in Württemberg tritt die Handweberei erst allmählich hinter der mechanischen zurück. Im südlichen Baden ist sie natürlicherweise wegen der Begrenzung von drei in dieser Industrie so ausgezeichneten Ländern in stetigem Fortschreiten begriffen; im Oberelsaß aber hat sie die höchste Stufe der Vollkommenheit erreicht. Die erste Fabrik für bunte Baumwollwaren ward in Mülhausen 1746 errichtet. Seitdem hat sich die Baumwollindustrie im Oberelsaß, vorzüglich längs des Randes und in den Thälern des Wasgenwaldes, so großartig entwickelt, daß sie heute mehr als 24,000 mechanische Stühle beschäftigt und ihre Erzeugnisse nach allen Ländern versendet.
Von hoher Bedeutung ist die Spitzenklöppelei und Weißstickerei für einen Teil des Erzgebirges in der sächsischen Kreishauptmannschaft Zwickau, namentlich in den Städten Annaberg, Schneeberg, Plauen und Eibenstock [* 172] und deren Umgegend; neuerdings sind auch für diese Industrie immer mehr die mechanischen Stühle in Anwendung gekommen. Die Weißstickerei ist alsdann noch im südlichen Württemberg, im Anschluß an die gleiche Industrie in der Schweiz, [* 173] viel verbreitet, die Spitzenklöppelei im Oberamt Nürtingen.
Die Buntstickerei ist vorzüglich in Berlin und Frankfurt a. M. vertreten. Für die Verfertigung von Posamentierwaren ist Barmen der wichtigste Ort; nächstdem sind zu nennen: Berlin, Brieg [* 174] in Schlesien, Stuttgart und Isny in Württemberg, Annaberg in Sachsen. Für die Fabrikation von Stoffen zu Sonnen- und Regenschirmen sind Berlin und Frankfurt a. M., für Kleider Berlin, Magdeburg, Aachen, Leipzig, Hamburg, Mainz, Stuttgart etc., für Korsette und Blusen das Königreich Württemberg, für Wachstuch Leipzig und Berlin von Bedeutung. Die Seidenindustrie hat ihren Mittelpunkt in der Rheinprovinz und ganz vorzugsweise im Regierungsbezirk Düsseldorf in den Städten Krefeld, Elberfeld, Barmen und Viersen. In den schweren, ¶
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ganzseidenen Waren kann Deutschland mit Frankreich noch nicht konkurrieren; dagegen kommen die deutschen Samtwaren den französischen nicht nur gleich, sondern übertreffen dieselben noch, so daß Frankreich selbst jetzt jährlich für 8-9 Mill. Frank Samt aus Deutschland bezieht; auch die Fabrikation von halbseidenen Waren steht in Deutschland jetzt auf einer hohen Stufe. Für die Seiden-, Samt- und Bandfabrikation sind in Krefeld und Umgegend jetzt 37,000 Webstühle, darunter 1470 mechanische Stühle, in Thätigkeit; der Wert der dort im J. 1883 verausgabten Löhne belief sich auf 28,5 Mill. Mk. und derjenige der gefertigten Waren auf 86,6 Mill. Mk.; von letztern gingen für 22,3 Mill. Mk. nach England, ebensoviel nach außereuropäischen Ländern, für 7,6 Mill. Mk. nach Frankreich etc. Samtbänder werden besonders in Viersen produziert.
Die Seidenweberei ist ferner von Wichtigkeit im Regierungsbezirk Aachen, in Berlin, Baden und Lothringen. In das deutsche Zollgebiet wurden 1884 eingeführt 37,837 Doppelzentner Seidenkokons und ungefärbte Seide, [* 176] 1011 Doppelzentner gefärbte Seide und Florettseide, 3213 Doppelzentner gezwirnte Seide, 6562 Doppelzentner Seidenwaren; aus demselben ausgeführt bez. 10,644, 2886, 2138 und 54,161 Doppelzentner. Überall, wo bunte und gedruckte Zeuge gefertigt werden, schließt sich die Färberei der Weberei an. Für die Seidenfärberei ist Krefeld der wichtigste Ort; die Türkischrotfärberei blüht in Elberfeld und Barmen. Sonst ist der Färberei noch zu gedenken in Berlin, in der sächsischen Kreishauptmannschaft Zwickau, in Bayern (Augsburg), Württemberg (Heidenheim), Elsaß-Lothringen etc. Die Zeugdruckerei hat berühmte Werkstätten in Berlin (Kattun), Oberelsaß (Mülhausen), im südlichen Baden (Säckingen, Lörrach, Konstanz), [* 177] in Bayern (Augsburg) etc. Die Bleichen schließen sich naturgemäß an die Leinweberei, die Walkmühlen an die Tuchfabrikation.
VIII. Handel und Verkehr.
Einen epochemachenden Einfluß auf die wirtschaftliche Entwickelung Deutschlands [* 178] hat der Zollverein (s. d.) ausgeübt, welcher, von Preußen ausgehend, durch den Anschluß des Bayrisch-Württembergischen Handelsvereins, Sachsens, der thüringischen Staaten und beider Hessen in Wirksamkeit getreten ist. Dieser wirtschaftliche Verband [* 179] ist trotz der vielen Krisen, welche er zu überstehen hatte, nicht wieder zerrissen worden; er bildete die Grundlage für die weitere wirtschaftliche Einigung Deutschlands und ist schließlich in der deutschen Reichsverfassung aufgegangen, welche die Zolleinigung des gesamten Deutschland mit Einschluß von Luxemburg zu einer unauflöslichen Institution gemacht hat.
Der Artikel 34 der Reichsverfassung hatte zwar bestimmt, daß die Hansestädte Hamburg und Bremen [* 180] mit ihren anschließenden Gebietsteilen als Freihäfen so lange außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenzen bleiben sollten, bis sie den Anschluß an dieselben selbst beantragen; letzteres ist aber inzwischen geschehen, so daß nach Fertigstellung der hierfür nötigen umfangreichen Anlagen auch diese beiden Gebiete mit Ablauf [* 181] der 80er Jahre dem deutschen Zollgebiet angehören werden.
Nach der Volkszählung vom Jahr 1880 betrug die Bevölkerung [* 182] des deutschen Zollgebiets mit Einschluß von Luxemburg und der österreichischen Gemeinde Jungholz (bei Kempten in Bayern) 44,766,183 Seelen, während die Zollausschlüsse, nämlich Hamburg, Bremen, Teile der preußischen Provinzen Schleswig-Holstein (Altona [* 183] etc.) und Hannover (Geestemünde etc.), kleine Teile der badischen Kreise Konstanz und Waldshut, der oldenburgische Hafen Brake, eine solche von 677,659 Seelen besaßen.
Nachdem noch in den 70er Jahren Zollbefreiungen in bedeutendem Umfang eingetreten waren, führte das gegenwärtig in Deutschland bestehende Zolltarifgesetz vom mit unerheblichen Ausnahmen plötzlich eine Einschränkung der seitherigen Zollfreiheit und eine bedeutende Erhöhung der Zollsätze herbei. Unverändert beibehalten wurde die Zollfreiheit nur für Abfälle, die hauptsächlichsten Rohprodukte, ferner für wissenschaftliche Instrumente, Seeschiffe und hölzerne Flußschiffe, litterarische und Kunstgegenstände; unverändert blieben die seitherigen Zollsätze für 44 Tarifpositionen, worunter Bier, Essig, Südfrüchte, Zucker, [* 184] Heringe, Kakao, Salz (seewärts), Fischthran, Äther, Alaun, [* 185] Chlorkalk, [* 186] kristallisierte Soda sich befanden.
Dagegen wurde eine große Zahl bisher zollfreier Artikel, wie Roheisen, grobe Eisenfabrikate, Maschinen und Eisenbahnfahrzeuge, Getreide [* 187] und Mühlenfabrikate, Bau- und Nutzholz, Schmalz, Pferde, [* 188] Rind- und Schafvieh, mit Eingangszöllen belegt und die schon vorher zollpflichtig gewesenen Gegenstände, soweit sie nicht zu den erwähnten Ausnahmen gehörten, zum Teil sehr wesentlich im Zoll erhöht. Am wurden auch frische Weinbeeren zollpflichtig und die Zölle auf Mühlenfabrikate sowie auf einige Gattungen von Wollwaren erhöht; vom ab wurde den Inhabern von Mühlen [* 189] für die Ausfuhr der von ihnen hergestellten Mühlenfabrikate insofern eine Erleichterung gewährt, als ihnen der Eingangszoll für eine der Ausfuhr entsprechende Menge des zur Mühle gebrachten ausländischen Getreides nachgelassen wurde; endlich trat für eine größere Zahl von Gegenständen eine abermalige Zollerhöhung ein, welche vornehmlich Getreide, Vieh, Fische, [* 190] Holz, [* 191] Uhren, [* 192] verschiedene Gespinste und Gewebe, [* 193] Seilerwaren u. a. betraf. Die Ausfuhrzölle sind in Deutschland bereits aufgehoben worden bis auf die Ausgangsabgabe für Lumpen zur Papierfabrikation, welche erst fiel. Die Durchgangsabgaben wurden bereits gänzlich beseitigt. Der Ertrag der Eingangszölle im deutschen Zollgebiet belief sich im Etatsjahr 1883/84 auf netto 190,144,000 Mk. oder 4,18 Mk. pro Kopf der Bevölkerung.
Handelsverträge mit der Meistbegünstigungsklausel und wechselseitigen Tariferleichterungen bestehen mit allen europäischen Staaten mit Ausnahme von Rußland, Schweden [* 194] und Norwegen, Dänemark [* 195] und der Türkei, [* 196] außerdem mit der Argentinischen Konföderation, Chile, [* 197] Costarica, den hawaischen Inseln, Liberia, [* 198] Mexiko, [* 199] Persien [* 200] und Korea. Der besondere Tarifvertrag mit Frankreich ist durch den Krieg von 1870/71 aufgehoben und nicht wieder erneuert worden.
Vgl. v. Aufseß, Die Zölle und Steuern sowie die vertragsmäßigen auswärtigen Handelsbeziehungen des Deutschen Reichs (3. Aufl., Münch. 1886).
Über den Wert der Ein- und Ausfuhr des deutschen Zollgebiets fehlten bis zum Beginn der 70er Jahre amtliche Angaben gänzlich, nur die Menge der ein- und ausgeführten Waren wurde bis dahin ermittelt. Das kaiserliche Statistische Amt hat zum erstenmal für 1872 auch die Wertziffern berechnet. Diese betrugen für die Einfuhr im genannten Jahr 3,468,480,000, für die Ausfuhr 2,491,620,000 Mk.; im J. 1884 stellten sich dieselben für die Einfuhr auf 3,284,928,000, für die Ausfuhr dagegen auf 3,269,401,000 Mk. Auf die einzelnen Warengruppen verteilten sich die letztern in Tausenden Mark wie folgt: ¶
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Wert der Ein- und Ausfuhr 1884 (in Tausenden Mark).
Waren | Einfuhr | Ausfuhr |
---|---|---|
1) Vieh und andre lebende Tiere | 183995 | 153009 |
2) Nahrungs- und Genußmittel | 861967 | 466950 |
Darunter: Getreide, Hülsenfrüchte, Kartoffeln | 399696 | 28147 |
Kaffee, Kakao, Thee | 134620 | 3828 |
Zucker, Melasse, Sirup | 2205 | 192253 |
Tabak und Tabaksfabrikate | 59841 | 8978 |
3) Sämereien und Gewächse | 90733 | 25625 |
4) Düngungsmittel und Abfälle | 72324 | 19215 |
5) Brennstoffe | 41886 | 76686 |
6) Rohstoffe u. Fabrikate der chem. Industrie | 391043 | 268260 |
7) Rohstoffe und Fabrikate der Stein-, Thon- und Glasindustrie | 47782 | 118305 |
8) Rohstoffe u. Fabrikate der Metallindustrie | 130685 | 407656 |
Darunter: Erze | 36227 | 10320 |
Rohe, unedle Metalle | 44917 | 54710 |
Roh bearb. Metalle (Halbfabrikate) | 7661 | 82658 |
9) Rohstoffe und Fabrikate der Holz-, Schnitz- und Flechtindustrie | 127946 | 103602 |
Darunter: Bau- und Nutzholz | 82750 | 32393 |
10) Rohstoffe u. Fabrikate der Papierindustrie | 13491 | 83388 |
11) Rohstoffe und Fabrikate der Leder- und Rauchwarenindustrie | 189580 | 254906 |
12) Rohstoffe u. Fabrikate der Textilindustrie | 1022085 | 973301 |
Darunter: Spinnstoffe | 540363 | 125087 |
Garne und Watten | 331277 | 115112 |
Zeugwaren | 60751 | 415611 |
Strumpfwaren | 1719 | 91796 |
13) Rohstoffe und Fabrikate der Kautschuk- und Wachstuchindustrie | 27082 | 22121 |
14) Eisenbahnfahrzeuge; gepolsterte Wagen und Möbel | 615 | 3895 |
15) Maschinen, Instrumente, Apparate | 47420 | 136692 |
16) Kurzwaren und Schmuck | 14440 | 99491 |
17) Gegenstände der Litteratur u. bild. Kunst | 21854 | 55494 |
18) Verschiedene Waren | - | 855 |
In den beiden vom deutschen Zollgebiet noch ausgeschlossenen Hansestädten Hamburg und Bremen war der Wert der Einfuhr 1884 folgender: in Hamburg 2304,9 Mill. Mk. (davon seewärts 1066,5 Mill., land- und flußwärts 1163,5 Mill. Mk.), in Bremen 516,5 Mill. Mk. (davon seewärts 349,7 Mill. Mk., land- und flußwärts 166,8 Mill. Mk.); die Ausfuhr wird in Hamburg nicht nach Werten, sondern nur nach Mengen und zwar auch nur seewärts ermittelt, dieselbe betrug im genannten Jahr 17,576,965 Doppelzentner; Bremens Ausfuhr bewertete sich auf 501,5 Mill. Mk. (davon seewärts 186,1 Mill. Mk., land- und flußwärts 315,4 Mill. Mk.).
Der Aufschwung des deutschen Handels in den letzten Jahren ist unverkennbar, denn wenn auf Grund erheblicher Zollerhöhungen in unsern Nachbarländern und der Entwickelung der dortigen Industrie der unsrigen seit 1882 auch manche Absatzgebiete verschlossen oder doch schwieriger zugänglich gemacht wurden, so hat sich die deutsche Produktion doch ein immer weiteres Feld in überseeischen Ländern erobert und den Ausfall dadurch einigermaßen ausgleichen können, wie die folgenden Zahlen beweisen. In Millionen Mark wurden von Deutschland ausgeführt:
1880 | 1882 | 1884 | |
---|---|---|---|
Nach den europäischen Nachbarstaaten | 2160.6 | 2469.7 | 2377.3 |
" außereuropäischen Ländern | 273.9 | 266.7 | 284.8 |
Zusammen: | 2434.5 | 2736.4 | 2662.1 |
Den bedeutendsten Rückgang zeigt unsre Ausfuhr nach Rußland, Frankreich, England, Holland, Belgien und nach den Vereinigten Staaten [* 202] von Nordamerika, den bedeutendsten Aufschwung die Ausfuhr nach Italien, [* 203] der Schweiz, Spanien [* 204] und Südamerika. [* 205] Auf die einzelnen Länder verteilt, bezifferte sich die Ausfuhr des deutschen Zollgebiets in Millionen Mark:
Die deutsche Ausfuhr nach den Hauptgebieten.
1880 | 1882 | 1884 | 1880 | 1882 | 1884 | |||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
England | 459.2 | 565.3 | 547.2 | Ostind. Inseln | 7.5 | 8.5 | 11.1 | |
Österr.-Ung. | 318.2 | 357.9 | 353.4 | Brit.-Indien | 5.4 | 3.0 | 9.4 | |
Frankreich | 296.2 | 361.4 | 302.5 | Türkei | 6.7 | 6.0 | 9.3 | |
Niederlande | 241.1 | 268.9 | 242.8 | Portugal | 5.0 | 4.8 | 6.9 | |
Schweiz | 192.2 | 205.7 | 229.0 | Australien | 1.8 | 7.0 | 6.5 | |
Rußland | 254.4 | 221.7 | 189.6 | Afrika (ohne Algerien u. Ägypten) | 2.9 | 4.3 | 6.2 | |
Ver. Staaten | 207.8 | 192.4 | 181.1 | |||||
Belgien | 178.5 | 187.3 | 173.0 | |||||
Italien | 55.6 | 78.9 | 96.6 | Chile | 2.2 | 5.6 | 5.0 | |
Dänemark | 54.9 | 70.6 | 72.0 | Kanada | 8.2 | 2.6 | 4.5 | |
Schweden | 51.0 | 62.7 | 63.6 | Japan | 2.8 | 2.1 | 4.4 | |
Spanien | 18.5 | 35.8 | 42.8 | Mexiko und Zentralam. | 2.2 | 3.5 | 3.7 | |
Rumänien | 11.6 | 15.6 | 22.6 | |||||
Norwegen | 15.4 | 22.1 | 20.0 | Serbien | 0.7 | 2.6 | 3.3 | |
Brasilien | 9.8 | 12.2 | 16.5 | Griechenland | 1.2 | 1.7 | 2.3 | |
La Platastaat. | 3.0 | 7.5 | 13.6 | Peru | 0.3 | 1.3 | 2.1 | |
China | 11.1 | 9.1 | 11.4 | Ägypten | 2.2 | 0.8 | 1.5 |
Schiffahrt.
Die deutsche Handelsflotte nimmt auf der Erde der Zahl ihrer Schiffe [* 206] nach die vierte Stelle ein, indem sie auf Großbritannien, [* 207] Nordamerika und Norwegen folgt; in Bezug auf die Tragfähigkeit ihrer Schiffe steht sie aber an dritter Stelle und nur hinter Großbritannien und Nordamerika zurück. Sie bestand außer den kleinen Küstenfahrern (welche weniger als 50 cbm Raumgehalt besitzen) aus 4257 Schiffen mit einer Gesamtladefähigkeit von 1,294,288 Registertonnen und 39,911 Mann Besatzung und zwar aus 3607 Segelschiffen mit 880,345 Registertonnen und 26,014 Mann und aus 650 Dampfschiffen mit 413,943 Registertonnen und 13,897 Mann Besatzung. Davon kommen auf das Ostseegebiet 1690 (darunter 321 Dampfer), auf das Nordseegebiet 2567 Schiffe (darunter 329 Dampfer); auf die einzelnen Provinzen, bez. Küstenländer verteilten sich dieselben wie folgt:
Provinzen, bez. Küstenländer | Segelschiffe | Dampfschiffe | Zusammen |
---|---|---|---|
Ostseegebiet: | |||
Provinz Ostpreußen | 65 | 21 | 86 |
" Westpreußen | 80 | 28 | 108 |
" Pommern | 702 | 91 | 793 |
Großh. Mecklenburg-Schwerin | 329 | 14 | 343 |
Freie Stadt Lübeck | 8 | 31 | 39 |
Provinz Schleswig-Holstein | 185 | 136 | 321 |
Nordseegebiet: | |||
Provinz Schleswig-Holstein | 376 | 14 | 390 |
Freie Stadt Hamburg | 293 | 187 | 480 |
" " Bremen | 250 | 112 | 362 |
Großherzogtum Oldenburg | 340 | 4 | 344 |
Provinz Hannover u. Jadegebiet | 979 | 12 | 991 |
Zu Anfang des Jahrs 1875 betrug die Zahl der registrierten deutschen Seeschiffe 4602 mit 1,068,383 Registertonnen, davon waren 299 Dampfschiffe mit 1,189,998 Registertonnen und 4303 Segelschiffe mit 878,385 Registertonnen; es fand also in den 10 Jahren vom bis dahin 1885 zunächst eine Zunahme um 351 Dampfschiffe statt, worunter jedoch 29 Dampfschiffe enthalten sind, welche durch Nachregistrierungen und Neuvermessungen hinzukamen; hauptsächlich ist eine Vermehrung der Dampfschiffe in den Jahren 1874, 1880, 1881 und besonders 1882 bis 1884 eingetreten, an dieser Vermehrung waren vornehmlich das Ostseegebiet der Provinz Schleswig-Holstein sowie die Freien Städte Hamburg und Bremen beteiligt. Eine Vergleichung des Bestandes der Segelschiffe am mit demjenigen vom ergibt dagegen eine Abnahme um 696 Segelschiffe. Die nachgewiesenen 650 ¶