des zweiten Demetrius genannt wurden, eine lange Belagerung auszuhalten. Als aber der polnische
Hetman Zolkjewski nach Wasilijs
SturzMoskau
[* 2] für
Siegmunds III. Sohn
Wladislaw in
Besitz nahm, floh der
Pseudo-Demetrius nach
Kaluga und ward dort 1610 ermordet. Ein
dritter falscher Demetrius trat 1611 eine kurze Zeit in
Nowgorod auf.
Demetz'
System (s.
Gefängniswesen) gewann nach und nach immer mehr Eingang, sowohl in
Frankreich als in andern
LändernEuropas,
und das berühmte, von
SirWalter Crofton gegründete irische Strafsystem für Erwachsene ist dem von Demetz in
manchen
Stücken nachgebildet worden. Einer der eifrigsten Verfechter dieses
Systems in
Deutschland
[* 7] ist F. v.
Holtzendorff. Außer
seinen jährlichen
Rapporten veröffentlichte Demetz über seine
Strafkolonie: »Projet d'établissement d'une maison de refuge
pour les prévenus acquittés, à leur sortie de prison« (Par. 1836);
»Lettre sur le système pénitentiaire« (das. 1838) und das verdienstliche Werk
»Rapports à M.
le comte de
Montalivet sur les
pénitenciers des États-Unis« (das. 1839).
reiches russ.
Geschlecht, dessen Stammvater
Nikita um 1665 geboren, ursprünglich Hammerschmied zu
Tula, während
des schwedischen
KriegsPeter d. Gr.
Kanonen und
Gewehre lieferte. Unter seiner Leitung legte 1699 die russische
Regierung zu
Newjansk im
Distrikt Jekaterinburg die erste
Eisengießerei
[* 9] in
Sibirien an, die Demidow mit so viel
Geschick verwaltete,
daß ihn der
Kaiser adelte und ihm 1702 die ganze
Eisengießerei schenkte. Durch einen glücklichen
Zufall entdeckte Demidow 1725 in
Sibirien die
Minen von Kolyba, deren
Ausbeute den unermeßlichen
Reichtum seiner
Familie begründete. Außer diesem sind besonders
hervorzuheben:
In denJahren 1837-40 veranstaltete er eine wissenschaftliche Expedition namhafter Naturforscher und
Ingenieure nach Südrußland,
um die dort vermuteten mineralischen
Schätze, namentlich die zur Weckung und
Förderung der
Industrie unentbehrlichen
Steinkohlenlager, aufzusuchen und überhaupt jene
Länder nach allen
Richtungen hin zu erforschen. Er selbst untersuchte mit
dem französischen
Gelehrten de Sainson die ganze
Nordküste des
SchwarzenMeers und die
HalbinselKrim
[* 14] in geschichtlicher und
statistischer Beziehung.
Die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Expedition stellte er zusammen in dem Prachtwerk
»Voyage dans la Russie méridionale
et la Crimée, par la
Hongrie, la Valachie et la Moldavie, exécuté en 1837« (Par. 1839 bis 1849, 4 Bde.; 2. Ausg.
1854; deutsch von Neigebaur, Bresl. 1854, 2 Bde.),
dem ein
»Album de voyage« (Par. 1849, 100
Blätter) folgte; ein
Auszug aus jenem Reisewerk ist »La Crimée«
(1855; deutsch; Bresl. 1855). Auch ein
»Album pittoresque et archéologique de la Toscane« (1871) hat man von Demidow. Außerdem
erschienen von ihm: »Lettres sur l'empire de Russie« (Par. 1840);
Weil er als
Bekenner der griechischen
Kirche das
Versprechen gab, die aus dieser
Ehe entspringenden
Kinder in der römisch-katholischen
Religion
erziehen zu lassen, ward er aus dem russischen
Staatsdienst entlassen und nach
Petersburg zur Verantwortung
geladen. Hier gewann er die
Gunst des
Kaisers wieder und durfte nach
Paris zurückkehren.
Schon 1845 trennte er sich von seiner
Gemahlin, der er eine ansehnliche
Leibrente aussetzen mußte. Er war hierauf zuerst
Attaché der russischen Gesandtschaft in
Rom und
[* 15] dann russischer
Geschäftsträger am großherzoglichen
Hof
[* 16] zu
Florenz, wo er zu gunsten des regierenden
Hauses wie des päpstlichen
Stuhls 1849 eine höchst umsichtige Thätigkeit entwickelte.
BeimAusbruch des
Krimkriegs schenkte
er dem russischen
Staatsschatz 1 Mill. Silberrubel und ward dafür
¶
(franz., spr. d'mi-móngd), »Halbwelt«,
eine durch das gleichnamige Drama des jüngern Dumas (1855) in Aufnahme gekommene Bezeichnung für die in Großstädten (namentlich
Paris) stark vertretene Klasse von Abenteurern höherer Gattung, welche im Äußern Sitten und Lebensweise
der vornehmen Stände nachzuahmen sucht;
insbesondere für anrüchige und zweifelhafte, aber äußerlich in aller Eleganz auftretende
Frauenzimmer.
Stadt im türk. Wilajet Salonichi, an der Kurschowa, einem östlichen Zufluß des Struma,
mit 5 Moscheen, Schloß, alten Felsgräbern und 8000 überwiegend türk. Einwohnern.
Kamâl aldin Abulbakâ Mohammed ben Musa, arab. Naturhistoriker und schafiitischer Rechtsgelehrter, geb. 1349 zu
Kairo,
[* 20] bekleidete lange Zeit die Professur der Traditionen an der Kapelle Ruknia und die Professur an der Moschee El Azhar (beide
in Kairo), machte mehrere Male die Pilgerfahrt nach Mekka und starb im November 1405. Er schrieb ein großes
zoologisches Wörterbuch: »Das Leben der Tiere« (»Hayât-alhaiwân«),
das, auf 284 Quellenwerken fußend, 931 Tiere eingehend
beschreibt. Er veranstaltete eine größere (Bulak 1867) und eine kleinere Ausgabe davon, von denen er erstere schon 1371 vollendet
haben soll. Bochart in seinem »Hierozoicon« hat dieses
Tierleben fleißig benutzt; Tychsen, de Sacy u. a. haben kleinere Texte daraus veröffentlicht. Eine persische Übersetzung
des Werkes befindet sich in der Bibliothek des Arsenals zu Paris; eine ungedruckte französische Übersetzung hat Petit de la
Croix angefertigt.
bei den christlichen Gnostikern die Gottheit als Weltschöpfer, der Judengott, den sie als den Weltschöpfer ansahen, aber
zugleich für ein Wesen hielten, welches von dem höchsten Gott erst in unendlicher Entfernung abstamme und ebenso unfähig
sei, Vollkommenes zu wollen, als den Widerstand der ewigen Materie zu bändigen (s. Gnosis und Gnostiker).
Bei den Neuplatonikern bezeichnet Demiúrg die Weltseele, von welcher die sichtbare Welt, gleichsam als ihr Leib, gebildet wurde,
bei den Kirchenvätern aber zuweilen den Logos, sofern derselbe als das OrganGottes bei der Weltschöpfung gedacht ward. Bei
den Griechen war Demiúrg Bezeichnung für Gewerbtreibende, welche (auch Künstler und Ärzte gehörten dazu)
zu Athen in alten Zeiten neben den Eupatriden (Adel) und Geomoren (Zinsbauern) den dritten Stand bildeten. In den dorischen Städten
hießen Demiurgen die höchsten obrigkeitlichen Personen.
»Abendstunden in dem Familienkreis
gebildeter und guter Menschen« (Gotha
[* 29] 1804-1805, 2 Bde.) u. a.
Auch bearbeitete er die neuen Gesangbücher in Mühlhausen und im Herzogtum Altenburg.
2) WilhelmLudwig, Sohn des vorigen, geb. zu Mühlhausen, begann 1826 die advokatorische Praxis in Altenburg, nahm,
seit 1837 in eine langwierige Untersuchung verwickelt, 1849 seinen Wohnsitz in Jena,
[* 30] 1850 in Würzburg,
[* 31] dann in Hildburghausen,
[* 32] zuletzt wieder in Würzburg, wo er starb. Er machte sich besonders als Fortsetzer von Hitzigs
»Annalen für deutsche und ausländische Kriminalrechtspflege« (Leipz. 1837-52) sowie
durch das »Buch der Verbrechen« (das. 1851-1854, 8 Bde.)
bekannt.
[* 33] Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Stettin,
[* 34] an der Peene, welche bis hierher für kleine Seeschiffe fahrbar
ist und rechts oberhalb die Tollense, links unterhalb die Trebel aufnimmt, an der Berlin-StralsunderEisenbahn,
hat drei Vorstädte, eine evang. Pfarrkirche (St. Bartholomä) mit schönem Turm und
[* 35] (1880) mit der Garnison (9. Ulanen-Reg.)
10,507 Einw. (293 Katholiken und 103 Juden). Die Industrie umfaßt 3 Eisengießereien und Maschinenfabriken (eine mit Glockengießerei),
eine Zuckerfabrik, Bierbrauerei,
[* 36] Kalk- und Ziegelbrennerei. Demmin hat einen lebhaften Handel mit Getreide,
[* 37] Wolle, Butter, Eisen,
[* 38] Kohlen und Kalk. Es ist Sitz eines Amtsgerichts und hat ein Gymnasium, ein Hospital und eine Gasleitung; der
Magistrat besteht aus 11, die Stadtverordnetenversammlung aus 24 Mitgliedern. - Demmin, im Mittelalter Timin, Demmyn, auch Dammyn
genannt, ist schon um 840 als wichtiger Handelsplatz nachzuweisen. Im 12. Jahrh.
hatte es schon Mauern und ward 1148 von Erich V. von Dänemark
[* 39] vergeblich belagert, jedoch 1164 von Heinrich dem Löwen
[* 40] erstürmt
und zerstört. 1191 wieder aufgebaut, ward die Stadt 1211 von dem König Waldemar II. von Dänemark erobert, der sich in ihrem
Besitz bis zu seiner Niederlage bei Bornhövede 1227 behauptete. Demmin erhielt zwischen 1235 und 1240 das lübische Recht
und trat der Hansa bei. In denJahren 1627-39 wurde die Stadt abwechselnd von den Kaiserlichen und den
¶
mehr
Schweden
[* 42] genommen und kam im WestfälischenFrieden mit Vorpommern an Schweden. In denJahren 1659, 1676 und 1715 wurde sie von
den Brandenburgern erobert; 1721 ward zwar nicht die Stadt, aber ihr Weichbild am linken Ufer der Peene wieder an die Schweden
abgetreten, die 1757 und 1758 auch die Stadt vorübergehend besetzten. Später wurden die Festungswerke
geschleift. Im J. 1815 kam das ganze Weichbild von an Preußen.
[* 43]
[* 33] August, Kunstschriftsteller, geb. zu Berlin, begab sich in seinem 17. Jahr nach Paris, wo er seine
Universitätsstudien beendete und bis 1872 ansässig blieb. Während dieses ganzen Zeitraums verwendete
er einen großen Teil jedes Jahrs zu ausgedehnten Reisen in ganz Europa
[* 44] behufs Kunststudien, hauptsächlich auf dem Gebiet der
Keramik
[* 45] und der Waffenkunde. Seine Hauptwerke sind: »Guide de l'amateur de faïences et porcelaines, etc.« (4. Aufl.,
Par. 1873, 3 Bde.) und »Guide des amateurs d'armes et armures anciennes« (das. 1869;
deutsche Bearbeitung u. d. T.: »Die Kriegswaffen
in ihrer historischen Entwickelung«, Leipz. 1869; 2. Aufl. 1885);
»Encyclopédie historique, archéologique, biographique
etc. des beaux-arts plastiques« (Par. 1872-80, 5 Bde.
mit 6000 Abbildungen);
»Keramikstudien« (Leipz. 1882-83).
Für Ch. Blancs »Histoire des peintres de toutes les écoles« bearbeitete
er die deutschen Meister. Seit 1873 lebt er in Wiesbaden,
[* 46] wo sich auch seine reichen Sammlungen befinden,
die er (Leipz. 1882) beschrieb. Auf belletristischem Gebiet bewegte er sich in den Lustspielen: »Unsre Sammler«, »Dichtertrübsal«,
»BuridansEsel«, den Schauspielen: »Die Pirkheimer«, »Wieland der Schmied«, nachdem er schon 1864 einen Roman: »Une vengeance par
le mariage«, veröffentlicht hatte;
neuerlich folgte die Romantrilogie »Das Tragikomische der Gegenwart«
(Leipz. 1883-84).
(Demobilisation, franz., Abrüstung), das Übergehen aus dem Kriegs- in den Friedensstand,
bestehend in Auflösung der nur für den Krieg formierten Truppenteile und Verbände, Entladung der für die Kriegszeit einberufenen
Mannschaften, Verkauf der überzähligen Pferde,
[* 52] Aufhören der Feldverpflegung und Kriegszulagen etc. Vgl. Mobilmachung.
»Les
lettres et les hommes de lettre au XIX. siècle« (1856),
gekrönte Preisschrift;
»Histoire de la littérature française«
(1857, 21. Aufl. 1884),
sein Hauptwerk;
»Tableau de la littérature française au XVII. siècle« (1859) und die minder gelungene
»Histoire des littératures étrangères« (1880, 2 Bde.).
Weniger bekannt sind seine poetischen Produkte: »Roméo et Juliette« (Drama, 1852),
»Paris nouveau« (episch-lyrische
Schilderungen, 1857) und die unter dem PseudonymJacques erschienenen »Contes et nouvelles en vers« (1860). Auch veröffentlichte
er zwei geschätzte Berichte an den Minister des öffentlichen Unterrichts über die Erziehung in den Unterrichtsanstalten Englands
und Schottlands (1868 u. 1870) und »Notes sur diverses questions de métaphysique et de littérature« (1877).
»Volksälteste« oder Gemeindevorsteher, welche schon im Altertum, dann auch während des Mittelalters
in den griechischen Gemeinwesen eine Art von Lokalobrigkeit bildeten.
Sie wurden von den Bürgern gewählt und gewannen sich
infolge der Vererbung ihres Amtes in einzelnen Familien nach und nach die Stellung einer Art von Lokal- oder
Provinzialadel, der namentlich im Peloponnes eine bevorzugte Stellung einnahm.
Sie hießen auch Archonten, Ephoren, Proestoi,
türkisch Kodscha-Baschi.
Engel bezeichnet sie als Schilderung der sozialen und politischen Eigenschaften und Fähigkeiten des Volkes,
namentlich der staatlichen und andern menschlichen Gemeinschaften. Dagegen bedeutet nach ihm Demologie die Lehre
[* 59] von der Entstehung,
dem innern einheitlichen Wesen und der Veränderung der staatlichen und andern menschlichen Gemeinschaften.
berühmter Arzt aus Kroton in Unteritalien, hielt sich eine Zeitlang in Ägina und Athen auf und ward (ca. 530 v. Chr.)
hochbesoldeter Leibarzt des TyrannenPolykrates von Samos. Nach dem Sturz des Polykrates (522) als Gefangener
nach Sardes gebracht, gelangte er durch eine glückliche Kur am König Dareios Hystaspis zu hohen Ehren und Reichtümern, vollends
als er die Königin Atossa von einem Brustgeschwür befreit hatte. Aus Sehnsucht nach seiner Heimat ließ er durch Atossa dem
König den Gedanken an eine Unterwerfung des Westens eingeben, und als zunächst Kundschafter nach Griechenland
[* 62] und Italien
[* 63] ausgesandt wurden, begleitete Demokedes dieselben als Führer und entfloh von Tarent, wo sie gelandet waren, nach Kroton.
Trotz der Forderung des Dareios wurde er von seinen Landsleuten nicht ausgeliefert. Er heiratete eine Tochter des Athleten
Milon und wurde 504 bei einem Aufstand gegen die PythagoreischeAristokratie, der Demokedes angehörte, erschlagen.
(griech., »Volksherrschaft«) bezeichnet sowohl eine Staatsform als eine politische Partei und Parteirichtung,
wie denn auch die AusdrückeDemokrat (Angehöriger der Demokratie) und demokratisch (die Demokratie betreffend,
auf die Demokratie bezüglich) in dieser zweifachen Bedeutung gebraucht werden. Das Wesen der demokratischen Staatsbeherrschungsform
besteht darin, daß die Staatsgewalt verfassungsmäßig der Gesamtheit der Staatsangehörigen zusteht. Die Demokratie als Staatsform
findet sich zuerst in Griechenland, wo sie die Herrschaft des Demos, d. h. die den freien Vollbürgern zustehende Staats- und
Regierungsgewalt, bedeutete.
Hat man dagegen das demokratische Streben (Demokratismus) im Auge,
[* 64] so versteht man unter Demokratie diejenige Parteirichtung oder die
Angehörigen derjenigen Partei, welche dem Volkswillen in der Gesetzgebung und in der Verwaltung des Staats eine entscheidende
Bedeutung eingeräumt wissen will. Es ist dabei keineswegs notwendig, daß solche Parteibestrebungen die Staatsform
der Demokratie zum Endziel haben; sie können vielmehr auch in dem Rahmen der Monarchie sich geltend machen.
Was die Demokratie als Staatsform anbetrifft, so ist die Dreiteilung der Staatsbeherrschungsformen in Monarchie, Demokratie und Aristokratie
auf Aristoteles zurückzuführen. Eigentlich gehört dazu auch noch die Theokratie, d. h. die im Altertum bei den
Israeliten bestehende Staatsbeherrschungsform, bei welcher die Gottheit selbst als das Oberhaupt des Staats, welches durch
die Priester herrschte, aufgefaßt wurde; eine Idee, an die sich auch in den mohammedanischen Staaten gewisse Anklänge vorfinden.
Jene Dreiteilung wird aber von vielen dadurch beseitigt, daß sie die Staatsverfassungsformen auf nur zwei Kategorien zurückführen,
je nachdem sich die Staatsgewalt in der Hand
[* 65] eines Einzelnen oder einer Mehrheit von Personen befindet. In der Monarchie erscheint
nämlich ein Einzelner als Regierender, während alle übrigen Staatsangehörigen Regierte sind. In der Republik, unter welcher
Bezeichnung Demokratie und Aristokratie zusammengefaßt werden, ist das Volk oder doch eine bevorzugte Klasse desselben
der Regierende, die Einzelnen als solche sind die Regierten.
Die Monarchie bedeutet die Fürstensouveränität, die Republik die Volkssouveränität. In der demokratischen Republik
besteht
vollständige Gleichheit und Gleichberechtigung aller Staatsangehörigen, deren Gesamtheit die regierende Macht im Staate darstellt,
welcher die Einzelnen als solche unterworfen sind. In der Aristokratie dagegen wird diese Herrschaft durch
einen bevorzugten Stand oder eine bevorzugte Klasse der Staatsangehörigen ausgeübt, und die Angehörigen dieser Klasse, welche
das Volk repräsentieren, stellen sich in ihrer Gesamtheit als die Regierenden dar, während sie in ihrer Einzelstellung
ebenfalls als Regierte erscheinen. Im Zusammenhang mit jener Dreiteilung des Aristoteles, welche sich übrigens
auch in den SchriftenCiceros findet, pflegt man als deren Ausschreitungen und zwar als diejenige der Alleinherrschaft die Tyrannis
oder Despotie (Willkürherrschaft), als die Ausartung der Aristokratie die Oligarchie, d. h. die Herrschaft einiger besonders
reicher oder vornehmer Personen, und als Ausschreitung der Demokratie endlich die Ochlokratie, die Herrschaft der rohen
Masse des Pöbels, zu bezeichnen.
Die Demokratie insbesondere ist entweder eine unmittelbare, auch autokratische genannt, oder eine mittelbare, repräsentative.
In jener regiert das Volk nicht bloß durch die Männer seiner Wahl, sondern es übt die wichtigsten Rechte der staatlichen Machtvollkommenheit
unmittelbar selbst aus, während in dieser das Volk nur indirekt durch die von ihm gewählten Vertreter
herrscht. Dabei liegt es aber in der Natur der Sache, daß die unmittelbare Demokratie nur in einem kleinen Staatsgebiet möglich ist,
wie sich denn dieselbe heutzutage nur noch in einigen kleinen SchweizerKantonen findet.
Anders im Altertum, welchem unser heutiges Repräsentativsystem, dessen Ausbildung das große Verdienst der
englischen Nation ist, völlig fremd war. Die alte Welt kannte nur die unmittelbare Demokratie, weshalb die letztere auch von manchen
Publizisten und namentlich von Bluntschli die antike, die repräsentative dagegen die moderne Demokratie genannt wird. Wie der spartanische
Staat und die altrömische Republik das Muster einer Aristokratie, so war Athen das Muster dieser unmittelbaren
oder antiken Demokratie. Die Volksbeschlüsse waren hier für das gesamte Staatsleben maßgebend, und die völlige
Gleichstellung aller freien Staatsgenossen ging in Athen so weit, daß bei der Wahl der Beamten des Freistaats nicht die persönliche
Tüchtigkeit, sondern das blinde Los entschied, und daß man völlig unbescholtene, ja um das Vaterland
hochverdiente Männer, deren Übergewicht gefürchtet ward, dem Grundsatz der allgemeinen Gleichheit opferte und durch geheime
Abstimmung, den Ostrazismus, verbannte. In dieser völligen Gleichstellung aller Bürger lag aber auch der Keim zu dem VerfallAthens, denn die Erfahrung hat gezeigt, daß die schrankenlose Gleichberechtigung aller leicht zu einem
verderblichen Dünkel und zu einer verhängnisvollen Selbstüberhebung und Überschätzung der Massen führt, daß die Herrschaft
der vielköpfigen und veränderlichen Menge regelmäßig zu politischen Schwankungen und zur Bildung entgegengesetzter Parteien,
schließlich aber zur Gewaltherrschaft einzelner ehrgeiziger Männer, zur Despotie, führt. Daher konnte Polybios es mit Recht
als das Naturgesetz der Staaten bezeichnen, daß auf die Demokratie die Despotie folge, und die moderne Geschichte
Frankreichs zeigt uns, daß dieser Satz nicht bloß für das Altertum zutreffend war. Für die repräsentative Demokratie, wie sie uns
gegenwärtig in den meisten SchweizerKantonen und nun auch in Frankreich, vor allem aber in den Vereinigten StaatenNordamerikas¶
mehr
entgegentritt, liegt jene Gefahr weniger nahe. Hier herrscht das Volk nur mittelbar durch die von ihm periodisch gewählten
Vertreter, zu denen die tüchtigsten Kräfte und die Besten aus dem Volk herangezogen werden sollen, so daß man die repräsentative
Demokratie nicht mit Unrecht eine Wahlaristokratie genannt hat. Wird es dann zur Wahrheit, daß die Tugend, nach
Montesquieu das Prinzip der Demokratie, das bestimmende Moment für das politische Leben des Volkes und seiner Vertreter wird, dann kann
sich der Staat auf der breiten Basis der Gleichheit aller Staatsbürger zu jener hohen Blüte
[* 67] und die Vaterlandsliebe der Staatsgenossen
zu jener großartigen Opferfreudigkeit erheben, wie sie sich in der nordamerikanischen Union gezeigt hat.
Allerdings ist nicht zu verkennen, daß in dem europäischen Staatsleben das monarchische Prinzip zu fest gewurzelt zu sein
scheint, als daß die Demokratie hier auf die Dauer Boden gewinnen könnte, wenn man auch nicht so weit gehen will wie Dahlmann, der
es als »Unsinn und Frevel« bezeichnete, wollte man unsern von monarchischen Ordnungen durchdrungenen Weltteil in Republiken des
Altertums umwandeln. Zudem haben wir in der konstitutionellen Monarchie diejenige Staatsform gefunden, welche unbeschadet des
monarchischen Prinzips auch dem Volk seinen Anteil an der Staatsverwaltung und an der Gesetzgebung sichert.
Dem aristokratischen Prinzip dagegen ist die moderne Zeitrichtung nicht günstig, während demokratische
Grundsätze in unserm Staatsleben mehr und mehr zur Geltung gelangt sind. Dahin gehören insbesondere die Rechtsprechung
in Strafsachen durch Volksgenossen, die Selbstverwaltung der Gemeinden, die Mitwirkung des Volkes durch seine Vertreter bei der
Gesetzgebung und im DeutschenReich wie in einzelnen deutschen Staaten neuerdings auch das allgemeine Stimmrecht.
Die konstitutionelle Monarchie selbst charakterisiert sich als eine Verbindung des monarchischen und des demokratischen Prinzips,
indem sie derVolksvertretung das Steuerbewilligungsrecht, das Recht derKontrolle der Staatsfinanzverwaltung und damit der Verwaltung
überhaupt und vor allen Dingen das Recht der Mitwirkung bei der Gesetzgebung einräumt. Der Volkswille
kommt hier durch die Volksvertreter in bestimmender Weise zur Geltung. Die Souveränität aber bleibt dem Monarchen. Sie findet
in der Unverantwortlichkeit desselben ihren Ausdruck; aber seine Anordnungen auf dem Gebiet der Staatsverwaltung und der Gesetzgebung
bedürfen der Gegenzeichnung des Ministers, welcher die Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung zu
übernehmen hat. Man hat daher die konstitutionelle Monarchie auch wohl eine demokratische Monarchie genannt und von demokratisch-konstitutionellen
Monarchien gesprochen.
Freilich ist der Umstand, daß man seit langer Zeit gewöhnt ist, den Ausdruck Demokratie als die Bezeichnung einer Staatsform zu
gebrauchen, geeignet, über das Wesen der Demokratie als politischer Parteirichtung Mißverständnisse aufkommen
zu lassen. Man denkt sich die demokratische Partei schlechthin mit dem Endziel einer Republik, einer Demokratie als Staatsform, während
sich in den letzten Jahrzehnten nicht wenige Politiker als Demokraten bezeichneten, welche an dem monarchischen Prinzip festhielten.
Allerdings wollen die Gegner derjenigen, welche demokratische Prinzipien vertreten, diesen vielfach nicht zugestehen, daß
ihre Bestrebungen mit dem monarchischen Prinzip verträglich seien, und man behauptet nicht selten, daß die demokratische
Parteirichtung zur Demokratie als Staatsform führen müsse. Die bloße Parteibezeichnung Demokratie schließt
dies indessen, wie gesagt, keineswegs in sich, ebensowenig, wie die Bezeichnung »Aristokratie« für die
mehr konservativen Elemente der Nation und für alle diejenigen, welche im öffentlichen Leben eine bevorzugte Stellung einnehmen
oder doch einnehmen wollen, die Annahme begründen könnte, daß es sich auf seiten der Angehörigen einer Aristokratie in diesem
Sinn um das Streben nach einer aristokratischen Staatsform handle.
Anders liegt die Sache allerdings bei der Sozialdemokratie, welche die Errichtung eines freien Volksstaats, also einer Republik,
mit sozialer Gleichstellung aller Volksgenossen anstrebt (s. Sozialdemokratie). Daher liegt die Frage nahe, ob es sich nicht
empfehlen möchte, die Parteibezeichnung Demokratie für diejenigen, welche an der Monarchie festhalten, ganz
fallen zu lassen, da sie nur zu leicht zu Mißverständnissen Veranlassung geben kann.
griech. Philosoph aus Abdera, einer ionischen Kolonie in Thrakien, geboren wahrscheinlich um 460 v. Chr.,
der Sohn reicher Eltern, verwendete sein Vermögen auf ausgedehnte Reisen, auf denen er, wie er selbst von sich rühmte, von
allen Menschen seiner Zeit das meiste Land durchirrt und die meisten unterrichteten Männer unter den Lebenden
gehört habe. Seine Kenntnisse erstreckten sich, wie das erhaltene Verzeichnis seiner überaus zahlreichen Schriften zeigt,
über den ganzen Umfang des damaligen Wissens (sogar über die Kriegskunst), so daß ihn darin unter den Spätern nur Aristoteles
übertroffen zu haben scheint.
Von den Schriften selbst sind nur Fragmente erhalten. Seine Zeitgenossen nannten ihn den »lachenden«
Philosophen, wohl nicht nur deshalb, weil ihm seine abderitischen Mitbürger, die Lalenburger des griechischen Altertums, Stoff
genug zum Spotte darbieten mochten, sondern hauptsächlich aus dem Grund, weil seine theoretische Lehre von dem Wesen der Dinge
eine »heitere«, d. h.
gleichmütige, von Affekten der Furcht wie der Hoffnung ungestörte, Gemütsstimmung zur praktischen Folge hatte, die er Wohlgemutheit
(Euthymia) nannte und als das höchste Gut bezeichnete. Jene Lehre ist ein konsequenter und
¶
mehr
zwar atomistischer Materialismus, dessen wesentliche Grundzüge sich bei den materialistisch gesinnten Naturforschern unsrer
Tage beinahe unverändert wiederfinden. Demokritos verwirft die Annahme eines vom körperlichen Stoffe verschiedenen geistigen Prinzips
(wie es der Nus seines Vorgängers Anaxagoras war), welches die Dinge seinem Endzweck gemäß gestalte, und führt das Werden
der Dinge auf die den unteilbaren Elementen der Materie, den gleichfalls körperlichen Atomen, von Anbeginn
innewohnende Bewegung im Leeren, d. h. auf (mechanisch) wirkende Ursachen, zurück.
Jene sind voneinander nicht der Beschaffenheit (wie bei Anaxagoras), sondern bloß der Gestalt nach verschieden (indem jedes
Atom die Form je eines der regelmäßigen geometrischen Körper: Kugel, Cylinder, Pyramide, Würfel etc. hat).
Folgerichtig können auch die aus Atomen zusammengesetzten Körper nicht qualitativ, sondern nur quantitativ, d. h. der Gestalt,
der Ordnung und Lage ihrer Elemente nach, unterschieden sein, wobei die Größe der Körper der Menge und ihre Schwere dem Vielfachen
der Schwere der letztern entspricht.
Aus den genannten Verschiedenheiten lassen sich alle Mannigfaltigkeiten der Erscheinungswelt erklären,
wie »ja aus den nämlichen Buchstaben die Tragödie und Komödie wird«. Weder bei den Atomen noch bei deren Eigenschaften, ebensowenig
wie bei deren Bewegung, darf man nach einer Ursache fragen; sie sind sämtlich ewig. Doch liegt es in der Natur der Schwere,
daß die größern (also auch schwereren) Atome eine raschere Bewegung und zwar nach unten annahmen, wodurch
die kleinern (und folglich leichtern) verdrängt und nach oben getrieben, auch durch den Zusammenstoß der bei dieser Gelegenheit
zusammenstoßenden Atome Seitenbewegungen bewirkt wurden, aus welchen ein sich allmählich immer weiter ausbreitender Wirbel
entstand, der die Weltbildung herbeiführte.
Wie sich beim Würfeln des Getreides von selbst Spreu zur Spreu und Korn zum Korn findet, so mußte durch die wirbelnde Bewegung
durch Naturnotwendigkeit das Leichtere zum Leichten, das Schwerere zum Schweren gelangen und durch dauernde Verflechtung der
Atome der Grund zur Bildung größerer Atomenaggregate (Körper) und ganzer Körperwelten gelegt werden.
Einer der auf diesem Wege gewordenen Körper ist die ursprünglich wie alles übrige in Bewegung befindlich gewesene, allmählich
zur Ruhe gelangte Erde, aus deren feuchtem Zustand die organischen Wesen hervorgegangen sind.
Auch die Seele ist ein Atomenaggregat, d. h. ein Körper, aber ein solcher, dessen Bestandteile die vollkommensten,
d. h. feinsten, glatten und kugelförmigen, diejenigen Atome sind, welche der Erscheinung des Feurigen entsprechen. Teile derselben
werden, solange das Leben währt, durch Ausatmen an die Luft abgegeben, durch das Einatmen aus derselben als Ersatz aufgenommen.
Ebenso lösen sich von den uns umgebenden Dingen unaufhörlich feine Ausflüsse ab, welche durch die Öffnungen
unsers Leibes (die Sinnesorgane) an die im Innern desselben befindliche Seele gelangen und dort durch Eindruck ihnen ähnliche
Bilder erzeugen, welches die Sinneswahrnehmungen sind.
Letztere bilden die einzige, aber, da jene Ausflüsse auf dem Weg zur Seele mehr oder weniger störende Umbildungen erfahren
können, nichts weniger als unbedingt zuverlässige Quelle
[* 71] unsrer Erkenntnis, die sich daher nicht über
die Stufe der Wahrscheinlichkeit erhebt. Zu der Seele, die von Natur die Erkenntnis möglich macht, verhält sich der übrige
Mensch (sein Leib) nur wie deren »Zelt«; wer die Gaben der erstern liebt, liebt das Göttliche, wer
die des Leibes liebt, das
Menschliche.
Erkenntnis aber, indem sie Einsicht gewährt in das Ansich der Dinge, d. h. die Atome und das Leere, während alle Unterschiede
nur für uns (in der sinnlichen Erscheinung) sind, und in die gesetzliche Notwendigkeit des Verlaufs der Dinge, der weder einer
Leitung durch außenstehende Mächte bedürftig noch einer Störung durch solche zugänglich ist, befreit
von thörichter Furcht wie von eitler Hoffnung und bewirkt jene Gelassenheit (Ataraxie), welche das höchste Gut und zugleich
die wahre Glückseligkeit ist. Demokritos soll bei dieser Weltbetrachtung das 100. Lebensjahr erreicht haben; inwiefern
dieselbe ausschließlich sein eignes Werk oder von seinem gewöhnlich mit ihm zugleich genannten, aber
noch weniger gekannten Landsmann Leukippos (s. d.) entlehnt war, läßt sich aus Mangel genauer Nachrichten
nicht mehr entscheiden. Die Fragmente seiner Schriften wurden am vollständigsten von Mullach herausgegeben (Berl. 1843).
auch Wielands »ziemlich getreue«
(Krug) Darstellung des Demokritos in dessen »Abderiten«. - Nach Demokritos hat
E. Jul. Weber sein Buch »Demokritos, oder hinterlassene Papiere eines lachenden Philosophen« (das sonst mit Demokritos nichts gemein hat) betitelt.
(franz.), zerstören, z. B. Festungswerke,
Gebäude oder Brücken.
[* 72]
Demolition, Zerstörung;
Demolitionsbatterien, im Festungskrieg Angriffsbatterien, welche nicht sichtbares
Mauerwerk durch indirekten Schuß aus schweren, kurzen Kanonen (15 u. 21 cm) zerstören sollen.
Demolitionsminen,
Minen, welche vom Verteidiger unter Festungswerken etc. angelegt sind, um diese nach der
Eroberung durch den Feind in die Luft sprengen zu können.
griech. Philosoph der cynischen Schule, aus Kypros gebürtig, lebte zu Athen im 2. Jahrh.
n. Chr., starb, über 100 Jahre alt, heitern Mutes, wie er gelebt hatte, eines freiwilligen Todes, um den Schwächen des Alters
zu entgehen, und ward auf öffentliche Kosten begraben.
Lukian hat sein Leben beschrieben und dasselbe als Muster einer praktischen
Lebensphilosophie hingestellt.
Vgl. Recknagel, Commentatio de Demonacte (Nürnb. 1857);
(Prinzeninseln), türk. Inselgruppe im Marmarameer, am Eingang zum Bosporus,
[* 74] besteht aus neun Eilanden, die
sich sehr malerisch aus dem klaren Wasser erheben, und von denen die vier größern bewohnt sind.
Ehemals waren sie ganz den
Griechen überlassen, so daß kein Türke dort wohnen durfte.
Demonetisierung eines Metalls (Entwährung) heißt das seitherige
Währungsmetall nicht mehr als solches verwenden. So wird durch Übergang von der Silber- zur Goldwährung das
Silber demonetisiert. In Deutschland werden zwar keine Silberkurantmünzen mehr geprägt, sondern aus Silber nur noch Scheidemünzen
hergestellt;
jedoch ist die Demonetisierung des Silbers insofern keine vollständige, als noch der Silberthaler gesetzliches
Zahlmittel in unbeschränktem Betrag ist (vgl. Währung).