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In der ersten Zeit nach dem Anfall muß noch strenge Diät eingehalten werden: der Kranke muß sich auf flüssige Nahrung, Fleischbrühe mit Schleim, Milch etc., beschränken, sich sorgfältig vor Erkältung, besonders des Unterleibes, hüten und kann erst allmählich zur frühern Lebensweise zurückkehren. - Auch die sogen. Cholera der Kinder (Cholera infantum), welche im Sommer in großen Städten geradezu ungeheure Sterblichkeitsziffern erreicht, ist auf abnorme Zersetzung der Nahrung zurückzuführen. Am häufigsten betrifft diese Krankheit Säuglinge jeden Alters, welche künstlich aufgefüttert werden, sowie Kinder, welche schnell von der Mutterbrust entwöhnt worden sind.
Die Kinder erbrechen bei dieser Krankheit alles, was in ihren Magen [* 2] kommt. Die etwa genossene Milch kommt nicht verkäst, wie bei gesunden Kindern, sondern ungeronnen wieder zum Vorschein. Gleichzeitig mit dem Erbrechen werden auch die Ausleerungen abnorm. Dieselben bestehen aus einer sauer riechenden, grünlichen oder gelblichen Masse, vermischt mit weißlichen Klumpen, später aus wässerigen Ausscheidungen. Die Kinder verfallen dabei sehr schnell, magern ab, das Gesicht [* 3] wird faltig und greisenhaft, Lippen und Hände sind bläulich und fühlen sich kühl an, es treten krampfhafte Zuckungen ein, und bald folgt der Tod durch Erschöpfung.
Der ganze Verlauf der Krankheit drängt sich oft auf wenige Stunden zusammen. Manchmal geht der choleraähnliche Anfall vorüber, und es schließt sich eine leichtere Form des Darmkatarrhs an. Die Behandlung der Cholera der Kinder hat die doppelte Aufgabe, 1) die einmal eingeleiteten sauren oder sonst schädlichen Gärungen zu hemmen und 2) der Wiederholung solcher Zersetzungen vorzubeugen. Den ersten Zweck erreicht man zuweilen durch das Erbrechen und die Durchfälle an sich, zuweilen empfiehlt sich die Entleerung mittels der Magenpumpe oder bei kräftigen Kindern durch Abführmittel.
Unterstützt wird das Verfahren durch Darreichung von Wein und Mitteln, welche die Zersetzung hemmen, Kreosotwasser, Kalomel etc. in vorsichtigen Gaben, die nur der Arzt bestimmen kann. Die Verhütung fernerer Zersetzungen verlangt sorgfältiges Überwachen der Nahrung; wenn keine Mutter- oder Ammenmilch gegeben werden kann, so muß die Kuhmilch, oder was sonst gegeben wird, jedesmal vor dem Genuß aufgekocht, Gläser, Pfropfen [* 4] etc. müssen aufs sauberste gereinigt werden. Selbstverständlich sucht man das Kind durch Baden, [* 5] gute Luft und aufmerksame Pflege möglichst zu kräftigen.
Die asiatische Cholera.
Die asiatische Cholera (Cholera morbus, Cholera orientalis, asiatica, indica, epidemica) hat ihre Heimat in Ostindien. [* 6] Hier ist sie, wie es scheint, von jeher sowohl in vereinzelten Fällen als auch in kurz dauernden und wenig verbreiteten Epidemien aufgetreten. Aber erst 1817 trat die Cholera in Indien in größerer, seuchenartiger Ausbreitung auf und fing an, sich auf die Nachbarländer auszudehnen. Am Schluß des Jahrs 1818 war schon die ganze ostindische Halbinsel von der Krankheit durchzogen und furchtbar verheert worden.
Die Seuche, deren eigentliche Ursache unbekannt war und blieb, begann fast an jedem Ort, wo sie sich zeigte, mit der äußersten Bösartigkeit, nahm dann an Heftigkeit ab und dauerte meist nur 2-3 Wochen; an einzelnen Orten freilich, z. B. in Kalkutta, [* 7] hatte sie einen jahrelangen Bestand. Schon damals bemerkte man, daß die Seuche sich vorzugsweise im Verlauf der großen Verkehrswege, der Flüsse [* 8] und Landstraßen, verbreitete. Von 1817 bis jetzt ist die Cholera in Indien nie mehr ganz erloschen; sie trat vielmehr bald an diesem, bald an jenem Punkt in großer Ausbreitung auf.
Von Indien aus ging die Cholera zunächst nach Hinterindien, [* 9] Sumatra, Mauritius (1819), dann nach ganz China, [* 10] den Philippinen, Java (1820-21); erst von 1821 an nahm sie ihren Lauf nach Westen und Norden [* 11] und überzog Persien [* 12] und Arabien. Bis 1823 hatte sie die Küsten des Kaspischen Meers, die Küsten von Syrien und somit das Mittelländische Meer erreicht. Hier machte sie einen Stillstand. Das nahe bedrohte Europa [* 13] blieb vorläufig noch verschont, während in Asien [* 14] teils die früher befallenen, teils neue Landstriche durchseucht wurden.
Erst 1829 brach die Krankheit wieder an den europäischen Grenzen, [* 15] nämlich in Orenburg, und 1830 von neuem in Astrachan am Kaspischen Meer aus. Nach Orenburg wurde sie wahrscheinlich von der Tatarei, nach Astrachan von Persien her eingeschleppt. Die weitere Verbreitung der Cholera nach Europa geschah von Astrachan aus. Sie drang im Thal [* 16] der Wolga aufwärts und erreichte binnen zwei Monaten Moskau [* 17] (1830). Ganz Rußland wurde im Lauf dieses Jahrs von der Cholera überzogen; auch drang sie, begünstigt durch den russisch-polnischen Krieg, 1831 nach Westen zu bis Polen vor.
In das Jahr 1831 fallen auch die ersten deutschen Epidemien, namentlich die von Berlin, [* 18] Wien [* 19] etc. Die Verbreitung der Krankheit in diesem Jahr war eine ungeheure: im Norden reichte sie bis Archangel, im Süden bis Ägypten, [* 20] über die Türkei [* 21] und einen Teil von Griechenland. [* 22] Im J. 1832 kam die Cholera zum erstenmal nach London [* 23] und über Calais [* 24] nach Paris, [* 25] auch erschien sie damals zuerst von England aus importiert in Amerika [* 26] (Quebec). Nun folgten sich in Europa bis 1838 viele bald mehr zerstreute, bald in offenbarem Zusammenhang stehende Epidemien von denen teils bisher verschonte Strecken (wie z. B. Spanien [* 27] 1833-34, Schweden [* 28] 1834, Oberitalien [* 29] 1836, München [* 30] 1836), bald schon früher durchseuchte Orte befallen wurden (wie z. B. Berlin 1832 und 1837). Vom Jahr 1838 an aber blieb Europa fast zehn Jahre lang frei von der Cholera. - Im J. 1846 begann ein neuer Zug der Cholera von Indien aus.
Noch in demselben Jahr ging sie über Persien und einen Teil der asiatischen Türkei bis Syrien und gleichzeitig in nordwestlicher Richtung über den Kaukasus nach Rußland vor. Die weitere Verbreitung geschah in großer Schnelligkeit nach Süden (Mekka 1847) und Nordwesten (Moskau im September 1847). Im J. 1848 fand eine rasche Verbreitung der Krankheit über ganz Ost-, Nord- und Mitteleuropa (Petersburg, [* 31] Berlin, Hamburg, [* 32] London) statt. Zu Ende jenes Jahrs erschien sie auch wieder in den großen Hafenstädten der Vereinigten Staaten [* 33] von Nordamerika [* 34] (New York, New Orleans). Im Frühling 1849 fand eine große Epidemie in Paris statt, worauf sich die Cholera über Frankreich und Belgien [* 35] ausbreitete.
Auch in Deutschland [* 36] gewann die Cholera in den Jahren 1849 und 1850 große Verbreitung. Das Jahr 1851 war für Deutschland cholerafrei; dagegen brach sie im folgenden Jahr von Polen her in den östlichen Teilen Deutschlands [* 37] aus, kam aber diesmal nicht über Berlin hinaus. Bis zum Jahr 1859 traten in den verschiedensten Ländern innerhalb und außerhalb Europas größere Seuchen auf. In diesem Jahr aber schien die Krankheit ihren zweiten großen Verheerungszug im wesentlichen beendigt zu haben. Ihren dritten großen Zug über den asiatischen und europäischen Kontinent trat sie 1865 an. Namentlich wurden 1866 viele Opfer durch die Cholera hinweggerafft, z. B. während des Kriegs in Böhmen, [* 38] in Leipzig, [* 39] Berlin, an den Küsten der Ostsee etc. Die Krankheit ist seitdem in ¶
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Europa, obschon sie sich entschieden milder zeigte als früher, nicht mehr ganz erloschen. Während des Kriegs 1870/71 blieb Deutschland frei; erst 1873 ist die Krankheit wieder von Galizien aus teils nach Wien, Prag, [* 41] München, Speier, [* 42] Würzburg [* 43] verschleppt worden, teils gelangte sie die Weichsel entlang in die Städte der preußischen Ostseeküste. Die letzte europäische Epidemie brach, von Indien eingeschleppt, 1884 in Toulon [* 44] aus, diesem sanitär so ungünstigen Hafen, welcher schon früher das Einfallsthor der Seuche gewesen war. Im August blieb sie auf Toulon, Marseille [* 45] und Umgegend beschränkt, im September traten einige Erkrankungsfälle in Paris auf, während eine ziemlich heftige Epidemie in Unteritalien, namentlich in Neapel, [* 46] wütete. Anfang 1885 wurde Spanien heimgesucht, im August 1885 abermals Marseille.
Die Geschichte der Cholera weist demnach in jeder neuen Epidemie wieder auf eine Einschleppung der Seuche von Indien her hin und lehrt aufs bestimmteste, daß die Krankheit in Europa nicht selbständig entsteht und immer wieder nach kürzerer oder längerer Dauer verschwindet. Einzelne Erkrankungsfälle können überall, auf Schiffen und am Land, vorkommen, wohin immer Cholerakranke oder Wäsche von solchen oder Gegenstände, welche mit dem Darminhalt verunreinigt waren, gelangen; zur Bildung eines ganzen Choleraherdes, von welchem aus sich eine Epidemie ausbreitet, gehören aber gewisse Vorbedingungen: Es ist seit langem bekannt, daß sumpfige, niedrig gelegene Ortschaften sehr stark heimgesucht wurden, daß dagegen andre (Lyon, [* 47] Versailles, [* 48] Salzburg), [* 49] namentlich Gebirgsplätze, nahezu verschont blieben, woraus sich ergibt, daß die Bodenverhältnisse bei der Verbreitung der Seuche eine wesentliche Rolle spielen.
Umfassende Untersuchungen Pettenkofers haben ergeben, daß eine ganz bestimmte Beschaffenheit des Bodens vorhanden sein muß, um der Aufnahme und Vermehrung des Ansteckungsstoffs aus den Darmausleerungen Cholerakranker Vorschub zu leisten: der Boden muß nämlich porös, für Wasser und Luft durchdringbar sein, und man muß in einer nicht zu beträchtlichen Tiefe (1,5-15 m) auf Grundwasser [* 50] stoßen. Wo diese Bodenbeschaffenheit nicht vorhanden ist, kommen Choleraepidemien erfahrungsmäßig nicht vor.
Denn in Orten, welche unmittelbar auf kompaktem Gestein oder auf Felsen liegen, welche von Wasser nicht durchdringbar sind, hat man höchstens vereinzelte dahin verschleppte Fälle, aber keine Epidemien von Cholera beobachtet. Das im Boden liegende begünstigende Moment für die epidemische Verbreitung der Cholera ist also nicht dessen geognostischer oder mineralogischer Aufbau, sondern ausschließlich seine physikalische Aggregation. Indessen erweist sich die Empfänglichkeit eines porösen Bodens für eine Choleraepidemie keineswegs zu allen Zeiten gleich groß; dieselbe schwankt vielmehr nach den Untersuchungen Pettenkofers je nach der Entfernung der Oberfläche des Bodens vom Niveau des Grundwassers und demnach auch nach dem jeweiligen Stand, nach den Schwankungen des letztern und ist außerdem abhängig von der Durchschwängerung des Bodens mit organischen Substanzen, namentlich mit solchen, welche von tierischen Ausleerungen herstammen.
Über den Stand des Grundwassers und seine Schwankungen an einem bestimmten Ort läßt sich von vornherein niemals etwas Bestimmtes aussagen, dies muß vielmehr für jeden einzelnen Ort durch direkte Beobachtungen festgestellt werden. Im allgemeinen aber darf man sagen, daß jeder Ort und jeder Ortsteil um so mehr von der Cholera leiden wird, je näher er dem Grundwasser liegt. Die Höhe des Grundwasserstandes und die Schwankungen desselben können also als Hilfsursache für die Ausbreitung der Cholera wirken; sie begünstigen die Entstehung eines Infektionsherdes um so mehr, je mehr der poröse Boden mit organischen Abfällen des menschlichen Haushalts, namentlich mit festen und flüssigen Exkrementen, geschwängert ist.
Die eigentliche Ursache der Cholera wurde schon lange in einem vermehrungsfähigen niedern Pilz [* 51] gesucht, jedoch standen der Erforschung einmal deswegen große Schwierigkeiten entgegen, weil die Kenntnis der krankheiterregenden Bakterien noch wenig vorgeschritten war, und ferner weil die Cholera auf keins der zu Experimenten verfügbaren Tiere zu übertragen ist. Es war der deutschen Expedition, welche unter Leitung ¶
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von Rob. Koch 1883 nach Ägypten gesandt wurde, vorbehalten, diese Frage zu lösen. Koch fand in dem Darminhalt von Cholerakranken, in der Darmwand von Choleraleichen, in der Wäsche und im Boden infizierter Ortschaften einen eigentümlichen, noch bei 1000facher Vergrößerung sehr kleinen Spaltpilz, welcher wegen leichter Krümmungen seiner Fädchen von ihm als Kommabacillus bezeichnet wurde. Dieser Pilz fand sich konstant in jeder Choleraleiche, aber nur im Darm, [* 53] nicht im Blut oder in andern Organen.
Die Menge der Pilze [* 54] war eine ungeheure, sie stand in geradem Verhältnis zur Schwere der Darmerkrankung, zuweilen waren alle andern sonst im Darm vorkommenden Bakterien durch den Kommabacillus verdrängt. Es gelang Koch, den Pilz rein zu züchten, wobei sich ein Aussehen und ein Verhalten beim Wachstum herausstellten, durch die sich dieser Pilz von allen bisher bekannten in charakteristischer Weise unterscheidet (S. 63, [* 52] Fig. 1). Übertragungen des Pilzes in den Magen von Tieren blieben unschädlich, jedoch scheint z. B. beim Meerschweinchen eine wirkliche Cholera zu entstehen, wenn der Mageninhalt vor dem Einbringen der Kommabacillen neutralisiert oder alkalisch gemacht und durch Opium die Darmbewegung gehemmt wird.
Eine natürliche Übertragung, welche Koch in Indien beobachtete, ersetzt indessen den Mangel exakter Tierversuche, da der Bacillus sich in den Pfützen und Wasserlöchern, aus welchen die sehr unsaubern indischen Bewohner Kalkuttas trinken, in solchen Ortschaften, welche von der Seuche befallen waren, massenhaft vorfand, während er an cholerafreien Orten fehlte. Da der Bacillus später in Toulon, in Paris und Italien [* 55] ganz regelmäßig bei allen Cholerakranken gefunden wurde und sonst nirgends vorkommt, wo nicht Cholera herrscht, so ist nicht zu zweifeln, daß er die Ursache der Seuche u. das bei der Übertragung wirksame »Choleragift« darstellt.
Hierdurch ist nun auch die Möglichkeit gegeben, die asiatische Cholera von jeder Art von anderm Brechdurchfall zu unterscheiden, da nur der eigentlichen Cholera der Kommabacillus eigen ist. Sehr leicht ist diese Unterscheidung übrigens nicht, da es andre in Komma- oder Spirillenform auftretende Pilze gibt, welche mit den echten Cholerapilzen verwechselt werden können.
Am ähnlichsten ist ihm ein Kommabacillus, welchen Prior und Finkler 1884 bei Fällen von einheimischer Cholera fanden [* 52] (Fig. 2), und demnächst eine Spirille, welche Miller aus dem Mundspeichel [* 52] (Fig. 3) gesunder Personen zuerst rein züchtete. Diese Ähnlichkeit [* 56] bezieht sich jedoch nur auf die Gestalt der einzelnen Kommastäbchen, denn wenn die Pilze auf Gelatine in einem Reagenzglas kultiviert werden (s. Figuren, S. 63), so bildet der Cholerapilz höchst charakteristische Figuren, eine Luftblase, von welcher ein dünner weißer Faden [* 57] abgeht, während die andern ähnlichen Bakterien schneller wachsen und die Gelatine mehr gleichmäßig verflüssigen und Figuren bilden, welche einem länglichen Beutel [* 58] gleichen.
Auch wenn die Bakterien auf Glasplatten in dünnen Schichten von Gelatine kultiviert werden [* 52] (Fig. 4), bilden die Cholerabacillen sehr eigentümliche Figuren, leicht ausgezackte Ringe mit weißem Pünktchen, welche durch Verflüssigung der Gelatine tief eingesunken sind und so im Durchschnitt die Gestalt eines Napfes [* 52] (Fig. 5) erlangen; diese Figuren in Reinkulturen sind von denen aller übrigen Bakterien bestimmt zu unterscheiden, u. nur durch solche Kulturen kann in zweifelhaften Fällen festgestellt werden, ob einheimische oder asiatische Cholera vorliegt.
Dieser Pilz vermehrt sich außerhalb des menschlichen Körpers in Flüssigkeiten, welche das nötige Nährmaterial enthalten, z. B. Trink-, Grund- und andern Wassern mit tierischen Abfallstoffen, äußerst schnell, vermag dagegen sich nicht in trocknem Zustand zu erhalten und geht bei Temperaturen von 17° und darunter zu Grunde. Die Entstehung des Kommabacillus verlegt Koch in den südlichen Teil des Gangesdelta, wo eine zwischen den Flußläufen gelegene Niederung mit üppigster Vegetation regelmäßigen Überschwemmungen zur Zeit der Meeresflut unterliegt und bei der hohen Temperatur eine wahre Brutstätte für alle Bakterien bildet, denn von hier aus verbreitet sich die Cholera regelmäßig nach Norden über das übrige Gangesdelta, und zwar wird die Verschleppung in Indien selbst durch ein außerordentlich frequentiertes Pilgerwesen sehr begünstigt.
Von hier aus wird die Cholera auf den verschiedensten Wegen des Verkehrs von Land zu Land verschleppt, bald durch Personen, bald durch Kleider und Waren; ja, es kann durch eine Person die Verschleppung über Hunderte von Meilen erfolgen, wie dies z. B. 1866 geschah, wo die Cholera von Odessa [* 59] direkt nach Altenburg [* 60] importiert wurde. Es ist nicht nötig, daß die Person, welche die Verschleppung bewirkt, selbst an schwerer Cholera erkrankt; vielmehr können schon die Dejektionen von einem leichten Choleraanfall, der als solcher noch gar nicht erkannt ist, in einem bisher davon freien Orte die Cholera importieren. In seltenen Fällen geschieht die Übertragung in der Weise, daß die Krankheit von dem Ankömmling unmittelbar auf die mit ihm in Berührung kommenden Menschen übertragen wird (wenigstens erlangt auf diese Weise die Cholera niemals eine epidemische Verbreitung); vielmehr wird an dem bisher gesunden Orte durch die ankommenden Cholerakranken ein sogen. Infektionsherd gebildet, d. h. wahrscheinlich eine Bodenvergiftung bewirkt, und von diesem Boden aus, besonders wenn derselbe durch Feuchtigkeit zur Vermehrung der Keime beiträgt, werden die umwohnenden Menschen gefährdet. Während nun in den 30er Jahren die Cholera gemäß der damaligen Verkehrsart langsam vorrückte und vornehmlich auf der Karawanenstraße über Rußland bei ¶
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uns eingeschleppt wurde, ist heute der Weg durch den Suezkanal so erheblich abgekürzt und durch die Dampfschiffahrt die Fahrzeit eine so kurze geworden, daß in 18-20 Tagen ein Cholerakeim von Indien nach Italien und dem südlichen Frankreich importiert werden kann, während wir von der Verbreitung auf dem Landweg von Indien her kaum noch etwas zu fürchten haben dürften. Man hielt bis vor kurzem die Schiffe [* 62] im allgemeinen für wenig geeignet, den Ansteckungsstoff weiter zu übertragen, und für gewöhnliche Fahrzeuge hat sich dies auch bestätigt; indessen sind nach Koch solche Fahrzeuge, welche Massentransporte von Menschen bewirken, durchaus geeignet, den Krankheitskeim auch für eine längere Seereise zu konservieren.
Die Ansteckung des einzelnen Menschen geschieht in der Weise, daß der Krankheitskeim in die Speisewege entweder durch Trinkwasser, oder durch Übertragung mittels Insekten [* 63] auf feuchte Speisen, oder durch Berührung der letztern mit infizierten Händen gelangt und unverdaut durch den Magen in den Darmkanal dringt, wo er seine spezifische Thätigkeit entwickelt. Hierzu ist es aber nötig, daß der Magen nicht in normaler Weise funktioniert, da bei ungestörter Verdauung die Pilze zu Grunde gehen, und wir sehen deshalb die Cholera nur bei solchen Personen auftreten, welche an Verdauungsstörungen leiden, und deshalb werden auch während einer Epidemie die meisten Erkrankungen an den Montagen konstatiert, nachdem der Magen durch sonntägliche Exzesse geschwächt war.
Eine Übertragung der Krankheitserreger durch die Luft ist unwahrscheinlich, da dieselben nach Koch in trocknem Zustand (und anders können sie durch die Luft nicht fortgeführt werden) zu Grunde gehen. Im Darmkanal, zumal wenn derselbe bereits durch Verdauungsstörungen gelitten, vermehren sich die Kommabacillen äußerst schnell, gelangen aber selbst nicht in die Blutbahn; vielmehr werden die schweren Krankheitssymptome und der häufig so plötzliche Tod wahrscheinlich durch die Aufnahme von giftigen Stoffen bedingt, welche diese Bakterien erzeugen, und welche dann in die Blutbahn gelangen.
Auf diesen immerhin noch nicht völlig geklärten Erfahrungen, welche man über das Wesen und die Verbreitungsweise des Choleragifts gesammelt hat, beruhen die Maßregeln, welche man zur Abwehr dieses schlimmen Feindes ergriffen hat, und welche in neuester Zeit, als die Epidemie von 1884 von Frankreich her das Deutsche Reich [* 64] bedrohte, in dem Erlaß des preußischen Kultusministers zur Abwehr der Cholera einen geläuterten Ausdruck gefunden haben. Zunächst ist hiernach dem Eisenbahngrenzverkehr an denjenigen Orten besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, wo ein erheblicher Zutritt von Reisenden stattfindet.
Die Reisenden sind in den Eisenbahnkoupees von Ärzten zu besichtigen, wobei das Zugpersonal und die Mitreisenden wichtige Aufschlüsse über etwanige Krankheitserscheinungen geben können. Koupees, in denen Kranke gefunden sind, müssen geräumt und desinfiziert werden. Die Sanitätsbehörden, welche durch besondere Sanitätskommissionen in den einzelnen Ortschaften unterstützt werden müssen, haben dafür zu sorgen, daß nicht durch gelegentliche, an sich unerhebliche Erkrankungen, namentlich der Verdauungsorgane, individuelle Dispositionen für die Cholera hervorgerufen werden.
Sie haben die örtlichen Verhältnisse genau zu überwachen, besonders für möglichste Sauberhaltung der Straßen und Plätze, häufige Reinigung der Rinnsteine zu sorgen; ferner ist zu verhüten, daß Abtritte und Dunggruben in der Nähe von Brunnen [* 65] angelegt werden, überhaupt muß ein Durchsickern dieser unreinen Stoffe ins Erdreich möglichst sorgfältig vermieden werden. Brunnenwasser ist vor allen Verunreinigungen zu schützen und ist da, wo Wasserleitungen bestehen, möglichst vom Gebrauch auszuschließen.
Jedes Feilhalten von gesundheitsschädlichen Nahrungsmitteln ist strengstens zu ahnden. Herbergen, Logierhäuser und Massenquartiere von Arbeitern sind vor Überfüllung zu bewahren und auf ihre Sauberkeit hin zu kontrollieren. Für den Fall des Ausbruchs der Cholera an einem Ort ist für Entsendung hinreichend zahlreicher Ärzte, besonders in die ärmern Distrikte, zu sorgen, Märkte und Messen sind eventuell aufzuheben, ebenso erforderlichen Falls die Schulen zu schließen.
Die Kranken selbst sind entweder in ihrer Wohnung zu isolieren, oder nach einer Krankenanstalt überzuführen. Alle Gegenstände, welche mit einem Cholerakranken in Berührung gekommen waren, sind zu desinfizieren, so z. B. die transportierenden Tragen und Wagen, Betten, Wäsche etc. Das Spülen von Gefäßen etc., welche mit Cholerakranken in Berührung waren, an Brunnen ist strengstens zu verbieten und das Genießen von Speisen in Krankenräumen, auch wenn dieselben bereits geleert sind, nach Möglichkeit zu vermeiden.
Die Leichen sind womöglich in besondere Räume zu bringen, die Ausstellung derselben vor dem Begräbnis zu untersagen und das Leichengefolge möglichst zu beschränken. Eine Beunruhigung der Bevölkerung [* 66] ist durchaus zu vermeiden, es muß darauf hingewirkt werden, daß jeder sich der größten Mäßigkeit und Reinlichkeit an seinem Körper befleißigt und bei jeder Verdauungsstörung, auch wenn dieselbe ihm gering erscheint, den Arzt aufsucht. Was die Desinfektion [* 67] anbetrifft, so sind die Exkremente und wertlosen Gegenstände am besten zu verbrennen; über die Desinfektion der Wäsche, Räume etc. s. Desinfektion.
Wenn nun diese Schutzmaßregeln auch bei einmal ausgebrochener Epidemie die Ausbreitung derselben in wirksamer Weise verhindern können, so ist doch die Erklärung einigermaßen schwierig, durch welche Verhältnisse eine Epidemie definitiv zum Verschwinden gebracht wird. Wenn man annehmen kann, daß nach längerm Bestehen einer Epidemie fast alle Leute wenigstens an ganz leichten Anfällen erkrankt sind, und daß das Überstehen eines Anfalls wenigstens für kurze Zeit einen Schutz gegen neue Erkrankung bietet (obwohl es auch vorgekommen ist, daß jemand während einer Epidemie zweimal erkrankte), so muß ein derartig »durchseuchter« Ort nach einiger Zeit naturgemäß eine gewisse Immunität gegen Cholera erlangen und letztere schließlich erlöschen, womit auch die Thatsache übereinstimmt, daß gegen Ende einer Epidemie die Erkrankungen stets leichter sind. Ferner findet der Cholerakeim an der Kälte unsrer Gegenden den wirksamsten Bekämpfer.
Der Ausbruch einer Epidemie geschieht in verschiedener Weise. Häufig gelangen die ersten Fälle sehr vereinzelt zur Kenntnis, und es dauert geraume Zeit, bis plötzlich gleichzeitig eine große Anzahl von Menschen erkranken, öfters in den einzelnen Stadtteilen zerstreut, öfters an einem Punkte der Stadt, und man spricht dann von einer Explosion der Cholera. Fast nie wird eine Stadt sogleich in großer Ausdehnung [* 68] ergriffen, sondern es kann vorkommen, daß mehrere Monate lang nur vereinzelte Fälle in schwachen Epidemien fortbestehen, in dieser Weise die kalte Jahreszeit überdauern und dann, besonders bei Eintritt der wärmern Jahreszeit, sich zu einer ¶
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allgemeinen Epidemie ausbreiten. In der Mehrzahl der Fälle jedoch nimmt die Zahl der Erkrankungen schnell zu, erreicht ungefähr in der 3.-4. Woche ihr Maximum und nimmt dann allmählich wieder ab. Ebenso ist auch die Bösartigkeit der Erkrankungen und demgemäß die Zahl der Todesfälle bis zu einem gewissen Kulminationspunkt progredient und nimmt darauf langsamer, als sie angestiegen, wieder ab. In größern Städten kommen allerdings ganz gewöhnlich Nachschübe in der Zahl und Intensität der Erkrankungen vor.
Während nun schon vor dem Ausbruch oder sofort, nachdem der erste Fall sicher konstatiert ist, die wohlhabendere Bevölkerung, welche nicht durch Geschäfte zurückgehalten wird, Hals über Kopf in entferntere Gegenden, besonders in die Berge, flieht, bemächtigt sich der zurückgebliebenen Bevölkerung häufig ein panischer Schrecken, welcher gesteigert wird, sobald ein Kranker, welcher vielleicht nur über leichtes Unwohlsein klagte, plötzlich auf der Straße zusammenbricht und in kurzem verscheidet, Fälle, welche auf dem Höhepunkt der Epidemie nicht selten vorkommen.
Allgemeine Furcht vor Ansteckung durch den Nächsten bannt die meisten an das Zimmer, und anstatt durch Bewegung in frischer Luft und kräftige Nahrung den Körper widerstandsfähig zu erhalten, wird durch übertriebene Ängstlichkeit und stete Aufregung und Furcht der Körper nur empfänglicher für die Krankheit gemacht. Die Dauer einer Epidemie ist sehr verschieden, in großen Städten länger als in kleinen; so dauerten z. B. alle bisherigen Berliner [* 70] Epidemien zwischen 3 und 6 Monaten, während sie in kleinern Städten in 2-3 Monaten zu erlöschen pflegen. In jeder befallenen Stadt gibt es ferner einzelne Straßen und in diesen wieder einzelne Häuser, welche in hervorragender Weise von der Cholera heimgesucht werden, und zwar sind es keineswegs immer diejenigen, welche an hygieinisch ungünstigen Stellen liegen, sondern solche Straßen- und Häuserepidemien treten ebenso an den tief gelegenen, sumpfigen Stellen einer Stadt auf wie in den hoch gelegenen, luftigen und vornehmen Quartieren.
Selten bleibt ein Erkrankungsfall vereinzelt in einem Haus, dagegen kommt es manchmal vor, daß fast die ganze Bewohnerschaft eines Hauses im Verlauf einer Epidemie stirbt. Eine statistische Zusammenstellung der Erkrankungen zu geben, ist sehr schwierig, da zur Zeit einer Choleraepidemie jedes Unwohlsein auf die Cholera bezogen zu werden pflegt und auch die Anzahl der Todesfälle nicht immer ganz sicher zu ermitteln ist, da vielfach die Leichen von anderweitigen Kranken mit den Choleraleichen zusammengeworfen werden.
Die Sterblichkeit beträgt im Säuglingsalter fast 100 Proz., ist auch im fernern Kindesalter noch sehr ungünstig, am günstigsten zwischen dem 10. und 20. (40-50 Proz.) und auch noch bis zum 30. Lebensjahr, wird mit zunehmenden Alter wieder ungünstiger, so daß nach dem 70. Lebensjahr die Sterblichkeit wieder gegen 90 Proz. der Erkrankten beträgt. Das weibliche Geschlecht weist im allgemeinen weniger große Sterblichkeitsziffern auf. Sehr hoch ist die Durchschnittszahl der Todesfälle in Berlin, sie betrug nämlich bei allen Epidemien über 60 Proz. der Erkrankungen.
Die Empfänglichkeit der Menschen für das Choleragift ist eine fast allgemeine. Kein Lebensalter und Geschlecht, keine Konstitution ist frei davon. Zuzeiten, wo die Krankheit in einem gewissen Bereich herrscht, leiden fast alle Menschen, auch die, welche von schwereren Krankheitsformen verschont bleiben, an gewissen Unterleibsbeschwerden, welche wahrscheinlich von einer schwachen Einwirkung des Choleragifts abhängen. Der Krankheitsverlauf beginnt nach einer zwischen Ansteckung und Ausbruch liegenden freien oder Inkubationszeit von 36-72 Stunden Dauer.
Die leichteste Form, unter welcher die Cholera auftritt, ist die eines einfachen Durchfalls, welcher zu keinen erheblichen Störungen des Allgemeinbefindens oder einzelner Körperverrichtungen führt. Die Ausleerungen sind gewöhnlich sehr reichlich, wässerig, aber weder geruchlos noch entfärbt. Nur der Nachweis der Kommabacillen ist für die Cholera charakteristisch. An jene leichteste Form der Krankheit schließen sich andre Fälle an, in welchen zu den Durchfällen stürmisches Erbrechen hinzutritt, und wo die Darmentleerungen die dünne, wässerige, geruchlose Beschaffenheit annehmen, wegen deren man sie als Reiswasserstühle bezeichnet hat, jedoch ohne daß ein namhafter Grad von Bluteindickung eintritt.
Mit dem Eintritt der reiswasserähnlichen Cholerastühle geht das Gefühl heftigen Durstes einher, welches sich zu einer quälenden Höhe steigern kann. Zu dem Durste, der Mattigkeit und Hinfälligkeit treten noch krampfhafte Zusammenziehungen gewisser Muskelgruppen, namentlich der Wadenmuskeln, hinzu, welche sich nach längern oder kürzern Pausen wiederholen. In günstig verlaufenden Fällen werden die Ausleerungen seltener und weniger kopiös, erscheinen auch wieder stärker gefärbt; endlich hört der Durchfall auf, und der Kranke geht der Genesung entgegen, welche indessen gewöhnlich eine langsame ist. In andern Fällen verschlimmert sich die Krankheit von neuem und erreicht eine bedrohliche Höhe, oder es tritt überhaupt keine Besserung ein, und die Cholerine geht in das Bild der sogen. asphyktischen (pulslosen) Cholera über.
Dies ist die schwerste Form der Cholera, sie beruht wahrscheinlich auf einer Vergiftung durch die Zersetzungsprodukte des Kommabacillus. Die asphyktische Cholera entwickelt sich in vielen Fällen aus einer Diarrhöe, welche mehrere Tage lang bestanden hatte; oft aber tritt sie auch schon wenige Stunden nach dem ersten Choleradurchfall ein. Zu quälendem Durst, Wadenkrämpfen, unaufhörlich nach jedem Trunk sich wiederholendem Erbrechen gesellt sich sehr rasch ein erschreckender Kräfteverfall.
Das Aussehen des Kranken ist furchtbar verändert: das Antlitz ist eingefallen, hohläugig, die Nase [* 71] spitz, Gesicht und Hände sind bläulich gefärbt, der Puls ist nicht mehr zu fühlen, auch der Herzstoß nicht wahrnehmbar, die ganze Körperoberfläche fühlt sich kalt wie die eines Leichnams an. Man bezeichnet daher dieses Stadium der Krankheit als das Kältestadium (Stad. algidum). Selten klagen die Kranken dabei über Kopfschmerz, häufiger über Schwarzwerden vor den Augen, Ohrensausen und Schwindel.
Das Bewußtsein ist nicht getrübt, aber die meisten Kranken sind auffallend gleichgültig gegen die ihnen drohende Gefahr und klagen nur über den Durst und die Wadenkrämpfe. Die asphyktische Cholera verläuft sehr schnell, die Kranken sterben oft schon nach 6, 12-24 Stunden, selten dauert das Kältestadium länger als 2 Tage. In günstig verlaufenden Fällen schließt sich an das Kältestadium das sogen. Stadium der Reaktion an. Durchfall und Erbrechen lassen nach, der Puls wird wieder wahrnehmbar, das blaue Aussehen und die Entstellung des Gesichts verschwinden, es stellt sich die Harnausscheidung wieder ein, kurz, der Kranke geht, bald schneller, bald langsamer, der Genesung entgegen. An das Kältestadium der Cholera, namentlich wenn es lange dauerte, schließen sich häufig anderweite ¶
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fieberhafte Erkrankungen an, welche gewöhnlich mit schweren Symptomen von seiten des Nervensystems verbunden sind, einen typhusähnlichen Charakter tragen und deshalb mit dem Namen des Choleratyphoids bezeichnet zu werden pflegen. Am häufigsten läßt sich die unter dem Bilde des Choleratyphoids verlaufende Nachkrankheit auf eine akute Entzündung der Nieren zurückführen, wobei ein stark eiweißhaltiger Harn sehr geringer Menge oder überhaupt gar kein Harn abgeschieden wird. Der Puls ist dabei frequent, oft doppelschlägig, und regelmäßig ist starkes Fieber vorhanden. Die Kranken klagen über heftigen Kopfschmerz, bekommen von neuem Erbrechen; es stellen sich Zuckungen der Muskeln, [* 73] dann Unbesinnlichkeit, Schlafsucht und endlich der Tod ein. Nur selten wird ein Patient gerettet, welcher unter dem Bilde des Choleratyphoids erkrankt war.
Die Behandlung beginnt wie für ganze Völker, so auch für den Einzelnen mit Vorsichtsmaßregeln. Wer zum Verharren in einem bedrohten oder schon befallenen Bezirk gezwungen ist, hüte sich streng vor Diätfehlern, vor Erkältung, großen Strapazen, kurz vor allen Schädlichkeiten, welche geeignet sind, den Körper zu schwächen und in seiner Widerstandsfähigkeit zu beeinträchtigen. Auch Gesunde müssen eine wollene Leibbinde tragen und bei den geringfügigsten Klagen sofort ärztliche Hilfe nachsuchen.
Speisen und Trinkwasser sollten nur nach gründlichem Kochen genossen werden. Ist die Cholera zum Ausbruch gekommen, so kann sich in Ermangelung eines wirksamen Mittels gegen den Kommabacillus selbst die Behandlung nur gegen die Symptome richten. Gegen die Durchfälle ist das beste Mittel die Opiumtinktur. Besteht trotz wiederholter Gaben von Opium der Durchfall fort, so empfehlen manche Ärzte, Kaltwasserumschläge auf den Unterleib zu applizieren, welche aber nicht warm werden dürfen, also oft erneuert werden müssen.
Gegen die Bluteindickung muß man den Kranken kleine Portionen eiskalten Wassers oder kleine Eisstückchen in kurzen Pausen verschlucken lassen. Hierdurch werden dem Patienten auch die Qualen des Durstes am meisten gelindert. Sobald der Puls sehr klein wird und der Kranke sichtlich verfällt, ist der Gebrauch von Reizmitteln gegen die drohende Herzlähmung dringend angezeigt. Ein vortreffliches Reizmittel ist in Eis [* 74] gestellter Champagner; auch Rum oder Arrak, mit Wasser verdünnt, starke Weine u. dgl. thun gute Dienste. [* 75] Auch kann man abwechselnd mit der Darreichung von Eis oder Eiswasser von Zeit zu Zeit eine Tasse starken heißen Kaffees reichen. Die Transfusion von Blut oder Kochsalzlösung hat sich nicht bewährt. - Zur Abwehr der Cholera hat Ferran, ein Arzt zu Tortosa in Spanien, während der Epidemie von 1885 Impfungen von Cholerapilzen in die Haut [* 76] und die Muskeln Gesunder in Anwendung gebracht.
Die Impfungen wurden in Spanien in großem Umfang unter Protektion der Regierung mit angeblich gutem Erfolg ausgeführt. Außerhalb Spaniens brachte man der Ferranschen Methode großes Mißtrauen entgegen, weil dieselbe geheim gehalten wurde und selbst den wissenschaftlichen Kommissionen, welche von Paris und Brüssel [* 77] zur Prüfung an Ort und Stelle gesandt worden waren, jeder Einblick in das Geheimnis verschlossen blieb. Überdies wurde die Statistik über die Impfwirkung in Alcira von dem Brüsseler Abgesandten van Ermengem für völlig unzuverlässig erklärt. - Eingehendere Belehrung über die Cholera, namentlich über die epidemiologische Seite derselben, findet man bei Griesinger, Infektionskrankheiten (Erlang. 1864), dann in zahlreichen Aufsätzen und Schriften von Pettenkofer (in der »Zeitschrift für Biologie« u. a. O.); höchst lesenswert ist Pettenkofers Ansprache an das Publikum: »Was man gegen die Cholera thun kann« (Münch. 1873). Endlich sei auf die Denkschrift der Cholerakommission für das Deutsche Reich (Berl. 1873) und den von derselben aufgestellten Untersuchungsplan zur Erforschung der Ursachen der Cholera und deren Verhütung hingewiesen.
Vgl. auch Pettenkofer, Über den gegenwärtigen Stand der Cholerafrage (Münch. 1873);
Schneider, Verbreitung und Wanderung der Cholera, graphisch dargestellt (Tübing. 1877);
Bellew, History of the cholera in India 1862-81 (Lond. 1884);
Cuningham, Die Cholera. Was kann der Staat thun, sie zu verhüten? (mit Vorwort von Pettenkofer, Braunschw. 1885).
Die neuesten Arbeiten Kochs über die Cholera sind bisher nur in medizinischen Zeitschriften (der »Deutschen medizinischen Wochenschrift« 1884 u. a.) enthalten.