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Truppentransporte seitens der Regierung in Aussicht genommen und 1884 entsprechende Pläne vorbereitet. Vor zwei Jahren erlangten englische Ingenieure die Erlaubnis zum Bau einer Eisenbahn von Schukautschung bei Tiëntsin zu den Kohlenminen von Kaiping (13 km), die auch gelegentlich zur Personenbeförderung benutzt wird. Die erste Telegraphenlinie wurde 1874 eröffnet, dieselbe diente aber, wie einige kleinere darauf folgende, nur dem lokalen Bedürfnis. Die erste Linie für den internationalen Dienst (Schanghai-Tiëntsin, 1510 km) datiert von 1881, darauf folgten rasch die Linien Tiëntsin-Taku und Tiëntsin-Peking; augenblicklich (1885) steht Schanghai [* 2] mit den wichtigsten Vertragshäfen in Verbindung, und ein Drahtnetz über alle Teile des Reichs dürfte nicht lange aus sich warten lassen. Die Insel Formosa hat gleichfalls eine Telegraphenlinie. Die unterseeischen Linien an den Küsten befinden sich sämtlich im Besitz fremder Gesellschaften.
Münz- und Währungsverhältnisse. Die einzigen Münzen, [* 3] welche in China [* 4] selbst geprägt werden, sind die Käsch oder Tungtsin aus Kupfer [* 5] von verschiedenem Werte; durchschnittlich gehen 1120 auf einen mexikanischen Dollar. Der Haikuan Tael ist eine Rechnungsmünze, deren Wertverhältnis zum mexikanischen Dollar durch Verträge festgestellt ist. Der Haikuan Tael, in dem die Zölle bezahlt werden und die Werte der Zollstatistik berechnet sind, gilt etwas über 1½ mexikan. Dollar, was im Durchschnitt der Kursschwankungen für 1884: 5 Shill. 7 P. = 5,60 Mk. = 7,06 Frank ergibt.
Mexikanische [* 6] Dollars zirkulieren vorwiegend in den südlichen Vertragshäfen, in Schanghai nur für den Kleinverkehr. Größere Zahlungen erfolgen in Silberbarren (engl. shoes), die von einer Bank nach ihrem Gehalt gestempelt sind; solche Barren wiegen gewöhnlich 50 Taels à 37,783 g. Kleinere Zahlungen macht man mittels kleiner Stücke ungestempelten Silbers, die bei jeder Zahlung gewogen werden; doch sind die Handelsusancen in diesem Punkt sehr verschieden. Im Innern sind Silberbarren und Kupferkäsch (oder Sapeken) noch immer die Hauptzahlmittel.
Geldtransaktionen mit London [* 7] und Paris [* 8] vermitteln nach dem Kurs des Schanghai Tael (5 Shill. = 6,38 Fr.) die in den Vertragshäfen etablierten sechs englischen Banken und eine französische (Comptoir d'Escompte de Paris). Einheimische Banken bestehen in sehr großer Zahl; von der Regierung zur Erhebung der Taxen und Steuern verwendet, ist es ihnen gestattet, gegen einige Sicherheit für den Ankauf von Landesprodukten Noten auszugeben, die auf starkes, grobes Papier gedruckt und, um der Fälschung vorzubeugen, mit einer Menge Stempel versehen sind.
Dies Papiergeld zirkuliert in Abschnitten von 100 bis zu 1000 Käsch und ist außerordentlichen Schwankungen unterworfen. Regierungspapiergeld gab es früher gleichfalls, schon seit der Dynastie Thang (7.-10. Jahrh.); es kam aber durch die betrügerischen Manipulationen der Mongolenkaiser (1280-1333) in Mißkredit und wurde abgeschafft. Das chinesische Banksystem datiert bis ins 1. Jahrh. v. Chr. zurück, und die chinesischen Bankiers, die meist zugleich Pfandleiher sind, bilden eine einflußreiche Gilde.
Maße und Gewichte. Längenmaß ist das Tschih (3,55 m) = 10 Tsuns = 100 Fens, Wegmaß das Li = 360 Pus = 556,5 m, Landmaß das Mou = 6,13 Ar, Hohlmaß das Scheng = 10,51 Lit. Einheitsgewicht ist für gewöhnliche Ware das Tschin oder Katti = 604,53 g = 16 Liangs oder Taels (100 Tschin = 1 Tan oder Pikul), für wertvollere der Liang oder Tael = 37,783 g.
Staatsverfassung und Verwaltung.
Die Staatsverfassung Chinas ist monarchisch und den Staatsgrundgesetzen nach, wie sie in den ersten vier Büchern des Konfutse enthalten sind, patriarchalisch; in Wirklichkeit ist die Regierung jedoch in eine Willkürherrschaft der Provinzvorstände ausgeartet. An der Spitze steht der Kaiser, er wird als der Vater seines Volkes betrachtet und besitzt über alle seine Unterthanen unumschränkte Gewalt. Er ist ein geistliches Oberhaupt, wie viele europäische Herrscher es sind, zugleich höchster Richter und Anführer im Krieg.
Man verehrt den Kaiser in abgöttischer Weise, indem man sich in den Staub wirft, sobald er erscheint, ja sogar vor dem leeren Thron. [* 9] Nie läßt er sich öffentlich sehen, ohne daß Scharen von Polizeidienern voraufgehen und eine ungeheure Leibgarde folgt. Das Recht der Nachfolge beruht nicht auf der Erstgeburt, sondern der Kaiser wählt sich seinen Nachfolger unter den Söhnen seiner ersten drei Gemahlinnen; jedoch wird seine Wahl erst bei seinem Tod bekannt gemacht.
Die Mitglieder der kaiserlichen Familie genießen als solche nur geringe Auszeichnung von seiten des Staats. Die Regierung des Landes ist eine ziemlich verwickelte. Ein umfassendes Staatshandbuch in 920 Bänden, das Tatsing Huitien, ist ausschließlich der Darstellung der Regierungsverhältnisse gewidmet. Staats- und Hofämter, auch Zivil- und Militäranstellungen sind oft in Eine Hand [* 10] gelegt; für die Kultus- und Unterrichtsanstalten bestehen besondere Behörden.
Seit Beginn des 18. Jahrh. werden die wichtigsten Staatsangelegenheiten von einem Kabinett von Ministern unter dem Titel Künkitschu in Gegenwart des Kaisers meist in den frühen Morgenstunden (von 5 bis 6 Uhr) [* 11] verhandelt. Nächst diesem, dem »hohen Rat«, steht nominell die oberste Leitung der Verwaltung bei der »innern Ratskammer« (Nuiko) von vier Mitgliedern (zwei von tatarischer und zwei von chinesischer Abkunft). Unter den Befehlen dieser Mitglieder arbeiten die sechs Regierungsabteilungen, welche die innern Angelegenheiten besorgen. Es sind dies folgende sechs Tribunale (Liupu): für Zivilbeamte, deren Ernennung etc.;
für Finanzen (das fremde Seezollwesen untersteht dem auswärtigen Amt);
für Gebräuche und Zeremonien;
für Kriegswesen;
für Strafsachen;
für öffentliche Arbeiten.
Für die Nebenländer (Mongolei etc.) besteht das Fremdenamt (Lifanjuan). Im J. 1860 wurde das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten (Tsunglijamen) eingesetzt, dem die von Europäern geleiteten Anstalten unterstellt sind. An die Zentralverwaltung berichtet der »Rat der öffentlichen Zensoren« (Tutschajuen). Diese höchst merkwürdige Institution zählt etwa 60 Mitglieder unter 2 Präsidenten (der eine von chinesischer, der andre von tatarischer Abkunft).
Ihre Mitglieder besitzen das Vorrecht, gegen jede Regierungsmaßregel auf politischem wie wirtschaftlichem Gebiet zu remonstrieren und dem Kaiser Gegenvorstellungen zu machen. Dieser Rat hat seine Vertreter in jeder Provinz, die teils den Sitzungen der Provinzialbehörden anwohnen, teils die Provinz bereisen und über ihre Wahrnehmungen an den Rat berichten. Zu den Instituten der Zentralverwaltung gehört noch eine Art kaiserlicher Akademie der Wissenschaften, das Kollegium der Hanlin, bestehend aus den ersten wissenschaftlichen Autoritäten des Landes.
Die Mandschurei ist administrativ in drei Teile geteilt: einen südlichen (Schingking), einen mittlern (Kirin) und einen nördlichen (das chinesische Amurgebiet), jeder unter einem Gouverneur. Die ¶
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unterthänigen Landschaften: Mongolei, Dsungarei, Kuku-Nor, Chinesisch-Turkistan und Tibet, unter dem Namen Lisanjüan zusammengefaßt, stehen unter einem besondern Ministerium, von dem die Gouverneure in Urga, Kobdo, Uliassutai, Tarbagatai, Kuku-Nor sowie die Statthalter der Thianschan-Länder (chines. Sintsiang, »neues Gebiet«) ressortieren. Für die 18 Provinzen des eigentlichen China gibt es 8 Generalgouverneure oder Vizekönige (Tsungtu), von welchen die von Petschili und Setschuan über eine Provinz, der von Liangkiang über drei, die übrigen über zwei Provinzen gebieten; in den Provinzen Schantung, Schansi und Honan ist ein Gouverneur (Sünsu) die oberste Zivilstelle, doch hat auch von den unter einem Generalgouverneur stehenden Provinzen jede ihren besondern Gouverneur.
Oberbefehlshaber über die Truppen ist der Vizekönig oder Gouverneur, mit Ausnahme der tatarischen Truppen, die als Gegengewicht gegen das rein chinesische Element unter einem unabhängigen Tatarengeneral stehen. Unter dem Provinzialverwalter steht als erster General der Landtruppen der Lulutitu, als erster Admiral der Schuischititu. Das Finanzwesen leitet ein Schatzmeister; der Justiz steht der Provinzialrichter vor, der seine Sitzungen zeitweise auf Rundreisen abhält; eigne Behörden sind bestellt für die Prüfungen der Gelehrten, für Ackerbau, Accisen, Salzmonopol etc. Das Wort Mandarin für einen Beamten der neun Rangstufen, in die der gesamte Beamtenstand geteilt wird, ist nach Schott aus dem indischen mantrin (»Ratgeber, Minister«) abzuleiten, im Chinesischen bezeichnet das Wort Kuan einen Beamten; die neun Rangstufen werden durch kleine Kugeln von verschiedenem Stoff und Farbe (rot, blau, kristall, weiß, gold) unterschieden, die oben auf der Mütze getragen werden.
Die Beamten sind zahllos; der ewige Wechsel hat sie ihren Pflichten und ihrer Aufgabe so sehr entfremdet, daß ihr Bestreben nur darauf gerichtet ist, in der kurzen Zeit ihrer Amtsthätigkeit ihre Kassen zu füllen. Da die Besoldungen der öffentlichen Diener lächerlich niedrig sind, so bleibt diesen nichts übrig, als sich das nötige Geld durch Erpressungen zu verschaffen und Übergriffe ihrer Untergebenen zu dulden. Bei der Anstellung der Mandarinen gilt das Prinzip, daß keiner in der Provinz dienen darf, in der er geboren ist; auch werden höhere Beamte meist nach einer Anzahl von Jahren versetzt, damit ihr Einfluß sich bei der Bevölkerung [* 13] nicht allzusehr geltend mache.
Der Tod eines seiner Eltern zwingt den Mandarin, auf drei Jahre sein Amt niederzulegen. Die disziplinarische Verwaltung des Beamtenpersonals ist streng; Strafen sind an der Tagesordnung, besonders Gehaltsabzüge, so daß mancher Beamte aus Furcht vor einer seine Ansprüche übersteigenden Gegenrechnung an Strafgeldern seinen Gehalt nie einfordert, sondern sich mit den viel bedeutendern Nebeneinkünften in Gestalt von Erpressungen begnügt. Da in China einfache Verordnungen nicht genügen, die Staatsmaschine in Ordnung zu halten, gilt hier das Prinzip, daß jeder für die unter seiner Verwaltung entstehenden Vorkommnisse verantwortlich ist; so trifft den unschuldigsten Regierungsbeamten eine empfindliche Strafe, wenn in seinem Distrikt sich eine große Feuersbrunst ereignet; die Folge ist, daß Präventivmaßregeln mit ängstlicher Sorgfalt ergriffen werden, was durch das bloße Erteilen von Instruktionen von oben herab nie zu erreichen wäre. Höchst schwierig wird die Stellung des Mandarins in Zeiten allgemeiner Landplagen; er wird für Überschwemmungen, Hungersnot etc. verantwortlich gemacht, auch wenn die Abwendung des Naturereignisses außerhalb seiner Macht lag; schon mancher Beamte verlor hierdurch seine Stelle.
Vgl. F. Hirth, Über das Beamtenwesen in China (»Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde«, [* 14] Berl. 1882).
Jede Provinz zerfällt in Distrikte: Fu, die noch immer durchschnittlich eine Bevölkerung von 2 Mill. umfassen, Tschou, Hien (von durchschnittlich über 300,000 Einw.), Sse u. a.;
letztere zählen 100 und mehr Lokalgemeinden.
Die Vorsteher dieser Abteilungen führen den Titel Tschi mit Beisatz Fu, Tschou, Hien etc. Vom Tschifu appelliert man an den Provinzialrichter oder Schatzmeister; Kollegialsitzungen präsidiert der Gouverneur. Für Polizeizwecke ist in der Aufstellung eines niedern Polizeibeamten, einer Art Konstabler, für mehrere Gemeinden eine uralte Institution auf die Gegenwart übertragen worden. Diese Konstabler (Tipau) werden als Gelderpresser gefürchtet; es wird ihnen häufig gestattet, ihr Amt auf den Sohn zu vererben.
Sie haben die Ruhe aufrecht zu erhalten, kleinere Streitigkeiten dem Distrikts- (Sse-) Chef anzuzeigen und seine Verordnungen den Gemeindegliedern bekannt zu machen. Die Behörde zur Verwaltung der eigentlichen Gemeindeangelegenheiten hat auf dem Land mehr einen privaten als einen offiziellen Charakter. Die vielen oft von dem nämlichen Vorfahr abstammenden, manchmal ganze Dörfer bevölkernden Familien besitzen ihre eignen Häupter und alle zusammen wieder einen Patriarchen.
Dieser wird von den Regierungsbeamten als Vertreter der Dorfgenossenschaft angesehen; eine Anzahl Vertrauensmänner, meist aus den ältern Einwohnern durchs Los bestimmt, steht ihm zur Seite. Die Erhaltung der Tempel, [* 15] die Regelung des Gottesdienstes und der herkömmlichen festlichen Umzüge, die Gewinnung von Lehrern und die Einhebung der nötigen Beisteuern an Geld und Naturalien zu diesen Ausgaben ist ihre Hauptaufgabe. Die Lokalpolizei steht unter dem Patriarchen, dem die Gemeinde (von oft 8000 und mehr Einwohnern) die nötige Polizeimannschaft zu stellen hat.
Berüchtigte und im Ort gefürchtete Helfershelfer der Mandarinen, eine Art Privatbeamter derselben, sind die Winkelsachwalter, die sich das Vermittelungsrecht vom Mandarin erkaufen und die Streitigkeiten mittels Überredung und Drohung mit Denunziation u. dgl. beizulegen suchen; ein öffentlicher Steuereinnehmer fehlt in keiner größern Gemeinde. Die Städte haben aus Wahl hervorgegangene Munizipalräte, deren Thätigkeit von kaiserlichen Kommissaren überwacht wird. Die Sicherheitspolizei liegt trotz der Munizipalgarde und eines ansehnlichen Korps von Polizisten sehr im argen.
Vgl. A. Pfizmaier, Darlegung der chinesischen Ämter (Wien [* 16] 1879).
Das chinesische Kriminalgesetzbuch (Tatsing Lüli, übersetzt von Staunton, engl., Lond. 1810) verliert sich in Kasuistik und belegt eine große Menge von Handlungen mit Strafe. Es sondert Verbrechen und Vergehen und unterscheidet Thaten, die mit Vorbedacht, und Thaten, die ohne Absicht begangen wurden. Vieles in der chinesischen Kriminalpolitik widerstreitet unsern Anschauungen und Sitten. Tötung eines Menschen, Raub, Diebstahl gelten zwar für Verbrechen, aber bei weitem nicht für die größten; sehr hart werden dagegen Verfehlungen gegen Moral und Impietät gestraft, weil sie nicht wie Diebstahl unter dem mildernden Umstand des Dranges der äußern Verhältnisse verübt werden, sondern aus schlechtem Charakter entspringen. Bemerkenswert ist, daß ein Recht des Aufstandes gegen Tyrannen anerkannt ist. ¶
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Um Geständnisse zu erlangen, werden die unglaublichsten Torturen angewendet, und die Behandlung der Gefangenen, die man wie wilde Tiere einsperrt, ist unmenschlich. 10-100 Hiebe mit dem Bambus, Transportation, ewige Verbannung in ferne Provinzen, harte Sklavenarbeit und Tod sind die gesetzlichen Strafen. Enthauptung ist die gewöhnliche Art der Hinrichtung, nur auf Elternmord steht das Lingtschi, d. h. die Strafe, bei lebendigem Leib in Stücke geschnitten zu werden, welcher Qual jedoch in der Praxis durch die Verwandten des Verbrechers durch einen vom Henker erkauften Gnadenstoß vorgebeugt wird.
Nach dem Urteil Sachkundiger sterben die Beschuldigten erst an den Folgen der Tortur und der Haft. Mit der Kriminalgesetzgebung befaßte sich die Regierung schon sehr früh, eine Zivilgesetzgebung fehlte dagegen in alter und neuer Zeit. Was die Jurisdiktion über die Unterthanen fremder Staaten betrifft, so gilt hier, wie in andern halbzivilisierten Ländern, für den durch Vertrag geschützten Fremden das Recht der Exterritorialität, d. h. die Gerichtsbarkeit steht für jeden bei dem Repräsentanten seiner Nation, dem Konsul, nicht bei den Gerichten des Landes. Der Konsul entscheidet über Kriminalfälle wie über zivilrechtliche Streitigkeiten nach den Gesetzen seines Landes.
Die Einnahme der Staatsregierung fließt aus einer Land- und Reissteuer, welche direkt den Grundbesitz treffen, aus dem Salzmonopol, aus einer Stempeltaxe, einer Umschreibegebühr von 8 Proz. des Verkaufspreises und aus den Grenz- und Binnenzöllen. Nach den allein für 1875 vorliegenden Daten betrugen dieselben 79,5 Mill. Haikuan Tael, davon:
Grundsteuer | 18 Mill. |
Likinzölle | 20 - |
Zölle unter Verwaltung des Auslandes | 12 - |
Zölle unter Verwaltung der Chinesen | 3 - |
Salz | 5 Mill. |
Verkauf der Rangklassen | 7 - |
Grundsteuer in Produkten | 13.1 - |
Verschiedenes | 1.4 - |
Unter Likinzöllen versteht man die Abgaben auf den Transport aller Waren im Innern des Landes, insofern sie nicht durch Entrichtung des vom fremden Zolldienst erhobenen Transitzolles bereits von weiterer Besteuerung befreit sind. Diese Zölle waren von Haus aus nur zur Deckung außerordentlicher Bedürfnisse während des Kriegs gegen die Taiping-Rebellen eingeführt, sind aber nach Herstellung des Friedens bis heute beibehalten worden.
Die Höhe der innern Schuld ist nicht bekannt; größere Staatsanleihen wurden seit 1874 in Europa [* 18] gegen Verpfändung der Zölle kontrahiert. Die lokalen Steuern und Taxen fließen zum größten Teil in die Provinzialkassen und dienen nicht dazu, die Macht der Zentralregierung in Peking [* 19] zu verstärken. Desto wichtiger ist daher für die letztere das 1854 geschaffene Inspektorat der Seezölle, dessen Vorstände in jedem Ort Europäer sind. Ursprünglich ins Leben gerufen während der Taiping-Rebellion, als die kaiserlichen Autoritäten sich in Schanghai nicht halten konnten und eine von den auswärtigen Mächten eingesetzte Kommission von Fremden die Zölle für die Regierung provisorisch einnahm, dann aber aufrecht erhalten, um den Eingang der Zolleinnahmen zu überwachen, welche der Bezahlung der Kriegsschuld an die Westmächte als Sicherheit dienen sollten, wurde dieses in Schanghai domizilierende Institut von der Regierung beibehalten, beträchtlich erweitert und einem fremden Generalinspektor, der in Peking residiert, unterstellt.
Die Organisation ist das Verdienst des Sir R. Hart, frühern Generalinspektors der Zölle, jetzigen britischen Gesandten in Peking. Unter dem Generalinspektor stehen 19 Inspektorate mit Europäern als Beamten an der Spitze, Engländern, Amerikanern, Franzosen, Russen und Deutschen. Der Gehalt derselben beträgt von 200 bis 3000 Pfd. Sterl. im Jahr; jeder der Oberbeamten ist berechtigt, nach je sieben Jahren um zweijährigen Urlaub einzukommen, und erhält für je sieben Dienstjahre einen Jahresgehalt an Stelle der Pension. Die Zolleinnahmen, bestehend in Einfuhr- und Ausfuhrzöllen, Küstenhandelszöllen, Tonnengebühren und Transitzöllen, stiegen von rund 379,000 Haikuan Tael im Jahr 1858 auf 14,685,162 Haikuan Tael in 1881 und betrugen 1883: 13,286,757 Haikuan Tael.
Das Militärwesen Chinas ist noch sehr mangelhaft beschaffen, soviel auch daran seit 1854 gebessert wird. Der Krieg galt den Chinesen von jeher als ein Unglück und eine Schmach für die Menschheit. Der Soldatenstand genoß nur geringes Ansehen; erst der Zusammenstoß mit den Westmächten zeigte ihnen die Notwendigkeit einer bessern Organisation und Bewaffnung. Nach der bis vor kurzem geltenden Organisation bestand die Armee aus der kaiserlichen Garde, welche nur die Residenzen zu schützen und die kaiserliche Familie auf ihren Reisen zu eskortieren hatte, aus 24 Bannern, welche in den großen Städten in besondern Quartieren wohnten und im Frieden den Polizeidienst versahen, und aus einer Provinzialarmee oder Armee der grünen Fahnen, welche alle neuern Kriege Chinas geführt hat.
Die Bewaffnung bestand aus Bogen, [* 20] Speeren, Hellebarden, [* 21] zum Teil aus Luntenflinten. Auf dem Papier stand eine Armee von 800,000 Chinesen und 271,000 Mandschu, davon 270,000 Mann in europäischer Weise organisiert; doch war die Armee nur zur Hälfte komplett. Als wegen der Kuldschafrage Krieg mit Rußland auszubrechen drohte, wurde behufs Reorganisation des Heers ein neuer Plan aufgestellt, wonach fünf Armeen geschaffen werden sollten, eine der Mandschurei, 30,000 Mann stark, mit dem Hauptquartier Mukden, eine zweite der Mongolei, 20,000 Mann, mit dem Hauptquartier Kalang, eine dritte von Turkistan, 40,000 Mann stark, eine vierte, 100,000 Mann, zur Verteidigung Pekings und zur Aufrechthaltung der Ordnung im Innern, und eine fünfte, ebenso stark, zur Sicherung der Küstenprovinzen.
Nach diesem Plan sollen die Truppen nicht mehr ansässig sein und eine regelmäßige taktische Einteilung erhalten, welcher als Einheit die Lianpa (Kompanie) von 250 Mann für die Infanterie und 150 Mann für die Kavallerie zu Grunde liegt. Die Totalstärke der Armee beträgt im Frieden 300,000, im Krieg 1 Mill. Mann. Der Flotte hat man in neuester Zeit besondere Aufmerksamkeit zugewandt und in Europa eine Anzahl sehr leistungsfähiger Fahrzeuge bauen lassen; 1880 bestand die Kriegsmarine aus 52 Dampfern mit 283 Geschützen und 5860 Mann.
Von diesen gingen im Krieg mit Frankreich einige von chinesischen Offizieren kommandierte Schiffe [* 22] bei Futschou verloren, während der bessere Teil der Flotte, von Offizieren deutscher Nationalität kommandiert, zum Schutz der nördlichen Küsten verwandt wurde und nicht zum Gefecht kam, und 1885 konnten drei in Deutschland [* 23] erbaute und bis dahin zurückgehaltene Schiffe nach China abgehen. Die Flotte bildet drei Geschwader, von Kanton, [* 24] von Futschou und von Schanghai. Die gelbe Flagge bildet ein Dreieck [* 25] und zeigt einen grünen Drachen (s. Tafel »Flaggen«). [* 26] Längs des Peiho, bei Kanton, Schanghai etc. sind neue große Befestigungsbauten nach europäischem System aufgeführt und mit ¶
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Kruppschen Kanonen armiert. Das Riesenbollwerk der Chinesischen Mauer (s. d.) hat jetzt seine Bedeutung verloren.
Die Entdeckungsgeschichte Chinas ist im Artikel »Asien« [* 28] (S. 928 ff.) übersichtlich dargestellt.
[Litteratur.]
Außer den unter den betreffenden Rubriken (Kultur, Religionen, Unterricht u. a.) oben bereits aufgeführten Spezialwerken und den Berichten der Forschungsreisenden (s. Asien, Entdeckungsgeschichte) besitzen wir eine große Zahl Land und Volk im allgemeinen behandelnder Werke.
Das älteste derselben ist die 1477 in Nürnberg [* 29] herausgegebene Übersetzung der Reisen von Marco Polo, dann die Berichte der zwischen 1794 und 1865 von England und Holland nach China abgeordneten Gesandtschaften. Unter den neuern sind besonders hervorzuheben: der Bericht der »Reise der österreichischen Fregatte Novara«, enthaltend einen beschreibenden, linguistischen und anthropologischen Teil (Wien 1861-68);
Scherzers »Fachmännische Berichte über die österreichisch-ungarische Expedition nach Siam, China und Japan« (Stuttg. 1872);
das offizielle Werk »Die preußische Expedition nach Ostasien« (Berl. 1864-73, 4 Bde.) und der von Kreitner herausgegebene Bericht der Reise des Grafen Széchényi (Wien 1881).
Zusammenfassende Werke sind namentlich: Hippisley, China A geographical, statistical and political sketch (Schanghai 1876);
Eden, China, historical and descriptive (2. Aufl., Lond. 1880);
Playfair, Cities and towns of a dictionary (das. 1880);
Douglas, China (das. 1882), und vor allen v. Richthofens großes, noch nicht vollendetes Werk »China, Ergebnisse eigner Reisen und darauf gegründeter Studien« (Berl. 1877-84),
mit wichtigen orographischen und geologischen Karten.
Zeitschriften: »China: returns of trade at the treaty ports« und »Reports on trade at the treaty ports«, alljährlich in Schanghai erscheinend.
Geschichte.
Die Aufzeichnungen der chinesischen Schriftsteller gehen zurück bis 2597 v. Chr., doch reicht eine sichere Chronologie nicht höher hinauf als bis 841. Die Geschichte der ersten großen Dynastien Hia (2205-1766) und Schang (1766-1123) ist noch unsicher und halb mythisch. Erst von der dritten Dynastie, der der Tscheu (1123-246), haben wir genauere und zuverlässigere Nachrichten. In die Periode dieser Dynastie fällt die Entwickelung des Feudalwesens. In der Mitte des Reichs (daher der Name »Reich der Mitte«, Tschungkue) lag die kaiserliche Domäne von 1000 Lis (444 km) im Umfang; daran reihten sich die Lehnsgüter der dem Kaiser zu Diensten und Abgaben verpflichteten Vasallenfürsten in Abstufungen von 45-15 km im Umfang.
Alle Regenten dieser Dynastie haben das Prädikat Wang, wie denn der Begründer der Dynastie, der sich als Gesetzgeber verdient machte, Wuwang genannt wird. Unter Singwang wurden 552 Konfutse und dessen berühmter Schüler Mengtse geboren. Schihoangti von der (4). Dynastie Tsin (246-206) setzte seine Alleinherrschaft an Stelle des Willens der Feudalherren, dehnte das Reich bis ans Meer aus, widerstand siegreich den Tataren und vollendete zur Abwehr ihrer Einfälle die bekannte Chinesische Mauer.
Unter den Herrschern dieser Dynastie wurden die Einzelstaaten zu einer politischen Einheit verschmolzen; nun brachen aber überall Unruhen aus, und nach mehr als siebenjährigem Kampf gründete Lieu Pang, Fürst des Distrikts Han, die (5.) Dynastie der Han (202 v. Chr. bis 223 n. Chr.). Die Han werden in die westlichen und östlichen unterschieden; jene residierten in Singan, der Hauptstadt von Schensi, diese in Honan in der Provinz Honan. Das Feudalwesen wurde beschränkt, die Südprovinzen samt der Insel Hainan mit dem Reich vereinigt, Nordkorea 109 v. Chr. erobert und die Herrschaft nach Besiegung der Hiungnu in der heutigen Mongolei über Zentralasien [* 30] bis zum heutigen Russisch-Turkistan ausgedehnt.
Unter Hiao-Mingti kam 65 n. Chr. der Buddhapriester Hoschang aus Hindostan nach China, wo sich seitdem die Buddhareligion neben jener des Konfutse ausbreitete. Unter dieser Dynastie lernten die Chinesen das römische Reich kennen; 166 soll Kaiser Mark Aurel (Antun bei den chinesischen Historiographen) zur See eine Gesandtschaft nach China gesandt haben. In den letzten Zeiten der Han nahm die Kaisermacht ab, Empörungen brachen aus, und China zerfiel in die drei unabhängigen Reiche (223-265) der Heuhan, der Wei und der Wu, die sich gegenseitig bekriegten, bis der Stifter der Dynastie Tsin (265-419), Ssemayen mit dem geschichtlichen Namen Wuti, mit Waffengewalt das ganze chinesische Reich wieder vereinigte und den Kaisertitel annahm.
Seine Macht war aber nur von kurzer Dauer; seit 281 tauchten neben- und nacheinander 17 Nebendynastien auf. Mehrere Kaiser wurden ermordet. Als rechtmäßige Kaiser wurden jene der drei im Süden des Reichs von 420 bis 589 regierenden Dynastien angesehen. Jangkian, Fürst von Sui, mit dem geschichtlichen Namen Kaotsuwenti, der im Norden [* 31] des Großen Flusses den Kaisertitel annahm, 588 im Süden dieses Flusses vordrang und 590 Nanking eroberte, vereinigte wieder ganz China unter seinem Zepter. Sein Sohn wurde wegen Ausschweifungen ermordet, worauf die (II.) Dynastie der Thang (618-906) folgte.
Die Zeit bis 756 ward eine glänzende für China, ganz Zentralasien wurde wieder botmäßig, das Reich blieb unter Einem Fürsten geeinigt. Nun folgte aber eine Periode innerer Kriege, durch welche Tataren ins Land gezogen wurden und das südliche Tongking, [* 32] heute französische Kolonie, dem Reich verloren ging; 757 kamen Araber nach Südchina. Die Wissenschaften blühten jedoch in dieser Zeit; die Erfindung des Holzdrucks wurde der Verbreitung der Litteratur unendlich förderlich.
Ein ausgezeichneter Monarch war Tschaskuangjin, als Gründer der 18. Dynastie (Sung II.) Taitsu genannt. Auf den Thron führten ihn seine Siege über die tatarischen Khitan, die im Norden des Reichs selbständige Fürstentümer errichtet hatten. Diese Fürsten sowie das in Schensi von Tibetern gegründete Reich Hia blieben zwar nicht auf die Dauer zurückgedrängt; die Kämpfe mit ihnen waren jedoch im ganzen glücklich bis 1127, wo Kintsung samt seiner Familie von dem tungusischen Volk der Kin, den Vorfahren der heutigen Mandschu, fortgeführt wurde, so daß Kaotsung die Residenz nach Süden, zuerst nach Nanking, dann nach Hangtschou, verlegen mußte. Für Geschichtschreibung geschah in der Zeit dieser Dynastie viel; Ssemakuang (1018-86) schrieb seine Geschichte, Matualin (1245-1325) seine große Encyklopädie (s. die Inhaltsangabe von Plath in den Sitzungsberichten der bayrischen Akademie der Wissenschaften 1871, S. 83-154).
Die Mongolen.
Die Mongolen treten als eroberndes Volk zuerst 1206 unter Dschengischan auf. Sie machten unter diesem Krieger wie unter seinem Sohn Ogdaichan und seinen Enkeln Mangu (genauer Möngke) und Kubilaichan reißende Fortschritte gegen die Kin, im Norden ¶
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und Nordosten von China, und die Dynastie Sung, die sie allmählich weiter gegen Süden drängten. Schon 1260 war Kublai faktisch der Herrscher von China; von 1280 datieren die chinesischen Geschichtschreiber den Beginn der (19.) mongolischen Dynastie Juan (1280-1367). Kublai nahm seine Residenz in Chanbaligh (»königliche Stadt«),
dem heutigen Peking (»Hof [* 34] des Nordens«); hier traf ihn der berühmte Reisende Marco Polo. Die Eroberer eigneten sich die Institutionen des unterjochten Volkes an; erst gegen Ende ihrer Herrschaft gelangten auch Chinesen wieder zu Ämtern und Würden. Zwistigkeiten unter dem Kaiser Schünti (1333-67) veranlaßten den Bonzen (buddhistischen Priester) Tschujuantschang, 1355 als Parteigänger aufzutreten; er fand Anhang, stellte sich an die Spitze einer Empörung in Kiangnan, unterwarf sich einige südliche Provinzen, siegte über die unter sich uneinig gewordenen Rebellen und Mongolenhäuptlinge, die inzwischen den Kaiser abgesetzt hatten, überschritt den Gelben Strom, nahm Peking ein, vertrieb die Mongolen nach der Tatarei, wo sie das Reich der Chalka gründeten, und erwarb sich durch Klugheit und Mäßigung die allgemeine Achtung und Liebe in dem Maß, daß er selbst den Thron besteigen konnte. Er nahm als Kaiser den Namen Taitsu an und ward Stifter der (20.) Dynastie der Ming (1368-1644). Unter ihrer meist kräftigen Regierung beschränkte sich das Reich auf das eigentliche China; in der Mongolei behaupteten sich die mongolischen Fürsten. Damals wurde die im wesentlichen noch jetzt geltende Regierungsform ausgebildet; Portugiesen kamen nach Macao, katholische Missionäre, zuerst M. Ricci 1583, erlangten Zutritt. Unter Hoaitoung (1628-44) ward das Reich von beutelustigen Mandschu-Tataren bedroht und im Innern von Rebellen erschüttert; erstere hatten sich der Hauptstadt genähert, letztere sie erobert, als die Dynastie Ming durch des Kaisers freiwilligen Tod ihr Ende erreichte.
Die Mandschu. Mit Schuntschi beginnt die (21.) Dynastie der Mandschu oder Tsing (1644), die noch jetzt den Thron von China innehat. Schuntschi hatte den Unterricht des berühmten deutschen Jesuiten Adam Schall [* 35] genossen und räumte diesem einen großen Einfluß auf sich und die Regierungsangelegenheiten ein. Unter Schuntschi, seinem Sohn Schingtsu mit dem Prädikat Khanghi und dem Herrscher Kaotsungschün mit dem Namen Khianlung erhob sich China zu großer Macht. Alle Aufstände im Land wurden niedergeschlagen, Formosa mit China vereinigt und kolonisiert, der größte Teil der Dsungarei, ganz Turkistan (die Gebiete Kaschgar, Jarkand etc.) und Tibet unterworfen, ein Krieg gegen Rußland, der wegen Grenzstreitigkeiten 1684 entstand, 1689 beigelegt.
Die Christen, welche längere Zeit geduldet worden waren, wurden aus politischen Gründen von Khianlung seit 1735 hart verfolgt. Unerbittlich gerecht, war dieser doch auch rücksichtslos grausam; im übrigen beförderte er die Wissenschaften und legte vier Bibliotheken der schätzbarsten Bücher an; auch war er selbst Dichter. Im J. 1796 legte er zu gunsten seines fünften Sohns, Kiakhing, die Regierung nieder und starb 1799. Von dieser Zeit an war die Macht der Mandschu im Abnehmen begriffen.
Kiakhings Gewaltthätigkeit und Grausamkeit erregten bald allgemeine Unzufriedenheit;
immer neue Verschwörungen wurden angezettelt, Räuberbanden durchzogen verheerend das Land;
Seeräuber, die sich in Hainan und Formosa festsetzten, beherrschten nicht allein das Meer und bekämpften hier die chinesischen Flotten mit wechselndem Glück;
sondern drangen auch von den Flußmündungen aus in das Innere des Landes plündernd und verwüstend ein, bis ihre Macht endlich durch innern Zwiespalt zu Grunde gerichtet ward. Im J. 1807 kam der erste protestantische Missionär, Morrison, nach China;
1815 wurden alle Katholiken aus China verbannt.
Kiakhing starb 1820, wie man vermutet, durch einige Mißvergnügte ermordet. Ihm folgte sein zweiter Sohn, Mianning (1820-50), geb. 1794, als Kaiser Taokuang (»Glanz des Verstandes«) genannt. Die Unruhen im Innern des Reichs dauerten unter ihm fort; dazu kamen Konflikte mit den an der Grenze nomadisierenden Buräten und Kirgisen wie dem Chan von Chokand, die aber mit Unterwerfung des Chodschas Dschehangir endeten, sowie mit dem kriegerischen Bergvolk an den Grenzen [* 36] der Provinzen Kuangtung, Kuangsi und Honan, mit dem ein Vertrag abgeschlossen ward, der dahin lautete, daß sie in ihren Bergen [* 37] bleiben, die Chinesen ihr Gebiet nicht betreten und die kaiserlichen Truppen entlassen werden sollten. Taokuang zeigte Abneigung gegen das Christentum, namentlich gegen die Katholiken, die daher mehrfachen Verfolgungen ausgesetzt waren.
Verhältnisse des Reichs der Mitte zu Europa.
Schon um Christi Geburt hatten die Chinesen nicht bloß Handelsverbindungen, sondern auch diplomatische Beziehungen mit den Römern angeknüpft; chinesischen Schriftstellern des Altertums ist die römische Zivilisation nicht unbekannt. Unter Mark Aurel kamen, wie schon erwähnt, römische Gesandte über Tongking nach China. Im 6. Jahrh. drangen Christen, wahrscheinlich Nestorianer, bis zu Chinas Ostküsten vor, ihre Schiffe fuhren bis in das 5. Jahrh. regelmäßig nach Mailapur (bei Madras) [* 38] an Vorderindiens Ostküste, einem Wallfahrtsort für die asiatischen Christen als Ort des Märtyrertodes des Apostels Thomas. Im 13. Jahrh. führten katholische Missionäre, an der Spitze Ruysboeck, bekannter unter dem Namen Rubruquis, und die Gesandten Ludwigs des Heiligen und des Papstes Innocenz IV. die beschwerliche Landreise nach aus. 1274 begann der Venezianer Marco Polo (s. d.) seine Fahrten an den Hof der Mongolenkaiser, von wo er 1295 nach Venedig [* 39] zurückkehrte. Zu einem ununterbrochenen Verkehr mit China kam es im 16. Jahrh. nach Entdeckung des Seewegs nach Indien. 1517-45 hatten die Portugiesen einen Handelsplatz zu Ningpo; vertrieben, setzten sie sich in Macao fest. 1651 wurden die Bewohner dieser Kolonie als chinesische Unterthanen aufgezeichnet und durften ohne Erlaubnis weder neue Kirchen noch neue Häuser bauen.
Die Spanier genossen ebenfalls das Recht, nach Macao, nach Kanton und Amoy Handel zu treiben. Die Holländer erschienen 1607 zum erstenmal vor Macao, ließen sich 1620 auf Formosa nieder und erhielten Handelsfreiheit gegen das Versprechen, sich auf diese Insel zu beschränken, mußten sie aber 1662 wieder räumen. Spätere Gesandtschaften erreichten wenigstens Wiederanknüpfung der Handelsverbindungen. Den Russen, den unmittelbaren Grenznachbarn der Chinesen, wurde 1646 der Handelsverkehr unter erschwerenden Bedingungen gestattet. Eine Gesandtschaft beglich 1688 unter Peter d. Gr. Grenzstreitigkeiten. Rußland erlangte die Erlaubnis, jährlich einmal eine Karawane nach Peking zu senden, sowohl des Handels wegen, als auch um den schuldigen Tribut in Geschenken zu entrichten. Seit dieser Zeit unterhält Rußland in Peking eine »geistliche Mission«, bestehend aus zehn Mitgliedern, durch deren fleißige Arbeiten Rußland über chinesische Verhältnisse früher genauer ¶
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unterrichtet war als die Westmächte. Einen größern Druck auf China erreichte es durch Erwerbung seiner Amurbesitzungen (s. d.) mit dem Vertrag von Aigun Frankreich trieb seit 1660 einen lebhaften und ergiebigen Handel nach China, der jedoch infolge der Revolutionskriege eine längere Unterbrechung erlitt. Über die Deutschen gibt uns die Geschichte Kantons von dem ehemaligen Gouverneur Juen folgende Notizen: »Die Bewohner des Reichs des Adlerpaars (Österreich) [* 41] fuhren zum erstenmal durch die Tigrismündung im 45. Jahr Kienlung (1781) und heißen Taschen oder Deutsche. [* 42] Sie haben die Religion des Herrn des Himmels angenommen. In Sitten und Gewohnheiten sind sie von den Portugiesen nicht verschieden. Die Preußen [* 43] (die Bewohner des Reichs des einfachen Adlers) fuhren zum erstenmal durch die Tigrismündung im 52. Jahr Kienlung (1788).« Die Engländer konnten längere Zeit keine Aufnahme finden; erst 1670 wurde ein für sie nicht ungünstiger Vertrag abgeschlossen.
Schon 1687 gaben sie jedoch ihre Niederlassungen auf Formosa wieder auf, und seit 1693 waren sie auf Kanton beschränkt, durften aber auch hier mit Chinesen nicht in direkten Verkehr treten, sondern mußten sich der privilegierten chinesischen Kompanie der Hong als Vermittler bedienen. Die Gesandtschaften von 1792 und 1816 suchten vergeblich Aufhebung dieser Beschränkung und Eröffnung andrer Häfen zu erwirken. Als 1834 die Ostindische Kompanie ihr Monopol verlor und der Handel mit China allen Bewohnern Großbritanniens freigegeben wurde, mußte der stärkere Zuzug neuer Firmen die Schwierigkeiten vermehren und Zwiste hervorrufen; die von China verbotene, von der britisch-indischen Regierung dagegen begünstigte Einfuhr von Opium führte sodann zum sogen. Opiumkrieg. 1834 ward von der englischen Regierung Lord Napier mit entschiedenen Instruktionen nach Kanton abgesandt. Am landete Napier in Macao, verfügte aber ganz über den Kopf der chinesischen Regierung hinweg; am 2. Sept. erließ der Gouverneur dagegen ein Edikt, worin die vorläufige Einstellung des britischen Handels verfügt wurde.
Napier ließ hierauf zwei Kriegsschiffe in den Fluß einlaufen, um die englischen Unterthanen und ihr Eigentum zu schützen, fand sich aber schließlich veranlaßt, nachzugeben, und reiste nach Macao ab, wo er 11. Okt. starb. Unter seinen Nachfolgern Francis Davis und Robinson stellte sich ein leidliches Verhältnis her, 1836 wurde Kapitän Elliot zum Oberaufseher des Chinahandels ernannt. Der Opiumschmuggel wurde immer offener betrieben, hingegen erschien ein kaiserliches Edikt, daß alles an Bord der Schiffe befindliche Opium auszuliefern sei.
Der britische Bevollmächtigte konnte nicht hindern, daß der Faktoreibezirk Kanton von allem Verkehr abgeschnitten und förmlich in Blockadezustand versetzt wurde; er forderte daher 27. Mai die in Kanton befindlichen Kaufleute auf, alles in ihrem Besitz befindliche Opium ihm sogleich behufs der Auslieferung an die chinesische Regierung zu übergeben. Demgemäß wurden 20,263 Kisten Opium im Wert von 2,500,000 Pfd. Sterl. den chinesischen Behörden ausgeliefert und die Opiumeinfuhr für alle Zukunft mit dem Tod bedroht.
Die englischen Kaufleute flüchteten nach Macao. Aus Anlaß der Tötung eines Chinesen durch englische Matrosen verlangte der kaiserliche Kommissar die Auslieferung des Schuldigen; infolge davon kam es 2. Nov. in der Hongkongbai zu einem Seegefecht, in welchem die Chinesen unterlagen. Ein kaiserliches Edikt vom 5. Jan. erklärte darauf die Engländer für außerhalb des Gesetzes, hob allen Handel mit ihnen für immer auf und bedrohte auch jedes andre Volk, welches sich der Einführung ihrer Waren unterziehen wollte, mit den härtesten Strafen.
Nun schritt das englische Ministerium zu ernsten Maßregeln; ein Krieg sollte vermieden werden, und so wurden vorerst 3000 Mann unter dem Admiral Sir George Elliot abgeschickt. Am 21. Juni ward die Blockade der Stadt Kanton und des Stroms verfügt, am 23. die Insel Tschouschan besetzt und an der Küste von Tschekiang gekreuzt. Vor Tinghai, der Hauptstadt der Insel Tschouschan, fand man nur schwachen Widerstand, vor Amoy wurde eine Anzahl Kriegsdschonken in den Grund gebohrt, die Bocca-Tigris (s. d.) fortwährend blockiert.
Ein Schreiben Lord Palmerstons an den Kaiser wurde offen zurückgegeben, dafür aber wurden Ningpo und Schanghai nebst allen Häfen bis an den Ausfluß [* 44] des Jantsekiang in Blockadezustand erklärt. Die Einnahme eines Forts von Macao und die Einfahrt eines Dampfers samt den Booten aller Kriegsschiffe in den Peihofluß schüchterte dann die Chinesen so ein, daß sie sich zur Annahme des Schreibens bequemten. Die Chinesen knüpften jetzt Unterhandlungen an, welche sie jedoch nicht ernstlich meinten; sobald dies feststand, begab sich der Admiral Elliot von der Insel Tschouschan nach dem Kantonfluß.
Als ein kaiserliches Edikt die Ausrottung der Barbaren befahl, griffen die Engländer die beiden Forts an der Tigrismündung an und eroberten sie nach kurzem Kampf. Schon bereiteten sie sich vor, auch die andern Forts am Einfluß des Tschukian (Perlenflusses) und das Fort auf der Tigrisinsel anzugreifen, als chinesischerseits Waffenstillstand erbeten wurde. Die Unterhandlungen führten zu einem Präliminarvertrag, zufolge dessen der Kaiser die Insel Hongkong an die Engländer abtrat, sich zu einer Geldentschädigung von 6 Mill. Doll., in sechs Jahren zahlbar, verpflichtete und die beiden Staatsregierungen auf den Fuß einer vollkommenen Gleichheit stellte, wogegen England die Insel Tschouschan räumte.
Unter nichtigen Vorwänden zog China die Ratifikation des Vertrags hin; daher eröffnete Elliot 24. Febr. die Feindseligkeiten von neuem, griff die Forts im Perlenfluß an, und nach kurzer Zeit wehte auf allen die britische Flagge; der Strom bis Kanton befand sich in der Gewalt der Engländer. Der kaiserliche Kommissar erbat und erhielt 20. März einen Waffenstillstand bewilligt; aber die chinesische Regierung erließ eine neue kaiserliche Proklamation gegen die Engländer in Kanton, wonach aller Verkehr mit denselben abgebrochen werden und einem Korps von 8000 Mann der besten Truppen die Wiedereroberung der Stadt Kanton und die Vertreibung der Barbaren von der Küste befohlen, auch auf die Köpfe der englischen Befehlshaber hohe Preise gesetzt wurden.
Wieder segelte die Flotte mit den Landungstruppen den Strom hinauf, die beiden im Westen der Stadt Kanton gelegenen Forts wurden genommen, und es sollte zum Angriff der Stadt geschritten werden, als sich die geängstigte chinesische Regierung anheischig machte, an England binnen einer Woche 6 Mill. Doll. zu zahlen. Die englischen Truppen sollten in ihrer Stellung bleiben; alle auf dem Fluß weggenommenen chinesischen Fahrzeuge sollten zurückgegeben, aber entwaffnet werden, desgleichen die Forts; die durch die Plünderung der Faktoreien etc. entstandenen Verluste sollten binnen 6 Wochen erstattet sein. Bis zum 1. Juni wurden 5 Mill. gezahlt, das Benehmen der chinesischen Behörden war ¶