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umfaßt mit der zu Kuangtung gehörigen Insel Hainan (36,195 qkm) und dem zu Fukian gehörigen Formosa (38,803 qkm) ein Areal von 4,024,690 qkm mit 350 Mill. Einw., welche sich auf die 18 Provinzen des Reichs wie folgt verteilen:
Provinzen | QKil. | Bewohner |
---|---|---|
Petschili | 148357 | 28000000 |
Schantung | 139282 | 29000000 |
Schansi | 170853 | 14000000 |
Honan | 173350 | 23000000 |
Kiangsu | 103959 | 37800000 |
Nganhui | 139875 | 34200000 |
Kiangsi | 177656 | 23000000 |
Fukian | 157320 | 14800000 |
Tschekiang | 92383 | 8100000 |
Hupei | 179946 | 27400000 |
Hunan | 215555 | 18700000 |
Schensi | 210340 | 10200000 |
Kansu | 674923 | 9285377 |
Setschuan | 479268 | 35000000 |
Kuangtung | 269923 | 19200000 |
Kuangsi | 201640 | 7300000 |
Jünnan | 317162 | 5600000 |
Kueitschou | 172898 | 5300000 |
Die Bevölkerungszahlen beziehen sich, mit Ausnahme der für Tschekiang und Setschuan auf v. Richthofens Schätzungen fußenden, auf den Zensus von 1812. Schätzungen der Bevölkerung [* 2] wurden schon in den allerfrühsten Zeiten vorgenommen, als Grundlage diente die Zahl der Familien, der Steuerpflichtigen u. a.; die erste Zählung nach Individuen geschah auf Anregung der französischen Missionäre 1749 und ergab 177 Mill. Einw., es folgten noch acht, deren letzte (1794) 333 Mill. Seelen ergab.
Bis 1852 sollte die Bevölkerung auf 420 Mill. angewachsen sein, danach haben aber Hungersnot und die Taiping-Rebellion viele Millionen dahingerafft. Da die Bevölkerungsstatistik hauptsächlich von solchen Beamten beeinflußt wird, die von ihren Unterbeamten eine nach der Einwohnerzahl der Distrikte bemessene Steuer erheben, da ferner in den sehr häufigen Fällen der Unterstützungsbedürftigkeit notleidender Provinzen die von der Zentralregierung auszusetzenden Fonds nach der Bevölkerungszahl bemessen werden, so liegt es im Interesse gewisser Parteien, die Bevölkerung größer zu machen, als sie in Wirklichkeit ist. China [* 3] ist noch immer unvollkommen bekannt; die Ufer des Jantsekiangflusses und die Küstenprovinzen sind allein ausführlicher beschrieben. v. Richthofen ist 1868-71 allerdings bis tief in das Innere vorgedrungen, und die Ergebnisse seiner Reisen liegen bis jetzt in vier Bänden vor, die eine außerordentliche Bereicherung unsrer Kenntnis Chinas enthalten, die aber auch durch die Anregung unzähliger neuer Fragen und Einführung neuer Gesichtspunkte beweisen, wie gering unser jetziges Wissen ist.
Bodengestaltung. Bewässerung. Klima.
Der Oberflächengestaltung nach zerfällt das Reich in ein Hochgebirgsland (im W. und NW.) und in ein Stufen- und Tiefland (im SO. und O.). Man nimmt an, daß das südliche Gebirge mit dem Himalaja zusammenhänge. Diese Südkette (Nanling, Nantschang) streicht unterm 26.° nördl. Br. und trennt die südlichen Provinzen von den nördlichen. In der Mitte von Kueitschou sollen noch Gipfel von Schnee [* 4] und Gletscher sein; das Gebirge, das nur von wenigen Pässen durchschnitten wird, bildet die Sprachgrenze zwischen den nördlichen und südlichen Dialekten. Das zweite Parallelgebirge, von Richthofen unter dem Namen Funiuschan (statt Peling) eingeführt, scheint der östliche Ausläufer des mächtigen Kuenlün in Zentralasien [* 5] zu sein und erhebt sich 1220-1520 m Höhe, während die Pässe in 300 und 450 m Höhe liegen. Zwei Dritteile der ganzen Fläche des eigentlichen China sind Bergland. Nach den Verhältnissen der Höhe können wir drei große Regionen unterscheiden:
1) Das Alpenland im W. und NW. begreift die Provinzen Schensi, Kansu, Schansi, Setschuan, Jünnan und Kueitschou.
2) Die Stufenländer der Südkette (Nanling, Nantschang) fallen nach S. dem Meer zu terrassenförmig ab und ebenso nördlich. Dieser oft kahlen und unfruchtbaren Region gehören an die Provinzen Kuangsi, Kuangtung, Fukian, Tschekiang; die Binnenprovinzen Honan, Kiangsi und Nganhui, welche zum Teil den zweiten innern Terrassenabfall bilden, nehmen am Bergcharakter teil, gehören aber der größern Fläche nach zur nächsten Abteilung.
3) Das Tiefland, die große Alluvialebene zu beiden Seiten des untern Jantsekiang, des Huangho und Peihoflusses, nach O. dem Meer zu sich öffnend, auf den übrigen Seiten von den Abhängen des Alpenlandes begrenzt, ist ein weites seenreiches, oft sumpfiges Kulturland, meist aus Löß bestehend, auf welchem die Dichtigkeit der Bevölkerung und die sorgfältige Bodenbearbeitung eine Höhe erreicht haben wie wohl nirgends sonst. Zu dieser Region gehören die Hauptproduktionsgebiete von China, die Provinzen Hupei, Teile von Hunan, Kiangsi und Nganhui, Kiangsu, Schantung und Petschili.
Die Bewässerung ist in China reichlicher, sowohl durch Flüsse [* 6] wie durch Kanäle, als wohl in irgend einem andern Lande; die Kanäle fangen aber bei der schlechten Wirtschaft der Regierung zu verfallen an und sind teilweise schon unbenutzbar. China hat zwei große Flußsysteme, das des Huangho und des Jantsekiang. Der Huangho (»gelber Fluß«) mündet in den Golf von Petschili, etwas südlich des 38.° nördl. Br. Seine Länge wird auf 4000-4200 km geschätzt, sein Stromgebiet auf 1,850,000 qkm (33,600 QM.). Mit Dampfern kann er nur stellenweise im Mittellauf befahren werden, vom Meer aus ist er nicht schiffbar. An einer Stelle an seinem Ausfluß [* 7] setzt der Strom über eine seichte Barre.
Sein Wasser dient vor allem der Bewässerung; weithin verheerend wirkt er durch seine Überschwemmungen, gegen welche riesige Erdwerke angelegt sind (vgl. Huangho). Der zweite große Strom Chinas, der Jantsekiang (von den Chinesen auch Takiang, »großer Fluß«, oder Tschangkiang, »langer Fluß«, genannt), hat eine Länge von etwa 5300 km (mit den Krümmungen) und ein Stromgebiet von über 1,870,000 qkm (34,000 QM.). Er vereinigt sich mit dem Jalungkiang unter 26° 30' nördl. Br. und 101° 52' östl. L. v. Gr.; die Quellen beider Flüsse liegen in Tibet.
Der Strom ist für Dampfer kaum über Itschang (Provinz Hupei) hinaus schiffbar, für Barken noch über Sutschou in Setschuan hinaus. Er ist die Hauptverkehrsader mit dem Innern des Landes; die größten Handelsstädte liegen an ihm, und die Hauptsumme des chinesischen Kapitals ist hier aufgehäuft. Zerstörend wirkt er durch den außerordentlich starken Wechsel im Wasserstand. Von Itschang ab beträgt sein Gefälle 17 cm auf 1000 m, d. h. es ist fast doppelt so stark als das des Nils und Amazonenstroms, dreimal so groß als das des Ganges.
Auch er überschwemmt und verheert im Sommer große Strecken der obern Provinzen, insbesondere von Hupei und Nganhui. Um einen Begriff von den riesigen Dimensionen zu ermöglichen, in welchen sein Steigen stattfindet, sei erwähnt, daß in Hankeou die Differenz zwischen dem damaligen und dem mittlern Wasserstand während des Winters 11,6 m betrug; 103 Tage lang (bis 4. Okt.) war die europäische Ansiedelung der Überschwemmung preisgegeben, über 40,000 Einwohner der Chinesenstadt flüchteten sich nach den Hügeln. Der Strom wird seit Eröffnung des Hafens Itschang an der Grenze von Setschuan 1877 bis zu diesem Punkt ¶
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Dampfschiffen befahren. Die Mündung des Flusses bildet jetzt einen einzigen großen Arm, etwas südlich vom 32.° nördl. Br.; früher waren es drei Arme, von denen einer sich in die Hangtschoubai ergoß. Er erfährt auch in Tiefe und Fahrwasser so große Veränderungen, daß sich die 1842 für das Delta [* 9] aufgenommenen englischen Admiralitätskarten bereits 1858 unbrauchbar erwiesen (vgl. Jantsekiang). Von den übrigen Flüssen ist der längste der Sikiang, der im südöstlichen Jünnan entspringt und südlich von Kanton [* 10] mündet; seine Länge beträgt einschließlich der Krümmungen 1700 km und läßt sich mit der des Don und Tigris vergleichen.
Für größere Fahrzeuge schiffbar ist er nur bis zur Grenze von Kuangsi, sein Oberlauf ist selbst kleinen Schiffen unzugänglich. Schiffbar ist dagegen bis über Nanning hinaus ein südlicher Nebenfluß, der Jükiang (beschrieben von Moß, Narrative, etc., of an exploration of the West River, Hongkong 1870). Der Peiho oder Nordfluß, welcher an Peking [* 11] vorbei strömt, hat seinen Ursprung im südlichen Randgebirge der Mongolei;
er hat bei Tiëntsin, dem Hafenort von Peking, 54-73 m Breite; [* 12]
seine durchschnittliche Tiefe zwischen hier und Taku beträgt 3,6-5,5 m. Der Fluß wird mit Barken bis Tungtscheu befahren;
das Einlaufen in seine Mündung erschwert eine Barre.
Mit Landseen ist die Ebene übersäet;
der größte, der Tungting, liegt südlich am Jantsekiang;
der zweitgrößte, ebendort, ist der Pojangsee;
im N. des Flusses liegt der Kaojusee.
Ein Netz von Kanälen, das an Ausdehnung [* 13] und vielfachster Verzweigung seinesgleichen nicht hat, bedeckt das Tiefland; sie dienen statt der sehr seltenen Kunststraßen in ergiebiger Weise dem Transport von Personen wie Waren und sind zugleich für die Bewässerung von höchster Wichtigkeit. Der größte und wichtigste, zu dem sich die andern wie Äste und Zweige verhalten, ist der 1100 km lange und 80-330 m breite Kaiserkanal (meist Jünho, »Beförderungsfluß«, genannt), der, seit dem 7. Jahrh. n. Chr. nicht durch Ausgrabung, sondern durch Aufdämmung angelegt, aber erst unter der Mongolenherrschaft vollendet, mit dem Peiho in Verbindung steht, den Huangho wie Jantsekiang quer durchschneidet und bis vor kurzem die große Kommunikationslinie des Reichs bildete; jetzt gibt dieser Riesenbau nur noch Zeugnis von einstiger Größe und gegenwärtigem Verfall.
Der veränderte Lauf, den der Huangho nahm, verursachte den ersten großen Schaden am Kanalbau; da Reparaturen unterblieben, so befindet sich der Teil nordwärts vom alten Bette des Stroms in einem ganz verwahrlosten Zustand. Der südliche Teil hat bisher noch einen regelmäßigen Verkehr gestattet; aber wenn der Erhaltung dieses Werkes von seiten der Regierung keine Aufmerksamkeit geschenkt wird und die Vorschläge der fremden Ingenieure wie bisher mit Geringschätzung zurückgewiesen werden, so ist nicht nur der Einsturz eines Teils des Dammes, der den Kanal [* 14] vom Kaojusee trennt, in Bälde zu befürchten, sondern auch einer der fruchtbarsten Landstriche Chinas der Überschwemmung preisgegeben. Einen großen Teil seiner Wichtigkeit wird der Kaiserkanal durch die projektierte Eisenbahn von Schanghai [* 15] nach Tiëntsin verlieren.
Die Küste ist durch eine Menge von Buchten und Baien, von Vorsprüngen und kleinen Halbinseln in hohem Maß gegliedert; so besonders auf der Strecke von Hainan bis zur Mündung des Jantsekiang. Von da bis nördlich von Liaotung hin ist das Ufer bedeutend flacher und wegen seiner Untiefen für die Schiffer gefährlich. Das Lotsenwesen ist von den unter der Leitung des fremden Zolldienstes stehenden Hafenbehörden geordnet. Für die Beleuchtung [* 16] der Meeresküste sowie des Jantseflusses ist durch (1885) 75 Leuchtstationen und eine große Zahl von Bojen und andern Warnungszeichen gesorgt (s. »List of Chinese Lighthouses, Buoys and Beacons«, Schanghai, jährlich erscheinend).
Zwischen den Mündungen der beiden großen Ströme gibt es nur wenige gute Häfen, dagegen bietet die aus lehmfarbigen Klippen [* 17] bestehende Küstenstrecke von Ningpo bis Hongkong gute und sichere Ankergründe. Große Gefahren bringen die Cyklone oder Taifuns (»Wirbelstürme«),
welche in ihrem Bereich alle Schiffe, [* 18] Häuser etc. vernichten. Größere Golfe sind der von Liaotung und von Petschili im N., der von Tschekiang an der Ostküste und die Busen von Kanton und Tongking [* 19] an der Südseite. Unter den zahlreichen Inseln, welche die Küste umsäumen, sind außer Hainan und Formosa die Inselgruppen im Golf von Kanton und im Golf von Hangtschou (worunter die größte Tschouschan) hervorzuheben.
Das Klima [* 20] eines Landes von solcher Ausdehnung wie China ist begreiflicherweise sehr verschieden. Seine Jahrestemperatur wechselt zwischen der von Unteritalien oder des nördlichen Afrika [* 21] und jener von Stockholm; [* 22] die Wintertemperatur seines nördlichen Strichs kommt ungefähr jener der nördlichen Länder Österreichs gleich. Die jährliche Durchschnittstemperatur wechselt von 10° C. in Peking (40° nördl. Br.) bis 21° in Kanton (23° 12' nördl. Br.). Die Sommertemperatur ist fast in ganz China sehr hoch, so daß sie im Schatten [* 23] bis auf 38° steigt;
das Mittel ist für Peking 25,6,° in Kanton 34,8° C.;
am mittlern Jantsekiang wird die Wärme [* 24] schon im Mai drückend bei mittlern Tagestemperaturen von 27-30° C. Die Wintertemperatur wechselt in den nördlichen Provinzen im Mittel zwischen 2 und 14° C.;
der Winter beginnt hier im November und Dezember und endet im März und April. Im mittlern China dauert der Winter von Anfang Dezember bis Ende Februar. Im südlichen China beträgt die Wintertemperatur in den Niederungen meist 15°;
im Januar und Februar sinkt sie auf 10°, auch noch tiefer;
es fällt nur in den höchst gelegenen Orten Schnee, und es bildet sich selten eine Eiskruste von ½ cm Dicke.
Das Charakteristische im Klima Ostasiens ist die Herrschaft des Monsuns. Im Winter weht fast ausschließlich der Nordostmonsun, dabei klarer Himmel, [* 25] wenig Niederschlag, hoher Barometerstand;
im Sommer wird der südwestliche Seewind weit in das Land hineingezogen, Niederschläge finden periodisch statt und nicht in kleinen, unregelmäßigen Zwischenräumen, wie in Europa; [* 26]
die Regenzeiten wiegen im Sommer vor, dagegen ist in den innern Provinzen, wie Setschuan, die Verteilung des Regens auf die Jahreszeiten [* 27] fast genau umgekehrt;
auch hier ist das Klima aber noch mild, die kühlsten Sommer hat im S. die Provinz Jünnan.
Naturprodukte.
Die mineralischen Schätze Chinas sind sehr bedeutend. Gold [* 28] kommt teils im Quarz, teils im Sande der Anschwemmungen des Jantsekiang, Schantung, Schengking, des Minflusses, auf der Insel Hainan, in Kuangtung, Jünnan und Kueitschou vor; von dort und aus den Bergwerken der Mandschurei stammt der größte Teil des auf die chinesischen Märkte und nach Indien gelangenden Goldes. Silber kommt aus Kuangtung, von Hainan, aus Kuangsi, Jünnan, Honan, Schensi und Kansu; die Verhüttung der reichen silberhaltigen Bleierze von Schantung ist aber ¶
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untersagt. Salz [* 30] wird aus dem Seewasser an den Küsten und aus Solquellen, Steinsalz im W., besonders in Setschuan und Jünnan, gewonnen; die Salzgewinnung [* 31] aus Seewasser ist bedeutend. Das Salz ist kaiserliches Monopol, von 600 g wird durchschnittlich eine Abgabe von 2½ Pf. erhoben. Steinkohlen sind über ein Areal von über 200,000 QM. verbreitet; v. Richthofen hat nachgewiesen, daß keiner der 18 Provinzen Kohlenfelder fehlen. Auch der Norden [* 32] der Insel Formosa hat Steinkohlenlager. In größter Ausdehnung hat man Kohle im nördlichen China aufgefunden.
Den ersten Rang nehmen die Südhälfte von Schansi (83,000 qm), das südliche Hunan (600,000 Ton. jährlich), ferner Kuangtung und Kiangsi ein. Aber obwohl der Abbau sehr leicht und jedem freigegeben ist, wird der Preis doch durch Zwischenhändler so hoch hinaufgetrieben, daß in den Seestädten englische Kohle billiger ist als einheimische; neuerdings macht japanische und australische Kohle Konkurrenz. Der Gebrauch der Steinkohle läßt sich schon im 3. Jahrh. v. Chr. nachweisen; gegenwärtig wird dieselbe in der Haushaltung als Brennmaterial vorwiegend im N., ungern in den weiter südlich gelegenen Provinzen verwandt, wo sie oft durch Holzkohle ersetzt wird.
Eisen [* 33] ist sehr verbreitet, die mächtigsten Lager [* 34] kommen zusammen mit Steinkohle vor; nach Plinius bezog bereits der römische Markt das beste Eisen von den Serern. Eine große Menge Menschen findet jetzt wie im Altertum in den Eisenwerken von Schansi Beschäftigung, aber die bergmännische Bearbeitung der Felder wie die Verarbeitung des Erzes ist noch eine höchst primitive; auch Kuangtung und Kuangsi erzeugen Eisen, das hauptsächlich in den Kurzwarenwerkstätten der großen Fabrikstadt Fuschan bei Kanton zur Verwendung kommt. Reiche Lager von Kupfer [* 35] (Jünnan und Kueitschou), Quecksilber, Zinn, Nickel sowie von wertvollen Steinen finden sich an vielen Stellen.
Die Pflanzenwelt wechselt nach den verschiedenen Teilen. Im südlichen Küstengebiet gedeihen Palmen, [* 36] Zuckerrohr (besonders in Formosa), Bananen, Bataten, Yams und andre Gewächse warmer Länder. Zwischen dem 25. und 35.° nördl. Br., im Tiefland (besonders in den Niederungen der großen Flüsse), wird Reis gebaut; auch gibt es hier Orangen, Zitronen, auch wohl noch Zuckerrohr. Wichtige Ausfuhrprodukte sind: der vegetabilische Talg vom Talgbaum (Stillingia sebifera), der in der Umgebung von Ningpo in großer Menge kultiviert wird;
Kampfer aus dem östlichen China und besonders von Formosa;
Zimt vom Cassia oder Zimtbaum in Jünnan, Kuangtung und Kuangsi (der chinesische Zimt ist weniger aromatisch, aber billiger als jener von Ceylon [* 37] und Malabar).
Die eigentliche Charakterpflanze Chinas sowie sein Welthandelsartikel ist die Theepflanze: ihr Anbau zieht sich über 28 Breiten und 30 Längengrade hin, sie gedeiht aber am besten im mittlern China zwischen 27 und 30° nördl. Br., wo die mittlere Jahrestemperatur zwischen 16,7 und 20° C. schwankt, und wo auf starken Regenfall heiteres Wetter [* 38] und Hitze folgen, das eine ebenso nötig zum üppigen und raschen Wachstum der Blätter wie das andre für den Wohlgeruch und die Güte der Qualität.
Die Baumwollstaude wird vorzüglich im mittlern China gebaut; ihr Produkt ist kürzer als das der amerikanischen und ägyptischen, auch nicht reinlich bereitet und fand nur zur Zeit des nordamerikanischen Kriegs Absatz nach Europa. An Arzneipflanzen [* 39] ist China reich; der Rhabarber ist vorzüglich, eine Menge andrer sind erst in den letzten Jahrzehnten bekannt geworden (vgl. den offiziellen Katalog der von der chinesischen Zollbehörde ausgestellten Handelsprodukte bei der Wiener Weltausstellung von 1873). Der Mohnbau zum Zweck der Gewinnung von Opium, der bereits während der ersten Hälfte des 18. Jahrh. über Tibet von Indien aus in China eingeführt sein soll, nimmt jetzt einen bedeutenden Teil der Ackerfläche von Setschuan und Jünnan ein und verbreitet sich allmählich über alle Provinzen des Reichs; an Stärke [* 40] steht aber das chinesische Produkt dem indischen bedeutend nach.
Hirse [* 41] und Weizen sind die Hauptcerealien, Roggen scheint nicht gebaut zu werden; an Gemüsearten ist ein großer Reichtum. Die Weinrebe, die im 2. Jahrh. v. Chr. vom General Tschangkhien aus Zentralasien in China eingeführt wurde, kommt wild vor, wird jedoch auch gezogen; die Trauben werden aber nur in frischem Zustand genossen. Der Maulbeerbaum wird bei der großen Seidenkultur überaus häufig angebaut, der nützliche Bambus findet sich in allen Dörfern; die Wälder sind im Rückgang begriffen.
Was das Tierreich betrifft, so hat sich aus den kultivierten und dicht bevölkerten Provinzen längst alles Wild in die entlegenern Landstriche zurückgezogen. Von reißenden Tieren zeigt sich noch am häufigsten der Tiger, der in der Nähe von Amoy noch in den letzten Jahren gejagt wurde; Bären kommen im W. vor, Affen [* 42] im SW. und auf der Insel Hainan. Der Riesensalamander, von dem man bisher nur die Sieboldia maxima Japans kannte, wurde neuerdings auch in China entdeckt. Jagdbare Tiere sind: Hirsche, [* 43] wovon einige Arten China eigentümlich sind, auch Rehe, Hasen, sehr schöne Fasanen, zahllose wilde Enten [* 44] etc. Elefanten und der Schabrackentapir (Tapirus indicus) werden in Jünnan angetroffen, das Moschustier in den westlichen Provinzen.
Geflügel ist zahlreich, ebenso Hunde [* 45] und Katzen. [* 46] Zu den Haustieren gehört im N. das zweihöckerige Kamel; eine Art Pony, das kleine mongolische Pferd, [* 47] bildet dort Steppenherden oder wird als Haustier in Ställen gehalten. Sonst wird Viehzucht [* 48] im großen nur im nordwestlichen China getrieben, wo die Tataren große Schaf [* 49] und Rinderherden halten. Büffel und Ochsen, von denen es zwei Varietäten gibt, mit und ohne einen kleinen Schulterhöcker, werden nur zum Ackerbau gezogen; sie nähren sich im Sommer vom Gras zwischen den Feldern oder auf den an den Kanälen noch übriggelassenen Bodenflächen, auf welchen sie an einer Schnur herumgeführt werden; im Winter bildet Reis und Weizenstroh, Ölkuchen etc. ihr Futter.
Esel und Maultiere sind in der Provinz Schantung und in andern hügeligen nördlichen Provinzen vielfach im Gebrauch. Überall findet man kleine, kurzbeinige, leicht Fett ansetzende Schweine [* 50] von runder Körperform mit eingebogenem Rücken und sparsamer schwarzer Haarbedeckung; man gibt ihnen grob gemahlene oder zerstampfte Bohnen in einer mit verschiedenen Küchenabfällen vermischten Flüssigkeit. Schafe [* 51] sind im südlichen China ziemlich selten, doch sind die mongolischen Hämmel berühmt.
Enten werden im mittlern und südlichen China in enormen Quantitäten gezogen, und der Kormoran wird in den Gewässern der mittlern Provinzen zum Fischfang abgerichtet. Die Bienenzucht [* 52] ist namhaft nur in Hunan und Hupei; Baumwachs kommt von einem Insekt (Coccus pela), welches auf Eschen lebt. Die Seidenraupe wird im ganzen Reiche gezogen (s. unten). Fische [* 53] finden sich in unermeßlicher Menge und bilden einen Hauptartikel der Nahrung; zu den China eigentümlichen Arten gehören die 1611 nach Europa gebrachten Goldfische. Die künstliche Fischzucht ist den Chinesen schon ¶
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seit den frühsten Zeiten bekannt (vgl. die Kataloge und Spezialschriften, betreffend die von der chinesischen Zollbehörde veranstaltete Ausstellung chinesischer Fischereiartikel bei Gelegenheit der ersten internationalen Fischereiausstellung in Berlin [* 55] 1880). An den Südküsten sind Austern sehr gewöhnlich. An Schmetterlingen und Käfern sind China viele Arten eigentümlich. Heuschreckenschwärme sind selten; der erste, den die Geschichte verzeichnet, fand 706 v. Chr. im nördlichen China statt. Jährlich richten dagegen die wilden Schweine große Verheerungen an, die besonders im W. der großen Ebene sehr zahlreich sind und ungestört sich vermehren können, da die Chinesen keine Jagdliebhaber sind.
Bevölkerung. Kulturverhältnisse.
Die Bevölkerung Chinas (vgl. S. 1 und 2) bestand ursprünglich aus tibetischen, birmanischen und siamesischen Stämmen, deren Überreste, die Sisan, Lolo und Miaotse, wir heute in Jünnan, Kueitschou und im NW. der Provinz Kuangtung sehen. Sie wurden in ihre jetzigen Wohnsitze zurückgedrängt durch ein von NW. (nach der chinesischen Mythologie vom Kuenlün) einwanderndes Volk, welches gegenwärtig den Grundstock der mit allerlei andern mongolischen Elementen vermischten eigentlichen Chinesen bildet.
Später kamen als Eroberer die Mandschu hinzu, ein zum tungusischen Zweig der Altaier gehöriger Stamm, welche sich des Throns bemächtigten und heute in den wichtigern Städten, wo sie die sogen. Tatarenstadt bewohnen, die Besatzung bilden. Außer diesen sämtlich der großen mongolischen Rasse und, mit Ausnahme der Mandschu, den Völkern mit einsilbigen Sprachen angehörigen Stämmen wohnen einige Tausende von Nichtchinesen in den dem fremden Handel geöffneten Traktatshäfen (s. unten). Die Zahl dieser letzten belief sich im Januar 1885 auf nur 6364 (2704 Engländer, 554 Deutsche, [* 56] 790 Japaner, 21 Amerikaner, 424 Franzosen, 286 Spanier u. a.).
Die eigentlichen Chinesen (s. Tafel »Asiatische Völker«, [* 57] Fig. 17) sind selten über 1,52 m groß, die Frauen meistens noch kleiner. Das Gesicht [* 58] ist rund;
die Augen sind klein, eng geschlitzt, weit voneinander abstehend, stets schwarz, häufig schief gestellt und mit dicken Augenbrauen überzogen;
die Backenknochen sind hervorstehend;
die Nase [* 59] ist klein und gedrückt, die Stirn niedrig und unbedeutend;
die Lippen sind dicker als bei den Europäern;
selten bedeckt ein meist dünner Bart Kinn und Oberlippe;
das Haar [* 60] ist straff und schwarz.
Das Haupthaar wird seit der Eroberung Chinas durch die Mandschu (1744) geschoren bis auf einen Büschel am Scheitel, der in einen Zopf gebunden wird und über den Rücken frei herabhängt. In der Muskelbildung stehen die Chinesen den kaukasischen Rassen nach; eine gewisse Schlaffheit der Gesichtsmuskeln verleiht dem Mann einen weibischen Typus. Die Bewohner des nördlichen China sind im allgemeinen stärker gebaut als jene der mittlern und südlichen Provinzen; die letztern sind auch dunkler als die mehr rötlichen Bewohner des Nordens, während die des mittlern China blaßgelb sind.
Die Bewohner der Gebirge zeichnen sich unvorteilhaft durch Roheit und Unzugänglichkeit aus. Der gesellschaftlichen Stellung nach werden vier Volksklassen unterschieden: Gelehrte, Ackerbauer, Handwerker und Kaufleute. Geburtsadel spielt gegenüber dem Einfluß des Beamtenstandes eine geringe Rolle. Nicht die Prinzen, sondern die mit öffentlichen Ämtern bekleideten Männer bilden die Aristokratie; kaiserliche Prinzen ohne ein Amt sind Nullen, um die sich niemand kümmert.
Würden und Titel sind nicht erblich. Der Gelehrtenstand, der geachtetste unter allen Ständen, ergänzt sich aus allen Schichten der Bevölkerung, aus Armen und Reichen. Nur Gelehrte und die aus ihnen hervorgegangenen Regierungsbeamten gelten als höhere Klassen. Da aber alle Klassen dem Geld nachstreben und sich viele Gelegenheiten finden, die fehlenden Vorbedingungen zum Regierungsamt durch Geschenke etc., statt durch Wissen, sich zu verschaffen, so fehlt es dem Wohlhabenden nicht an Stützen zur Erklimmung der Stufe eines angesehenen Mannes.
Die niedern Grade sind mit zeitlichen Gütern nicht reichlich bedacht und neigen in ihrem Leben wie in ihren Bestrebungen mehr zur Einfachheit hin. Die Sklaverei, wenn auch nicht im Sinn der Negersklaverei, ist eine hergebrachte Einrichtung des chinesischen Haushalts; der als Kind gekaufte Sklave wird, wie der servus der Römer, [* 61] als Glied der [* 62] Familie betrachtet, kann aber auch weiter verkauft werden. Der zum Frondienst verurteilte Verbrecher wird dauernd seiner persönlichen Freiheit beraubt. Im 3. Jahrh. n. Chr. wurde den Armen erlaubt, ihre Kinder zu verkaufen; hieraus entstand die Privatsklaverei.
Diese Kaufsklaven werden meist wie Kinder behandelt und sind gegen Mißhandlung durch Gesetze geschützt. Die weiblichen Haussklaven gehen mit der Verheiratung in die Gewalt des Mannes über. Beschränkungen im Genuß des vollen Bürgerrechts erleiden die Schauspieler und Prostituierten, die Scharfrichter, Gefängniswärter und unter den Dienern der Großen diejenigen, welche ihren Herren auf der Straße vorausgehen, um ihnen die gebührende Achtung zu verschaffen. Ihre und ihrer Kinder Ehre gilt bis in die dritte Generation als gemindert und zwar bei Schauspielern und Prostituierten, weil sie schamlosen Herzens seien, bei den übrigen, weil sie ein hartes Herz zeigen.
Die Sprache [* 63] der Chinesen besteht aus einsilbigen Wörtern. Bildung der Wörter aus den Wurzeln derselben, wie in unsern Sprachen, ist dem Chinesischen vollkommen fremd; die bestimmte Bedeutung der Wörter im Satz wird durch ihre Stellung hervorgebracht, welche strengen Gesetzen unterworfen ist. Diese im Prinzip überall gleiche Sprache zerfällt in die Schriftsprache und die Umgangssprache. Die Umgangssprache besteht aus zahlreichen Dialekten, welche in Aussprache und Artikulation so sehr voneinander abweichen, daß die Angehörigen einer Provinz die einer andern oft kaum verstehen.
Dies ist namentlich in den südlichen Provinzen der Fall. Allgemein verbreitet ist das sogen. Kuānhoá (»gemeinsame Verkehrssprache«); sie ist das Idiom der nördlichen Provinzen und als solches die Sprache des Hofes, der Beamten und der gebildeten Klassen. Die chinesische Schrift, deren Erfindung in ein hohes Altertum zurückverlegt wird, ist aus einer Bilderschrift, aus der unmittelbaren Wiedergabe der Anschauungen der Gegenstände selbst, hervorgegangen.
In der ältesten Zeit schrieb man mit einem Bambusgriffel, der in schwarzen Firnis getaucht wurde;
später trat an Stelle des Firnisses eine dicke Flüssigkeit, in welche fein geriebene Teile eines schwarzen Minerals eingemengt waren;
endlich seit 220 n. Chr. begann man Tusche zu verfertigen und zwar aus Rückständen einer unvollkommenen Verbrennung von Firnis und Fichtenzweigen, während jetzt die beste aus dem Ruß von Schweinefett gewonnen wird;
der Pinsel ersetzt den Bambus.
Die geistige Befähigung der Chinesen ist nicht gering: sie haben ganz selbständig auf eignem Boden, ohne anregende Berührungen mit fremden ¶
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Völkern, eine Reihe überraschender Erfindungen gemacht, eine umfassende, besonders encyklopädische, Litteratur hervorgerufen sowie in staatlichen Einrichtungen Größeres geschaffen als alle andern asiatischen Nationen. Diese Kultur darf uns aber doch keine besonders hohe Meinung von ihren Anlagen geben. Sie sind nicht umsichtig, orientieren sich schwer und erhalten ihre Ideen immer ausschließlich auf bestimmte Zwecke konzentriert; sie vergessen bei Verfolgung einer Aufgabe, deren Lösung im allgemeinen oder in einem gewissen Sinn sie sich vorgenommen haben, alles andre, führen dafür aber das Begonnene oft bis in die kleinsten Details mit staunenswerter Genauigkeit und unermüdlicher Geduld aus.
Alles in China bewegt sich in bestimmten Geleisen. Den Charakter der Chinesen kennzeichnet Gleichgültigkeit. Fleißig, nüchtern und mäßig in Speise wie Trank, im Sinn auf das Praktische gerichtet, machen sie als Kaufleute den Europäern auch aus Nationalgefühl erfolgreiche Konkurrenz. Feine und gefällige Umgangsformen findet man durchgehends in den östlichen Provinzen und im mittlern China; Zudringlichkeit und Unfreundlichkeit treten bei den Bewohnern des Südens hervor; geistig tief stehen und roh in Manieren sind die Bewohner des Westens. Diese Verschiedenheit spricht sich auch im Benehmen gegen die Europäer aus, die bald artiger, bald grober Behandlung ausgesetzt sind. Die Gebildeten sind den Europäern oft übelwollend. Treubruch und Verschmitztheit sind im Verkehr mit Europäern Grundzüge aller Chinesen.
Die Kleidung ist nach den Provinzen verschieden, doch hat sie einen durchaus ständigen Zuschnitt und ständige Bestandteile. Der gemeine Mann trägt Jacke und Beinkleid, der Reichere während des Sommers Beinkleid und ein langes, weites Obergewand von Seide [* 65] oder Leinwand ohne Kragen, mit weiten Ärmeln, das für gewöhnlich frei herunterhängt, aber auch durch einen seidenen Gürtel [* 66] zusammengehalten wird. An letzterm werden der Fächer [* 67] in seidener Scheide, ein gestickter Tabaksbeutel, eine Taschenuhr in einem gestickten Beutel, [* 68] eine Dose mit Feuerstein und Stahl getragen, zuweilen auch ein Messer [* 69] in einer Scheide und ein Paar Eßstöckchen.
Als Kopfbedeckung tragen die Beamten im Sommer kegelförmige Kappen aus Bambusgefäde, auf der Spitze mit einem Knopfe versehen, der den Rang des Trägers anzeigt, und von dem ein Büschel von karmesinroter Seide oder roten Pferdehaaren herunterhängt. Die Landleute tragen im Sommer große, schirmartige Bambushüte, gegen regnerische Witterung eine Art Rohrgestell, an welchem das Wasser abläuft. Der Stoff ist meist Baumwollzeug. Der komplette Anzug eines Arbeiters kommt auf 4-5 Mk. zu stehen und hält sechs Monate aus.
Tuch wird nur von Wohlhabenden getragen. Um der Kälte zu begegnen, tragen die niedern Volksklassen im Winter drei oder mehr baumwollene Kleider übereinander oder wattieren sie mit Baumwollabfall; Reichere kleiden sich in Tuch und Pelz. Die Feier- und Staatsanzüge sind außerordentlich kostbar und möglichst reich mit Seide und Gold bestickt, die Tressen sind jedoch vielfach falsch. Strümpfe, meist aus Baumwolle [* 70] oder aus Seide gewebt oder auch aus Baumwollzeug zusammengenäht, werden allgemein getragen, schmiegen sich jedoch in der Form nicht dem Bein an und werden unter dem Knie mit farbigem Strumpfband befestigt.
Die Schuhe sind aus baumwollenem oder seidenem Oberzeug gefertigt und mit papierener oder lederner Sohle versehen; Reiche tragen im Winter Schuhe von Tuch, Atlas [* 71] oder Samt. Der Landmann geht großenteils barfuß, die Lastträger pflegen Sandalen [* 72] von Stroh anzulegen. Vom Tragen weißer Wäsche, ebenso von Tisch und Betttüchern wissen die Chinesen nichts, wie denn überhaupt Reinlichkeit weder in der Kleidung noch am Körper den Chinesen nachzurühmen ist. Die Frauentracht ist ähnlich wie die der Männer, nur von größerer Länge und Weite;
ein Schleier wird nie getragen, Augenbrauen, Wange und Lippen werden geschminkt;
das Haar wird, je nach dem Geschmack;
bei Verheirateten in allerlei künstlichen Gestalten zusammengeordnet, mit Gold und Silbernadeln, mit Goldplättchen und Perlen sowie mit natürlichen und künstlichen Blumen aufgeschmückt;
die Unverheirateten lassen es in langen Zöpfen herabhängen.
Die Männer scheren das Haar am Vorder- und Hinterkopf kahl ab, während es um den Scheitel in einen Zopf zusammengebracht wird, der lang über den Rücken herabhängt. Dieser Zopf, der jetzt als wesentlicher Bestandteil eines echten Chinesen angesehen wird, ist übrigens keine uralte Kleidungssitte, sondern erst durch das jetzige Herrscherhaus eingeführt worden. Vor dem 40. Lebensjahr einen Schnurrbart, vor dem 60. weitern Bart zu tragen, ist gegen die Sitte. Neben dem Zopf gehören zu den Seltsamkeiten der Chinesen noch die lang gezogenen Nägel [* 73] an der linken Hand [* 74] und die verkrüppelten Füße der Frauen, indem man bei den Mädchen das Wachstum des Fußes durch Einzwängung dergestalt erstickt, daß er, mit dem Schuh bekleidet, wie eine Art Huf [* 75] erscheint und zum ordentlichen Gang [* 76] seine Fähigkeit verliert.
Die Wohnungen der Chinesen sind sehr verschiedener Art. Auf den Flüssen und in den großen Häfen leben viele ganz auf Schiffen, neben dem Wohnschiff befinden sich oft andre als Schweinestall oder Gemüsegarten. Andre leben auf festgelegten Flößen. Die Häuser sind einstöckig, höchstens zweistöckig und der Mehrzahl nach entweder bloß in ihrer Hinterwand oder in zwei Seitenwänden aus gebrannten oder ungebrannten Ziegelsteinen gebaut, sonst teils aus Brettern, teils aus mit Lehm angestrichenem Flechtwerk oder aus Matten zusammengefügt und sehen meist ärmlich und schmutzig aus.
Der Boden ist nicht gedielt und uneben; statt Glas [* 77] bedeckt Papier die Fensteröffnungen, und die Stuben sind stets ungenügend beleuchtet und gelüftet. Der Hausrat besteht aus wenigen Stühlen und Tischchen; als Bettstelle dienen im südlichen und mittlern China gewöhnlich zwei Schemel und einige daraufgelegte Bretter, auf welche zu unterst Stroh oder eine Strohmatte und darüber eine feine Binsenmatte zu liegen kommt; Federbetten sind unbekannt. Das Gebäude ist im Viereck [* 78] um einen Hof [* 79] in der Mitte aufgeführt.
Das nächste Zimmer am Eingang dient zur Aufnahme von Besuchen und als Eßzimmer; weiter hineinwärts liegen die Gemächer für das weniger öffentliche Leben, deren Zugänge durch Vorhänge geschlossen sind. Diese Häuser haben bei Vornehmen eine besondere Ahnenhalle, wo die Stammtafeln des Hausstandes hängen, Weihrauch brennt und auf Tischchen zierliche Schälchen mit Thee und Schüsselchen mit gesottenem Reis stehen. Auch in den Städten sind die Häuser nur selten aus Stein gebaut, mitunter aber zweistöckig; die öffentlichen Gebäude weisen mehr Umfang als Pracht auf. Die mit den Wohnungen der Reichern verbundenen Parke und Gärten sind geschmackvoll angelegt. Die Angaben der Reisenden über die Bevölkerung der großen Städte weichen oft außerordentlich voneinander ab und sind ganz unzuverlässig. Als größere Städte sind bekannt: Peking, Kanton, Siantan, Singan, Tschangtschou, Tiëntsin, Tschingtu, Hankeou, Wutschang, Futschou, ¶
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Hangtschou, Schoahing, Sutschou, Wentschou und Nanking. Alle chinesischen Städte sehen einander sehr ähnlich. Sie enthalten gewöhnlich einen viereckigen Kern, von hohen Mauern, zuweilen auch von Gräben umgeben, die in gehöriger Entfernung von Türmen flankiert sind. Das Innere dieser Städte dient nur den Beamten zur Wohnung; die Plätze sind daher öde, und Verkehr fehlt. Sitz des Handels dagegen sind die Vorstädte, hier herrscht Leben und reges Treiben. Die Straßen sind auch hier meist krumm und eng, selten breiter als 3-4 m, ja im S. vielfach noch enger und für Wagen nicht passierbar. Daher fehlt es sehr an Lüftung; Wasserabzüge sind nur teilweise vorhanden, und gewöhnlich verpestet noch Unrat die Straßen. Selten entstehen aber bei dem Gedränge Unfriede und Unordnung, und des Nachts herrscht eine merkwürdige Ruhe. Bei Feuersbrünsten zeigen die Regierungsbeamten große Thätigkeit.
Ein Grundzug für das häusliche und gesellige Leben in China liegt in der Gestaltung des Familienlebens. Der Hausvater ist im vollsten Sinn des Wortes Hausherr, mit unumschränkter Gewalt über alle Glieder [* 81] seiner Familie bekleidet; er ist aber auch mitverantwortlich für ihre Vergehungen und wird gestraft, wenn ein Familienglied sich eines Verbrechens schuldig macht. Natürlich liegt auch die Verheiratung der Kinder ganz in den Händen des Vaters. Die Mutter teilt alle Ehrerbietung, welche dem Vater zu teil wird, und muß, wenn sie Witwe wird, vom Sohn zeitlebens erhalten werden.
Man wünscht sich Söhne; der Unsitte der Tötung (Ertränkung) und Aussetzung neugeborner Mädchen, welche nach frühern Berichten unter den untern und mittlern Ständen fast Regel sein sollte, ist durch Errichtung von Findelhäusern, die als Wohlthätigkeitsanstalten durch Subskription seitens der Wohlhabenden erhalten werden, einigermaßen entgegengearbeitet worden. Die Mädchen erhalten jedoch eine schlechte Erziehung, wenige können lesen und schreiben; bei den Ärmern hilft die Frau tüchtig in der Wirtschaft mit.
Die Verheiratung findet schon in frühen Lebensjahren des Mannes statt, weil er, um eine Frau zu erhalten, keinen selbständigen hinlänglichen Erwerb zu haben braucht, indem die Frau mit ihm in das Hauswesen seiner Eltern eintritt. Die Verlobungen erfolgen sehr häufig schon im zarten Kindesalter; ja man hat Beispiele kennen gelernt, daß wenige Tage alte Mädchen mit noch Ungebornen feierlich verlobt wurden. Die Verlobungen werden ganz allein durch Unterhändler zwischen den beiderseitigen Eltern abgemacht.
Nach der Hochzeit kehrt die junge Frau auf einige Tage ins elterliche Haus zurück. Der Gehorsam, welchen die Frau ihrem Mann und zugleich dem Vater und der Mutter desselben schuldig ist, kennt keine Ausnahmen. Scheidung ist zugelassen; die Sitte erlaubt selbst, daß der Mann seine Frau mit ihrer Zustimmung einem andern Mann als Weib verkauft. Die reichern Klassen leben oft in Vielweiberei, namentlich wenn die erste Frau kinderlos geblieben ist. Indes steht die zweite nur im Verhältnis einer Magd, bis sie nach der Geburt eines Sohns der ersten Frau mehr zur Seite tritt.
Wiederverheiratung ist nur den Männern gestattet; Frauen geben sich zuweilen beim Tode des Mannes unter großen Zeremonien durch Gift u. dgl. den Tod. Der Eintritt in das Jünglingsalter wird bei Knaben (vom 12.-15. Jahr) durch die Mützenverleihung gefeiert; bei Mädchen gilt als entsprechendes Zeichen die Schmückung mit der Nadel, dem Kopfputz der Frauen. Sehr zahlreich sind die Zeremonien bei der Leichenbestattung wohlhabender Personen; Arme werden ohne Pomp bestattet und meist am dritten Tag.
Bei Reichen steht die Leiche im wohlverkitteten Sarg oft 40 Tage und länger über der Erde; Männer werden in kostbare Seidenstoffe gekleidet, Frauen in Weiß und Silber und in einen hölzernen Sarg gelegt, der in feierlichem Zug zum Begräbnisplatz geleitet und in die Erde versenkt wird, nachdem die bösen Geister ausgetrieben sind. Die Gräber werden öfters im Jahr geziert, wobei Opfer dargebracht werden. Die Trauerzeit für Vater und Mutter, eigentlich drei Jahre, wird gewöhnlich auf 27 Monate abgekürzt; doch dürfen Kinder des Trauerhauses nicht vor Ablauf [* 82] von drei Jahren heiraten. Trauerfarben sind weiß, blau und aschgrau. Der Nachlaß gehört den Söhnen gemeinsam, die Ahnentafel bleibt aber im Gewahrsam des ältesten, der oft auch doppelten Anteil hat.
Die Nahrung der Chinesen ist sehr mannigfach; der gewöhnliche Mann ißt so ziemlich alles, was genießbar ist. Man ißt dreimal des Tags, um 8, 12 und 5 Uhr, [* 83] zur Zeit der Reispflanzung vier bis fünfmal; Ärmere lassen es bei nur zwei Mahlzeiten, um 10 und 5 Uhr, bewenden. Im mittlern und südlichen China genießt der Arbeiter in den niedern fischreichen Gegenden fast täglich Fische und ein- bis viermal im Monat Schweinefleisch, dazu Reis; morgens nimmt er Thee, zur Hauptmahlzeit Reisbranntwein.
Zur Kost der Wohlhabenden gehören alle Fleischsorten, besonders das gebratene und gesalzene Fleisch der Schweine, Hühner [* 84] und Enten. Im nördlichen China sind Hirse, Mais, Weizen, Rind- und Schöpsenfleisch Hauptnahrungsmittel. Die Fleischspeisen sind schmackhaft zubereitet, beliebt sind besonders Schinken, doch halten die strenggläubigen Buddhisten das Fleisch essen für zu sinnlich und insbesondere das Rindfleischessen für undankbar gegen die guten Dienste, [* 85] welche Büffel und Ochsen in der Landwirtschaft leisten.
Eine Spezialität sind Bohnenkäse und Fadennudeln aus Weizenmehl. Der Theekonsum ist nach v. Richthofen zwar enorm, der ärmere Mann betrachtet ihn jedoch als Luxus und begnügt sich mit Aufguß über Blätter von Artemisia- und Ribes-Arten, die wild auf den Feldern wachsen, und selbst mit heißem Wasser allein. Dies ist sogar in Theedistrikten zu beobachten; der Gebrauch des Thees scheint daher durch die Schädlichkeit des Wassers hervorgerufen worden zu sein, da es meist kein andres Trinkwasser gibt als solches, das über Reisfelder gelaufen ist.
Theehäuser sind an den Landstraßen vielfach aus Mildthätigkeit erbaut, ein meist altes Weib reicht den Reisenden unentgeltlich Thee. Die Gasthäuser sind billig, aber widerlich schmutzig. Abweichend von allen übrigen Asiaten, genießt der Chinese seine Mahlzeit auf einem Stuhl sitzend; statt einer Gabel bedient er sich zweier kleinen Stäbchen von Bambus oder Elfenbein, mit denen er aus den suppenartig bereiteten Gerichten alle festen Stücke geschickt herauszufischen versteht.
Aus Reis und Hirse wird eine Art Branntwein hergestellt, die in allen Schichten der Bevölkerung beliebt ist und warm in kleinen Tassen gereicht wird, um die Stelle des Weins zu vertreten. Trunksucht ist im allgemeinen kein Laster der Chinesen; dagegen herrscht das verderbliche Opiumrauchen unter allen Klassen trotz der ernstlichen Gegenanstrengungen der Regierung; Opium, geraucht, entnervt gleich Absinth. Tabakrauchen und Schnupfen sind verbreitet, aber der chinesische Tabak [* 86] sagt in der landesüblichen Zubereitung dem europäischen Geschmack nicht zu. - Bewegung von einem Ort zum andern findet, wenn immer möglich, zu Wasser statt, sonst zu Fuß oder in Tragsesseln aus ¶