der bis dahin nur empirisch und daher unter Ausschluß erheblicher Fortschritte betrieben wurde. Das
Buch kann somit als der
Anfang der Verbesserungen im
Schiffbau, die das letzte
Jahrhundert gebracht hat, betrachtet werden. Chapmann war auch geschickter
Organisator. Die in
Verfall geratene schwedische
Flotte brachte er, von
Gustav III. damit beauftragt, wieder
in
Flor und wurde dafür Vizeadmiral und in den Adelstand erhoben. Er starb in
Karlskrona.
[* 2]
2)
Claude,
Bruder des vorigen, geb. 1763 zu Brûlon Le
[* 7]
Maine
(Sarthe), trat in den geistlichen
Stand und erhielt zwei
Pfründen,
wodurch es ihm möglich wurde, seiner längst vorwaltenden
Neigung zur Experimentalphysik ungestört nachzuhängen.
Im J. 1792 als Mitglied in die Philomathische
Gesellschaft zu
Paris aufgenommen, kam er auf den
Gedanken, mit entfernt lebenden
Freunden durch Zeichen zu sprechen, und konstruierte eine optische Vorrichtung, welche dem
Zweck entsprach.
Noch in demselben Jahr übergab er dem
Konvent die
Beschreibung, und 1793 wurde eine telegraphische
Linie
von
Paris nach
Lille
[* 8] hergestellt. Die
Regierung errichtete eine besondere telegraphische
Administration, welche aus Chappe und zweien
seiner
Brüder bestand. Auf
Grund dieses Erfolgs wird Chappe gewöhnlich als Erfinder des optischen
Telegraphen bezeichnet; indes
ist ein solcher schon 1684 von
RobertHooke angegeben worden, und Chappe selbst mußte erleben, daß ihm die
Priorität seiner
Erfindung streitig gemacht wurde. Darüber in tiefe
Schwermut versunken, ertränkte er sich zu
Paris in
einem
Brunnen.
[* 9]
d'Auteroche (spr. schapp dotrósch),Jean, Astronom, geb. zu
Mauriac in der
Auvergne, war erst
Geistlicher,
widmete sich dann der
Astronomie,
[* 10] beobachtete 1761 zu
Tobolsk den
Durchgang der
Venusvor derSonne
[* 11] und referierte
darüber in seiner
»Voyage en Sibérie fait en 1761« (Par. 1768, 2 Bde.).
Katharina II. ließ seine Behauptung, daß Rußland mehr
Moräste und
Wüsten als bevölkerte
Städte und fruchtbare Gefilde
habe, durch
Schuwalow im »Antidote, ou
Examen du mauvais livre intitulé
Voyage en Sibérie, etc.« (Amsterd.
1771, 2 Bde.) widerlegen. 1769 unternahm Chappe d'Auteroche zu
astronomischen
Zwecken eine
Reise nach
Kalifornien, starb aber 1. Aug. d. J. zu
San Lucar in
Spanien.
[* 12] Seine
»Voyage en Californie«
(Par. 1772) ward von Chappe d'Auteroche F.
Cassini herausgegeben.
bildete sich in
Paris und lebte dann als
Arzt und
Professor der
Chemie in
Montpellier.
[* 13] Seine hier gehaltenen
Vorträge erschienen 1790
(»Elements de chimie«, 3 Bde.; 4. Aufl.
1803) und wurden in mehrere
Sprachen übersetzt. Er gründete
Fabriken, in
welchen die ersten
Versuche in der
Bereitung von
Schwefelsäure,
[* 14] künstlichem
Alaun
[* 15] und
Soda gemacht wurden, die in der
Industrie eine förmliche
Revolution bewirkten;
auch führte er die Türkischrotfärberei in
Frankreich ein und gab ein nach ihm benanntes Weinverbesserungsverfahren an.
Im J. 1798 ward er Mitglied des
Instituts und 1799 von
Napoleon in den
Staatsrat berufen. Im J. 1800 zum
Minister des Innern ernannt, richtete er sein Augenmerk vorzüglich auf die
Hebung
[* 16] der
Industrie; er begründete die Handelsgesetzgebung
und vermehrte die
Börsen, sorgte für die arbeitenden
Klassen und beutete die Fortschritte
Englands im Maschinenwesen aus.
Ebenso war er thätig für die Errichtung und
Ausbildung wissenschaftlicher Lehranstalten. Weil Chaptal sich aber weigerte, den
Runkelrübenzucker für besser zu erklären als
Rohrzucker, erhielt er 1804 seine Entlassung, ward indes
schon 1805 vom
Kaiser zum Mitglied des Erhaltungssenats berufen und 1811 zum
Grafen erhoben. Während der
Hundert Tage war er
Staatsminister und
Direktor des
Handels und der Manufakturen. Nach der
Restauration trat er ins Privatleben zurück, ward aber
von
Ludwig XVIII. 1819 in die Pairskammer berufen. Er starb in
Paris. Seine Hauptwerke sind:
»Essai sur le perfectionnement des arts chimiques en
France« (Par. 1800);
»Chimie appliquée aux arts« (das. 1807, 4 Bde.;
deutsch von
Hermbstädt, Berl. 1808) und »Chimie appliquée
à l'agriculture« (Par. 1823, 2 Bde.; 2. Aufl.
1829; deutsch vonEisenbach, mit einem Anhang von
Schübler, Stuttg. 1824).
Seine letzte litterarische
Leistung war das Werk
»De l'industrie française« (Par. 1829, 2 Bde.).
(engl., spr. tschäpptr-haus'), Kapitelhaus,
ein vier- oder mehreckiger Anbau an englische
Kathedralen, in welchem sich das
Domkapitel zu seinen
Sitzungen
zu versammeln pflegte.
Bei der GattungChara sind die Stengelzellen noch von andern röhrenförmigen, aber mehrmals engern Zellen umrindet, die bei
der Gattung Nitella fehlen. Die quirlständigen Blätter bestehen ebenfalls aus abwechselnden, röhrenförmigen
Gliederzellen und kurzen Knotenzellen, haben aber kein dauerndes Spitzenwachstum. Außerdem besitzt der Stengel aber auch
echte Äste, die meist einzeln aus der Achsel eines Blattes jedes Quirls hervorgehen; besondere Arten von Seitenzweigen, die der
ungeschlechtlichen Vermehrung dienen, sind die »nacktfüßigen«, am
untern Internodium unberindeten Zweige und die aus einfachen Zellreihen gebildeten Zweigvorkeime.
Statt der Wurzeln haben die Characeen gleich den übrigen Thallophyten einfache, schlauchförmige Zellen ohne Chlorophyll (Rhizoiden),
welche hier aus den untersten Knotenzellen der Stengel entspringen, und mittels deren die Characeen im Schlamm der Gewässer wurzeln.
In denZellen der Characeen bilden zahlreiche Chlorophyllkörner, in Reihen dicht geordnet, unter der Zellmembran
eine geschlossene Lage; unter der letztern befindet sich das wandständige, in lebhaft rotierender Strömung begriffene Protoplasma.
Die Oberfläche der Characeen ist oft mit einer beträchtlichen Menge von kohlensaurem Kalk inkrustiert, woher die große Zerbrechlichkeit
dieser Pflanzen rührt. Die Fortpflanzungsorgane der Characeen erscheinen
an der erwachsenen Pflanze als männliche
und weibliche Organe, beide entweder aus demselben Individuum (einhäusig) oder aus verschiedene Individuen verteilt (diözisch).
Die männlichen (Antheridien) sind lebhaft rot gefärbte, kaum 1 mm im Durchmesser haltende Kügelchen, welche bei der GattungChara an der gegen den Stamm gekehrten Seite der Blätter sitzen und hier einzeln aus den Knotenzellen unterhalb
kurzer, ebendaselbst stehender Seitenzweige des Blattes entspringen
[* 20]
(Fig. 1 u. 2 A); bei Nitella stehen sie endständig
auf den Haupt- und Seitenstrahlen der Blätter.
Sie werden gebildet von acht miteinander zu einer Kugelschale vereinigten eckigen Zellen
[* 20]
(Fig. 2 A a). Diese
heißen Schilder, weil sie auf der Innenseite schildförmig auf je einer griffartigen Zelle
[* 27] (e) befestigt sind
[* 20]
(Fig. 3); die
acht Griffe werden im Mittelpunkt der Hohlkugel an der Trägerzelle des ganzen Antheridiums vereinigt, welche bis an jenen Punkt
einwärts dringt. Der frei gebliebene Innenraum der Kugel wird ausgefüllt von langen, gewundenen Fäden
[* 20]
(Fig. 2 B), in welchen sich die befruchtenden Spermatozoiden erzeugen.
Jene entspringen aus gewissen kleinern Zellen, welche am zentralen Ende der acht Griffzellen
[* 20]
(Fig. 2 B m) sitzen, und bestehen
aus einer einfachen Reihe miteinander verbundener scheibenförmiger Zellchen
[* 20]
(Fig. 2 C), deren jede ihren Protoplasmainhalt
zu einem Spermatozoid ausbildet. Zur Reifezeit treten die letztern aus diesen Zellen aus als spiralig gewundene
Fäden
[* 20]
(Fig. 2 D), die an einem Ende spitz und mit zwei feinen Wimpern versehen sind, durch deren lebhafte Schwingungen der
Faden
[* 28] in Bewegung gesetzt wird.
Die weiblichen Organe (Eiknospen, Sporenknospen,
[* 20]
Fig. 2 A sp) entspringen aus denselben
Knotenzellen der Blätter wie die Antheridien u. stehen, wenn sie mit diesen zusammen vorkommen, neben oder
über denselben
[* 20]
(Fig. 1 u. 2 A). Es sind ovale Körperchen, gebildet
aus einer großen Zelle, welche von fünf schlauchförmigen, in spiraliger Richtung sich anliegenden Zellen umrindet wird. Auf
ihrer Spitze bilden diese Zellen ein Krönchen
[* 20]
(Fig. 2 A k), welches die Stelle bezeichnet, an der den Spermatozoiden
ein Zugang zu der Zentralzelle gegeben ist.
Nach der Befruchtung
[* 29] bekommen die Rindezellen stark verdickte und verholzte Membranen, wodurch die Eiknospe zu einer hartschaligen,
nüßchenartigen Frucht wird, die späterhin abfällt. Die in der Zentralzelle liegende Eizelle hat sich
mit einer derben Haut
[* 30] umgeben und stellt nun eine keimfähige Spore (Oospore) dar. Nach längerer Ruhe im Wasser bildet sie sich
zu einer fadenförmigen Zellreihe fort, einem Vorkeim, an welchem eine Zelle zu einer neuen Zellreihe, dem wirklichen Stengel,
auswächst. Die Characeen leben im
stehenden Süßwasser und an den Meeresküsten, vorzüglich in den gemäßigten Zonen. Sie bilden nur vier Gattungen:
1) Nitella, 2) Tolypella A. Br., 3) Lychenothamnus A. Br. und 4)CharaVaill. (Wasserstern). Dieselben sind sämtlich in Deutschland
[* 32] vertreten; die gemeinsten Arten in Teichen und Seen sind hier CharaceenvulgarisL. (Characeen foetidaA. Br.) und Characeen hispidaL. Von CharacrinataWallr. kommen in Deutschland und Skandinavien nur weibliche Pflanzen vor, die aber trotzdem ihre Eisporen
zur Reife bringen (Parthenogenesis). Wegen der Rauhigkeit ihrer mit kohlensaurem Kalk inkrustieren Teile werden die Characeen wie
Schachtelhalm zum Scheuern zinnerner Gefäße verwendet. Von fossilen Characeen sind vorzugsweise die spiralig
gestreiften Sporenfrüchte (Gyrogoniten) in Tertiärschichten erhalten.
indelebilis (lat.), in der katholischen Kirche das unauslöschliche geistliche Merkmal, welches in der Taufe,
Firmelung und Priesterweihe der Seele gleichsam aufgeprägt wird.
(arab.), in der Türkei
[* 34] der Tribut, welchen die christlichen Vasallenstaaten an den Sultan
zahlten; auch ein Kopfgeld, welches alle nichtmohammedanischen Unterthanen des Sultans (Rajahs) entrichten mußten, und wovon
einzelne nur infolge besonderer Konventionen befreit waren. Dieser Charadsch ist durch den Hattischerif vom abgeschafft
worden; an seine Stelle trat die Steuer für Befreiung vom Militärdienst, welche von der männlichen Bevölkerung
[* 35] eingehoben wird. In Ägypten
[* 36] ist Charâg (Scharâg) die Grundsteuer, deren Eintreibung eine der wichtigsten Pflichten des Mudirs
ist.
Von ihr sind frei die im Privatbesitz des Chedive befindlichen Güter (ein Drittel des ganzen kultivierten Bodens) und auf die
ersten drei Jahre die Ibâdîye-Ländereien, d. h. Brachland, welches der
Chedive zur Urbarmachung mit vollem Eigentumsrecht an geeignete Personen verliehen hat; nach drei Jahren zahlen die letztern 10 Proz.
Hauptsächlich lastet die Steuer auf den sogen. Regierungsgrundstücken (Arâdi el miriye), die alle Jahre neu eingeschätzt
und nach der Güte des Bodens in drei Klassen geteilt werden. Der Charadsch beträgt hier bis 20 Proz. und muß
in barem Geld monatlich an den Serras gezahlt werden.
(griech., ursprünglich ein eingegrabenes oder eingeprägtes Zeichen), das
bleibende Gepräge, die dauernde Eigentümlichkeit eines Dinges, wodurch sich dasselbe von andern unterscheidet, und welche
daher zu dessen (abschließender) Bezeichnung dienen können. In diesem Sinn läßt sich jedem leblosen
und lebendigen Objekt, Natur- und Kunstgegenstand (Berg, Pflanze, Tier, menschlichem Wesen) Charakter beilegen. Im besondern wird das
Wort nur auf diejenige Eigentümlichkeit angewandt, welche deren Träger
[* 37] nicht von andern (aus der Hand
[* 38] der Natur oder des Künstlers)
empfangen, sondern sich selbst gegeben hat, für welche er andern gegenüber daher auch allein verantwortlich
erscheint. In diesem Sinn kann unter allen Naturwesen nur bei dem Menschen und auch bei diesem nur in Bezug auf dasjenige,
was an ihm nicht als Werk natürlicher Anlage, des Naturells (s. d.) oder Temperaments (s. d.), oder
äußerer Umstände, sondern
seines persönlichen Wollens gilt, von Charakter die Rede sein. Charakter in dieser Bedeutung bezeichnet die dauernde,
selbsterworbene Eigentümlichkeit des gesamten Wollens (und Thuns) einer gewissen Persönlichkeit, welche, einmal erkannt,
einen Wahrscheinlichkeitsschluß gestattet darauf, wie sich dieselbe auf gebotene Veranlassungen verhalten werde.
Damit eine solche vorhanden sei, muß nicht nur das gesamte Wollen unter der Herrschaft von praktischen
Grundsätzen (Maximen), wodurch Freiheit, sondern müssen die letztern selbst unter der Leitung eines obersten Grundsatzes stehen,
wodurch Einheit in das gesamte Wollen (und Handeln) kommt. Fehlt es an Grundsätzen, oder mangelt den vorhandenen der Einfluß
auf das Wollen, so findet Charakterlosigkeit, dagegen, wenn zwei herrschende Maximen (Charakterzüge) vorhanden
sind, dieselben aber untereinander im Widerstreit stehen, Widerspruch im C. statt.
Der Charakter läßt sich daher mit einem Kunstwerk vergleichen, dessen Material das Wollen, dessen Künstler der Wollende und dessen
Idee der leitende praktische Grundsatz (das Ideal des Wollenden) ist. Die Herrschaft, welche der Wollende über sein Wollen besitzt,
und die innere Konsequenz und Folgerichtigkeit, die dem Charakter innewohnt, werden auch dann noch Interesse, ja, wenn sie in seltenem
Grad auftreten, Bewunderung einflößen, wenn der Inhalt der obersten leitenden Maxime (wie dies bei Charakteren der Geschichte
und der Dichtung oft genug eintritt, z. B. bei Richard III., KarlMoor u. a.) von dem sittlichen Urteil verworfen
werden muß.
Der Besitz eines Charakters ist daher keineswegs schon mit jenem der Sittlichkeit gleichbedeutend, wenn auch wahre Sittlichkeit
ohne Charakter nicht denkbar ist. Letzterer bildet die Form, welche je nach der Beschaffenheit des obersten praktischen Grundsatzes
ebensogut mit einem sittlichen wie mit einem unsittlichen Inhalt erfüllt werden kann (sittlicher, unsittlicher
Charakter). Da der Charakter nach obigem eine selbsterworbene Eigentümlichkeit des Wollens sein soll, so kann es (zwar ein angeerbtes Naturell
oder Temperament, aber) nicht einen angeerbten Charakter geben.
Auch kann, da nur das einzelne Individuum, nicht aber eine Mehrheit von solchen (ein Stand, Volk, Zeitalter)
ein »Selbst« im strengern Sinn des Worts besitzt, von dem Charakter eines Standes, einer Nation, eines Zeitalters nur in uneigentlicher
Bedeutung gesprochen werden. Als erworbener Seelenzustand endlich darf der Charakter zwar als (vorläufig) beharrend,
aber er muß nicht als unvergänglich angesehen werden. Vielmehr ist er wie der Herausbildung (aus einem
Zustand, in welchem entweder keine Maximen vorhanden oder die vorhandenen noch ohnmächtig sind), so der Umbildung (wenn an
die Stelle der bisherigen leitenden Grundsätze andre treten) und des allmählichen (oder plötzlichen) Verfalles fähig (wenn
Affekte, Gemüts- oder körperliche Krankheiten die Beherrschung des Wollens durch praktische Urteile unmöglich machen).
Unvergänglichkeit sowohl als zeitlose Entstehung, beide mit dem Zeugnis der Erfahrung unverträglich,
sind daher von Kant sowohl als von Schopenhauer nur dem sogen. intelligibeln, d. h. jenseit der
Erfahrungswelt gelegenen, Charakter beigelegt worden. Die Bildsamkeit des Charakters sowohl im psychologischen (zur
Beherrschung des Wollens durch praktische Grundsätze, psychische Freiheit) als im ethischen Sinn (zur Beherrschung
des Wollens durch die zu Maximen erhobenen sittlichen Ideen, sittliche Freiheit, Tugend) macht die notwendige Voraussetzung, die
wirkliche Ausbildung desselben den einzig menschenwürdigen Zweck aller privaten und
¶
mehr
öffentlichen Erziehung aus. - In der Ästhetik bezeichnet Charakter die Übereinstimmung des Kunstwerks entweder mit seinem (wirklichen
oder erfundenen) Vorbild, oder mit den Gesetzen und Grenzen
[* 40] seiner Kunst und Kunstgattung, oder mit den Bedingungen seines Materials.
Damit dieselbe vorhanden sei, müssen die wesentlichen Merkmale des darzustellenden Gegenstandes, oder der besondern
Kunst oder Kunstgattung, oder des technischen Materials der Darstellung aufgeprägt sein. So hat ein Drama Charakter, wenn es, wie Schillers
»Wallenstein«, die Eigentümlichkeit der Zeit, welcher sein Stoff angehört, aber auch, wenn es, wie dieser, in Bau, Stil und
Haltung das Wesen seiner Kunstgattung, der dramatischen, scharf hervortreten läßt. Im dritten Sinn kommt
einem Bau-, Bild- oder Schnitzwerk Charakter zu, wenn in demselben die spezifische Natur des verwendeten Materials (Back- oder Haustein,
Erz oder Marmor, Holz
[* 41] oder Elfenbein) zum Ausdruck kommt. Vermischung des Eigentümlichen in jeder der obigen Bedeutungen ist
(ästhetische) Charakterlosigkeit. - Charakter ist auch s. v. w. Titel, Würde, Stand.
(griech.), im allgemeinen Zeichen, die für Gegenstände einer Wissenschaft, z. B. von Apothekern, Mathematikern
etc., gebraucht werden; im HandelZiffern, Buchstaben oder sonstige Zeichen, dergleichen man sich besonders bei Waren auf Preiszetteln
bedient, um sich und damit Vertrauten den genauesten Preis zu bezeichnen. Meist wählt man Worte, welche zehn voneinander
verschiedene Buchstaben enthalten, z. B. Rheinstrom, um so ein Zeichen für die Zahlen 1-10 zu gewinnen. Allgemeine Charaktere nannte
man Schriftzeichen, vermittelst welcher man sich allen kultivierten Völkern verständlich machen wollte. Seit Leibniz, welcher
zuerst dergleichen versuchte, haben viele über solche Schriftzeichen nachgesonnen, indem sie fortwährend die Thatsache im
Ange behielten, daß man auf dem größten Teil der Erde das versteht, was die von den Arabern uns zugeführten
Zeichen 1, 2, 3 etc. ausdrücken. Vgl. Pasigraphie.
(griech.), kennzeichnende Schilderung eines Gegenstandes;
Verleihung eines Charakters. Im ästhetischen Sinn besteht dieselbe in der Kunst, die Eigentümlichkeit des Darzustellenden auch
seiner Darstellung auszuprägen. Ob jenes schön oder häßlich sei, kommt dabei nicht in Betracht, wenn sich nur seine unterscheidenden
(d. h. wesentlichen) Züge vollständig in der Darstellung wiederfinden. Die charakteristische See- oder Alpenlandschaft, das
charakteristische Porträt, der charakteristisch gezeichnete Eifersüchtige Shakespeares oder Geizige Molières
tragen die unerläßlichen Kennzeichen der Meeres- und Gebirgsnatur, des dargestellten Originals, der wirklichen Leidenschaften
der Eifersucht und des Geizesan sich, deren getreue Wiedergabe die genaueste Kenntnis des darzustellenden Objekts von seiten
des Darstellers bedingt.
Mangelhafte Charakteristik, welche unentbehrliche Merkmale außer acht läßt, erzeugt Undeutlichkeit
und Verschwommenheit des Bildes, welche immer vom Übel sind. Dagegen bringt bloße Charakteristik zwar Deutlichkeit, die sich aber auf
die wesentlichen Merkmale (auch wenn sie häßlich sind) beschränkt und unwesentliche (auch wenn sie schön wären) fallen
läßt, verglichen mit der auf (charakteristische) Darstellung des Schönen gerichteten schönen Kunst,
nicht selten einerseits Häßlichkeit, anderseits Dürftigkeit der Darstellung hervor. Dieselbe ist daher mehr
in dem Licht
[* 42] einer Sprache,
[* 43] welche auf richtige, als in dem einer Kunst, welche auf schöne Darstellung ausgeht, anzusehen. - Charakteristik oder Kennziffer
eines Logarithmus (s. d.) ist die Anzahl der ganzen Einheiten desselben im Gegensatz zu dem dazu gehörigen
Dezimalbruch, der Mantisse.
(griech.), im allgemeinen alles, was einem Gegenstand sein bestimmtes,
individuelles Gepräge gibt, vermöge dessen derselbe nicht mit andern verwechselt werden kann.
in der Schauspielkunst diejenigen Rollen,
[* 45] bei welchen es hauptsächlich auf die
streng durchgeführte Darstellung individueller Eigentümlichkeit abgesehen ist, im Gegensatz zu andern Rollen, welche nur die
allgemeine Eigenheit ihrer Gattung zur Anschauung bringen oder nur rhetorischen Zwecken dienen.
Der Gang des
[* 47] Dramas ist rasch, weil es mit jeder Szene dem Ausgang der Handlung entgegeneilt, der des Charakterstücks
zögernd, weil es in jeder Szene bei einem sich offenbarenden neuen Zug
des zu schildernden Charakters weilt. Der Rückblick am
Schluß des Dramas zeigt das zum Abschluß gelangte Werden einer Handlung, der Rückblick am Schluß des Charakterstücks die
Summe aller im Verlauf der Handlung musivisch zusammengesetzten Züge eines Charaktergemäldes.
Dieser ins Breite
[* 48] ausmalende Zug
gehört mehr der epischen Beschaulichkeit als der dramatischen Lebendigkeit an und kann, ins
Übermaß ausartend, zur Kleinmalerei und zum Stillstand der Handlung verführen. Im heitern Genre, in dessen lose verknüpfter
Handlung auch der Zufall Anwendung findet, ist das Charakterstück häufiger als im ernsten, in dem Trauerspiel
der Neuern, deren dramatische Charaktere individueller als jene der griechischen Tragiker angelegt sind, häufiger als in
dem der Alten.
komische (Plautus' »Miles gloriosus«) oder tragische (»Hamlet«, »Othello« u. a.) sein. Gehören die Züge desselben beinahe
ausschließlich einer lokal und temporär eingeschränkte Kulturstufe an, so veralten sie
¶
Tänze, die einer bestimmten Nation, einer bestimmten Zeit oder einem bestimmten Stand
entweder eigentümlich angehören, oder dieselben nach ihrer Eigentümlichkeit kennzeichnen.
(spr. tscha-), Stadt im StaatSantander der Bundesrepublik Kolumbien,
[* 52] in fruchtbarer Gegend malerisch gelegen, 1443 m ü. M.,
hat Gerberei, Töpferei, Baumwollweberei und (1870) 8026 Einw.
(spr. tschar-), Hauptort eines Minenreviers im mexikan.
StaatSan Luis Potosi, 110 km nördlich der Hauptstadt, mit etwa 4000, mit Bezirk (1880) 12,840 Einw.
(spr. schardang), 1) Jean, franz. Reisender, geb. zu Paris, Sohn eines reformierten Juweliers, ging,
kaum 22 Jahre alt, nach Ostindien,
[* 53] um Diamanten einzukaufen. Nach kurzem Aufenthalt in Surate begab er sich nach Persien
[* 54] und
blieb, zum königlichen Kaufmann ernannt, sechs Jahre in Ispahan, mit Studien über die politischen und
militärischen Zustände des Reichs beschäftigt. Mit reichen historischen und antiquarischen Sammlungen kam er 1670 in sein
Vaterland zurück, verweilte aber von 1671 bis 1681 wieder in Persien und Indien und wandte sich nach seiner Rückkehr nach
London,
[* 55] wo er vom König Karl II. zum Ritter geschlagen und darauf als bevollmächtigter englischer Minister
und Agent der Englisch-OstindischenKompanie nach Holland gesandt wurde. Später nach England zurückgekehrt, starb er in der
Nähe von London. Er veröffentlichte: »Le couronnement de Soleiman III, roi de Perse, etc.« (Par. 1671)
und das wertvolle und interessante »Journal des voyages du chev. Chardin en Perse et autres lieux de l'Orient, etc.« (Amsterd. 1711,
mit Zeichnungen von Grelot; neue Ausg. vonL. Langlès, Par. 1811, 10 Bde.).
2) JeanBaptisteSimeon, franz. Maler, geb. 1698 zu Paris, widmete sich der Malerei bei Cazes und NoëlCoypel,
wurde aber mehr durch das Studium der Niederländer gefördert, in deren Art er anfangs Blumenstücke und Stillleben mit toten
Tieren, Früchten, Geräten und seit 1733 auch Genrebilder von großer Naturwahrheit, hauptsächlich Kücheninterieurs mit
Köchinnen, malte. Es gelang ihm, in der Kraft
[* 56] und dem Schmelz des Kolorits die holländischen Stilllebenmaler
zu erreichen. Seine Hauptwerke sind: die Briefsieglerin von 1733 (Berlin,
[* 57] königliches Schloß), die vom Markt heimkehrende
Frau von 1738 und 1739 (in Berlin und im Louvre zu Paris), das Kartenhaus, das Ölfläschchen, der Bratspieß (Louvre), Mutter
und Kind und die Köchin (Wien,
[* 58] GalerieLiechtenstein).
[* 59] Chardin hat auch Porträte
[* 60] gemalt. Er starb 1779 in Paris.
(arab.),
in der Türkei das Ministerium der äußern Angelegenheiten, mit vollem Namen Chardschie Nezareti, an dessen
Spitze derMinister Chardschie Naziri steht;
1) tragischer Dichter zu Athen um 380 v. Chr., schrieb Stücke, die sich durch malerischen Stil und glatten
Versbau auszeichneten, aber sich mehr zur Lektüre als zur Ausführung eigneten. Wir besitzen davon nur einzelne Bruchstücke
(in Naucks »Tragicorum graecorum fragmenta«, Leipz.
1856).
2) Stoischer Naturphilosoph des 1. Jahrh. n. Chr., erst Bibliothekar im Serapistempel zu Alexandria, dann in Gemeinschaft mit
dem PeripatetikerAlexander von Ägä LehrerNeros. Ein großer Lobredner des Todes, legte er in seinem verloren gegangenen Werk
über die Hieroglyphen und über die Geschichte und ReligionÄgyptens den Grund zur materialistischen Auffassungsweise
der letztern. Auch eine Schrift über die Kometen
[* 62] wird ihm zugeschrieben. Die Bruchstücke seiner Schriften stehen in Müllers
»Fragmenta historicorum graecorum«, Bd. 3 (Par.
1869).
Das Departement Charente, gebildet aus der alten ProvinzAngoumois und Teilen der LandschaftenSaintonge, Poitou und Marche, ist begrenzt
von den Departements der beiden Sèvres, Vienne, Obervienne, Dordogne und Niedercharente und umfaßt 5942 qkm
(107,9 QM.). Das Land hat einen ungleichen Boden; es enthält im N. granitische Hügel (Fortsetzung der Limousinberge), im
S. weniger ansehnliche jurassische und Kreidehöhen. In dieser Kalkregion kommen auch die zeitweilig in Höhlen verschwindenden
Flüsse
[* 63] vor, welche solchen Formationen charakteristisch sind, so die Tardoire mit dem Bandiat und andre
Zuflüsse des Hauptflusses, der Charente; andre, wie die Touvre, treten gleich schiffbar aus einer Felswand hervor.
Bei dieser Porosität der Kalkfelsen ist das Land trocken, aber warm und zeitigt trefflichen Wein. Die Bevölkerung zählte
1881: 370,822 Einw. (1861 noch 379,081). Fast ⅓ des Areals nimmt der Getreide-, namentlich Weizenbau ein,
dessen Ernte
[* 64] den Bedarf der Bevölkerung übersteigt; 1/6 ist mit Rebenpflanzungen bedeckt, deren Ertrag sich in guten Jahren
auf 2 Mill. hl und mehr beläuft, wovon ein großer Teil in Branntwein (Kognak, Chollet) verwandelt wird. Das übrige Land hat
Wälder, unbebaute Ebenen und Wiesen, auf denen jährlich über 30,000 StückRindvieh gemästet werden. Reich ist das Land noch
an Nüssen und Trüffeln. Das Mineralreich liefert etwas Eisen
[* 65] und Stahl, Bausteine etc. Wichtiger sind die schon erwähnte Branntweinbrennerei,
die berühmte Papierfabrikation
[* 66] (3400 Arbeiter); auch die Filzfabrikation, Töpferei, Gerberei und der Mühlenbetrieb
sind von Bedeutung. Eingeteilt
¶
Das
Land stand früher unter eignen Grafen, ward 1380 wegen Felonie eingezogen und kam an das HausOrléans
[* 68] und mit dessen Thronbesteigung
für immer an die französische Krone. Hier wurden die blutigen Kämpfe zwischen den Engländern und Franzosen
und zwischen den katholischen und reformierten Einwohnern entschieden.
Vgl. Coquand, Description physique, géologique etc.
du departement de la Charente (Par. 1859-62, 2 Bde.);
im Ostteil ziehen sich
mäßige Hochebenen hin, wo man eine gesunde Luft atmet;
an der Meeresküste dehnen sich weite, fruchtbare, künstlich dem
Meer entrissene und trocken gelegte Striche aus;
hier verbreiten die Salzmoräste, die ein berühmtes, besonders in England
geschätztes Salz
[* 69] liefern, Ausdünstungen, die auf die Gesundheit der Bewohner sehr nachteilig einwirken.
Über die Hälfte der Bodenfläche ist Ackerland, etwa 1/6 mit Wein angebaut, gegen 1/8 Wiese, 1/7 Waldung. Hauptfluß ist
die Charente, welche hier in die MeerengePertuis d'Antioche mündet und die Seugne und Boutonne aufnimmt; weiter südlich
fließt die Seudre, an der südlichen Grenze die Gironde, an der nördlichen die Sèvre Niortaise. Dem Verkehr
dienen auch drei Kanäle, der von Marans nach La Rochelle im N. und die Kanäle von Charras und Brouage bei Rochefort.
In demKrieg zwischen Philipp vonMakedonien und den Olynthiern (349) kam Chares mit athenischen Truppen den letztern zweimal zu Hilfe.
Auch den Byzantinern ward er als Beistand gesendet, aber von diesen wegen seiner früher an den Bundesgenossen verübten Erpressungen
nicht aufgenommen. Zuletzt war er Unterbefehlshaber in der Schlacht bei Chäroneia (338), ein Mann nicht
ohne Talent, ein geborner Krieger voll Mut und Unternehmungsgeist, aber ohne sittlichen Halt, habsüchtig, gewissenlos und gegen
andre treulos und gewaltthätig.
2) Bildhauer, von Lindos auf Rhodus gebürtig, Schüler des Lysippos, lebte um 324 v. Chr. und verfertigte den 70 Ellen (105
Fuß) hohen Sonnenkoloß auf Rhodus. Die Statue bestand ohne Zweifel aus mehreren Gußstücken, und ihren Kern bildeten gemauerte
große Werkstücke. Wie der Koloß aussah, wissen wir nicht; die bekannte
[* 67]
Figur mit den gespreizten Beinen, durch welche Schiffe
[* 75] fahren, ist reine Phantasie, die zuerst in den Niederlanden (MartinHeemskerk) im 16. Jahrh. aufgetaucht
zu sein scheint. Dieses siebente Wunderwerk der Welt wurde übrigens schon 56 Jahre nach seiner Aufstellung durch ein Erdbeben
[* 76] oberhalb der Kniee abgebrochen. Plinius nennt die Trümmer gähnende Schlünde.
VonChares befand sich auch ein kolossales Haupt
auf dem römischen Kapitol, vom Konsul P. Lentulus dahin gestiftet.
(spr. scharett), Athanese, Baron de, franz. Legitimist, geb. 1828 aus einer Familie der Vendée, welcher auch
der bekannte Führer der Vendéer (s. den folg. Artikel) angehörte, trat in die päpstl. Armee ein und erhielt das Kommando
eines fast ausschließlich aus jungen Adligen verschiedener Länder zusammengesetzten Regiments. Mit diesem
machte er 1860 die Schlacht von Castelfidardo mit. Als im Krieg von 1870 die französische Okkupationsarmee Rom verließ und
die italienischen Truppen in diese Stadt
¶