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der Absatz vermittelte. Um die Mitte des 15. Jahrh. scheinen besonders die Messen zu Frankfurt [* 2] a. M. und zu Nördlingen [* 3] für diesen Buchhandel wichtig gewesen zu sein.
So hatte sich zur Zeit der Erfindung der Buchdruckerkunst teils aus der Natur des Geschäfts selbst, teils durch Einwirkung von außen eine gewisse bestimmte Art der Geschäftsführung für den Handel mit Erzeugnissen der Litteratur ganz allgemein gebildet. Auf die Weiterentwickelung des Buchhandels hatte aber die neue Erfindung nur insofern Einfluß, als nach und nach die Zahl der Handelsobjekte größer wurde und die Bücherpreise sich verringerten. Die Herstellung von Handschriften dauerte neben dem Buchdruck noch längere Zeit fort, besonders was griechische Schriften anlangt, da die griechische Druckschrift sich nur langsam zu einer allgemein brauchbaren gestaltete.
Dazu kam die Abneigung der vornehmen und vermögenden Bücherliebhaber, welche es unangenehm empfanden, daß durch die neue Kunst der Gegenstand eines bisher ihnen vorbehaltenen Luxus popularisiert und weitern Kreisen zugänglich gemacht wurde. Sie zogen es vor, für ihre Büchersammlungen Handschriften herstellen und künstlerisch ausschmücken zu lassen; gedruckten Büchern blieben ihre Bibliotheken vorläufig verschlossen. Der eigentliche Geschäftsbetrieb des Buchhandels blieb aber gänzlich unberührt durch die neue Erfindung; er behielt die bisherigen Geschäftsformen bei, in denen noch der heutige Buchhandel wurzelt, so daß beinahe alle heutigen Geschäftsgebräuche des Buchhandels sich in ihren Anfängen schon von da aus nachweisen lassen.
Im Lauf der ersten Jahrzehnte verbreitete sich die Buchdruckerkunst nur langsam. Während der wandernde Schreiber sein Schreibzeug leicht mit sich führen und überall, wo er Beschäftigung fand, ohne weiteres seine Thätigkeit beginnen konnte, mußte der wandernde Buchdrucker, wenn er etwa durch einen Bischof zum Druck eines Missale berufen wurde, Schriften und Presse [* 4] an seinen neuen Wirkungsort mitschleppen. Aber der Zug der Zeit, die sogen. Wiederherstellung der Wissenschaften, die fieberhafte Unruhe, welche die Geister in der Zeit des Übergangs vom Mittelalter zur neuern Zeit bewegte, trug doch bald mächtig dazu bei, das neue, der Verbreitung von Bildungsmitteln günstigere Verfahren mehr auszubreiten.
Schon im ersten halben Jahrhundert der Buchdruckerkunst (bis 1500) wurden, wie Hain, dem noch manches entgangen ist, in seinem »Repertorium bibliographicum« aufführt, 16,299 Werke in 208 verschiedenen Orten an 1213 verschiedenen Druckstellen, die meist als Verlagsanstalten anzusehen sind, gedruckt. Diejenigen Länder, welche bis dahin im Handschriftenhandel eine hervorragende Stellung eingenommen hatten, entwickelten auch in der Herstellung und im Vertrieb gedruckter Bücher die größte Thätigkeit. An erster Stelle steht wieder Italien [* 5] und zwar der damalige Hauptsitz des Welthandels, Venedig, [* 6] mit 199 Druckstellen, dann Mailand [* 7] mit 60, Bologna mit 43, Rom [* 8] mit 41, Florenz [* 9] mit 37, Pavia mit 34, Neapel [* 10] mit 27, Padua [* 11] mit 16 Druckstellen. In Frankreich ragen hervor Paris [* 12] mit 87, Lyon [* 13] mit 48 Druckstellen. In Deutschland [* 14] verteilt sich die Druck- und Verlagsthätigkeit auf eine große Menge von Orten, welche sämtlich nur kleinere Anzahlen von Druckstätten aufweisen: Augsburg [* 15] und Köln [* 16] je 22, Brixen 18, Basel [* 17] und Straßburg [* 18] je 17, Nürnberg [* 19] 13, Leipzig [* 20] 9, Wien [* 21] nur 2, während in dem damals so unbedeutenden Berlin [* 22] gar keine nachzuweisen ist.
Für England ist zu nennen London [* 23] mit Westminster mit 13 Druck- und Verlagsstätten (näheres s. Buchdruckerkunst). Der Hauptgrund dieser Verteilung ist vor allem in den geschäftlichen Verhältnissen zu suchen. Der Handschriftenhandel hatte dem Buchhandel die Wege geebnet; trotz anfänglicher Anfeindung wurde dieser vielfach von den Handschriftenhändlern in den Bereich ihrer Geschäftsthätigkeit gezogen, einzelne wendeten sich sogar ausschließlich dem Buchdruck und damit dem Buchhandel zu. Der bedeutende Pariser Handschriftenhändler Hermann von Stadtloen aus Münster [* 24] (gest. 1474) hielt sogar für Frankreich ein Lager [* 25] der Drucke von Peter Schöffer und Konrad Henckis.
Beträchtlich war der litterarische Bedarf der gebildetern Geistlichen, der reichen Klöster und Stifter, wenn er sich auch mehr auf die scholastische Litteratur erstreckte. Von großem Einfluß war dann der durch die Humanisten angeregte Kultus des klassischen Altertums, und diese Vorliebe für die alten Klassiker war es auch, welche sowohl dem Aufschwung der Litteratur in den lebenden Sprachen als der selbständigen wissenschaftlichen Thätigkeit die Bahn öffnete und den entscheidenden Anstoß gab. In die nächste Zeit nach diesem Aufschwung fallen daher die eigentliche Geburt der französischen, spanischen und englischen Nationallitteratur, ein neuer Aufschwung der italienischen, die Schöpfung der neuern deutschen Schriftsprache durch Luther, die Begründung wissenschaftlicher Astronomie [* 26] durch Kopernikus, die Belebung der Reiselitteratur durch die Entdeckung Amerikas und die erste Weltumseglung etc.
Der Buchhandel war anfangs kein selbständiges Gewerbe; gewöhnlich wurde er neben und mit andern Geschäften betrieben. Mit dem Verlag befaßten sich die Buchdrucker, des Vertriebs bemächtigten sich Buchbinder, Kaufleute und eine Menge kleiner Leute. Das Buch war eine Handelsware wie jede andre. Die Buchhändler wiederum betrieben nebenher oft noch andre Gewerbe: sie handelten mit Metallen, Wolle, Fellen, Tuch, Garn etc., hauptsächlich auch mit Papier;
andre trieben zugleich Gastwirtschaft oder Weinschank.
Die Buchdrucker druckten, um ihre Druckanstalten zu beschäftigen und die hergestellten Bücher dann so gut wie möglich zu verwerten. Wie großartig dieser Betrieb sein konnte, geht z. B. daraus hervor, daß schon Peter Schöffer Filialen in Paris und in Angers hatte; seine Verbindungen reichten über Lübeck [* 27] bis in die Ostseeprovinzen, nach Königsberg, [* 28] nach Ofen. Oft reichten die Mittel nicht aus. Da kam es dann vor, daß Fürsten, Magistrate oder reiche Litteraturfreunde einen Teil der Kosten des Druckes oder der Ausstattung trugen. In andern Fällen streckten vermögende Freunde oder Buchführer das nötige Geld vor; man sagte dann, sie »verlegten« den Buchdrucker, waren seine »Verleger«.
Oder es traten auch mehrere Buchdrucker für einzelne Fälle zum Druck auf gemeinschaftliche Kosten zusammen und verteilten dann die hergestellten Exemplare unter sich, um sie jeder auf eigne Rechnung zu verwerten. Solcher Druckgesellschaften finden sich manche Beispiele. Eine bestand z. B. in Basel; ihr Drucker war Joh. Froben, Teilhaber waren F. Birckmann in Köln und wahrscheinlich Joh. oder Anton Koburger in Nürnberg. Eine andre Druckgesellschaft in Basel wurde durch Joh. Amerbach repräsentiert; bei ihr ließ 1498 und später Anton Koburger drucken, der auch gemeinschaftlich mit Josse Bade und Jean Petit in Paris verlegte. Ein ähnlicher Fall kommt 1490 in Leipzig vor. Besonders gebräuchlich war der Verlag auf gemeinschaftliche Kosten in Frankreich. Solcher Kompanieverlag bestand dann aus Drucker und Verleger oder aus zwei oder mehreren Verlegern. Wenn ein ¶
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Buchhändler den Drucker mit einem Auftrag versah, so sagte man ebenfalls, daß er den Drucker »verlegt« habe, sein »Verleger« sei. Im 15. und auch im 16. Jahrh. wird oft auf den Drucken nur der Drucker genannt, während der wirkliche Verleger völlig verschwiegen wird. Der Drucker behielt neben seinem Druckerlohn den Zuschuß, den er in seinem eignen Nutzen verwertete, die Quelle [* 30] vieler Mißbräuche. Auf eigne Rechnung hergestellte Bücher suchten die Drucker entweder einzeln zu verwerten, oder sie boten sie in Partien oder in ganzen Auflagen den Buchführern zum Ankauf an. In gefährlichen Zeiten, wenn es sich um Schriften handelte, deren Beanstandung vorauszusetzen war, ließ man auswärts und unter falscher Firma drucken, von Leipzig aus z. B. in Wittenberg, [* 31] Eilenburg [* 32] etc. Die eigentlichen Vertreiber der Litteratur waren die Buchführer, die bedeutendsten derselben zugleich Verleger.
Solche waren die Koburger in Nürnberg (1472-1540), welche durch ihren großartigen Geschäftsbetrieb Nürnberg gewissermaßen zum Zentralpunkt des Buchhandels machten. Neben ihrem sehr bedeutenden Verlag und eigner Druckerei (außerdem ließen sie auch auswärts drucken) hatten sie auch ein großes Sortimentsgeschäft, vermittelst dessen sie besonders den italienischen Klassikerverlag vertrieben. Anton Koburger hatte in Paris zwei Niederlagen, in Lyon eine für den italienischen und spanischen Verkehr, dann solche in Wien, Ofen, Krakau, [* 33] Breslau. [* 34]
Sein Verkehr durch Reisende, durch Vermittelung von Geistlichen und Privatleuten erstreckte sich auch auf Polen, Norddeutschland etc. Franz Birckmann in Köln und Antwerpen [* 35] (ca. 1510-50) hatte Geschäftsverkehr mit England, Süddeutschland, der Schweiz, [* 36] Paris. Von Leipzig aus, wo Buchführer seit 1489 nachzuweisen sind, bestanden schon in den 90er Jahren des 15. Jahrh. weitreichende Verbindungen nach Magdeburg, [* 37] Prag, [* 38] im Anfang des 16. Jahrh. nach Danzig, [* 39] über Breslau nach Polen, Ungarn, [* 40] Siebenbürgen.
Wie schon die Handschriftenhändler, besuchten auch die Buchhändler im Interesse ihres Absatzes die Messen und Jahrmärkte, welche sämtlich einen gewissermaßen bestimmten, nach Ländern und Landschaften abgegrenzten Kundenkreis boten. So bezogen die Leipziger Buchhändler die Messen und Märkte zu Breslau und zu Posen [* 41] schon im Anfang des 16. Jahrh., besonders aber die Peter-Paulsmesse des benachbarten Naumburg; [* 42] die Breslauer waren regelmäßige Besucher der Neißer Märkte.
Die wichtigsten waren die Messen zu Frankfurt a. M., seit den 70er Jahren des 15. Jahrh., welche sich zu einem Weltbüchermarkt entwickelten. Dorthin kamen die Buchhändler aus den wichtigsten Ländern: Italien, Frankreich, Niederlande [* 43] etc. Mehr für den deutschen und östlichen Büchermarkt waren die Leipziger Messen, deren Bezug seit 1493 sicher nachweisbar ist. Auf den Messen legten die Buchhändler ihre Waren aus, oder sie schlugen die Titelblätter oder Verzeichnisse ihrer Vorräte an. Sensationelle Neuigkeiten wurden in den Straßen ausgerufen, und dem Vertrieb kleinerer Schriften widmeten sich Massen von Männern, Weibern und Kindern.
Hierhin kamen die Gelehrten, um für sich und ihre Freunde Einkäufe zu machen, Buchhändler, um ihre Vorräte zu ergänzen und zu erneuern. Nebenbei pflegten die Buchhändler gelegentlich ihrer Geschäftsreisen Briefe, Zahlungen und sonstige Geschäfte der Gelehrten zu besorgen, besonders aber vermittelten sie bedeutende Papierlieferungen von Süd- nach Norddeutschland und weiter. Verkauft wurde in der frühsten Zeit an Händler und Private unterschiedslos zu gleichen Preisen.
Nur in einzelnen Fällen gaben große Verleger den bedeutendsten Buchführern einen Rabatt von ihren Bezügen. Ein Ladenpreis war unbekannt, und der Buchhändler suchte seine Ware später so vorteilhaft wie möglich zu verwerten. Aber das war immer nur ein kleiner Teil der Bücherkäufer, die sich besonders in der Reformationszeit gewaltig vermehrten. Hier trat als wichtigster Vermittler des Absatzes die Kolportage, der Wander- und Hausierverkehr, ein, die besonders für populäre Artikel die größten Erfolge erzielte.
Alles reiste: Briefmaler, Kartenmacher, Briefdrucker (Briefe, litterae, gleich Flugschriften) durchzogen als »Briefträger« und »Kunstträger« das Land, besonders die Nürnberger. Sogar selbstverlegende Gelehrte gingen mit ihren Büchern selbst und durch ihre Angehörigen hausieren. Nach dem Bar- kam das Changegeschäft auf den Messen. Der geschäftliche Vorteil, den ein möglichst vielseitiges Lager gewährte, führte schon im 15. Jahrh. dazu, daß die Verleger ihre Artikel gegenseitig austauschten.
Dieses »Stechen« oder »Changieren« geschah meist »nach der Ballenschnur«, d. h. ballen- oder riesweise, bei Kleinkram wohl ausnahmslos. Wurde hier anfangs Gleichschätzung vorausgesetzt, so änderte sich das, als die Niederländer für ihren wertvollern Verlag später das drei- bis fünffache Quantum des deutschen Verlags beanspruchten und auch erhielten. Natürlich konnten nur solche Buchhändler changieren, die selbst Verlag auf die Messe brachten; die reinen Buchführer mußten bar kaufen, wie auch dem reinen Verleger mit Tausch nicht gedient sein konnte.
Übrigens wurden, obgleich der Buchhandel nie zünftig gewesen ist, gewisse Schranken mit großer Eifersucht eingehalten. Auswärtige Buchhändler durften nie in fremde Kreise [* 44] eindringen, in den Meßplätzen nur während der Messe offene Läden halten; Buchdrucker durften nur mit selbstgedruckten Artikeln, Bücherkrämer oder Antiquare nur mit alten und gebundenen Büchern, Dissertationenhändler nur mit Kleinlitteratur und Büchern von nicht mehr als zwölf Bogen [* 45] Umfang handeln (in Paris durften schon die unvereideten Handschriftenhändler kein Buch verkaufen, das mehr als 10 Sous wert war).
Nur die Buchbinder ließen sich trotz langer Kämpfe den Handel mit Kalendern, Schul- und Erbauungsbüchern nicht entreißen. Diejenigen kleinen Bücherhändler, für welche sich der Meßbesuch nicht lohnte, bezogen ihren Bedarf von Großsortimenten, deren es verschiedene gab. Der bedeutendste dieser Buchführer, welche ein möglichst vielseitiges Lager behufs Weiterverkaufs an andre anlegten, war Georg Willer in Augsburg. Er hatte neben seinem Hauptgeschäft noch ein Lager in Wien und einen Agenten (Kommissionär, institor) in Tübingen. [* 46] Er war der erste, welcher (Herbst 1564) einen gedruckten Katalog der von ihm von der Messe gebrachten Artikel ausgab; hieraus entwickelte sich einerseits der Meßkatalog, anderseits die Sitte der Buchführer, Kataloge über ihr Lager zu drucken, in welche gelegentlich auch der Bestand angekaufter Bibliotheken aufgenommen wurde, und in ihre Kundenkreise zu verbreiten.
Die Blüte [* 47] des Frankfurter Weltbüchermarktes dauerte kaum ein Jahrhundert. War der Buchhandel jener Zeit nach außen gewissermaßen kosmopolitisch, in seiner innern Gliederung universell gewesen, so konnten doch diese ursprünglichen Zustände auf die Dauer nicht aufrecht erhalten werden, als die Nationallitteraturen der einzelnen Länder ihre Selbständigkeit gegenüber dem früher allgemein herrschenden Latein errungen hatten und in den einzelnen Ländern nach ¶
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und nach mehr litterarische Erscheinungen auftauchten als während des Mittelalters in ganz Europa. [* 49] Es gestalteten sich nach den Ländern geschiedene Gruppen, und damit entstand der nationale Buchhandel, welcher internationale Beziehungen meist nur noch durch Vermittelung einzelner Geschäftshäuser weiter pflegte. Diese Entwickelung hatte ihren Grund nicht sowohl in nationalem Bewußtsein oder Bedürfnis als vielmehr in dem Umstand, daß die Staatsgewalt sehr bald durch preßgesetzliche Bestimmungen, verschieden nach den verschiedenen Ländern, dem Buchhandel der einzelnen Länder und Staaten besondere Bahnen anwies, und in dieser Vereinzelung bildeten sich dann auch verschiedene Organisationen. Von Frankfurt blieben zuerst die Italiener weg, als nach Erscheinen des ersten Index librorum prohibitorum in den 70er Jahren des 16. Jahrh. die deutsche Litteratur zum großen Teil von Italien ausgeschlossen war. Den Italienern folgten bald die französischen Buchhändler, und so blieb, abgesehen von den Niederländern, der Büchermarkt auf die deutsche Litteratur beschränkt.
Der deutsche Buchhandel entwickelte sich nun selbständig weiter. Bis in die neuere Zeit dauerte der oben geschilderte Verkehr, der Besuch der Messen zu Frankfurt a. M. und zu Leipzig, der Austausch der auf die Messen geführten Verlagsartikel. Der Umsatz und die danach zu bemessenden Anschaffungen liefen von einer Messe bis zur andern. Kommissionssendungen kommen erst spät vor. Die Staatsgewalt, Reichsregierung sowohl als Territorialregierungen, legte auf dem Gebiet der Verwaltung durch Zensur und gewerbliche Vorschriften der weitern Entwickelung des Buchhandels schwere Fesseln an. Die 1569 eingesetzte kaiserliche Bücherkommission in Frankfurt, die erst nur fiskalischem Interesse diente, indem sie die Einlieferung der für Privilegien zu liefernden Pflichtexemplare überwachte, entwickelte sich bald zu einer lästigen allgemeinen Aufsichtsbehörde.
Auch nach der rechtlichen Seite hin war die Lage trostlos. Der Verleger war fast überall, wo er sich nicht ein Privilegium auswirken konnte, völlig rechtlos, und selbst diese Privilegien, meist nur mit großer Mühe und bedeutendem Kostenaufwand zu erlangen und nur auf wenige Jahre erteilt, erwiesen sich noch dazu häufig als wirkungslos. Sowie ein Buch erschien, welches sich zu einer gewinnbringenden Spekulation eignete, verfiel es den Händen der Nachdrucker, die nicht nur bei den meisten Territorialregierungen, sondern selbst in Wien Schutz, hier und da sogar Ermunterung fanden.
Schon Luther hatte, freilich umsonst, gegen den Nachdruck geschrieben, wie sich auch bei ihm die ersten Andeutungen der Idee des Urheberrechts finden. Der erste von allen deutschen Staaten, welcher einen erträglichen Rechtszustand für den Buchhandel schuf, war Kursachsen. Schon unterm erschien hier das »Mandat wider ärgerliche Schriften etc., ingleichen von Censur und denen privilegirten, auch dem Nachdruck derer privilegirten Bücher etc.«, welches den Nachdruck auch solcher nicht privilegierten Schriften, die »der Verleger von den Autoren redlicherweise an sich gebracht«, verbot.
Ausführung dieses Mandats wie des ganzen Bücherwesens lag der kursächsischen »Bücherkommission« ob, deren Einsetzung in dasselbe Jahr fällt wie die der kaiserlichen in Frankfurt. Durch das kursächsische Mandat, »den Buchhandel betreffend«, vom wurde dann der Nachdruck aller von in- und ausländischen Buchhändlern in den sächsischen Landen gedruckten Bücher, deren Verlagsrecht »der Buchhändler von dem Schriftsteller in redlicher Weise an sich gebracht hat«, schlechtweg, auch ohne Privilegium, nur unter Beobachtung sehr einfacher Förmlichkeiten untersagt; bloß bei den Ausländern war Gegenseitigkeit gegen sächsische Unterthanen Bedingung.
Die Bücherkommission in Leipzig hatte Protokoll über die zur Einzeichnung in dasselbe angemeldeten Bücher zu führen, und diese Einzeichnung hatte dieselbe rechtliche Wirkung, als wenn ein Privilegium erworben worden wäre. Gleichzeitig wurde allen die Leipziger Messen besuchenden Buchhändlern die Befugnis erteilt, eine aus zwei Leipziger, einem andern sächsischen und sechs ausländischen Buchhändlern bestehende Deputation zu wählen, um das gemeinschaftliche Beste des Buchhandels ins Auge [* 50] zu fassen.
Indes wurde diese Deputation nur in vereinzelten Fällen berufen, so z. B. 1778. Eine aus drei, nur Leipziger, Buchhändlern 1811 zur Begutachtung der von der sächsischen Regierung beabsichtigen »Verbesserungsvorschläge« gewählte Deputation erklärte sich aus eigner Machtvollkommenheit permanent und wurde auch offiziell als Vertretung des Buchhandels anerkannt. Unter dem Einfluß der Stürme der Julirevolution von 1830 entwickelte sich aus dieser Deputation der Verein der Buchhändler zu Leipzig.
Die geschilderte Rechtsunsicherheit, die Schikanen, welchen der auswärtige Buchhandel durch die in Frankfurt a. M. eingesetzte kaiserliche Bücherkommission ausgesetzt war, wohl auch der Umstand, daß die norddeutschen Verleger in Frankfurt für ihren wertvollern Verlag kein genügendes Äquivalent mehr fanden, dann auch die Schwierigkeit, beide Meßplätze zu besuchen (die Frankfurter Fastenmesse war um 1711 von Sonntag Judika auf Sonntag Quasimodogeniti verlegt und dadurch der Beginn der beiden Ostermessen zu nahe aneinander gerückt worden, als daß die Norddeutschen die Frankfurter noch bequem hatten beziehen können), führten zu dem Entschluß der hervorragenden norddeutschen, besonders Leipziger und Berliner, [* 51] Verleger, den Besuch der Frankfurter Messen ganz einzustellen.
Die Ausführung dieses Beschlusses erfolgte, nachdem schon früher einzelne weggeblieben waren, allgemein in der Frankfurter Fastenmesse 1764 mittels eines förmlichen Absagebriefs an Frankfurt a. M., durch welchen die Beteiligten zugleich erklärten, daß sie von da an nur noch die Leipziger Messen besuchen würden. Damit wurde zu gleicher Zeit der sich nun schnell vollziehende Übergang des Tauschgeschäfts zu dem von nun an eintretenden Rechnungsgeschäft angebahnt.
Das Bedürfnis, gegen manche Übelstände, vor allem gegen den Nachdruck anzukämpfen, führte zu Versuchen buchhändlerischer Vereinigungen. Die Spuren eines solchen Vereins finden sich schon einmal im 17. Jahrh. ohne bekannten Erfolg. Einen neuen Anlauf [* 52] nahm 1765 der thatkräftige Philipp Erasmus Reich (geb. zu Laubach in der Wetterau, seit 1762 Teilhaber der Weidmannschen Buchhandlung [Weidmanns Erben u. Reich] in Leipzig, gest. durch Gründung der »Buchhandlungsgesellschaft«.
Das Grundgesetz derselben wurde sogleich von 56 der angesehensten Firmen unterzeichnet, mit Ausnahme von 7 süddeutschen, einer Schweizer und einer Kopenhagener lauter norddeutschen. Diese Vereinigung hatte hauptsächlich die Bekämpfung des Nachdrucks als des Hauptübels ins Auge gefaßt, suchte aber auch gegen andre geschäftliche Schäden und Mißbräuche vorzugehen; doch scheint sie nicht lange bestanden zu haben, wie sie es auch nicht zu bedeutsamer Wirksamkeit bringen konnte ¶
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- ganz natürlich; ohne staatliche Mithilfe war da nichts zu erreichen, und dieser standen die erwähnten Verhältnisse entgegen. Hauptsächlich Erleichterung des Abrechnungswesens bezweckten die durch Paul Gotthelf Kummer in Leipzig 1792 und durch Karl Christian Horvath von Potsdam [* 54] u. a. 1797 gegründeten Abrechnungsanstalten. Resultatlos blieb auch der durch genannten Horvath und Georg Joachim Göschen in Leipzig 1804 behufs Abschaffung von geschäftlichen Mißbräuchen angeregte »Vertrag der Buchhändler über einige Gegenstände ihres Handels«.
Etwas Dauerndes wurde erst in dem aus dem Horvathschen Abrechnungsinstitut, einem Privatunternehmen, hervorgegangenen Börsenverein der deutschen Buchhändler geschaffen. Dieser Verein, gegründet in der Ostermesse 1825 hauptsächlich auf Anregung Friedr. Campes von Nürnberg und Horvaths von Potsdam, umfaßt zwar nicht die Gesamtheit der deutschen Buchhandlungen (Mitgliederzahl bei der Begründung 101 [fast nur Auswärtige, die Leipziger schlossen sich erst nach und nach an], Ostermesse 1885: 1549) und übt direkten Einfluß allerdings nur auf seine Mitglieder; doch erstreckt sich seine Wirksamkeit über den ganzen deutschen Buchhandel, da die große Mehrzahl der bedeutendern Geschäfte und die einflußreichen Leipziger Kommissionäre fast ausnahmslos ihm angehören.
Sein Zweck ist nach dem neuesten Statut: Pflege und Förderung des Wohls sowie Vertretung der Interessen des deutschen Buchhandels im allgemeinen und seiner Angehörigen im weitesten Umfang. Vom Anfang seines Bestehens an in erfolgreicher Weise durch Anregungen bei den Faktoren der Gesetzgebung und Verwaltung und durch Feststellung der geschäftlichen Usancen wirkend, hat sich der Börsenverein um die Entwickelung des buchhändlerischen rechtlichen und geschäftlichen Verkehrs unbestreitbare Verdienste erworben.
Amtliches Organ des Vereins ist das »Börsenblatt für den deutschen und die mit ihm verwandten Geschäftszweige«, zugleich das wichtigste Anzeigeorgan des Buchhandels den Geschäftsgenossen gegenüber. Die in den Jahren 1834-36 in Leipzig als Aktienunternehmen mit bedeutender Unterstützung von seiten der königlich sächsischen Regierung erbaute deutsche Buchhändlerbörse, seit mehreren Jahren alleiniges Eigentum des Börsenvereins, wird in kurzem durch ein neues deutsches Buchhändlerhaus ersetzt werden.
Die Bibliothek des Börsenvereins, welche alles sammelt, was sich auf und Hilfsgewerbe bezieht, zählte Ostern 1885 über 7600 zum Teil bändereiche Nummern. In der neuesten Zeit hat sich Schritt für Schritt mit dieser Entwickelung buchhändlerischer Vereinigung die Litteratur an Zahl und Wert gehoben, und Thatsachen beweisen, daß die hervorragendsten Firmen nicht mehr nur dem »Geschäft« nachjagen, sondern in aufopfernder Weise, durch die veredelnde Macht der Litteratur bestimmt, auch deren höhere Zwecke zu erfüllen bestrebt sind.
Geschäftsbetrieb des deutschen Buchhandels.
Die Zweige, in welche (streng genommen nur in Deutschland) der heutige Buchhandel zerfällt, sind schon am Eingang bezeichnet. Reine Verlagshandlungen, d. h. solche, die sich nur mit dem Vertrieb eignen Verlags befassen, bestehen erst, seit die norddeutschen Buchhändler den Besuch der Frankfurter Messe aufhoben. Die beteiligten Verlagshandlungen, die man auch Nettohandlungen nannte, verzichteten nun darauf, Artikel fremden Verlags zu acquirieren und zu vertreiben; dann waren sie auch nicht mehr genötigt, die Messen abzuwarten, um für ihren neuen Verlag Absatz zu vermitteln, sie gaben vielmehr ihre Artikel gewöhnlich sogleich nach deren Erscheinen aus, sahen sich aber hierdurch auch genötigt, Kommissionssendungen zu machen, wodurch das heute bestehende Neuigkeits- und à condition-Geschäft angebahnt wurde. Um nun den Bezug ihrer Artikel auch außer den Messen zu erleichtern, errichteten viele der nicht an Kommissionsplätzen domizilierenden Netto- und andern Verlagshandlungen bei bestimmten Firmen an Kommissionsplätzen, fast ausschließlich in Leipzig, Auslieferungslager, wie solche bis in die Gegenwart vielfach noch bestehen und wesentlich zur Erleichterung und Beschleunigung des Verkehrs der Verleger selbst beitragen.
Der Sortimentshandel befaßt sich mit dem Vertrieb an das Publikum. Reine Sortimentshandlungen, d. h. solche, die gar keinen eignen Verlag führten (sie hauptsächlich sind unter der früher üblichen Bezeichnung »Buchführer« zu verstehen), gab es schon im 16. Jahrh. Sie machten, wie bemerkt, ihre Einkäufe auf den Messen oder bezogen ihren Bedarf von größern Buchhandlungen, welche Lager fremden Verlags hielten. Sie legten sich ihre Vorräte nicht nur nach vorliegenden Bestellungen an, sondern sie acquirierten die Artikel, für die sie Verwendung zu haben glaubten, in einer nach dem mutmaßlich zu erwartenden Absatz geschätzten Anzahl.
Hierdurch entstanden die damaligen festen Sortimentslager. Gegenwärtig beschränkt sich der Sortimentshandel im ganzen auf den Vertrieb von Neuigkeiten und Fortsetzungen, derart, daß ältere Artikel in der Regel nur auf ausdrückliche Bestellung beschafft werden. Der von den Sortimentshandlungen früher geübte Gebrauch, Bibliotheken anzukaufen und zu vereinzeln, ist jetzt abgekommen. Dieser Geschäftszweig ist übergegangen an die (reinen) Antiquariatsbuchhandlungen und, was den Ankauf von Partien und ganzen Auflageresten betrifft, an das moderne Antiquariat, welch letzteres auch das Changegeschäft wieder aufgenommen hat.
Beide Zweige des Antiquariats wirken hauptsächlich durch Kataloge und betreiben ihr Geschäft fast nur gegen bar. Das buchhändlerische Kommissionsgeschäft, dessen Anfänge schon im ersten Viertel des 16. Jahrh. erscheinen, ist nicht zu verwechseln mit der Wirksamkeit des kaufmännischen Kommissionärs ebensowenig mit dem Kommissionsverlag oder dem Geschäft, welches sich aus den von den Verlegern den Sortimentern gemachten Kommissionssendungen entwickelt.
Der buchhändlerische Kommissionär besorgt alle Geschäfte seines Kommittenten am Kommissionsplatz. Er ist gewissermaßen der Generalbevollmächtigte, nebenbei der geschäftliche Vertrauensmann seines Kommittenten und eine so wichtige Mittelsperson, daß keine bedeutende Buchhandlung in Deutschland bestehen kann, ohne wenigstens in Leipzig, dem Hauptkommissionsplatz, einen festen Kommissionär zu haben. Kommissionsbuchhandlungen gab es in Leipzig 1791: 29 (darunter aber 1 Buchbinder und 2 Kaufleute);
1840: 78;
Anfang 1885: 133 (mit 5747 Kommittenten).
Außerdem gab es 1885 Kommissionäre: in Berlin 34 (315 Kommittenten), in Prag 11 (111 Kommittenten), in Stuttgart [* 55] 15 (430 Kommittenten), in Wien 39 (610 Kommittenten), in Zürich [* 56] 5 (96 Kommittenten).
Der Gang des [* 57] deutschen buchhändlerischen Geschäfts ist in allgemeinen Umrissen folgender. Wenn der Verleger sich nach Prüfung aller einschlagenden Verhältnisse, die oft für den ganzen Erfolg entscheidend ist und daher einen nicht geringen Grad von Umsicht und umfassender Bildung erfordert, für ein ¶
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Verlagsunternehmen entschieden hat, so schließt er nötigenfalls mit dem Autor ein Übereinkommen (Verlagsvertrag, Verlagskontrakt), gewöhnlich schriftlich, ab. In demselben sind der Betrag des Honorars, die Zahlungstermine, die Größe der Auflage, oft auch Format, Druck und äußere Ausstattung, die Zeit des Erscheinens und die Bedingungen angeführt, unter welchen der Verleger auch für die möglichen künftigen Auflagen des Buches das Verlagsrecht erwerben soll (s. Auflage).
Zuweilen trägt auch der Schriftsteller einen Teil der Kosten, oder er läßt sein Werk ganz auf eigne Kosten drucken und gibt es dem Buchhändler gegen eine verhältnismäßige Provision zum Vertrieb in Kommission (Kommissionsverlag). Endlich kann auch der Autor das Werk, dessen Herstellung er auf eigne Kosten besorgte, in Selbstverlag und Selbstvertrieb nehmen, was aber höchstens etwa bei Schriften von bloßem Lokalinteresse, die einen engen Kreis [* 59] für ihren Debit haben, zweckmäßig sein kann.
Nach Vollendung des Werks erfolgt gewöhnlich der Versand als Novität (Neuigkeit) an die Sortimentsbuchhändler. Zu den Vertriebsmitteln des Verlegers gehören namentlich Annoncen in öffentlichen Blättern oder Fachzeitschriften, Prospekte, Plakate und Probehefte, letztere namentlich behufs Sammlung von Subskriptionen (Unterzeichnungen zum Ankauf), einer zum Vertrieb von den in Lieferungen erscheinenden Werken sehr beliebten Usance; letzteres geschieht meist durch besondere Reisende und wird namentlich von einer Anzahl von Verlagshandlungen, welche den Verlag populärer oder populär-wissenschaftlicher Litteratur kultivieren, geübt, indem diese für die Ausführung der durch Reisende gewonnenen Subskriptionen sich entweder der Vermittelung des Sortimentsbuchhandels oder eigens dafür etablierte Expeditionen oder Agenturen bedienen.
Nachbestellungen wie andre Bestellungen macht der Sortimentsbuchhändler meist durch offene »Verlangzettel«, die den Weg über Leipzig und durch die dortigen Kommissionäre zum Verleger nehmen. Diese Verlangzettel wie auch Prospekte, Rechnungspapiere etc. werden beim Eintreten in Leipzig (und Berlin) auf die Bestellanstalt für Buchhändlerpapiere (Privatposten der betreffenden Korporationen) eingeliefert, welche sie sortiert und den betreffenden Kommissionären der Adressaten zustellt.
Die Nachbestellungen geschehen entweder »à condition«, d. h. mit dem Beding, den unabgesetzten Teil der Bestellung wieder »remittieren« (an den Verleger zurückgeben) zu dürfen, oder »für feste Rechnung«, welcher Ausdruck den Willen des Bestellers kundthut, das Bestellte unbedingt zu behalten. Den Erfolg des Unternehmens lernt der Verleger im allgemeinen oft erst nach Jahren kennen; denn fast immer wird zu der nächsten Buchhändlermesse in Leipzig (Ostermesse jeden Jahrs) und zu andern Zeiten ein mehr oder minder großer Teil der versandten Exemplare als unverkauft wieder zurückkommen oder als Disponenden (unverkaufte und nicht zahlbare Ware) in den Magazinen der Sortimentsbuchhandlungen zum Verkauf zurückbleiben, und erst nachdem er letztere überall eingerufen und von allerwärts zurückempfangen hat, ist der Verleger im stande, ein festes Geschäftsresultat zu ermitteln. Es gibt natürlich auch andre Geschäftsweisen: Absehen von Novasendungen, Lieferung nur in fester Rechnung etc.;
das richtet sich nach der Natur des betreffenden Geschäfts.
Die meisten Verlagsbuchhandlungen geben Verzeichnisse ihrer Verlagsartikel (Verlagskataloge) aus, die sie von Zeit zu Zeit erneuern. Der übliche Kredit, den der deutsche Verlagsbuchhändler den soliden Sortimentsbuchhändler gewährt, erstreckt sich darauf, daß alles, was zwischen 1. Jan. und 31. Dez. verlangt und gesandt wird, in der nächsten Leipziger Ostermesse oder überhaupt zur Zeit des nächsten Abrechnungstermins zur »Abrechnung« kommen oder saldiert werden soll. Für seine Bemühungen und als Ersatz der durch den Geschäftsbetrieb unvermeidlich entstehenden, nicht unbeträchtlichen Spesen erhält der Sortimenter von dem Verleger einen bestimmten Rabatt.
Die Zahl der mit Leipzig in regelmäßiger Verbindung stehenden Buchhandlungen (einschließlich der in Leipzig domizilierenden) betrug:
im Jahr | 1791 | 1840 | 1873 | Anfang 1885 |
---|---|---|---|---|
413 | 1415 | 3983 | 6304 Buchhandlungen | |
in | 146 | 402 | 1067 | 1473 Orten. |
Davon befanden sich
im Jahr | 1791 | 1840 | 1873 | Anfang 1885 |
---|---|---|---|---|
in Leipzig | 50 | 117 | 292 | 514 Buchhandlungen |
in Berlin | 30 | 104 | 444 | 598 Buchhandlungen |
in Wien | 21 | 42 | 116 | 175 Buchhandlungen |
in Stuttgart | 3 | 30 | 98 | 109 Buchhandlungen |
Außerdem gibt es noch eine nicht unbeträchtliche Zahl solcher Buchhandlungen, welche in Leipzig keinen Kommissionär haben, weil ihr Verkehr nicht bedeutend genug ist, die daher ihren Bedarf meist aus zweiter Hand [* 60] beziehen.
Einen Überblick der litterarischen Produktion Deutschlands, [* 61] soweit solche in den regelmäßigen buchhändlerischen Verkehr gelangt, geben folgende Zahlen. Es erschienen:
1570 | 1600 | 1618 | 1650 | 1700 | 1750 | 1800 | 1840 | 1873 | 1884 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
299 | 791 | 1293 | 725 | 951 | 1219 | 3335 | 6904 | 11,050 | 15,607 Werke. |
Die in den einzelnen Jahren erschienenen Werke verteilen sich auf die verschiedenen Litteraturzweige nach Prozenten der Gesamtproduktion folgendermaßen:
1570 | 1600 | 1618 | 1650 | 1700 | 1750 | |
---|---|---|---|---|---|---|
Theologie | 46.3 | 42.0 | 49.1 | 41.5 | 44.0 | 28.8 |
Jurisprudenz | 13.5 | 15.7 | 8.5 | 7.4 | 8.7 | 8.2 |
Medizin | 4.8 | 4.8 | 4.8 | 5.9 | 6.4 | 8.5 |
Geschichtswissenschaften | 11.0 | 11.6 | 10.3 | 20.0 | 16.1 | 16.2 |
Philosoph. Wissenschaften | 16.6 | 18.7 | 21.7 | 17.0 | 20.1 | 26.8 |
Schönwissenschaftliche Litt. | 3.8 | 3.9 | 3.7 | 5.2 | 2.9 | 8.7 |
Musik | 4.0 | 3.3 | 1.9 | 3.0 | 1.8 | 2.8 |
ferner in den Jahren:
1800 | 1840 | 1873 | 1884 | |
---|---|---|---|---|
Sammelwerke, Litteraturwissenschaft | 2.2 | 2.9 | 2.3 | 2.8 |
Theologie | 10.5 | 18.1 | 10.5 | 9.4 |
Jurisprudenz, Staatswissenschaft, Politik | 7.0 | 5.8 | 8.8 | 9.6 |
Medizin, Tierheilkunde, Pharmazie | 8.2 | 7.0 | 5.0 | 6.0 |
Naturwissenschaften | 4.6 | 4.5 | 5.1 | 5.4 |
Philosophie | 3.4 | 1.0 | 1.4 | 1.0 |
Pädagogik, Jugendschriften, Lehrmittel | 8.1 | 8.6 | 16.4 | 15.6 |
Philologie und Altertumskunde | 3.5 | 4.3 | 3.8 | 4.0 |
Neuere Sprachen und Altdeutsch | 3.1 | 4.0 | 3.4 | 3.2 |
Geschichte, Geographie etc. | 9.7 | 11.6 | 10.1 | 10.1 |
Mathematik, Astronomie | 2.0 | 1.3 | 1.6 | 1.4 |
Kriegswissenschaft und Pferdekunde | 1.8 | 1.5 | 2.7 | 2.5 |
Handelswissenschaft | 1.4 | 1.0 | 2.1 | 4.5 |
Technologische Wissenschaften | 2.7 | 5.4 | 5.0 | 2.7 |
Forst- und Jagdwissenschaft | 1.1 | 0.6 | 0.8 | 0.7 |
Haus- und Landwirtschaft, Gartenbau | 4.1 | 3.1 | 2.6 | 2.5 |
Schönwissenschaftliche Litteratur | 18.4 | 11.9 | 7.8 | 8.4 |
Bildende Künste (ausschließl. Architektur) | 1.7 | 2.3 | 1.7 | 3.9 |
Musik | 0.3 | 0.7 | 1.1 | 3.9 |
Volksschriften und vermischte Schriften | 6.2 | 4.4 | 7.8 | 6.3 |
Über die buchhändlerischen bibliographischen Hilfsmittel vgl. Bibliographie. ¶
mehr
Stand des Buchhandels im Ausland.
Der englische Buchhandel, seit 1694 im Genuß der Preßfreiheit, erhielt durch eine Verordnung der Königin Anna auch Gewährleistung des litterarischen Eigentums und zwar ohne Privilegien. Bis zu Ende des 18. Jahrh. geschah es oft, daß bei bedeutenden Verlagsunternehmungen sich zehn und mehr Buchhändler vereinigten, um sie auf gemeinschaftliche Kosten zu machen; daher häufiges Vorkommen mehrerer Verleger auf dem Titel umfassender Werke. Mit dem neuen Jahrhundert übte der rasche Umschwung aller merkantilen und gewerblichen Dinge auch auf den Buchhandel seinen Einfluß aus.
Rascher Vertrieb wurde Prinzip, und als Mittel dazu boten sich die Auktionen (trade sales). Der britische Buchhandel wurde zu einem wahren Börsenspiel und trägt diesen Charakter zum Teil noch jetzt. Eine Menge spekulativer Kräfte wendeten sich dem Buchhandel zu, mit ihnen große Kapitalien. Die Honorare stiegen bei der großen Menge konkurrierender Verleger ins Unglaubliche. Aber es wurde auch für jedermann, der auf Bildung Anspruch machen wollte, die Anschaffung einer Büchersammlung unerläßlich, und aus dem Mutterland verbreitete sich dieses Bedürfnis über die Kolonien.
Ehe der eigentliche Wert des Buches entschieden werden kann, wird es als Modeartikel des Tags der Neuheit wegen in Menge verkauft. Die reichen Familien, die Leseklubs, Lesekabinette und Leihanstalten (circulating libraries) nehmen Tausende von Exemplaren in den ersten Tagen des Erscheinens. Die Leihanstalten halten in eignem Interesse darauf, daß die Originalpreise möglichst hoch gestellt werden, um die große Anzahl von Privaten, welche ihre regelmäßige Kundschaft bilden, vom Ankauf für sich selbst abzuhalten.
Der Verleger macht seinen Kalkül so, daß er für die Kosten der ganzen Auflage durch diesen Primärabsatz gedeckt wird; den Rest bringt er oft schon nach wenig Wochen unter den Hammer. [* 63] Die so gemeiniglich in Partien von 10, 20 und mehr Exemplaren versteigerten Bücher treten hierauf in einen eignen Buchhändlerkreis ein, in den der second-hand dealers (Händler aus zweiter Hand), und die Bücher selbst in die Klasse der second-hand books, die nun in den cheap lists dem Publikum zu geringern Preisen angeboten werden.
Häufig tritt der Antiquar an die Stelle der Auktionen und second-hand dealers; er kauft Partien zu ermäßigtem Preis vom Verleger und rangiert sie dann in seine Kataloge als ständige Artikel ein. In London gibt es solche Antiquarbuchhändler im großen Stil, bei denen man von jedem guten wissenschaftlichen Werk zuverlässig mehrere Exemplare vorfindet. Dabei führt doch der Verleger in seinen Katalogen für das Werk den Originalpreis unverändert fort. In England ist die Hauptstadt London der Zentralpunkt des Buchhandels.
Aus den Londoner Pressen gehen jährlich weit mehr Bücher hervor als aus den übrigen Ländern des britischen Reichs. Oxford [* 64] und Cambridge verlegen meist nur klassische oder theologische Werke. Fast alle Buchhändler im Innern, in Schottland und in Irland haben einen Kommissionär in London, der ihnen die verlangten Werke in der Regel wöchentlich (oft auch täglich) überschickt. Umgekehrt haben die Londoner Verleger in jeder bedeutenden Stadt der drei vereinigten Königreiche Agenten. Andre als die allgemein gültigen kaufmännischen Usancen kennt der englische Buchhandel nicht. Die Einfuhr fremder Litteratur nach England war gering, solange die hohe Papiersteuer noch bestand; nach deren Wegfall hat sie sich bedeutend gehoben; beträchtlich ist auch die Ausfuhr.
In Nordamerika [* 65] ist der Buchhandel ähnlich organisiert wie im Mutterland. Ein großer Teil des Vertriebs wird durch die Auktionen (trade sales) vermittelt, welche in New York, Philadelphia [* 66] und Boston [* 67] jährlich zweimal abgehalten werden und auch noch die Stelle der deutschen Buchhändlermessen vertreten, indem bei diesen Gelegenheiten die Geschäftsgenossen aus dem ganzen weiten Land zusammenkommen, Verbindungen anknüpfen, Abrechnung halten, Unternehmungen entrieren etc. Ein großer Teil des amerikanischen Verlags beruht auf Nachdruck englischer, auch deutscher Werke, für welche ein Rechtsschutz noch nicht zu erlangen gewesen ist. Am meisten blüht unter den buchhändlerischen Vertriebsarten das Kolportagegeschäft, so sehr, daß ganze Verlagsgeschäfte, ja ganze Litteraturzweige lediglich darauf beruhen; namentlich sind es die fliegenden Buchhändler (canvassers), welche alle Eisenbahnzüge und Dampfschiffe auf allen Fahrten begleiten und unter dem großen, stets wechselnden Reisepublikum eine unbegreifliche Masse billiger Unterhaltungslektüre absetzen. Der Hausierhandel ist bei den ungeheuern Entfernungen und der großen Zerstreutheit der Bevölkerung [* 68] in den westlichen Distrikten auch in der That der bis jetzt einzig mögliche Weg zur Verbreitung von Litteratur.
Der holländische Buchhandel nahm, begünstigt durch die unbeschränkte Preßfreiheit, deren er sich von Anfang an fast ohne Unterbrechung zu erfreuen hatte, und infolge der Thätigkeit großer Verleger schon früh eine hervorragende Bedeutung an, die aber seit dem vorigen Jahrhundert immer mehr gegen den deutschen Buchhandel zurücktrat. Bei den großen philologischen und andern wissenschaftlichen Verlagsunternehmungen trat auch hier oft das geteilte Verlagsrecht ein, wonach zwei, drei, fünf und mehr Verleger die Kosten des Ganzen oder einzelner Teile gemeinschaftlich trugen, nebeneinander auf dem Titel genannt wurden, nach Verteilung der Auflage aber jeder für sich selbständig den Vertrieb besorgten.
Die geschäftliche Organisation gleicht einigermaßen der des deutschen Buchhandels. Eine dem Deutschen Börsenverein ähnliche Vereinigung ist die Vereeniging ter bevordering van de belangen des boekhandels. Hauptort ist Amsterdam. [* 69] Der holländische hat Jahresrechnung und Neuigkeitssendungen à condition, wie der deutsche, kennt aber keine Disponenden. Die Rechnung soll jährlich im Januar glatt abgeschlossen und saldiert werden. Einen Kommissionär hat jeder holländische Buchhändler wenigstens in Amsterdam.
Eine eigentümliche Einrichtung sind die Versteigerungen von Verlagsrechten oder ganzer Auflagen seitens der Verleger, welche oft vorgenommen werden, wenn die erste Auflage oder mehrere Auflagen abgesetzt sind. In Amsterdam besteht ein »allgemeines Bestellhaus«, Eigentum der holländischen Buchhändlerkorporation, ähnlich den Anstalten in Deutschland. Einfuhr und Ausfuhr sind bedeutend. Leider blüht der Nachdruck fremder Litteratur noch immer. In Belgien [* 70] ist Brüssel [* 71] die wichtigste Stadt für Verlagswerke. Die belgischen Pressen lieferten früher meist billige Nachdrucke französischer Werke, jetzt hat die Bücherproduktion der Menge nach bedeutend abgenommen, dem Gehalt nach gewonnen.
In Dänemark [* 72] hat der Buchhandel seinen Hauptsitz in Kopenhagen. [* 73] In Schweden [* 74] ist der Buchhandel meist auf Stockholm [* 75] und die zwei Universitäten Upsala [* 76] und Lund beschränkt, in Norwegen auf Christiania. [* 77] Es bestehen hier ähnliche Einrichtungen wie in Deutschland; auch ist der buchhändlerische Verkehr der drei skandinavischen Länder untereinander in neuerer Zeit lebhafter geworden, und man hat sich daher auch hier ¶