Führung nicht Unregelmäßigkeiten, als Abänderungen,
Verletzungen, Rasuren, Unleserlichmachungen u. dgl.,
vorgekommen sind. Nach französischem
Gesetz
(Code de commerce, Tit. II, Art. 12) können regelmäßig geführte
Handelsbücher
von dem
Richter zur Beweisführung in
Handelssachen unter Handelsleuten zugelassen werden. Es müssen jedoch die vorgeschriebenen
Bücher
(Journal und Inventurbuch) von einem
Handelsrichter oder einem
Bürgermeister foliiert, paraphiert
und einmal im Jahr visiert werden; andernfalls haben sie zum Vorteil derjenigen, welche sie geführt haben, vor
Gericht keine
Beweiskraft.
Nach russischem
Gesetz (Art. 1465-68) dienen die kaufmännischen
Bücher unter Kaufleuten gegenseitig als vollständiger
Beweis,
wenn die fraglichen streitigen
Posten nach Vergleichung mit den
Büchern des Angeklagten sich als übereinstimmend
erweisen. Ist das letztere nicht der
Fall, so können weder diese noch jene
Bücheran sich als
Beweis zur
Entscheidung des Streits
dienen. In Klagesachen gegen eine nicht zum Handelsstand gehörige
Person können kaufmännische
Bücher nur als halber
Beweis
angenommen werden.
Wenn dieser halbe
Beweis nicht von der Gegenpartei mit andern stärkern
Beweisen angefochten oder widerlegt
wird, so kann der
Kaufmann zur Erhärtung seiner
Bücher zum Ergänzungseid zugelassen werden. Nach österreichischem
Recht
haben die
Bücher der Großhändler, der förmlichen Kleinhandelsleute und Apotheker sowie der
Krämer in den
Städten und auf
dem Land halbe Beweiskraft. Der betreffende Handeltreibende muß in gutem
Ruf stehen, und seine
Geschäftsbücher
müssen unverdächtig sein. Das
Hauptbuch muß zur Zeit nur von einer
Person geführt werden. In
Preußen
[* 2] ging das allgemeine
Landrecht (Teil II,
Tit. 8, §. 569 ff.) von dem
Grundsatz aus, daß die
Handelsbücher bei regelmäßiger
Führung unter Kaufleuten
den vollen, gegen Nichtkaufleute aber nur bei Warenlieferungen und auch nur dann einen halben
Beweis erbringen,
wenn die Lieferung selbst nicht bestritten oder anderweitig erwiesen ist.
Im
DeutschenReich aber ist mit der Einführung der Reichsjustizgesetze, welche seit in Wirksamkeit sind, das
Prinzip
der freien Beweiswürdigung (§ 259 derZivilprozeßordnung) zur Geltung gelangt, und damit sind die der
früher geltenden formalen Beweistheorie huldigenden Bestimmungen des deutschen
Handelsgesetzbuchs in Wegfall gekommen (§ 13 des
Einführungsgesetzes zur
Zivilprozeßordnung vom hebt die Art. 34, 35, 36, 37,
Satz 2, 39 u. a. ausdrücklich auf).
Jäger, Der Einfluß der neuen
Justizgesetze auf die Buchhaltung (Stuttg. 1880) und andre
Schriften des Verfassers
über die handelsrechtliche Seite der Buchhaltung. - Übergewerbliche Buchhaltung im allgemeinen vgl.
Amthor, Taschenbuch für Gewerbtreibende (2. Aufl.,
Gera
[* 4] 1871);
Bei Anwendung der
Grundsätze der kaufmännischen Buchhaltung auf landwirtschaftliche Verhältnisse unterscheidet
man eine stehende und eine umlaufende oder jährliche landwirtschaftliche Buchhaltung. Jene enthält eine genaue
Beschreibung der Gutsobjekte
und eine
Chronik über die wichtigern Vorkommnisse auf einem
Gute. Das
Grund-,
Lager- oder Erdbuch (Besitzkonto) gibt eine genaue
Verzeichnung aller zu einemGut oder Gutskomplex gehörenden
Grundstücke, Gebäude,
Gerechtigkeiten oder
Dienstbarkeiten, Nebengewerbe, Wege etc. mit den zum
Beleg dienenden
Karten,
Vermessungs- und Bonitierungsregistern, Schlageinteilungen
etc.,
Bauanschlägen,
Steuern, Meliorationsfonds, Neubaukosten u. dgl.,
kurz mit allen zur Beurteilung des
Werts der
Objekte nötigen Angaben und
Urkunden.
Da, wo das lebende und tote
Inventarium mit dem
Gut verkauft oder verpachtet zu werden pflegt (eisernes
Inventar, vgl.
Pachtvertrag), gehören auch noch die Inventarienverzeichnisse u. dgl.
hinzu und da, wo wertvolle Zuchtherden gehalten werden, die
Stammregister u. dgl. In der Gutschronik aber
verzeichnet man alle für den Betrieb oder die Veränderungen im
Werte der
Objekte wichtigen Vorkommnisse. Das
Grundbuch dient zur Grundlage bei der jährlich vorzunehmenden
Inventur und beim Verkauf oder bei der
Verpachtung und als Hilfsbuch
für die eigentliche Buchhaltung. Die jährliche oder eigentliche Buchhaltung ist bis jetzt in der
Tabellen- oder Registerform, als sogen. kameralistische
Buchhaltung, als einfache und als doppelte Buchhaltung, letztere in sehr verschiedenen
Formen, zu geben versucht worden.
Die
Tabellen- oder Registerform entbehrt des innern Zusammenhalts; man legt einfach für die wesentlichen Wirtschaftszweige
eine
Reihe von
Tabellen oder
Registern an und verzeichnet in denselben den Bestand, Ab- und Zugang, die dafür gemachte
Ausgabe,
die erzielte
Einnahme u. dgl. und wieder den Bestand am
Schluß des
Jahrs; so z. B. für Vieh,
Getreide,
[* 8] Geräte etc., ähnlich für die
Arbeiter mit den für sie gemachten
Ausgaben
an barem
Geld,
Naturalien u. dgl. mit der Angabe der verwendeten
Arbeitszeit für einzelne Betriebszweige u. dgl.,
ähnlich für die Spanntiere (Arbeitsjournale, Haushaltsjournal, Geldjournal etc.). Diese Form
der Aufzeichnungen entspricht den frühern Verhältnissen der sogen. Naturalwirtschaft,
bei welcher die
Kunst des Wirtschaftens darin bestand, möglichst alle Bedürfnisse aus dem eignen Betrieb zu bestreiten und
nur so viel von
Produkten zu verkaufen, als nötig war, um die landesherrlichen
Abgaben, die Handwerkerlöhne, etwanige Beschaffungen
und die persönlichen Bedürfnisse des
Prinzipals zu bestreiten; das gesamte Dienstpersonal wurde mit
Wohnung, Land und
Naturalien
(Deputaten) gelohnt. Es handelt sich hier also darum, zu wissen, was erzeugt und wieviel und wozu
es verbraucht wurde, um nach Möglichkeit vor
Betrug geschützt zu sein, nicht aber darum, das Geschäftsergebnis zu erfahren.
Eine richtige Buchhaltung für Landwirte hat festzustellen, wieviel der Betrieb im ganzen und
im einzelnen
Gewinn (oder Verlust) bringt. Dazu gehört aber eine
Fülle von Vorarbeiten (Kalkulationen), welche sehr schwierige
und sehr komplizierte
Fragen zu entscheiden haben, wobei es ganz gleichgültig ist, ob man sich für die einfache oder für
die doppelte Form entscheiden will.
¶
mehr
Die nächste der zu lösenden Aufgaben ist die, die richtigen Preisansätze für sämtliche Produkte, loco oder ab Hof,
[* 10] im
Gegensatz zu den Marktpreisen zu finden. Dazu muß man wissen, wieviel pro Zentner für diese an Gesamtkosten beim Verkauf auf
dem Markt entstehen (Fuhrwerk, Knechtelohn, Chaussee-, Brücken-, Wiegegeld etc.). Man muß genau wissen,
was ein Spanntag für das eigne Gespann kostet, und um dieses zu erfahren, muß man wissen, was Futter und Streu kosten, und
wie man den Dünger der Tiere in Ansatz bringen soll; kurz, man wird hier immer vor einer Fülle von Fragen stehen, deren richtige
Beantwortung voraussetzt, daß sie selbst schon beantwortet seien, um andre beantworten zu können.
Sind durch irgend eine brauchbare Methode (vgl. Birnbaum in »Georgika«, Jahrgang 1873) die richtigen Ansätze gefunden, dann
handelt es sich wieder darum, die Ansätze für die Preise zu finden, mit welchen die einzelnen Konti im Betrieb unter sich
verrechnen. Das Spannviehkonto z. B. kauft Futter und Stroh vom Boden- und Scheunenkonto und dieses wiederum
die Produkte von den Wiesen- und Felderkonti und auf dem Markt;
es verkauft seine Produkte: die Spannkraft, berechnet nach Tagen
oder Stunden, und den Dünger an alle Konti, für welche Spannfuhren notwendig sind, und an das Düngerkonto;
es zahlt an das Gebäudekonto die Miete für die Stallung und an das Inventarkonto die für die Stallutensilien, Geräte und
Fuhrwerk;
es verrechnet mit der Kassa für bare Auslagen (Hufbeschlag, Arzt, Arznei etc.), mit dem Haushaltskonto für die Verköstigung
der Knechte, mit dem Administrationskonto für die Beaufsichtigung, mit andern Konti für Nebenarbeit
der Knechte etc. Futter und Stroh werden den Feldern und den Wiesen mit Lokopreisen, ab Feld oder Wiese, gutgeschrieben und den
Viehständen mit den Preisen loco oder ab Boden und Scheune zur Last gerechnet;
der Dünger wird den Viehständen mit den Preisen
ab Stall gutgerechnet, vom Dungkonto mit dem ab Dungstätte verrechnet und den Feldern mit dem loco Feld
in Ansatz gebracht.
Alle diese Preisansätze können nur dann gefunden werden, wenn man die Größe der zwischen Feld, Scheune
und Stall, oder Stall, Dungstätte und Feld, oder Stall, Milchkammer und Markt etc. entstehenden Kosten in den betreffenden Konti
genau zu berechnen versteht. Da der Dünger im Feld, sowohl Stall- als Handelsdünger, für zwei, drei oder
mehrere Jahre auf einmal gegeben wird, so muß man wissen, welchen Prozentteil die erste, die zweite, die dritte Frucht zu
tragen hat.
Für Gebäude, Geräte, Vieh muß man Zins, Abnutz, Unterhalt genau berechnen; die Konti unter sich müssen
Produkte der Wirtschaft kaufen und verkaufen und zwar zu den Erzeugungskosten; kurz, es gilt eine Fülle von Vorfragen zu lösen,
ehe man zu einer richtigen laufenden Buchführung kommen kann. Diese setzt auch hier die jährliche Inventur voraus, d. h.
die Berechnung des Betriebsfonds im ganzen und einzelnen (Handelsbesitz) und dessen Verteilung durch
das Kapitalkonto an die einzelnen Konti.
Als solche sind zunächst im Hauptbuch diejenigen zu unterscheiden, welche Gewinn- (oder Verlust-) Saldi zu geben haben, und
diejenigen, welche nur zur Vermittelung dienen und ohne Saldi abschließen. Dahin gehören überall das Administrations-,
Haushalts-, Gebäude-, Geräte-, Maschinen-, Spannvieh-, Dung-, Boden-, Scheunen-, Vorräte-, Milchwirtschaftskonto
u. dgl. Diese haben nur die Kostenbeträge zu verrechnen
und im Credit sich dafür bezahlen zu lassen; sie übernehmen zu Anfang des Jahrs den Bestand
und geben ihn am Schluß wieder
ab. AlleGrundstücke (Schläge), die Viehbestände für Nutzvieh und die technischen Nebengewerbe bilden die Konti,
welche Saldi geben und diese mit dem Bilanzkonto verrechnen müssen. Auch sie übernehmen den Bestand und geben ihn wieder
ab, sie verrechnen mit jenen Konti und mit der Kassa, und aus ihren Saldi ergibt sich der Jahresgewinn (oder -Verlust). Journale
und Tagebücher, Bilanz-, Gewinn- und Verlustkonto u. dgl. sind ähnlich
wie beim Kaufmann zu führen.
Bis jetzt bemühte man sich, die so komplizierte und schwierige Rechnung zu vereinfachen, freilich nur auf Kosten der Genauigkeit.
Eine Jahresinventur findet sich wegen der Schwierigkeit, sie anzufertigen, bei keiner der vorgeschlagenen Formen. Über die
beste Zeit zum Jahresschluß gehen die Ansichten sehr auseinander, das Kalenderjahr dient fast nirgends
zum Ausgangspunkt; landübliche Termine beim Wechsel von Pachtern oder die Zeit, in welcher am wenigsten Arbeit vom Vorjahr
zu übernehmen und am wenigsten Vorräte noch vorhanden sind, wurden am liebsten gewählt.
Als spezifische Eigentümlichkeit kann wegen der Verrechnung der zu übernehmenden Leistungen vom Vorjahr und an
das folgende Jahr das gänzlich verkehrte Vorigen- und Künftigen-Jahreskonto gelten. Die Kosten der Administration wurden
nirgends anders als mit den baren Auslagen für Porto u. dgl. und mit den Beträgen für Gehalt an Beamte berechnet; die Leistungen
und Gegenleistungen des Prinzipals kamen nirgends in Betracht; im gesamten Haushalt wurden nur die zugekauften,
nicht oder nur höchst unvollkommen die verbrauchten Erzeugnisse aus der eignen Wirtschaft in Anschlag gebracht. Um die Schwierigkeit,
einen richtigen Ansatz für den Stalldünger zu finden, zu umgehen, brachte man ihn gar nicht in Rechnung und ebensowenig
das selbst gewonnene Futter und Stroh, beide gegeneinander kompensierend.
Anstatt die Grundstücke als Kapitalteile mit Konti zu bedenken, legte man solche für die einzelnen Früchte:
Roggen, Weizen, Heu etc., an. Für Gegenstände, welche man bei der gebräuchlichen Art der Berechnung nicht
unterzubringen wußte, hatte man ein Allgemeinkonto, in welchem oft genug die heterogensten Dinge verrechnet wurden. Kurz,
alle jene Formen gehen von ganz falschen Voraussetzungen aus, entbehren der notwendigen Unterlagen, sind
unrichtig angelegt und stellen nur eine mehr oder minder große Zahl von Konti dar, welche des innern Zusammenhalts entbehren
und mehr nur eine Art Kontrolle des Ab- und Zugangs von Vorräten und Geld als eine wirkliche Buchung zum Zweck der
Ermittelung des Geschäftsergebnisses darstellen.
In der sogen. kameralistischen oder einfachen Buchhaltung hatte man an Büchern: das Tagebuch, die Geldrechnung mit Schuldbuch, die
Naturalienberechnung mit Vorrats- oder Boden- (Keller-) Register, die Viehberechnung, die Arbeitsberechnung, das Journal und
die Hauptrechnung (Bilanz). Als Beispiel, wie man sich die doppelte Buchhaltung dachte, diene die Angabe der Konti
aus Schulzes »Lehrbuch der allgemeinen Landwirtschaft«, bearbeitet nach dem Tode des Verfassers von Emminghaus und dem Grafen
zur Lippe-Weißenfeld (Leipz. 1863). Das Hauptbuch zerfällt in folgende Konti:
7) Konti des künftigen Jahrs. Diejenige Buchhaltung des Landwirts ist die beste, welche sich an die einfache oder doppelte kaufmännische
am engsten anschließt und, soweit irgend thunlich, Posten vermeidet, welche auf »Schätzung« beruhen. Um »Schätzungen« (von
Dünger, Futter wie aller Artikel, die nicht Handelsware etc.) ganz vermeiden zu können, sind
noch vielfache Vorarbeiten zu erledigen und offene Fragen durch die Wissenschaft zu beantworten.
Vgl. Graf zur Lippe,
[* 13] Die landwirtschaftliche
Buchhaltung (Leipz. 1858);
die gewerbsmäßige Herstellung und Verbreitung von litterarischen Erzeugnissen als Handelsobjekt. Der
Buchhandel zerfällt in 1) Verlagsbuchhandel (Herstellung der Bücher behufs Verkaufs);
2) Sortimentsbuchhandel (Vertrieb der Verlagsartikel der Verleger durch Ladengeschäft und Ansichtsversendung), Kolportagebuchhandel
(Reise- und Hausierbetrieb) und Antiquariatsbuchhandel (Handel mit älterer Litteratur und mit Büchern aus zweiter Hand)
[* 15] und
3) Kommissionsbuchhandel (Vermittelung der Geschäfte der Buchhandlungen untereinander und Vertretung der Kommittenten). Ähnlich
gegliedert sind Kunst-, Landkarten- und Musikalienhandel, je nach ihren Handelsobjekten. (Vgl. auch Musikalienhandel.)
Geschichtliches.
Ein Buchhandel scheint sich erst verhältnismäßig spät gebildet zu haben. Wenn man auch annehmen sollte, daß in
allen alten Kulturstaaten, sobald die allgemeine Bildung eine gewisse Höhe erreicht hatte und das Interesse der Völker sich
nicht mehr auf gottesdienstliche Angelegenheiten beschränkte, mündliche Tradition oder einzelne Abschriften
der religiösen Urkunden dem Bedürfnis nicht mehr genügen konnten, daß sich da vielmehr überall ein dem spätern Buchhandel analoger
litterarischer Verkehr hätte ausbilden müssen, sobald man einen Schreibstoff gefunden hatte, der die Objekte leichter transportfähig
und zu Gegenständen des Handelsverkehrs geeignet machte, so findet sich bei Kulturvölkern von so hervorragender
Bedeutung, wie z. B. die alten Ägypter und Hebräer waren, keine Spur eines solchen litterarischen Verkehrs.
Die Veröffentlichung der vorhandenen Niederschriften scheint sich auf Vorlesen beschränkt zu haben. Erst im alten Griechenland,
[* 16] später in Rom
[* 17] hat nachweisbar Buchhandel bestanden und geblüht. Aus vielen beiläufigen Notizen und Beziehungen verschiedener der
uns erhaltenen klassischen Schriftsteller läßt sich ein ziemlich sicheres Bild davon konstruieren. Wahrscheinlich schon
vor dem 5. Jahrh. v. Chr., sicher aber von da an blühte der Buchhandel, selbst als Exporthandel, vornehmlich in Athen.
[* 18]
Neben der wissenschaftlichen und poetischen Litteratur gab es auch Volksschriften verschiedenen Inhalts, die durch fliegende
Buchhändler oder Ausrufer unter das Volk gebracht wurden. Die seßhaften Buchhändler, wohl meist zugleich
Abschreiber, pflegten in ihren Läden ihre Bücher vorzulesen, um dadurch Käufer heranzuziehen. In Rom entwickelte sich der
Buchhandel eigentlich erst durch den Einfluß der griechischen Kultur und Einwanderung, besonders seit dem
Ende des 3. Jahrh. v. Chr.,
dann aber schnell gewaltig, so daß der Besitz von Büchern zum Gegenstand des guten Tons wurde.
Besonders von den letzten Zeiten der Republik an, als auch die römische Litteratur einen höhern Aufschwung nahm, entfaltete
sich eine ungemein große Thätigkeit auf dem Felde des Buchhandels. Die Zahl derjenigen, welche die Herstellung und den
Vertrieb von Abschriften schon vorhandener oder neuerschienener Werke zum Gegenstand ihres Geschäfts machten, der damaligen
Buchhändler (bibliopolae), war nicht unbeträchtlich. Die Namen mehrerer derselben, z. B. des PomponiusAtticus, der Gebrüder
Sosius, des Tryphon, des Atrectus, sind auf uns gekommen.
Die Herstellung der Bücher erfolgte durch Schreiber (librarii, welche Benennung später auch auf die Buchhändler
selbst übertragen wurde), entweder selbständig als Abschrift oder so, daß eine größere Anzahl Schreiber, um einen Vorleser
versammelt, dessen Diktat nachschrieb. Die so hergestellten Exemplare wurden von Korrektoren durchgesehen und erhielten dann
durch den Buchbinder ihre letzte Gestalt. Da dies alles die Arbeit von Sklaven und daher sehr billig war,
so lag, abgesehen von etwaniger kostbarer äußerer Ausschmückung, der bedeutendste Kostenpunkt in dem verwendeten Material,
dem Papyrus, auf dem ein nicht unbedeutender Eingangszoll lastete.
Originalmanuskripte erreichten oft einen sehr hohen Preis; sonst aber waren die Bücherpreise, besonders für Schulbücher
und gewöhnliche Ausgaben, überraschend niedrig. Honorare und der Begriff geistigen Eigentums lassen sich
nicht nachweisen. Die Litteratur scheint vielmehr als ein Gemeingut betrachtet worden zu sein, und es mögen daher von gangbaren
Sachen oft (nach unserm Gefühl unbefugte) Nachschriften vorgekommen sein. Verschiedene Ausgaben, der Ausstattung und dem Preis
nach, gab es auch damals schon.
Preßpolizei war unbekannt, wenn es auch vorkam, daß (schon aus Griechenland ist ein Fall überliefert)
mißliebige Schriften, besonders in der römischen Kaiserzeit, konfisziert und verbrannt wurden. Die Bücher wurden in den
Verkaufsläden der Buchhändler aufgestapelt. Für die Bekanntmachung sorgten Ankündigungen, die an den Ladenthüren und
den Säulen
[* 19] der Vorhallen angebracht wurden, wohl auch Ausrufer; Neuigkeiten wurden vorgelesen; außerdem
sorgte die zahlreiche und gewählte Gesellschaft, deren Sammelplatz die Buchläden waren, für weiteres Bekanntwerden des
Neuerschienenen.
Nach den Provinzen, in denen ohnehin Kommanditen der römischen Häuser bestanden, mögen die Bücher, besonders auch die in der
Hauptstadt nicht mehr absatzfähigen, durch die zahlreichen Briefboten der vornehmen Staatsbeamten und
Militärbefehlshaber, durch Kaufleute etc. befördert worden sein. Thatsächlich fanden die
bedeutenden Erscheinungen der Litteratur bis in die entferntesten Teile des römischen Reichs, also fast durch die ganze damals
bekannte Welt, Verbreitung.
Gebrauch zu Grunde, der Rest in den politischen und kriegerischen Stürmen, welche den Sturz der römischen Weltherrschaft herbeiführten
und das Mittelalter einleiteten.
Erst mit Entstehung der Universitäten im 12. Jahrh. stellte sich ein größerer Bedarf an litterarischen Hilfsmitteln, an
Leitfäden und Lehrbüchern für die Studenten heraus, und durch diesen bildete sich der mittelalterliche
Buchhandel (Handschriftenhandel), eigentlich erst ermöglicht durch die Erfindung des Leinenpapiers, welches billigere Herstellung
der Handschriften gestattete. Neben der gelehrten und Unterrichtslitteratur wurden später auch poetische Werke und Volksschriften
Gegenstand des litterarischen Verkehrs.
Die ersten Spuren eines geordneten und regelmäßigen Verkehrs mit Handschriften finden sich in Italien
[* 26] im 13. Jahrh. Zuerst
erschienen die Handschriftenverleiher, von ihren Geschäftslokalen, Stationes, Stationarii genannt. Sie verliehen die in ihrem
Besitz befindlichen, durch Schreiber (librarii, scriptores, amanuenses etc.) oder von ihnen selbst hergestellten Handschriften
behufs Abschrift an die Studenten. Um mehreren die Möglichkeit des Abschreibens zu ermöglichen, liehen sie die Handschriften
in Lagen (peciae; 1 Pecia = ½ Quaterne oder 16 Kolumnen à 62 Zeilen à 32 Buchstaben) aus und wurden daher
auch Peciarii, Stationarii peciarum genannt.
Die Zahl der vorrätig zu haltenden Werke war, wie der Mietpreis der Pecien, durch die Universitätsbehörden festgestellt,
wie auch der ganze Verkehr unter Aufsicht der Universitäten stand und die Stationarii selbst Universitätsverwandte
waren. Auch für Korrektheit der Handschriften war durch regelmäßige Kontrolle gesorgt. Der Verkauf von Handschriften war
den Handschriftenverleihern untersagt; erst später war ihnen ein kommissionsweiser Verkauf fremder Handschriften gegen Provision
unter gewissen Kautelen gestattet.
Dieser Verkehr mit Erzeugnissen der Litteratur ist indes noch nicht eigentlicher Buchhandel; einen
solchen betrieben erst die später auftretenden Handschriftenhändler (venditores librorum, librarii, libraji oder auch,
da sie sich zum Teil aus Papierhändlern rekrutierten, cartolaji). Sie waren nicht, wie die Stationarii, der strengen Aufsicht
der Universität unterworfen, sondern betrieben ihr Gewerbe frei. Oft waren sie zugleich Abschreiber, und als solche stellten
sie sich ihre Handelsobjekte selbst her; später scheinen förmliche Handschriftenfabriken bestanden
zu haben.
Die bedeutenden italienischen Handschriftenhändler waren Joannes Aurispa in Venedig (1369-1459) und Vespasiano Philippi (sc.
filius) in Florenz (Mitte des 15. Jahrh.). Ungefähr zu derselben Zeit wie in Italien erscheinen auch in Frankreich Handschriftenverleiher
und Händler. Sie waren ähnlichen Beschränkungen unterworfen wie in Italien und standen unter Jurisdiktion
und Aufsicht der Universitäten. In Paris
[* 29] bildeten die Stationarii und Librarii zusammen mit den Schreibern, Rubrikatoren, Pergamentmachern
und Papierhändlern die Gilde der Libraires, welche, wie Albr. Kirchhoff aufführt, im J. 1292 außer 8 Handschriftenhändlern
noch enthielt: 25 Escrivains (Schreiber), 13 Enlumineurs (Rubrikatoren, unter Umständen Verfertiger der
Miniaturen), 17 Lieurs (Buchbinder) und 16 Parcheminiers (Pergamentmacher und -Händler).
Außer in Paris finden sich Handschriftenhändler in Frankreich nur in den Universitätsstädten. Der bekannteste derselben
war der Alchimist Nicolas Flamel (Anfang des 15. Jahrh.). Auch in Deutschland
[* 30] findet sich ein geschäftlicher Verkehr mit
Handschriften seit Gründung der ersten Universitäten, Mitte des 14. Jahrh. Stationarii kommen weniger vor, das Verleihen behufs
Abschrift wurde meist ersetzt durch die Pronunziationen, d. h. das Diktieren der Hefte durch die Universitätsdozenten.
Die geschäftlichen Einrichtungen und die Oberaufsicht der Universitäten scheinen im ganzen denen in Paris entsprochen zu
haben. Der Handel mit Handschriften war am bedeutendsten in Prag,
[* 31] Wien, Heidelberg,
[* 32] Erfurt,
[* 33] Köln,
[* 34] dann in Niederdeutschland:
Gent,
[* 35] Brügge. Er lag vielfach in den Händen der Schullehrer, aber auch Papier- und Pergamentmacher, Briefmaler etc. waren daran
beteiligt. Schreiberschulen und Handschriftenfabriken bildeten sich auch hier. In Niederdeutschland wirkten besonders (Anfang
des 15. Jahrh.) die Brüder vom gemeinsamen Leben. Die größte Handschriftenfabrik Oberdeutschlands bestand
in Hagenau,
[* 36] wo der bedeutende Handschriftenhändler Diebold Lauber (um 1447) seinen Wohnsitz hatte. In England scheinen sich
die Stationarii mehr mit dem Handschriftenhandel beschäftigt zu haben. Sie waren, wie anderwärts, zum Teil zugleich Buchbinder.
Einzelne Spuren von Handschriftenhandel finden sich auch in Spanien.
[* 37]
Selten bot dieser Geschäftsbetrieb allein genügenden Lebensunterhalt, so daß die damit beschäftigten Personen gewöhnlich
noch andre Geschäfte betrieben in Handel oder Gewerbe; andre bezogen als untergeordnete Universitätsbeamte einen geringen
Gehalt. Die seßhaften hatten ihre Geschäftslokale in den besuchtesten Stadtteilen, an Kirchen etc., in Läden
oder Buden. An den Fenstern dieser Läden oder den Ständen mußten die Stationarii Verzeichnisse der bei ihnen vorrätigen Bücher
und die Mietpreise dafür anschlagen. Die Händler stellten ebenfalls Verzeichnisse ihrer Vorräte zusammen. Viele suchten
auf Reisen Gelegenheit zu Geschäften auf, und besonders war es der Meß- und Jahrmarktsverkehr,
¶
mehr
der Absatz vermittelte. Um die Mitte des 15. Jahrh. scheinen besonders die Messen zu Frankfurt
[* 39] a. M. und zu Nördlingen
[* 40] für
diesen Buchhandel wichtig gewesen zu sein.
So hatte sich zur Zeit der Erfindung der Buchdruckerkunst teils aus der Natur des Geschäfts selbst, teils durch Einwirkung von
außen eine gewisse bestimmte Art der Geschäftsführung für den Handel mit Erzeugnissen der Litteratur
ganz allgemein gebildet. Auf die Weiterentwickelung des Buchhandels hatte aber die neue Erfindung nur insofern Einfluß, als
nach und nach die Zahl der Handelsobjekte größer wurde und die Bücherpreise sich verringerten. Die Herstellung von Handschriften
dauerte neben dem Buchdruck noch längere Zeit fort, besonders was griechische Schriften anlangt, da die
griechische Druckschrift sich nur langsam zu einer allgemein brauchbaren gestaltete.
Dazu kam die Abneigung der vornehmen und vermögenden Bücherliebhaber, welche es unangenehm empfanden, daß durch die neue
Kunst der Gegenstand eines bisher ihnen vorbehaltenen Luxus popularisiert und weitern Kreisen zugänglich
gemacht wurde. Sie zogen es vor, für ihre Büchersammlungen Handschriften herstellen und künstlerisch ausschmücken zu lassen;
gedruckten Büchern blieben ihre Bibliotheken vorläufig verschlossen. Der eigentliche Geschäftsbetrieb des Buchhandels blieb
aber gänzlich unberührt durch die neue Erfindung; er behielt die bisherigen Geschäftsformen bei, in denen noch der heutige
Buchhandel wurzelt, so daß beinahe alle heutigen Geschäftsgebräuche des Buchhandels sich in
ihren Anfängen schon von da aus nachweisen lassen.
Im Lauf der ersten Jahrzehnte verbreitete sich die Buchdruckerkunst nur langsam. Während der wandernde Schreiber sein Schreibzeug
leicht mit sich führen und überall, wo er Beschäftigung fand, ohne weiteres seine Thätigkeit beginnen konnte,
mußte der wandernde Buchdrucker, wenn er etwa durch einen Bischof zum Druck eines Missale berufen wurde, Schriften und Presse
[* 41] an seinen neuen Wirkungsort mitschleppen. Aber der Zug
der Zeit, die sogen. Wiederherstellung der
Wissenschaften, die fieberhafte Unruhe, welche die Geister in der Zeit des Übergangs vom Mittelalter zur neuern Zeit
bewegte, trug doch bald mächtig dazu bei, das neue, der Verbreitung von Bildungsmitteln günstigere Verfahren mehr auszubreiten.
Schon im ersten halben Jahrhundert der Buchdruckerkunst (bis 1500) wurden, wie Hain, dem noch manches entgangen ist, in seinem
»Repertorium bibliographicum« aufführt, 16,299 Werke in 208 verschiedenen Orten an 1213 verschiedenen Druckstellen, die
meist als Verlagsanstalten anzusehen sind, gedruckt. Diejenigen Länder, welche bis dahin im Handschriftenhandel eine hervorragende
Stellung eingenommen hatten, entwickelten auch in der Herstellung und im Vertrieb gedruckter Bücher die größte Thätigkeit.
An erster Stelle steht wieder Italien und zwar der damalige Hauptsitz des Welthandels, Venedig, mit 199 Druckstellen, dann Mailand
mit 60, Bologna mit 43, Rom mit 41, Florenz mit 37, Pavia mit 34, Neapel
[* 42] mit 27, Padua
[* 43] mit 16 Druckstellen. In Frankreich ragen
hervor Paris mit 87, Lyon mit 48 Druckstellen. In Deutschland verteilt sich die Druck- und Verlagsthätigkeit auf eine große
Menge von Orten, welche sämtlich nur kleinere Anzahlen von Druckstätten aufweisen: Augsburg
[* 44] und Köln je
22, Brixen 18, Basel
[* 45] und Straßburg
[* 46] je 17, Nürnberg
[* 47] 13, Leipzig
[* 48] 9, Wien nur 2, während in dem damals so unbedeutenden Berlin
[* 49] gar keine
nachzuweisen ist.
Für England ist zu nennen London
[* 50] mit Westminster mit 13 Druck- und Verlagsstätten (näheres s. Buchdruckerkunst).
Der
Hauptgrund dieser Verteilung ist vor allem in den geschäftlichen Verhältnissen zu suchen. Der Handschriftenhandel hatte
dem Buchhandel die Wege geebnet; trotz anfänglicher Anfeindung wurde dieser vielfach von den Handschriftenhändlern
in den Bereich ihrer Geschäftsthätigkeit gezogen, einzelne wendeten sich sogar ausschließlich dem Buchdruck und damit
dem Buchhandel zu. Der bedeutende Pariser Handschriftenhändler Hermann von Stadtloen aus Münster
[* 51] (gest. 1474)
hielt sogar für Frankreich ein Lager
[* 52] der Drucke von PeterSchöffer und Konrad Henckis.
Beträchtlich war der litterarische Bedarf der gebildetern Geistlichen, der reichen Klöster und Stifter, wenn er sich auch
mehr auf die scholastische Litteratur erstreckte. Von großem Einfluß war dann der durch die Humanisten
angeregte Kultus des klassischen Altertums, und diese Vorliebe für die alten Klassiker war es auch, welche sowohl dem Aufschwung
der Litteratur in den lebenden Sprachen als der selbständigen wissenschaftlichen Thätigkeit die Bahn öffnete und den entscheidenden
Anstoß gab. In die nächste Zeit nach diesem Aufschwung fallen daher die eigentliche Geburt der französischen,
spanischen und englischen Nationallitteratur, ein neuer Aufschwung der italienischen, die Schöpfung der neuern deutschen Schriftsprache
durch Luther, die Begründung wissenschaftlicher Astronomie
[* 53] durch Kopernikus, die Belebung der Reiselitteratur durch die EntdeckungAmerikas und die erste Weltumseglung etc.
Der Buchhandel war anfangs kein selbständiges Gewerbe; gewöhnlich wurde er neben und mit andern Geschäften betrieben.
Mit dem Verlag befaßten sich die Buchdrucker, des Vertriebs bemächtigten sich Buchbinder, Kaufleute und eine Menge kleiner
Leute. Das Buch war eine Handelsware wie jede andre. Die Buchhändler wiederum betrieben nebenher oft noch andre Gewerbe: sie
handelten mit Metallen, Wolle, Fellen, Tuch, Garn etc., hauptsächlich auch mit Papier;
andre trieben zugleich
Gastwirtschaft oder Weinschank.
Oder es traten auch mehrere Buchdrucker für einzelne Fälle zum Druck auf gemeinschaftliche Kosten zusammen und verteilten dann
die hergestellten Exemplare unter sich, um sie jeder auf eigne Rechnung zu verwerten. Solcher Druckgesellschaften finden sich
manche Beispiele. Eine bestand z. B. in Basel;
ihr Drucker war Joh. Froben, Teilhaber waren F. Birckmann in Köln und wahrscheinlich
Joh. oder AntonKoburger in Nürnberg. Eine andre Druckgesellschaft in Basel
wurde durch Joh. Amerbach repräsentiert; bei ihr ließ 1498 und
später AntonKoburger drucken, der auch gemeinschaftlich mit Josse Bade und JeanPetit in Paris verlegte.
Ein ähnlicher Fall kommt 1490 in Leipzig vor. Besonders gebräuchlich war der Verlag auf gemeinschaftliche Kosten in Frankreich.
Solcher Kompanieverlag bestand dann aus Drucker und Verleger oder aus zwei oder mehreren Verlegern. Wenn ein
¶
mehr
Buchhändler den Drucker mit einem Auftrag versah, so sagte man ebenfalls, daß er denDrucker »verlegt« habe, sein »Verleger«
sei. Im 15. und auch im 16. Jahrh. wird oft auf den Drucken nur der Drucker genannt, während der wirkliche Verleger völlig
verschwiegen wird. Der Drucker behielt neben seinem Druckerlohn den Zuschuß, den er in seinem eignen
Nutzen verwertete, die Quelle
[* 57] vieler Mißbräuche. Auf eigne Rechnung hergestellte Bücher suchten die Drucker entweder einzeln
zu verwerten, oder sie boten sie in Partien oder in ganzen Auflagen den Buchführern zum Ankauf an. In gefährlichen Zeiten,
wenn es sich um Schriften handelte, deren Beanstandung vorauszusetzen war, ließ man auswärts und unter
falscher Firma drucken, von Leipzig aus z. B. in Wittenberg,
[* 58] Eilenburg
[* 59] etc. Die eigentlichen Vertreiber der Litteratur waren die
Buchführer, die bedeutendsten derselben zugleich Verleger.
Solche waren die Koburger in Nürnberg (1472-1540), welche durch ihren großartigen Geschäftsbetrieb Nürnberg gewissermaßen
zum Zentralpunkt des Buchhandels machten. Neben ihrem sehr bedeutenden Verlag und eigner Druckerei (außerdem
ließen sie auch auswärts drucken) hatten sie auch ein großes Sortimentsgeschäft, vermittelst dessen sie besonders den
italienischen Klassikerverlag vertrieben. AntonKoburger hatte in Paris zwei Niederlagen, in Lyon eine für den italienischen
und spanischen Verkehr, dann solche in Wien, Ofen, Krakau,
[* 60] Breslau.
[* 61]
Die wichtigsten waren die Messen zu Frankfurt a. M., seit den 70er Jahren des 15. Jahrh., welche sich zu
einem Weltbüchermarkt entwickelten. Dorthin kamen die Buchhändler aus den wichtigsten Ländern: Italien, Frankreich, Niederlande
[* 69] etc. Mehr für den deutschen und östlichen Büchermarkt waren die LeipzigerMessen, deren Bezug seit 1493 sicher nachweisbar
ist. Auf den Messen legten die Buchhändler ihre Waren aus, oder sie schlugen die Titelblätter oder Verzeichnisse
ihrer Vorräte an. Sensationelle Neuigkeiten wurden in den Straßen ausgerufen, und dem Vertrieb kleinerer Schriften widmeten
sich Massen von Männern, Weibern und Kindern.
Hierhin kamen die Gelehrten, um für sich und ihre Freunde Einkäufe zu machen, Buchhändler, um ihre Vorräte zu ergänzen
und zu erneuern. Nebenbei pflegten die Buchhändler gelegentlich ihrer Geschäftsreisen Briefe, Zahlungen
und sonstige Geschäfte der Gelehrten zu besorgen, besonders aber vermittelten sie bedeutende Papierlieferungen von Süd- nach
Norddeutschland und weiter. Verkauft wurde in der frühsten Zeit an Händler und Private unterschiedslos zu gleichen Preisen.
Nur
in einzelnen Fällen gaben große Verleger den bedeutendsten Buchführern einen Rabatt von ihren Bezügen.
Ein Ladenpreis war unbekannt, und der Buchhändler suchte seine Ware später so vorteilhaft wie möglich zu verwerten. Aber
das war immer nur ein kleiner Teil der Bücherkäufer, die sich besonders in der Reformationszeit gewaltig vermehrten. Hier
trat als wichtigster Vermittler des Absatzes die Kolportage, der Wander- und Hausierverkehr, ein, die besonders
für populäre Artikel die größten Erfolge erzielte.
Alles reiste: Briefmaler, Kartenmacher, Briefdrucker (Briefe, litterae, gleich Flugschriften) durchzogen als »Briefträger« und
»Kunstträger« das Land, besonders die Nürnberger. Sogar selbstverlegende Gelehrte gingen mit ihren Büchern selbst und durch
ihre Angehörigen hausieren. Nach dem Bar- kam das Changegeschäft auf den Messen. Der geschäftliche Vorteil,
den ein möglichst vielseitiges Lager gewährte, führte schon im 15. Jahrh. dazu, daß die Verleger ihre Artikel gegenseitig
austauschten.
Dieses »Stechen« oder »Changieren« geschah meist »nach der Ballenschnur«, d. h.
ballen- oder riesweise, bei Kleinkram wohl ausnahmslos. Wurde hier anfangs Gleichschätzung vorausgesetzt, so änderte sich
das, als die Niederländer für ihren wertvollern Verlag später das drei- bis fünffache Quantum des deutschen
Verlags beanspruchten und auch erhielten. Natürlich konnten nur solche Buchhändler changieren, die selbst Verlag auf die
Messe brachten; die reinen Buchführer mußten bar kaufen, wie auch dem reinen Verleger mit Tausch nicht gedient sein konnte.
Übrigens wurden, obgleich der Buchhandel nie zünftig gewesen ist, gewisse Schranken mit großer Eifersucht eingehalten.
Auswärtige Buchhändler durften nie in fremde Kreise
[* 70] eindringen, in den Meßplätzen nur während der Messe offene Läden halten;
Buchdrucker durften nur mit selbstgedruckten Artikeln, Bücherkrämer oder Antiquare nur mit alten und gebundenen Büchern, Dissertationenhändler
nur mit Kleinlitteratur und Büchern von nicht mehr als zwölf Bogen
[* 71] Umfang handeln (in Paris durften schon
die unvereideten Handschriftenhändler kein Buch verkaufen, das mehr als 10 Sous wert war).
Nur die Buchbinder ließen sich trotz langer Kämpfe den Handel mit Kalendern, Schul- und Erbauungsbüchern nicht entreißen. Diejenigen
kleinen Bücherhändler, für welche sich der Meßbesuch nicht lohnte, bezogen ihren Bedarf von Großsortimenten,
deren es verschiedene gab. Der bedeutendste dieser Buchführer, welche ein möglichst vielseitiges Lager behufs Weiterverkaufs
an andre anlegten, war Georg Willer in Augsburg. Er hatte neben seinem Hauptgeschäft noch ein Lager in Wien und einen Agenten
(Kommissionär, institor) in Tübingen.
[* 72] Er war der erste, welcher (Herbst 1564) einen gedruckten Katalog
der von ihm von der Messe gebrachten Artikel ausgab; hieraus entwickelte sich einerseits der Meßkatalog, anderseits die Sitte
der Buchführer, Kataloge über ihr Lager zu drucken, in welche gelegentlich auch der Bestand angekaufter Bibliotheken aufgenommen
wurde, und in ihre Kundenkreise zu verbreiten.
Die Blüte
[* 73] des Frankfurter Weltbüchermarktes dauerte kaum ein Jahrhundert. War der Buchhandel jener Zeit nach außen gewissermaßen
kosmopolitisch, in seiner innern Gliederung universell gewesen, so konnten doch diese ursprünglichen Zustände auf die Dauer
nicht aufrecht erhalten werden, als die Nationallitteraturen der einzelnen Länder ihre Selbständigkeit gegenüber dem früher
allgemein herrschenden Latein errungen hatten und in den einzelnen Ländern nach
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