Seiner jugendlichen Vorliebe treu, machte er die
Zigeuner zu einem Hauptgegenstand seines
Studiums.
Sein erstes Werk: »The Zincali,
or an account of the gipsies of Spain« (1841, 2 Bde.; 3. Aufl.
1873),
sprach durch lebhaften
Stil und die Fremdartigkeit der geschilderten Gegenstände an. Es enthält ein Vokabularium
der Zigeunersprache, deren Zusammenhang mit dem
Sanskrit er nachwies.
Später folgte »The Bible in Spain« (1843, 2 Bde.;
neue Ausg. 1873; deutsch:
»Fünf Jahre in
Spanien«,
[* 5] Bresl. 1844, 3 Bde.),
welchem
Buch Borrow hauptsächlich seine Berühmtheit verdankt. Es besteht aus einer
Reihe von mannigfaltigen
persönlichen Erlebnissen, mit Charakterskizzen und romantischen Schilderungen untermischt, die durch
Kraft
[* 6] und Lebendigkeit
der
Zeichnung für die etwas planlose
Anordnung des Ganzen entschädigen. Nach langem Schweigen gab ein längst von ihm angekündigtes
Werk: »Lavengro, the scholar, the gipsy and the priest« (1851, 3 Bde.; 3. Aufl.
1873),
heraus, welches angeblich seine
Autobiographie enthält, aber
Dichtung mit
Wahrheit vermischt. Als Fortsetzung desselben
erschien »Romany
Rye« (1857, 3. Aufl. 1873) und später als
Frucht seiner
Wanderungen durch die wallisischen
Gebirge
»WildWales,
its people, language and scenery« (1862, 3 Bde.; neue
Ausg. 1873). Seine letzte
Publikation ist ein
Wörterbuch der Zigeunersprache:
»Romano Lavo-Lil« (1874). Er starb in
Qulton bei
Lowestoft.
Solche von
Dämpfen durchströmte natürliche oder künstliche Wasseransammlungen heißen
Lagonen. Man findet die
Soffionen
in großer Anzahl sowohl an Bergabhängen, wo sie aus
Spalten fester Kalksteinbänke hervordringen, als auch
in Thalgründen, in denen sie sich durch einen blaugrauen
Thon oder
Mergel Wege gebahnt haben. Sie verändern ihren
Ort, indem
sie neue
Ausgänge finden, während sich die alten verstopfen.
Große Flächenräume werden dadurch verwüstet; auch entstehen
häufig Einsenkungen des
Bodens, indem hohle, durch Einwirkung der
Dämpfe gebildete
Räume von zusammenbrechendem
Gebirge verschüttet werden.
Die größern Lagonen umfassen bis 15 Dampfströme und haben etwa 100 m, die kleinern aber nur 30 m Umfang; man füllt sie 2 m
hoch mit Wasser, an welches die durchströmenden Dämpfe und ihre andern löslichen Bestandteile abgeben,
und welches außerdem die Salze aufnimmt, die sich durch Einwirkung der Oxydationsprodukte des Schwefels auf das Gestein bilden.
Danach enthält die Flüssigkeit Borsäure, Gips,
[* 17] schwefelsaure Magnesia, schwefelsaures Ammoniak, Chloreisen, Salzsäure, organische
Substanzen und ein Öl, welches nach gesalzenen Seefischen riecht.
Man leitete früher das Wasser aus einer Lagone in die andre, erzielte aber damit keine größere Anreicherung und läßt es
deshalb bei den neuern Anlagen nur je eine Lagone passieren, in der es bleibt, bis es 0,5 Proz. Borsäure enthält.
Der größte Teil der Borsäure geht mit den entweichenden Dämpfen verloren, und man hat deshalb angefangen,
einzelne Lagonen mit Mauerwerk zu überwölben und die Dämpfe in lange Kanäle zu leiten, wo sie
kondensiert werden. Die auf
solche Weise gewonnene Flüssigkeit enthält etwa 0,1 Proz. und dient zum Speisen der Lagonen. Die in letztern angereicherte
schlammige, borsäurehaltige Flüssigkeit leitet man in ausgemauerte Behälter B
[* 16]
(Fig. 2) und, nachdem
sie sich in denselben geklärt hat, in die 125 m langen Abdampfpfannen C D. Der Boden dieser Pfannen ruht auf Eisenstäben
a; bleierne Scheidewände halten die schon konzentrierte Lösung von der frisch nachgelassenen getrennt, sind aber mit Öffnungen
versehen, so daß die Flüssigkeit allmählich aus einer Abteilung in die andre gelangt.
Sie tritt bei d kontinuierlich ein, laugt am andern Ende c fast gesättigt an und fließt in die bleiernen Sammelbehälter
D, aus welchen die Kristallisiergefäße gefüllt werden. Zur Heizung
[* 18] dienen, wie erwähnt, die Soffionen selbst; sie treten
bei e ein, strömen durch den Kanal
[* 19] f und dann unter die Pfanne, um bei d zu entweichen. Die in den Kristallisationsgefäßen
abgeschiedene Borsäure wird getrocknet und durch Umkristallisieren und Behandeln mit Tierkohle oder durch Befeuchten mit Salpetersäure
und starkes Erhitzen gereinigt. Als Nebenprodukt gewinnt man schwefelsaures Ammoniak. Zur Darstellung von
Borsäure aus Boronatrocalcit schließt man ihn mit Schwefelsäure
[* 20] auf und behandelt ihn in Cylindern bei Rotglut mit überhitztem
Wasserdampf, durch welchen die Borsäure fortgeführt und in mit Blei
[* 21] ausgekleideten Kondensationskammern abgesetzt wird. Man zersetzt
auch den
¶
mehr
Boronatrocalcit und ähnliche Mineralien mit Salzsäure und läßt die Borsäure aus der Lösung kristallisieren. Im kleinen kann man
Borsäure bereiten, wenn man Borax
[* 23] in siedendem Wasser löst und starke Salzsäure zusetzt; beim Erkalten scheidet sich ab und wird
durch Umkristallisieren gereinigt. Sie bildet farb- und geruchlose, glänzende, fettig anzufühlende,
schwach bitterlich schmeckende Blättchen, löst sich bei 15° in 25,6 Teilen, bei 100° in 2,9
Teilen Wasser, auch in Alkohol und verflüchtigt sich teilweise beim Verdampfen der wässerigen Lösung; die alkoholische Lösung
brennt grün. Borsäure färbt Lackmus weinrot, Kurkumapapier braun; sie bläht sich beim Erhitzen stark auf, verliert bei 100° 1 MolekülWasser und gibt also HBO2 . Aus 4 Molekülen dieser Säure tritt bei Rotglut noch 1 MolekülWasser aus, und es entsteht
Tetraborsäure H2B4O7 , welche endlich wasserfrei wird und Borsäureanhydrid (glasige Borsäure, Bortrioxyd)
B2O3 hinterläßt.
Dies bildet ein farbloses, sprödes, durchsichtiges Glas,
[* 24] welches in Rotglut schmilzt, sich zu Fäden ausziehen
läßt, nur in der stärksten Hitze des Porzellanofens langsam verdampft und beim Glühen mit Salzen alle flüchtigen Säuren
austreibt. Borsäure macht fast alle Körper, mit denen sie sich vereinigt, schmelzbar; ihre Verbindungen sind weit leichtflüssiger
als die entsprechenden der Kieselsäure, mit welcher sie in mancher Beziehung Ähnlichkeit
[* 25] besitzt.
Borsäure ward 1702 von Homberg aus Borax abgeschieden und Sedativsalz genannt, 1777 entdeckte sie Höfer in den
SoffionenToscanas, und 1815 wurde dort eine Fabrik zur Gewinnung von Borsäure angelegt; doch rentierte dieselbe erst, seit Larderel 1828 die
Wärme
[* 29] der Soffionen zum Abdampfen und Trocknen der Borsäure ausnutzte. In ein neues Stadium trat die Borsäuregewinnung in Mittelitalien,
seit 1854 Durval künstliche Soffionen erbohrte. In neuester Zeit machte kalifornische Borsäure der italienischen
Konkurrenz.
(Borate) finden sich in der Natur in vielen Mineralien (s. Bor), und man erhält sie künstlich durch Neutralisation
der Borsäure mit Basen oder, soweit sie unlöslich sind, durch doppelte Zersetzung. Die meisten Borsäuresalze sind schwer löslich, aber
keins ist ganz unlöslich, so daß die Borsäuresalze niemals vollständig aus ihren Lösungen gefällt werden können.
Die Alkalisalze der Borsäure sind leicht löslich, reagieren alkalisch, und ihre verdünnten Lösungen fällen aus Metallsalzlösungen
nicht Borsäuresalze, sondern Metallhydroxyde. Säuert man sie mit Schwefelsäure an und übergießt sie dann mit Alkohol, so brennt derselbe
grün; die sauren Lösungen färben Kurkumapapier braun.
Alle Borsäuresalze sind schmelzbar und erstarren zu glasigen,
oft charakteristisch gefärbten Massen; sie schmelzen mit den meisten Körpern zusammen und dienen häufig als Flußmittel.
Man benutzt mehrere in der Technik, einige als Arzneimittel.
Manganoxydul MnBO4 wird aus Manganchlorürlösungen (die man aus Chlorbereitungsrückständen
erhält) dargestellt, indem man diese in warme Boraxlösung gießt und den Niederschlag mit Ammoniakflüssigkeit
mischt. Den hierdurch sehr voluminös gewordenen farblosen Niederschlag läßt man abtropfen, preßt ihn aus und trocknet.
Das Präparat kommt als Manganextrakt in den Handel und wird als Sikkativ benutzt. Man braucht nur 1 Lit. Leinöl mit 5 g desselben
einige Tage unter öfterm Umschütteln zu digerieren, um das Öl in einen schnell trocknenden Firnis zu
verwandeln.
(franz. Bourse, engl. Exchange, Change, ital. Borsa, holländ. Beurs), ein Gebäude, worin in bestimmten Stunden
Kaufleute und ihnen gleichstehende Geschäftsleute zur Unterhandlung und Abschließung von Geschäften sich zu versammeln
pflegen, in übertragener Bedeutung auch diese Versammlungen selbst. Das Wort Börse leitet man vom mittellateinischen
bursa ab, welches einen ledernen Geldbeutel bedeutet. Es ist nur zweifelhaft, ob der Ausdruck im Sinn von Genossenschaft, wie
er sonst häufige Verwendung findet, auch von den Versammlungen der Kaufleute gebraucht wurde, oder ob das mit drei in Stein
gehauenen Börsen geschmückte Haus eines van der Beurs in Brügge, welches zu geschäftlichen Zusammenkünften diente, die
Bezeichnung veranlaßt hat.
Sicher ist, daß die ältesten Börsen im heutigen Sinn und mit dem heutigen Namen teils in den Niederlanden, teils in Frankreich
schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. bestanden, während regelmäßige
Vereinigungen der Kaufleute zur Besprechung ihrer Geschäfte auch schon im Mittelalter, namentlich in Italien, ja sogar schon
im alten Rom
[* 30] in den Collegia mercatorum vorkommen. Die ältesten Börsen waren außer in Brügge die von Antwerpen
[* 31] (1531), Lyon,
[* 32] Toulouse
[* 33] (1549). Dann verbreitete sich die Einrichtung auch nach England, wo durch den Hofbankier SirThomasGresham 1566 das erste Börsengebäude der Benutzung übergeben wurde, sowie auch nach den deutschen Küstenstädten und zwar
zuerst nach Hamburg
[* 34] (1558). In den deutschen Binnenstädten fand das Börsenwesen erst gegen Ende des 18. Jahrh. Eingang
und zwar zuerst in Frankfurt
[* 35] a. M. und Leipzig.
[* 36]
Die ersten Börsen waren nur Warenbörsen, ihre Hauptwirkung lag darin, daß sie den unmittelbaren Kauf
aus der Hand
[* 37] zu gunsten des Kaufs auf Bestellung verdrängten. Als dann mit der Ausdehnung
[* 38] der Handelsbewegung durch den überseeischen
Verkehr häufig Preisschwankungen eintraten, bot die Börse die einzige Gelegenheit, sich von dem momentanen Wert
einer Ware Kenntnis zu verschaffen und daraus durch Kauf oder Verkauf Nutzen zu ziehen, und so mußte der
Börsenverkehr mehr und mehr Teilnahme in der Handelswelt finden.
Nicht weniger wirkten aber zum Aufschwung desselben die durch das Wachsen der Staatsschulden veranlaßte Kreierung von Staatspapieren
sowie die Entstehung großer industrieller Gesellschaften mit, deren Aktien, gleich Waren, Gegenstand der
Börsengeschäfte wurden. Der Schwerpunkt
[* 39] der Börse beruht auf der möglichsten Konzentration von Angebot und Nachfrage. Der Geschäftsmann
lernt in ihr alle sein Interesse berührenden Vorkommnisse der Handelswelt sofort genau kennen und überblickt somit bequem
die Strömungen und Schwankungen des Handels. Insofern
¶
mehr
begründet die Börse eine Teilung der Arbeit innerhalb der Zeit, indem die Interessenten sich gegen Gefahren schützen können,
von welchen sie durch die Veränderung der Zeitverhältnisse bedroht sind. Sie ist das Theater,
[* 41] auf dem sich die eigentlichen
Spekulationen abspielen. Schwankungen im Preise sind aber die verschiedenen Waren in ungleicher Weise ausgesetzt,
und deshalb eignen sie sich auch nicht alle gleichmäßig als Objekt der Spekulation.
Besonders passende Gegenstände des Börsenverkehrs sind einerseits die Rohprodukte, die in den einzelnen Jahren, je nach der
Witterung, in ungleicher Reichlichkeit produziert werden, vorausgesetzt, daß die Qualitäten nicht zu mannigfach sind (also
Getreide,
[* 42] Spiritus,
[* 43] Öl, Kaffee u. dgl.), anderseits die zahlreichen
Kreditpapiere (Wechsel, Staatspapiere, Aktien, Obligationen, Prioritäten, Pfandbriefe etc.). Danach unterscheidet man namentlich
Warenbörse, Effektenbörse und Wechselbörse. So bestehen in London
[* 44] außer der königlichen Börse (royal exchange) für den
allgemeinen Waren- und Wechselverkehr eine Fondsbörse (stock exchange) für englische Papiere, eine solche für fremdeFonds (foreign stock exchange), eine Getreidebörse (corn exchange), eine Kohlenbörse (coal exchange) und eine Schiffahrts-
und Versicherungsbörse, Lloyd's genannt.
Leipzig neben der alten Wechsel-
und Fondsbörse eine Öl- und Produktenbörse, eine Handels- undIndustriebörse, dann die deutsche Buchhändlerbörse,
wo jährlich einmal die Vertreter des gesamten deutschen Buchhandels sich vereinigen, um ihre gegenseitigen Rechnungsverhältnisse
zu ordnen;
Lloyd betreibt auch Dampfschiffahrt unter Staatssubvention. Die Londoner und Pariser Anstalten sind zugleich Schiffsklassifikationsgesellschaften.
Noch sind die in neuester Zeit an einigen deutschen Plätzen errichteten Industriebörsen zu erwähnen.
Die zu Stuttgart eröffnete ist der Baumwollindustrie Süddeutschlands gewidmet. An ihr beteiligen sich aber nicht
nur Fabrikanten und Großhändler in dem bezeichneten Geschäftszweig, sondern außer Banken und Kreditanstalten auch Produzenten
in Hopfen,
[* 62] Obst, Wein etc. Eine zu Frankfurt a. M. eröffnete Industriebörse sollte den Vereinigungspunkt
für das Verkehrs- und Industriewesen Nord- und Süddeutschlands abgeben, hat aber den gehegten Erwartungen wenig entsprochen.
Der Grund hiervon liegt wohl darin, daß sich der Warenverkehr, der Börsen minder benötigt, leicht ohne deren Vermittelung
zwischen den einzelnen Handlungshäusern abwickelt.
Der Börsenverkehr, namentlich die Form des Geschäftsabschlusses, unterliegt überall gewissen Regeln,
welche gewöhnlich nach den Anträgen der Handelsbehörde des betreffenden Orts von der Staatsregierung sanktioniert sind.
Die Zusammenkünfte finden regelmäßig täglich, mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage, nach Maßgabe besonderer Börsenordnungen
statt. Die Börsenordnungen enthalten Vorschriften über die Zutrittsberechtigung, Zeit (Stunde) und Ort der Versammlungen
und Geschäftsabschlüsse, Feststellung der Durchschnittspreise etc. und der Börsenbeiträge.
Die Überwachung der Ordnung an der Börse ist sogen. Börsenkommissaren anvertraut, die hier und da auch
Börsen alte oder Börsenälteste heißen und aus dem Kaufmannsstand gewählt werden. Die Börsenbehörde oder ein Ausschuß
derselben (Sachverständigenkommission) nimmt an vielen Orten den Charakter eines Handelsschiedsgerichts
an. Zu den Obliegenheiten der Börsenkommissare gehören aber meist auch die Feststellung und Publikation der Preise, zu welchen
Abschlüsse stattgefunden haben, auf den Börsenpreiskuranten und Börsenkurszetteln.
Auch erteilt die Börsenbehörde bindende Vorschriften für den Verkehr, namentlich in Bezug auf Zeit und Form der Erfüllung
der Verträge und auf Qualität der Leistungen. Der Zutritt zu den Börsenversammlungen, die sogen. Börsenfähigkeit,
steht in der Regel allen unbescholtenen dispositionsfähigen Personen zu; Frauen und nicht rehabilitierte Falliten sind ausgeschlossen.
Das Innere der LondonerFonds- und Aktienbörse darf nur von den durch den Vorstand (committee for general purposes) als Mitglieder
aufgenommenen Personen derselben, die entweder Spekulanten (jobbers und dealers) oder Makler (brokers)
sind und eine Korporation bilden, betreten werden.
Diese Mitgliedschaft kostet 21 Pfd. Sterl. Fast allenthalben muß für den Börsenbesuch eine Abgabe entrichtet werden und
zwar entweder für einen bestimmten Zeitraum, wie in Berlin, Frankfurt a. M., Wien, oder für jedes einzelne Erscheinen, oder
nach Belieben für einen Zeitraum oder für den Einzelbesuch, wie in Paris. Hier wurden die Börseneintrittsgelder
(tourniquets), welche für 1861 zu 750,000 Frank veranschlagt waren, im November d. J. aufgehoben. Börsenzeit sind mit wenigen
Ausnahmen die ersten Nachmittagsstunden.
Beginn und Ende der Versammlungen werden durch Lauten mit einer Glocke verkündigt. Zu später Eintritt
in die und zu langes Verweilen in derselben pflegen mit einer Geldstrafe belegt zu sein, deren Ertrag meist Wohlthätigkeitszwecken
gewidmet ist. An manchen Plätzen bestehen auch sogen. Winkelbörsen (Nebenbörsen), die durch lästige Beschränkungen, namentlich
enge Begrenzung der Börsenzeit, hervorgerufen worden sind. Man hat diese an einigen Orten (so namentlich
Paris) zu unterdrücken gesucht, jedoch nicht immer mit Erfolg.
Den Sonntagsbörsen und Abendbörsen (s. d.), welche sich ebenfalls leicht heranbilden, hatte man inWien anfangs keine Schwierigkeiten
in den Weg gelegt. Doch wurde die Teilnahme an solchen Versammlungen mit der sofortigen Entziehung der Börsenkarte
bedroht und durch das Gesetz über die Börse vom verboten. In Berlin bestand lange als Sonntagsbörse
der »Privatverkehr«, der aber neuerdings polizeilich untersagt wurde, in
Prag
[* 63] besteht zu gleichem Zweck die »KaufmännischeRessource«. In der PariserFonds- und Aktienbörse heißt Parkett (auch corbeille,
Korb; in Wien »der
¶
mehr
Schranken« genannt) der innere, lediglich für die Wechselagenten oder Makler bestimmte Raum, worin die Papiere unter lautem Zuruf
verhandelt werden. In übertragenem Sinn bedeutet das Parkett auch die Gesamtheit der Börsenagenten, während die nicht autorisierten
Vermittler als »Kulisse« und, wenn sie als sekundäre Vermittler für das ParkettBestellungen sammeln, als
»Remisiers« bezeichnet werden. Jede hat ihre eigne Kanzlei und beschäftigt ein zahlreiches Personal von Buchhaltern, Sekretären,
Boten und Thürstehern.
Die Kanzlei führt Listen über die Geschäftsfirmen des Platzes und deren Prokuristen, nimmt die als Anschläge erscheinenden
Kundmachungen von Handelsgerichten entgegen, hält Notiz über die an der Börse entstandenen Preise etc. Die
Kosten des Börseninstituts, soweit sie nicht durch die Eintrittsgelder gedeckt werden, trägt der Handelsstand des betreffenden
Platzes, hier und da mit Unterstützung durch Staats- oder städtische Mittel. Die Börsen kleinerer Handelsplätze sind im
allgemeinen von denen der größern abhängig und höchstens für Geschäfte in gewissen Waren und Wertpapieren,
die an den großen Börsen weniger gesucht sind, selbständig.
Auch die Kursnotierung an großen Börsen ist für einzelne Waren und Papiere von vorwiegend lokaler Bedeutung, dagegen wirken
der Gold- oder Wechselkurs sowie der Kurs der bedeutendern Staatspapiere und Aktien von einer Börse auf die andern ein. Namentlich
sind infolge der Telegraphenverbindungen und durch die Thätigkeit der Arbitrage (s. d.) die wechselseitigen
Beziehungen zwischen den Hauptbörsen weit enger geworden, und die Kursnotierungen pflegen nur um ein Geringes zu differieren.
Infolge der Beteiligung der Börsen bei den Finanzoperationen der Staaten hat sich ihre Bedeutung gesteigert, und die Stimmung
der ob »flau« oder »animiert«,
pflegt, oft freilich mit Unrecht, als Maßstab
[* 65] für den Staatskredit und die Sicherheit der politischen Lage zu gelten.
Nun läßt sich vom Gewinnresultat eines Geschäfts nur sprechen, wenn eine Bilanz gezogen werden kann,
also mindestens zwei Geschäfte, die sich zur Vergleichung aneinander anschließen, abgeschlossen vorliegen. Dies leitet zum
Begriff der Handelsoperation, d. h. einer solchen Kombination von mindestens zwei sich aneinander anschließenden Geschäften,
welche eine Bilanz zulassen und infolgedessen einen Aktiv- oder Passivsaldo als Resultat (Gewinn oder Verlust)
liefern.
Das eine dieser Geschäfte muß den Minuenden, das andre den Subtrahenden liefern; die Differenz ist der Gewinn oder Verlust;
das der Zeit nach vorausgegangene Geschäft ist das Spekulationsgeschäft, das der Zeit nach spätere das Realisationsgeschäft.
Ist das Spekulationsgeschäft ein Kauf (Ankauf, vom Standpunkt eines gewissen Kontrahenten, des Spekulanten,
aus), so ist das Realisationsgeschäft ein Verkauf (vom Standpunkt desselben Spekulanten aus), und die durch jenen Spekulationskauf
und diesen Realisationsverkauf kombinierte
Handelsoperation ist eine Spekulationà la hausse, eine Spekulation auf Steigen
des Preises, auf Mehrerlös durch den nachgefolgten Verkauf.
Von den zwei diese Handelsoperation bildenden Geschäften ist das erstere, der Spekulationskauf, ein absolutes
(objektives), das zweite, der Realisationsverkauf, ein relatives (subjektives) Handelsgeschäft (nach Art. 271 u. 273 des
Reichshandelsgesetzbuchs). Ist das Spekulationsgeschäft ein Verkauf (Veräußerung, vom Standpunkt eines gewissen Kontrahenten
aus), so ist das darauf folgende Realisationsgeschäft ein Kauf (Ankauf, Anschaffung, vom Standpunkt desselben Kontrahenten
aus), und die aus jenem Spekulationsverkauf und diesem Realisationskauf zusammengesetzte Handelsoperation
ist eine Spekulationà la baisse, eine Spekulation aus Sinken des Preises, auf Minderaufwand beim nachfolgenden Ankauf.
Wer es übernimmt, an einem bestimmten (spätern) Termin zu einem sofort vereinbarten Preis dem andern Waren (z. B. Wertpapiere
etc.) zu liefern (Spekulationsverkauf), der hofft und rechnet darauf, daß
er die versprochenen Waren billiger werde einkaufen können (Realisationskauf), und gewinnt dann, wenn die Spekulation sich
als richtig erweist, die Differenz zwischen dem vereinbarten Lieferungspreis des Spekulationsverkaufs (Tageskurs des Spekulationsgeschäfts)
und dem (gesunkenen) Preis des Realisationsankaufs (Tageskurs des Realisationsgeschäfts).
Der Spekulationsverkauf ist ein absolutes (objektives) Handelsgeschäft nach Art. 271 des Reichshandelsgesetzbuchs,
ob auch der Realisationsankauf und zwar aus demselben Grund wie der Spekulationsankauf, ist unter den Handelsrechtslehrern
streitig. Die Ursachen des Steigens oder Fallens derKurse können die verschiedenartigsten, natürliche und künstliche (z. B.
hinaufgeschraubte oder gedrückte), politische, soziale, ökonomische etc., sein; auf ihrer
richtigen Voraussicht und Vorausberechnung in Richtung und Grad beruht der Erfolg der Spekulation, das Schlußresultat
der Handelsoperation. Die beiden Kontrahenten gehen regelmäßig von verschiedenen Voraussetzungen aus oder kalkulieren die
vorhandenen Chancen verschieden; der Nachfragende, der Käufer, erwartet das Steigen des Kurses und heißt Haussier (Mineur)
oder Liebhaber, der Anbietende, Verkäufer, operiert auf Fallen der
[* 66] Kurse und heißt Baissier (Fixer, Kontermineur).
den Handel betreffende Gegenstände zu vermitteln. Da sie aber weder Stellvertreter noch Kommissionäre sind, so schließen
sie die betreffenden Verträge niemals selbst ab, sondern ermöglichen nur den Abschluß seitens der Kontrahenten, indem sie
dem Nachsuchenden das für ihn passende Angebot, dem Anbietenden die ihm erwünschte Nachfrage mitteilen und bei dem
sodann zu stande gekommenen Vertrag als Urkundsperson fungieren. Als solche haben die Makler Handbücher und Tagebücher zu führen,
insbesondere aber Schlußnoten über jedes Geschäft auszustellen und den kontrahierenden Parteien einzuhändigen. In Frankreich
haben die Börsenagenten für den Wertpapierhandel (60 an der Zahl) ein Privilegium auf ihre Stellen.
Letztere sind verkäuflich und werden hoch bezahlt (bis über 2 Mill. Frank). Die Geschäftsthätigkeit
der Sensale an Börsenplätzen ist regelmäßig noch durch besondere Maklerordnungen normiert. Dieselben enthalten namentlich
auch Bestimmungen über die den Börsenmaklern obliegenden Kursnotierungen; in diesen bedeutet, der heutigen Übung entsprechend,
die hinter den Kurswert im Kurszettel gestellte Bezeichnung »G.« oder »Gld.«
(d. h. Geld),
daß das betreffende Wertpapier zu diesem Preis gesucht war, auch zu diesem Preis gekauft wurde; die Bezeichnung
oder »Br.« (Brief) oder »P.« (Papier) bedeutet, daß das betreffende Papier zu diesem Preis angeboten war, daß es mehr angeboten
als verlangt war, während umgekehrt »G.« ausdrückt, daß es
mehr verlangt als angeboten wurde. Effektiv wird das Papier mit etwas mehr als dem »G.«-Kurs, dagegen mit etwas weniger
als dem »Börse-Kurs angekauft, Thatsachen, welche auf dem Kurszettel durch den Zusatz »bz.« oder »bez.«
(»bezahlt«) oder »gem.«
(»gemacht«) angedeutet sind.
Vielfach werden nur die Kurse des Kassengeschäfts, oft auch, wie in Paris, die des Zeitgeschäfts mit Unterscheidung
des Anfangs-, des höchsten, des niedrigsten und des Schlußkurses notiert. Jedoch ist zu bemerken, daß die Kursnotierungen
nicht unanfechtbar sind; einzelne Börsenordnungen verwahren sich ausdrücklich gegen den offiziellen Charakter der vom Syndikat
etc. herausgegebenen Kursnotizen; jedenfalls läßt das Handelsrecht den Nachweis der Unrichtigkeit zu
(RHGB., Art. 353).
Die Ankäufe und Verkäufe auf der Börse läßt der Kapitalist, der nicht selbst börsenbesuchender Bankier ist, regelmäßig
durch einen Kommissionär besorgen; er kommittiert (beauftragt) einen von ihm gewählten Bankier zum projektierten Ankauf oder
Verkauf, und hierdurch entsteht zwischen diesen beiden Personen das durch Art. 360-378 des Reichshandelsgesetzbuchs
im allgemeinen geregelte Rechtsverhältnis des kaufmännischen Kommissionshandels. Besteht zwischen ihnen eine solche Geschäftsverbindung
(im Effektenverkehr), oder hat sich der Bankier zur Besorgung solcher Aufträge erboten, so ist er, im Fall er die Kommission
nicht annehmen will, zu einer umgehenden Antwort verpflichtet, widrigenfalls sein Schweigen als Übernahme des Auftrags gilt.
Die Aufträge werden entweder »limitiert« (»es
wird limitiert«),
oder »bestens« erteilt, d. h. es wird entweder
ein höchster Kurs gesetzt, über welchen hinaus der Kommissionär nicht mehr kaufen, bez. ein niedrigster, unter welchem er
nicht verkaufen darf, oder der letztere wird berechtigt, einfach »zum Kurs« zu kaufen, resp. zu verkaufen. Der
Kommissionär handelt Dritten gegenüber stets als Selbstkontrahent; er haftet aber auch dem Auftraggeber stets als Käufer,
bez. Verkäufer, wenn er von der ihm durch Art. 376 des Reichshandelsgesetzbuchs
eingeräumten
Befugnis Gebrauch gemacht hat, d. h. wenn er das betreffende Gut, welches einen Börsen- oder Marktpreis hat,
selbst als Verkäufer liefern zu wollen, bez. als Käufer behalten zu wollen erklärt.
Nicht minder aber haftet der Bankier, welcher bei Offerten u. dgl. Zusicherungen macht, welche
über den Bereich einer bloßen Reklame hinausgehen und sich nicht bewahrheiten. Dies gilt namentlich auch von »Einführungen«
neuer Wertpapiere; das Recht bietet hier als Schutz auch die strafrechtliche Haftbarkeit der das neue Effekt
bugsierenden Börsenmänner (vgl. Reichshandelsgesetzbuch, Art. 249 d). Die Börse wird
nicht selten durch »on dits« und »bruits
de la bourse« aufgeregt, welche sich mit lauffeuerartiger Schnelligkeit verbreiten und das beabsichtigte Steigen oder Fallen derKurse zum nicht geringen Schaden der gläubigen Gegenparteien hervorrufen, ihren Grund aber in dem bestellten
Telegraphieren einer falschen Nachricht haben (Börsenmanöver). Läßt sich letzteres beweisen, so ist offenbar ein Betrug
vorhanden, welchem nicht mit der Einrede begegnet werden kann, der Gegner hätte ja die Nachricht nicht zu glauben gebraucht.
Die einzelnen Börsengeschäfte.
Kaufgeschäfte, mögen sie Spekulationsgeschäfte oder Realisationsgeschäfte sein, durch Vermittelung
von Maklern oder von Kommissionären oder von Selbsthändlern und unmittelbar abgeschlossen werden, sind, wie bemerkt, die
Grundgeschäfte des gesamten Börsenhandels. Gegenstände derselben sind an den Effektenbörsen nur Wertpapiere und Münzen.
Die Geschäfte in Wertpapieren (Fondsgeschäfte) sind entweder Kassageschäfte oder Zeitgeschäfte; letztere zerfallen in Zeitgeschäfte
»auf Zeit fest« und in solche »aus
Zeit bedingt«.
Kassageschäfte (Kontantgeschäfte) sind Kaufgeschäfte, bei welchen die Erfüllung sowohl seitens des Käufers als seitens
des Verkäufers sofort (spätestens an dem dem Abschluß folgenden Werktag) zu geschehen hat; es wird per Kassa (per comptant)
gehandelt, Ware und GeldZug um Zug übergeben. Derartige Käufe werden regelmäßig zu Realisationen abgeschlossen;
aber auch als Spekulationskäufe sind sie denkbar, sofern nicht befürchtet wird, daß der Kurs sich lange Zeit nicht heben
werde, und sofern nicht die Flüssigmachung der zu Kassa-Ankäufen aufgewendeten Valuten vor Kurserhöhung dringend gewünscht
wird. Ferner ist das Kassageschäft von seiten des Käufers auch dann die natürliche Form, wenn keine
Spekulation, sondern eine Kapitalanlage beabsichtigt ist, und ebenso von seiten des Verkäufers, wenn dieser die eine
Art der Kapitalanlage mit einer andern vertauschen will.
Zeitgeschäfte sind Kaufgeschäfte, welche nicht sofort bei Abschluß, sondern eine bestimmte Zeit später beiderseits zu erfüllen
sind; der Tag der Erfüllung heißt Stichtag, ein Name, der bei bedingten Zeitgeschäften den Tag der Entscheidung,
der mitunter vom Erfüllungstermin verschieden ist, bezeichnet. Effekten werden sehr häufig auf Zeit gekauft und verkauft,
ohne daß sie beim Kaufsabschluß bezahlt oder geliefert werden konnten, indem der Verkäufer die verkauften Fonds bis zum
Stichtag noch unter dem vereinbarten Kaufpreis (Kurs des Abschlußtags) anschaffen zu können hofft. Hierbei
handelt es sich lediglich um die Differenz des Kurses zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis, d. h. zwischen Kurs des Abschluß-
und des Stichtags; der Verkäufer, der auf Sinken des Kurses bis zum Stichtag (sehr häufig der letzte Tag des laufenden Monats,
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