Unter diesen Einrichtungen steht das ungleichzeitige Reifwerden von
Staubgefäßen und
Narbe in
Zwitterblüten oder die
Dichogamieoben an. Entweder lassen nämlich die Staubblätter den
Blütenstaub eher hervortreten, als die
Narben zum
Festhalten desselben bereit sind
(protandrische Blüten, Proterandrie), wie beim
Rittersporn, dem Wiesenstorchschnabel
[* 1]
(Fig.
1), dem körnigen
Steinbrech, bei vielen
Korbblütlern,
Glockenblumen und Doldenblütlern, oder es blühen die
Narben bei noch
geschlossenen
Staubbeuteln auf
(protogynische Blüten, Protogynie), wie bei den Wolfsmilcharten, einigen
Gräsern und
Junkaceen
[* 1]
(Fig. 2). Es würde in allen diesen
Fällen
eine Blütenbestäubung unmöglich sein, wenn alle
Exemplare derselben Pflanzenart
in einer bestimmten Gegend gleichzeitig aufblühen würden und nicht vielmehr eine ungleichzeitige
Entwickelung der verschiedenen
Stöcke in Bezug auf das Aufblühen stattfände.
[* 1]
^[Abb.: Fig. 3. Dimorphe
Blüten von
Primula. a Langgriffelige Form. blütenbestäubung Kurzgriffelige Form.]
¶
mehr
häufigkeit. Sogar dreigestaltige oder trimorphe Blüten kommen z. B. bei dem Weiderich (Lythrum Salicaria) vor, nämlich lang-,
mittel- und kurzgriffelige Blüten.
Die Übertragung des Blütenstaubes von einer Blüte zu einer zweiten, mehr oder weniger entfernten kann auf mehrfache Weise
bewirkt werden. Auf die Verbreitung des Pollens durch Luftströmungen sind alle sogen. Windblütler oder
Anemophilen angewiesen. Dieselben zeichnen sich durch unscheinbare, winzige, meist blumenblattlose Blütenhüllen und massenhaften
Pollen mit trocknen, leicht stäubenden Körnern aus, wie vor allen die Kätzchenbäume. Um vom Wind leicht bewegt zu werden,
sind bei ihnen die Achsen der männlichen Blütenstände schlaff und dünn, wie bei den Pappeln, der Haselnuß
[* 10]
(Fig. 4), der Birke u. a., oder die einzelnen Blüten selbst hängen an dünnen Stielen, wie bei den Rumex-Arten, oder wenn
die Blüten schwerer beweglich sind, sitzen die Staubbeutel an langen, dünnen Fäden, wie bei den Thalictrumarten und manchen
Gräsern. In seltenern Fällen wird der Blütenstaub durch besondere Vorrichtungen plötzlich hervorgeschleudert
(Parietaria, Urtica).
Um den in der Luft zerstreuten Pollen leichter aufzufangen, sind die Narben bei vielen Windblütlern mit langen Fanghaaren und
Papillen in Form von Federn, z. B. bei vielen Gräsern, besetzt; nur wenn die Blüten zu dichten Ähren, Köpfchen u. dgl. angehäuft
sind, bleiben die Narben klein. Auch die Stellung der Narben zu den Staubblättern ist bei diesen Pflanzen
stets eine solche, daß erstere dem Pollen leicht zugänglich sind. Sehr viel seltener als durch den Wind wird die Blütenbestäubung durch
das Wasser vermittelt, und zwar geschieht sie entweder unter Wasser (Zostera, Cymodocea) oder an der Oberfläche desselben, z. B.
bei Vallisneria, deren weibliche Blüten auf schraubenförmig gedrehten
Stielen sich an die Wasseroberfläche
erheben, während die antherentragenden Kelche der männlichen Blüten sich losreißen und zwischen den weiblichen Blüten umherschwimmen,
um die Blütenbestäubung zu bewirken.
Von Tieren treten in erster Linie und in ganz überraschender Wirksamkeit Insekten,
[* 11] in sehr untergeordneter Weise bei
einigen aasduftenden Aroideen auch Schnecken
[* 12] und in den Tropen honigsaugende Vögel
[* 13] (Kolibris)
[* 14] als Vermittler der Blütenbestäubung auf. Die
insektenblütigen Pflanzen (Entomophilae) zeichnen sich vor den Windblütlern vor allem durch größere, mehr oder weniger
lebhaft gefärbte Blüten, d. h. Blumen, aus; sind die einzelnen Blüten klein, so drängen sie sich zu großen,
weithin sichtbaren Blumengesellschaften, wie Köpfchen, Dolden, Rispen u. dgl., zusammen.
Die Augenfälligkeit der Blumen kann bei fehlender Blumenkrone auch durch lebhafte Färbung der Staubfäden, wie bei manchen
australischen Myrtaceen, oder durch auffallende Bildung und Färbung der Hochblätter hervorgerufen werden. Als vorzüglichstes
Mittel zur Anlockung von Gästen dienen den BlumenGeruch, Nektarabsonderung und Darreichung von Blütenstaub.
Wohlgeruch zur Dämmerungszeit ausströmende Blumen werden ausschließlich von Sphingiden und Noktuen, nach Aas riechende Blüten
von Fleisch- und Kotfliegen besucht und gekreuzt. Die Nektar absondernden Stellen der Blüte (Safthalter, Nektarium) zeigen je
nach der Natur ihres Trägers ein mannigfach wechselndes Aussehen (s. Nektarien). Oft weisen besonders auffallend
gefärbte und nach einem Punkt hin konvergierende Zeichnungen auf den Blumenblättern (Saftmale), so beim Stiefmütterchen, den
Nelken, den Ehrenpreisarten, den Honig suchenden Insekten den Weg zu der Nektarquelle, welche, zumal bei sonnigem Wetter,
[* 15] eine
¶
mehr
wasserklare, süße Flüssigkeit ausscheidet und immer so zu den Staubgefäßen und zu der Narbe gestellt ist, daß der Blumenbesucher
aus seinem Weg die beiden letztern berühren und dann die Blütenbestäubung bewirken muß. Bei manchen Blüten wird der Nektar durch besondere
Einrichtungen (Saftdecken), wie dichte Haarbüschel, Schlundklappen u. dgl.,
vor der Vermischung mit Regen oder vor schädlichen Besuchern, wie den Ameisen, geschützt. Nach der Zugänglichkeit,
mit welcher der Honig den Insekten von den Blumen dargeboten wird, unterscheiden sich die offenen Honigblumen von den Blumen
mit teilweiser oder gänzlicher Honigbergung; je vollkommener letztere ist, und ein je größerer Abstand zwischen dem Blüteneingang
und dem Nektarium vorhanden ist, desto mehr nimmt für die betreffende Blüte die Zahl der langrüsseligen Blumenbesucher,
besonders der Bienen und Falter, zu, die der kurzrüsseligen Fliegen
[* 17] und Käfer
[* 18] dagegen ab.
Die tiefe Bergung des Honigs in langen Röhren
[* 19] steht mit der Rüssellänge der Besucher derart in Wechselbeziehung, daß einzelne
Blumen ausschließlich nur noch von einem ganz engen Kreis
[* 20] von Insekten ausgebeutet und gekreuzt werden können; Beispiele dafür
sind die Fliegenblumen, wie CynanchumVincetoxicum, die Bienen- und Hummelblumen (Salvia, Lamium, Echium, Linaria) und die Falterblumen,
wie Lilium Martagon, Gymnadenia, Dianthus. Die Thätigkeit einer Hummel an einer Hummelblume sowie einer Sphingide
an einer Falterblume veranschaulichen die Figuren 5 u. 6. Durch genaue Feststellung der verschiedenen Insektenarten, welche
aus bestimmten Blumen als Besucher vorkommen, wurde ferner ermittelt, daß gewisse Blumenfarben von einzelnen Besucherklassen
auffallend bevorzugt werden, z. B. blaue und rote Farben von Faltern, Bienen, Schwebfliegen, schmutzig grüne oder weiße, bunt
gesprenkelte von aasliebenden Fliegen, weiße und gelbe von kurzrüsseligen Insekten verschiedener Klassen.
Besonders merkwürdig erscheinen endlich die Einrichtungen, durch welche die Übertragung des Pollens bei den Insektenblumen
bewirkt wird. Viele Blüten entwickeln einen eigenartigen mechanischen Apparat, durch welchen sie sich die Ausstreuung des
Blütenstaubes auf bestimmte Körperstellen des Blumenbesuchers sichern. Dahin gehört die Schlagbaumvorrichtung
der Blüten von Salvia
[* 16]
(Fig. 7); eine an der
Blüte anfliegende Biene
[* 21] oder Hummel muß nämlich mit ihrem Rüssel gegen zwei Plättchen
stoßen, welche an den schlagbaumartigen und drehbaren Staubgefäßen befestigt sind und den Zugang zum Honig verschließen;
dadurch geraten die beiden längern Schenkel derselben nach abwärts in Bewegung
[* 16]
(Fig. 7 I), und der Blütenstaub
wird dem Rücken des Insekts angedrückt
[* 16]
(Fig. 7 II), um dann bei Besuch einer Blüte eines andern, ältern Exemplars an den
vorgestreckten u. gespreizten Narben desselben wieder abgestreift zu werden.
Bei manchen Papilionaceen (Lotus, Ononis u. a.) wird durch eine die Blüte besuchende Biene Blumenstaub aus
der Schnabelspitze des Schiffchens in Form einer Nudel hervorgepreßt und dadurch direkt auf die behaarte Bauchseite des Insekts
übertragen, welche dann auf einer zweiten Blüte zunächst mit der Narbe in Berührung kommt; bei andern Papilionaceen, wie
Sarothamnus, wird der Pollen dem Besucher durch eine Art von Explosionsvorrichtung gegen die Leibesunterseite
geschleudert. In denBlüten der Asklepiadeen (Asclepias syriaca, CynanchumVincetoxicum), bei denen der Pollen jedes Staubbeutelfaches
zu einem kölbchenartigen Körper, dem Pollinarium, verklebt ist, werden je zwei benachbarte Pollinarien durch ein klammerartiges
Gebilde, den Klemmkörper, derart verbunden, daß sich dieselben einem Besucher unfehlbar an Bein oder Rüssel anheften
müssen. Bei vielen Orchideen
[* 22] (Fig. 8) sind die bei ihnen ebenfalls vorhandenen Pollinarien p mit einer klebrigen
Spitze, der Klebscheibe k, versehen, die von einem zarthäutigen, mit Klebstoff gefüllten Beutelchen r umschlossen wird.
Gegen letzteres muß das die Blüte besuchende Insekt stoßen, sobald es den Kopf in den Eingang des Blütensporns
n steckt, um den in der Spornwandung (bei Orchis latifolia, maculata, morio) enthaltenen Saft aus dem Rüssel zu erbohren.
Dadurch schnellen die beiden Pollinien des einzigen in der Blüte vorhandenen Staubblattes aus ihren taschenartigen Behältern
a hervor und heften sich nun dem Insektenkopf mittels der Klebscheibe an; durch schnelles Einschrumpfen
des Klebstoffs vollführen dann die anfangs aufrechten Pollinien eine Drehung (IV in
[* 16]
Fig. 8) und biegen sich derart, daß
sie beim Anfliegen des Insekts auf einer andern Blüte an die dicht über dem Sporneingang liegende klebrige
¶
mehr
Narbenscheibe t stoßen müssen, an der sie festhaften und die Befruchtung bewirken. Man kann die Thätigkeit der blumenbesuchenden
Insekten in diesem Fall durch einen einfachen Versuch nachahmen, indem man mit einer Bleistiftspitze
[* 23]
(Fig. 8) gegen das Beutelchen
einer noch nicht besuchten Blüte stößt; dadurch werden die Pollinien sofort auf die Bleistiftspitze
übertragen (III in
[* 23]
Fig. 8), haften an derselben fest und führen auch die oben beschriebene Drehung (IV in
[* 23]
Fig. 8) aus. Eine
besonders merkwürdige Bestäubungseinrichtung, die als Kesselfalle bezeichnet wird, kommt bei den langröhrigen Blüten der
Osterluzei (Aristolochia Clematitis) vor. Diese
[* 23]
(Fig. 9) haben einen weiten Schlund s, einen dünnen, innen
mit einwärts gekehrten Haaren h ausgekleideten Hals r und unten einen weiten, kesselartigen Raumk, in welchem direkt unter
der Narbe n sich sechs Staubbeutel a befinden. Die Blütenbestäubung wird hier durch winzige Mückenarten bewerkstelligt, die in den
Kessel hineinkriechen und auf der Narbe den von frühern Besuchen mitgebrachten Blütenstaub absetzen, da
die Staubbeutel der Blüte anfangs noch geschlossen sind. Am Hinauskriechen werden sie durch die reusenartig gestellten Haare
[* 24] verhindert, welche erst nach Öffnung der Staubbeutel und gleichzeitiger Umdrehung der Blumenkrone (III in
[* 23]
Fig. 9) einschrumpfen
und auf diese Weise den zuerst gefangenen, mit Blütenstaub beladenen Blumengästen den Austritt wieder
gestatten.
Neben der Fremdbestäubung, welcher die bisher beschriebenen Einrichtungen der Blumen dienen, spielt die Selbstbestäubung
eine sehr untergeordnete Rolle. Es gibt jedoch eine Reihe von Pflanzen, bei denen außer den gewöhnlichen, für Fremdbestäubung
eingerichteten, offenen Blüten noch andre, stets geschlossene und daher auf ausschließliche Selbstbestäubung angewiesene
Blüten (kleistogame Blüten) vorkommen. Derartige durch Verkümmerung der Blumenkrone entstehende und daher
unansehnliche Blüten, z. B. von Lamium amplexicaule, Oxalis Acetosella, Viola odorata, befruchten sich meist dadurch, daß
die Pollenkörner
[* 25] direkt aus den Staubbeuteln ihre Schläuche nach der Narbe hin treiben, während die großen, mit Blumenblättern
versehenen Blüten (chasmogame Blüten) derselben Art in der Regel unfruchtbar bleiben.
Darwin, Die verschiedenen Einrichtungen,
durch welche Orchideen von Insekten befruchtet werden; Derselbe, Die Wirkungen der Kreuz- und Selbstbefruchtung im Pflanzenreich
und »Die verschiedenen Blütenformen bei Pflanzen der nämlichen Art« (deutsche Ausgabe der »Werke«, Bd. 9 u.
10);
Delpino, Ulteriori osservazioni sulla dicogamia nel regno vegetale (Mail. 1868-69);
Die das Pigment bildenden Bakterien stellen sehr kleine, kugelige oder ovale, blaßrötliche, durch Schleim kolonienweise vereinigte
Zellen dar und gehören zu MicrococcusprodigiosusCohn (Monasprodigiosa Ehrbg.).
Im engsten Zusammenhang mit dem Rotwerden steht das Blauwerden der Speisen. Der blaue Farbstoff unterscheidet sich in keiner
einzigen Reaktion von demjenigen Anilinblau, welches als Triphenylrosanilin zu betrachten ist, während
der rote Farbstoff dem Rosanilin jedenfalls sehr nahe steht.
Die Färbung der Blumenblätter wird entweder durch ihren Zellsaft oder durch feste, im Zellsaft befindliche
Körner veranlaßt. In vielen Fällen gehen aus den grün gefärbten Chlorophyllkörnern direkt gelb oder orange gefärbte
Körner hervor, die dann die gelbe oder Orangefärbung der Blüten hervorbringen; nur selten treten gelbe, rote oder blaue
Körner auf, die nicht durch Umwandlung aus dem Chlorophyll hervorgegangen sind. Gefärbtem Zellsaft verdanken die meisten
rosa gefärbten Blüten, manche rote und die Mehrzahl der violetten und blauen ihre Farbe. Wo der Zellsaft, wie in den meisten
Fällen, farblos bleibt, erscheint die Blüte weiß.
Mischfarben entstehen, wenn sich der Zellsaft und die festen Körner verschieden färben. Bisweilen werden
die Blüten dadurch leuchtend, wie bei Canna, Tropaeolum u. a., in deren Blütenzellen gelbe Körner in einem roten Saft schwimmen,
oder sie erscheinen schmutzig, wie bei AtropaBelladonna, durch grünliche Körner und violetten Saft. Auch durch Bastardierung
können Farbennüancen erzeugt werden. Ein schönes Beispiel dafür bieten zwei Arten von Leptosiphon:
die eine (L. roseum) mit violetten Zellsaft in den Blumenblättern, die andre (L. luteum) mit gelben Körnchen. Der Bastard
zwischen beiden Arten bildet die verschiedensten Nüancen zwischen Braun und Orange, weil bei ihm in den Zellen der Blumenblätter
gelbe Körner in violetten Zellsaft in verschiedener Menge auftreten.
Die Ursachen der so verschiedenen Ausbildung der Blütenfarben können teils direkte, durch das Licht,
[* 29] die Temperatur und die Bodenverhältnisse
herbeigeführte, teils indirekte, durch die natürliche Zuchtwahl zur Geltung kommende sein. MancheBlütenfarbstoffe sind unabhängig
vom Licht und bilden sich daher im Dunkeln ebenso aus wie bei normaler Beleuchtung.
[* 30] Das Licht kann sogar
auf die verschiedenen Teile einer und derselben Blüte einen verschiedenen Einfluß ausüben. Im Dunkeln erzogene Blüten von
Orchis ustulata waren an den Blättern der Oberlippe ungefärbt, an der Unterlippe dagegen hatten sich die roten Punkte wie
sonst im Licht ausgebildet.
Ist also im allgemeinen der direkte Einfluß des Lichts ebenso wie der der Temperatur aus ein sehr eingeschränkter,
so hat man doch aus den vorherrschende Blütenfarben innerhalb der Pflanzenwelt größerer Distrikte einen Schluß daraufhin zu ziehen
versucht, daß bestimmte Licht- und Temperaturverhältnisse auch bestimmte Blütenfarben hervorbrächten. In der FloraEnglands z. B. erscheinen,
nach Prozenten berechnet, die blauen Blüten zuerst, dann folgen die weißen und purpurroten und zuletzt
die gelben und hochroten.
Solche statistische Ermittelungen haben aber für die Frage, ob Licht und Temperatur auf das Erscheinen bestimmter Blütenfarben einen
Einfluß haben, gar keine Bedeutung, denn diese Verhältnisse sind in den verschiedenen Jahreszeiten
[* 31] an
ungleichen Standorten unter Umständen ganz dieselben. Auch blüht bisweilen eine Pflanzenart an einem und demselben Standort
gleichzeitig blau, weiß und rot. Ebenso wie der Einfluß des Lichts und der Temperatur ist auch die Wirkung der Bodenbeschaffenheit
auf die Blütenfarbe eine sehr eingeschränkte.
Dagegen können alle diese Faktoren insofern einen bedeutenden Einfluß ausüben, als durch starke Änderungen
aller derselben jede Pflanze, wie aus den Erfahrungen der Blumenzüchter hervorgeht, mehr als sonst zum Variieren geneigt gemacht
wird und dabei auch in der Blütenfarbe abändern kann. Jedoch besteht die wesentlichste Ursache, welche die Blüten von dem
ursprünglichen Grün zu allmählicher Annahme andrer Farben
gebracht hat, in der Anpassung an blütenbesuchende
Tiere, besonders an Insekten. Teils sind bestimmte Blütenfarben zur Anlockung von Tieren zum Zweck der Bestäubung nützlich, teils können
sie als Schutzmittel zur Abhaltung schädlicher Tiere dienen.
Bestimmte Insektenarten besuchen nur leuchtende Blüten, andre solche, die unscheinbar und schmutzig gefärbt sind. Im allgemeinen
müssen die am meisten ins Auge
[* 32] fallenden Blüten, die weißen, gelben und leuchtend roten, im Vorteil gegen die weniger sichtbaren
violetten und blauen Blüten sein, wenn das Insektenauge die Farben ähnlich sieht, wie es das menschliche thut.
In der That werden die blauen Blüten nur von verhältnismäßig wenigen Insektenarten besucht. Diese
geringe Anlockungskraft der blauen Farbe erklärt es, warum weiß oder gelb blühende Pflanzen so selten zum Blau hin variieren.
Auf die größere oder geringere Sichtbarkeit der Blüten hat auch der Standort einen gewissen Einfluß. Auf Wiesen, die lange
Zeit hindurch grün bleiben, sind gelb oder weiß gefärbte Blüten besser sichtbar als blaue oder rote,
die wieder in Umgebungen im Vorteil sind, wo das Grün derGewächse in bleiche oder gelbe Farbentöne übergeht.
Auch das Erscheinen mancher Blüten vor den Blättern, wie bei den Weiden, der Kornelkirsche, der Hepatica u. a., muß hier
als eine Einrichtung zum Zweck der bessern Sichtbarmachung der Blüten genannt werden. Sehr schöne Anpassungsverhältnisse
liegen ferner bei den mißfarbenen Blüten vor, die oft ihre Kronen
[* 33] erst während der Nacht öffnen und meist von Dämmerungs-
und Nachtfaltern bestäubt werden. Bei ihnen bildet starker Geruch ein ähnliches Anlockungsmittel wie bei den Tagblüten die
grelle Farbe.
Untersucht man die Floren verschiedener Länder auf die Blütenfarbe, so ergibt sich im allgemeinen eine
Zunahme der weißen Blüten nach Norden,
[* 34] was andeutet, daß bei abnehmender Zahl der Bestäuber eine desto hervortretenden
Blütenfarbe zur Anlockung jener notwendig ist. In der Flora von Deutschland
[* 35] sind unter den einfarbigen Blüten die gelbe und
die weiße Farbe am häufigsten und zwar die gelbe etwas überwiegend vertreten; dann folgen Rot, Blau,
Violett. Mehrfarbige Arten sind ungefähr an Zahl den Arten gleich, die in der Farbe im wilden Zustand variieren; diese Zahl
ist aber im Vergleich mit der der einfarbigen und konstanten Blüten ziemlich gering.
Eine bedeutendere Anzahl von PflanzenDeutschlands
[* 36] entbehrt überhaupt des farbigem Blütenschmuckes. Übrigens
haben diese Angaben keine große Bedeutung, da sie nicht die Zahl von Individuen an bestimmten Standorten, sondern nur die
Zahl der überhaupt vertretenen Arten betreffen. Die in manchen Blüten auftretenden eigenartig gefärbten und gezeichneten
Flecke und Streifen, die Saftmale, haben den Zweck, den blumenbesuchenden Insekten den Weg zu den Honig absondernden
Stellen anzuzeigen, und sie verschwinden in der Regel, wenn die Blüten durch gärtnerische Kunst »gefüllt« werden, weil bei
gefüllten Blüten die Bestäubung und damit der notwendige Insektenbesuch fortfällt.
Die Blütenfarben der heute lebenden Pflanzen befinden sich in zwei verschiedenen Zuständen, einem stationären
und einem variabeln. MancheArten und Gattungen sind in ihrer Blütenfarbe völlig fixiert, sie erscheinen vollkommen ihren
Bestäubern angepaßt, während bei andern ein möglichst günstiges Verhältnis zu den Blumenbesuchern offenbar noch nicht
erreicht ist. Die in der Blütenfarbe variabeln Spezies können nicht jede beliebige Farbe annehmen, sondern bewegen sich
¶
mehr
in dem Farbenkreis, den ihre nächsten Verwandten zeigen. Bei der Gartennelke (DianthusCaryophyllus) treten z. B. die verschiedensten
Nüancen zwischen dem dunkelsten Rot und dem reinen Weiß, daneben gelbe Farben auf; niemals aber ist eine blaue Gartennelke
trotz aller von den Nelkenzüchtern aufgewendeten Mühe erzeugt worden. Denselben Kreis der Farbenvariationen finden
wir bei den wild lebenden Arten der GattungDianthus; vorherrschend sind rot und weiß gefärbte Arten, seltener gelbe; blaublütige
existieren nicht.
Ähnlich verhalten sich die Blüten der Stockrose (Althaea rosea), bei denen sich zwar vielfache Nüancen zwischen dunklem, fast
schwarz erscheinendem Violett und Weiß, aber niemals ein reines Blau findet. In diesen und vielen ähnlichen
Fällen zeigt sich, daß, wenn eine rote oder gelbe Spezies variiert, die Variation sich danach richtet, welche Farbe die Mehrzahl
der verwandten Spezies derselben Gattung oder der ganzen Familie zeigt. Herrscht in der Gattung das Rot vor, so kann in der Variation
eine Annäherung zum Blau eintreten; herrscht dagegen Gelb vor, so findet eine solche Annäherung nicht statt.
Die meisten blaublütigen Pflanzen, wie Salvia pratensis, die Kornblume, das Immergrün, die Scilla, variieren wohl zwischen Violett,
Rot undWeiß, aber nicht zum reinen Gelb hin; nur bei der Gartenhyazinthe treten die drei Hauptfarben, Blau, Rot undGelb,
in voller Reinheit nebeneinander auf. Wenn eine Pflanzenart in der Farbe variiert, so findet sich stets Weiß unter den Variationsfarben.
Viele Pflanzen ändern nur nach Weiß als der am leichtesten zu erreichenden und zugleich am häufigsten vorkommenden Blütenfarbe.
Auch bei farbenwechselnden Blüten, wie den zuerst weißen, dann gelblichen und endlich roten Blüten von
Hibiscus mutabilis oder den zuerst gelben, dann blauen Blüten von Myosotis versicolor, sowie bei Blüten, die an demselben Pflanzenstock
an verschiedenen Sproßgenerationen mit wechselnder Farbe, wie bisweilen bei Hyazinthen und Nelken, auftreten, kommen ähnliche
Gesetze zum Vorschein.
gefüllte, stellen eine Abweichung von der normalen Bildung dar, eine Ausartung, die sich zum Teil geschlechtlich
fortpflanzt, meist aber nur durch ungeschlechtliche Vermehrung erhalten werden kann. In der Regel entstehen g. Blüten, durch Versetzen
der Pflanzen in ungewöhnliche, bessere Verhältnisse; doch kommt es auch vor, daß eine Füllung der Blüte eintritt,
wenn die Pflanze aus bessern Wachstumsbedingungen in schlechten übergeht. Als Seltenheit findet man g. Blüten, bei wild wachsenden
Pflanzen, z. B. bei Cardamine pratensis, Saxifraga
[* 39] granulata, Chelidonium majus, Caltha palustris, Ranunculus etc. Die gefüllten
Blüten spielen in der Gärtnerei eine große Rolle, und manche Pflanzen, vor allen Rosen, Nelken, Levkojen, Gänseblümchen,
haben in der That erst den jetzigen gärtnerischen Wert
erhalten, seitdem man gefüllte Varietäten von ihnen züchtet; andre
dagegen, wie Datura, Ipomoea, sind durch die Füllung häßlich geworden. Manche Blüten büßen bei der Füllung an Geruch ein,
wie das Veilchen und manche Rosen, während andre stärker, anhaltender, sogar anders riechen als die nicht
gefüllten. Gefüllte Blüten finden sich in sehr vielen Familien.
Sie entstehen durch Umbildung und Vermehrung der einzelnen Teile der Blüte, und zwar kann sich der Blätterkreis einer Blumenkrone
verdoppeln, ohne die Befruchtungsorgane zu benachteiligen; in andern Fällen verwandeln sich die Staubgefäße und selbst der
Griffel in Blumenblätter, auch kann sich die normale Zahl der Blumenblätter durch ungewöhnliche Erzeugung
ähnlicher Korollengebilde ungemein stark vermehren, und die Staubfäden und Pistille können dadurch unterdrückt werden.
Bisweilen wird auch der Kelch blumenkronenartig, wie bei der halbgefüllten CampanulaMedium calycanthemum, wo er, von derselben
Farbe wie die Blüte, diese flügelartig gelappt wie eine Manschette umschließt. Bei Kompositen
[* 40] verwandeln
sich die kurzen Scheibenblumen in verlängerte Röhrenblüten oder in blatt- oder zungenförmige Strahlenblüten, wie bei
Astern, Georginen, Zinnien, Tagetes, und wie es sich schon von Natur bei manchen Kompositen, am schönsten bei Taraxacum und
Hieracium, findet.
Bei Centaurea und Gaillardia mit kleinen, trichterförmigen Randblüten besteht das Gefülltwerden darin,
daß sich auch in der Mitte ähnliche Blüten mit geteilter Korolle bilden. Bleibt wenigstens ein Teil der Befruchtungsorgane
erhalten, so können die gefüllten Blüten Samen tragen, wenn auch weniger reichlich als die einfachen Blüten. Blieb das
Pistill unverwandelt, während die Staubfäden zur Befruchtung unfähig wurden, so kann man Samen durch
künstliche Befruchtung mit fremdem Pollen erzielen. Dies geschieht z. B. bei den gefüllten Petunien, deren Narben man mit
dem Pollen andrer halbgefüllter Sorten befruchtet.
Sehr oft bringt Überfluß an Nahrung jene üppige Wucherung der Blütenteile hervor, indes sind die hier waltenden Verhältnisse
noch wenig erforscht, da z. B. die am üppigsten Bewachsenen Levkojen einfache, absichtlich kümmerlich
im Topf gezogene, gegen Regen und Tau geschützte Pflanzen aber meist gefüllte Nachkommenschaft liefern. Es ist bisher, außer
bei Levkojen und dem nahe verwandten Goldlack, auch noch nicht gelungen, durch besondere Kultur einen Samen zu erziehen, aus
welchem gefüllte Pflanzen erwachsen; vielmehr erzielt man diese Eigenschaft immer nur durch sorgfältige
Auswahl und Absonderung der Samenträger.
Die Erlangung gefüllter Blüten ist zunächst Sache des Zufalls. Ist aber einmal ein Ansatz dazu aufgefunden, dann schreitet
der Gärtner ein und bringt es in der Regel bald zu dem gewünschten Erfolg. Gärtner, welche sich mit Neuzüchtungen
beschäftigen, haben an einfachen Blumen gewisse Anzeichen für das Gefülltwerden und widmen solchen besondere Aufmerksamkeit.
Bei vielfarbigen Blumen sind es bisweilen gewisse Farben, welche unter Sämlingen besonders viele g. Blüten, bringen; in andern Fällen
ist eine ungewöhnliche Vergrößerung der Blüten einzelner zwischen andern stehender, gleich behandelte Pflanzen oder die
Verdoppelung und Vergrößerung der grünen Kelchblätter das Zeichen bald eintretender Füllung. Aus
Sämlingen solcher Pflanzen, die schon der Größe der Blumen wegen mit besonderer Sorgfalt behandelt werden, bilden sich zuweilen
in der folgenden Generation oder später die ersten Ansätze der Füllung aus. Ob diese dann in spätern
¶