J. 1693 ward er
Professor der
Mathematik in
Wolfenbüttel,
[* 2] kehrte aber 1694 nach Basel
[* 3] zurück, wo er in der medizinischen
Fakultät
promovierte. In seiner
Inauguraldissertation
»De motu musculorum«
(Groningen 1694) wandte er die
Differentialrechnung
[* 4] auf die
mechanische
Muskelbewegung an. Im J. 1695 wurde er
Professor der
Mathematik in
Groningen, 1705 in Basel,
starb daselbst Seine
Abhandlungen wurden von
Cramer gesammelt (Genf
[* 5] 1742, 4 Bde.). Seine
»Korrespondenz mit
Leibniz« erschien zu Genf
1745, 4 Bde. Bernoulli erfand
das leuchtende
Barometer
[* 6] und lieferte Untersuchungen über die Verluste und Zunahme, welche der menschliche
Körper erfährt.
In der Abhandlung
»De nutritione«
(Lausanne
[* 7] 1742) behauptet er, daß der
Mensch innerhalb eines
Jahrs zwei
Drittel seines
Körpers verliere, und daß nach zehn
Jahren nur noch der 50. Teil des ursprünglichen
Stoffes übrig sei. Unter
seinen astronomischen Abhandlungen sind die über die elliptische Form und die
Neigung der Planetenbahnen die bedeutendsten.
Seine
»Opera omnia« erschienen zu
Lausanne 1742, 4 Bde., und enthalten 189
Aufsätze.
6)
Johann, Sohn von Bernoulli 5), geb. zu Basel,
ward 1764 Astronom in
Berlin
[* 13] und starb daselbst als
Direktor der mathematischen
Klasse der
Akademie Er schrieb: »Recueil pour les astronomes« (Berl. 1772-76, 3 Bde.);
»Lettres sur différents sujets« (das. 1777-79, 3 Bde.);
7)
Christoph,
Neffe des vorigen, geb. zu Basel,
studierte nach einer wechselvollen
Jugend seit 1801
Naturwissenschaften in
Göttingen
[* 16] und kam 1802 als ordentlicher
Lehrer an das
Pädagogium nach
Halle.
[* 17] Nach zwei
Jahren ging er nach
Berlin und
Paris,
[* 18] eröffnete dann in seiner Vaterstadt 1806 eine Privatlehranstalt und erhielt 1817 die Professur der
Naturgeschichte
an der
Universität, seit welcher Zeit er sein Privatstudium vorzüglich der
Technologie und
Statistik zuwendete. 1861 legte
er seine Professur nieder und starb Bernoulli war einer der fleißigsten Schriftsteller
im
Fach der
Technologie und politischen
Arithmetik; seine
Schriften vermitteln den Übergang von der ältern empirischen Behandlungsweise
zu der neuern rationellen.
Die verdienstlichsten sind: »Über den nachteiligen Einfluß der Zunftverfassung auf die
Industrie« (Basel
1822);
»Handbuch der
Populationistik«
(Ulm
[* 19] 1840-41, Nachtrag 1843) und »Technologische Handencyklopädie«
(Stuttg. 1850).
Auch gab Bernoulli das »Bürgerblatt« und nach dessen Aufhören
das »SchweizerischeArchiv für
Statistik und
Nationalökonomie« (Basel
1828-30, 5 Bde.) heraus. -
Sein Sohn
JohannGustav Bernoulli, geb. 1811 zu Basel,
gest. bearbeitete
das von seinem
Vater herausgegebene
»Vademekum des
Mechanikers« (17. Aufl., bearbeitet von Autenheimer, Stuttg.
1884).
[* 36] (»Brennstein«, v. niederdeutsch.
bernen, d. h. brennen; auch Agtstein, Succinit, gelbe Ambra, gelbes Erdharz, lat. Succinum, Electrum), Mineral aus der Ordnung der
Harze, findet sich in rundlichen, stumpfeckigen, knollen- und plattenförmigen Stücken eingewachsen, eingesprengt, auch in
getropften und geflossenen Gestalten ganz wie Baumharz, ist wachs- bis honiggelb, gelblichweiß bis braun, in Sizilien
[* 37] auch
bläulich, smaragdgrün, violett, bisweilen geflammt, gestreift, fettglänzend, durchsichtig bis undurchsichtig,
vom spez.
Gewicht 1,0-1,1 und der Härte 2,0-2,5, entwickelt beim Reiben Geruch und wird elektrisch, beim Erhitzen in Öl weich und biegsam,
ist unlöslich in Wasser, gibt an kochenden Alkohol, Äther und ätherische Öle
[* 38] nur wenig ab, löst sich in Benzol,
Chloroform und in Alkohol, welcher sehr wenig Kampfer enthält, hat die prozentische Zusammensetzung des Kampfers (C10H16O)
^[(C10H16O)] mit einem geringen Schwefelgehalt und besteht zu 9/10 aus dem in gewöhnlichen Lösungsmitteln unlöslichen
Bernsteinbitumen, Succinin, enthält außerdem in Alkohol lösliches Harz, ätherisches Öl und Bernsteinsäure.
Bei weitem der meiste Bernstein wird von der Nord- und Ostsee ausgeworfen. An der preußischen Küste lösen die
heftigen Nordweststürme den Bernstein von dem Meeresboden los und treiben ihn, in Seetang eingewickelt, mit den Wellen
[* 62] dem Lande zu.
In der Gegend von Palmnicken und Nodems im Samland wurden in einer Herbstnacht des Jahrs 1862: 2000 kg Bernstein gewonnen. Viel
Bernstein wird im Samland gegraben. Die 47-63 m hohen Strandberge des Samlandes zeigen drei verschiedene Schichtensysteme. Auf einem
durch viele Grünerdekörnchen (Glaukonit) grünlichgrau gefärbten Sand ruht eine Braunkohlenbildung mit lichtern Sanden und
grauen Thonen und auf dieser diluvialer Mergel und Sand mit nordischen Geschieben.
Alle drei Schichtengruppen enthalten aber nur der untere grüne Sand führt ihn in reichlicher Menge und
zwar in einer dunkel gefärbten thonig-sandigen Lage von 1,25-6 m Mächtigkeit, der sogen. blauen Erde, in Gesellschaft von Holzresten,
Haifisch- und Saurierzähnen, Seekrabbenresten, Muscheln,
[* 63] Seeigeln etc. Diese blaue Erde zieht sich am ganzen Nordstrand des Samlandes
von Brüsterort bis Rantau fort und ist auch in Kranz nachgewiesen worden. Gegen S. senkt sie sich derart
ein, daß sie bei Kraxtepellen schon 12,5 m unter See liegt. Da sie nun am Strand im allgemeinen nahe unter dem Meeresspiegel
bekannt geworden ist und beinahe horizontal liegt, so muß sie, weil der Meeresgrund sich einsenkt, nicht
fern vom Land aus dem Grund hervortreten, und dadurch erklärt sich der Bernsteinauswurf der See, welche an der blauen Erde
nagt und den losgespülten Bernstein forttreibt.
Auch in frühern Erdperioden hat das Meer diese Lagerstätten abgetragen; daher findet sich der Bernstein z. B. in der
Tuchelschen Heide in diluvialen Sandablagerungen mit Seetangresten, abgerollten Holzstücken und Steinen.
Überhaupt gibt es in West- und Ostpreußen,
[* 64] Hinterpommern und Posen
[* 65] Forstreviere, wo jährlich nicht unbedeutende Quantitäten
Bernstein aus dem Diluvium gegraben werden. Würde der heutige Bernsteinauswurf nicht von Menschen aufgelesen, so würden sich jetzt
noch ganz dieselben strich- und nesterweisen Bernsteinablagerungen im Seesand bilden, wie sie sich an den
genannten Orten, in der Mark, in Schlesien, bis ins Riesengebirge bei 424 m Seehöhe finden.
Schon früh hat man den Bernstein als das fossile Harz von Nadelbäumen erkannt, und durch die zahlreichen, gut erhaltenen Einschlüsse
hat man ein ziemlich deutliches Bild von dem einstigen Bernsteinwald erhalten. Die eigentlichen Bernsteinbäume
waren der unsrer Rottanne ähnliche Pinites succinifer, die mehr den Abiesarten entsprechenden Pinus eximius, Mengeanus und
radiosus, der unserm P. strobus ähnliche und am häufigsten vorkommende P. strobianus und der unsrer Kiefer nur entfernt
gleichende P. anomalus.
Der häufigste Baum des Bernsteinwaldes scheint eine Thuja gewesen zu sein, die mit unserm heutigen Lebensbaum
völlig übereinstimmt. Außerdem enthielt der Wald viele Laubbäume, Pilze,
[* 66] Flechten,
[* 67] Moose,
[* 68] ein Farnkraut, die Heidelbeere,
viele Heidekräuter etc. Die Bernsteinbäume können in ihrem Harzreichtum mit der neuseeländischen
Dammara australis verglichen werden, deren Zweige und Äste von weißen Harztropfen so starren, daß sie
wie mit Eiszapfen bedeckt erscheinen. Das Bernsteinharz wurde teils an den Wurzeln der Bernsteinbäume ausgeschieden oder
angesammelt, teils tropfte es von den Zweigen und
¶
mehr
fiel auch wohl auf am Boden liegende Blätter, deren Form es im Abdruck erhalten hat. Auch die Bernsteinfauna ist in sehr zahlreichen
Einschlüssen erhalten, weist Krustentiere, Tausendfüße, Spinnen,
[* 70] Insekten,
[* 71] eine Landschnecke, eine Vogelfeder und einen Büschel
Fledermaushaare auf. Fische
[* 72] und Amphibien fehlen gänzlich. Sämtliche Bernsteintiere sind Landtiere, aber ein einziges
Bruchstück eines Seekrebses deutet doch auf die Nähe des Meers und die vielen Neuropteren auf den Wasserreichtum des Bernsteinwaldes.
Über das Schicksal dieses Waldes wissen wir nichts; es läßt sich die Existenz von 100 Mill. Ztr. Bernstein berechnen, aber nirgends
sind entsprechende Holz- oder Kohlenmassen zu finden, denn die Braunkohlenablagerungen des Samlandes stehen
in gar keiner Verbindung mit dem Bernsteinwald.
Gewinnung. Handelssorten. Verarbeitung.
Man gewinnt den Bernstein durch Auflesen des von der See ausgeworfenen und geht auch bis 100 Schritt ins Wasser, um ihn mit großen
Netzen, welche an langen Stangen befestigt sind, zu »schöpfen«. Der herantreibende Tang, welcher den Bernstein eingeschlossen
enthält (Bernsteinkraut), wird mit den Netzen in der Mitte der überkippenden Welle aufgefangen, an den Strand geworfen und
ausgesucht. Nächst dieser ältesten, schon von Tacitus beschriebenen Art der Bernsteingewinnung ist das Bernsteinstechen
im Gebrauch.
Man wendet es an, wo große Steine in der Nähe des Strandes liegen, zwischen denen der Bernstein niederfällt;
4-5 Mann fahren bei klarer See in einem Boot hinaus, und während einer mit einem Speer den Bernstein zu lösen oder mit einem Haken
den Stein zu wenden sucht, fängt ihn ein andrer mit einem Käscher auf. Bei Brüsterort, wo in 5-9 m Tiefe eine reiche
Bernsteinablagerung vorhanden ist, hebt man die Steinblöcke mit Zangen und Flaschenzügen auf ein Floß und bewegt ein Netz
mit scharfem Rand kratzend (schrapend) auf dem Grund hin und her.
Großartigere Resultate erzielt man im KurischenHaff durch Baggerei, welche an der gefährlichen Küste bei Brüsterort nicht
anwendbar ist. Die FirmaBecker u. Stantien in Memel unternahm bei Schwarzort auf der KurischenNehrung diese
Gewinnungsart mit 9 Dampfbaggern und 3 Handbaggern und gewann in einem Jahr 36,500 kg Bernstein im Wert von etwa 540,000
Mk. Unter diesem gebaggerten Bernstein findet man viele Kunstprodukte von der Art wie in den altpreußischen Grabstätten,
den Hünengräbern.
Seit etwa 200 Jahren wird endlich auch Bernstein auf dem festen Lande durch Graben gewonnen, und diese Methode ist ergiebig geworden,
seitdem man die blaue Erde als die eigentliche Lagerstätte des Bernsteins erkannt hat. Der Kubikfuß der blauen Erde enthält
durchschnittlich 40 g B. Die Strandberge werden in der ganzen Höhe abgestochen, und während sich eine
Arbeiterreihe mit Spaten rückwärts bewegt, sammeln die ihnen gegenüberstehenden Aufseher den bloßgelegten Bernstein Versuche,
den Bernstein unterirdisch durch Bergbau
[* 73] zu gewinnen, sind schon zweimal gescheitert, indem der sandige, lockere Boden zu große Schwierigkeiten
bot und man in den Braunkohlensanden, nicht in der blauen Erde arbeitete.
Gegenwärtig, wo man durch den norddeutschen Braunkohlenbergbau lockere, lose Gebirgsmassen zu überwinden gelernt hat, erwartet
man von dieser Methode sehr günstige Resultate. Die ganze Produktion des Bernsteins in Preußen
[* 74] beträgt jährlich ca. 100,000
kg, wovon auf die Baggereien im KurischenHaff 36,500, auf die Gräbereien im Samland 22,500, auf die Gräbereien
im Binnenland 3-5000, endlich auf den Seeauswurf 36-38,000 kg
kommen. Der Seeauswurf ist in den letzten 300 Jahren ziemlich gleichgeblieben.
50-60 Proz. des gewonnenen Bernsteins sind nur zu chemischen Präparaten und Räucherzwecken verwendbar.
Man unterscheidet den Bernstein im Handel nach Farbe, Reinheit, Größe und Form der Stücke, und um dies zu können,
entfernt man zunächst die in der Regel vorhandene chagrinartig genarbte Verwitterungsschicht durch die Feile.
[* 75] Stücke über
½ kg Gewicht kommen nur selten vor, das größte Stück Bernstein findet sich im königlichen Mineralienkabinett in Berlin, es wiegt 6750 g
und hat einen Wert von 30,000 Mk. Stücke über 75 g haben bei guter Farbe und nicht zu ungünstiger Form
Silberwert, sie dienen zu Schälchen, Bechern, Nippsachen, flache Stücke (Fliesen)
[* 76] zu Broschen etc. Der sizilische Bernstein wird in
Catania zu Kreuzen, Rosenkränzen, Heiligenbildern verarbeitet. Nach der Farbe unterscheidet man den kreideweißen oder lichtgelben
Knochen,
[* 77] der reich an Bernsteinsäure ist, und dem besondere heilkräftige Wirkungen zugeschrieben wurden;
durchscheinende, wolkige (flohmige) Varietäten und den ganz klaren Gelbblank und Rotblank; am geschätztesten ist der halbdurchsichtige
bis durchscheinende Bastart, Bastardstein, von licht grünlichgelber Kumst- oder Weißkohlfarbe.
Man bearbeitet den Bernstein auf der Drehbank,
[* 78] durch Schnitzen, Raspeln oder Feilen, auch mit der Laubsäge und
poliert ihn mit Bimsstein, Kreide
[* 79] und Wasser und durch Reiben mit dem Daumen oder überzieht Stellen, die nicht poliert werden
können, mit Bernsteinfirnis. Durch Erhitzen in Öl kann man Bernstein vorübergehend so weich machen, daß er sich etwas biegen und
in Formen pressen läßt (gegossener Bernstein, BraunschweigerKorallen);
[* 80] milchiger Bernstein wird dabei durchsichtig.
Der Hauptplatz für den Bernsteinhandel und seine erste Verarbeitung ist seit langer Zeit Danzig,
[* 81] in zweiter StelleMemel und
Königsberg;
[* 82] auch Stolp
[* 83] in Hinterpommern, Lübeck,
[* 84] Breslau verarbeiten viel Bernstein; die großen Stücke gehen aber meist roh ins Ausland
und werden in Konstantinopel,
[* 85] Wien
[* 86] und Paris zu den schönsten Schmuckwaren, im Orient zu Pfeifenmundstücken
und Bernsteinkorallen als Pferdeschmuck verarbeitet.
Der Bernstein stand bei den Alten in sehr hohem Ansehen. Schon lange vor HomersZeiten erzählten die phönikischen Bernsteinhändler,
daß im Nordwesten der Hesiodischen Erdscheibe sich in den Okeanos von den hohen Rhipäen (Alpen)
[* 88] der Eridanus
ergieße, an dessen Ausfluß
[* 89] gewisse Bäume von der Hitze der vorbeischiffenden Sonne
[* 90] Bernstein, genannt Elektron oder Sonnenstein, ausschwitzten.
Homer spricht in der »Odyssee« von einem Halsband: »golden, besetzt mit Elektron, der strahlenden Sonne vergleichbar«. Die
¶
mehr
Königsburg des Menelaos
[* 92] glänzte von Gold,
[* 93] Elektron, Silber und Elfenbein. Herodot teilt zuerst die Mythe vom Phaëthon mit, welche
später Ovid in den »Metamorphosen« poetisch verarbeitet hat. Thales kannte die anziehende Kraft des geriebenen Bernsteins und
vergleicht dieselbe mit der des Magnets. Tacitus wußte, daß die Ästyer (Esthen), welche auf der rechten
Küste des Suevischen Meers wohnen, den Bernstein, den sie selbst Glesum nennen, als Auswurf des Meers sammeln und an die Römer
[* 94] verhandeln;
er spricht von den Einschlüssen und hegt keinen Zweifel, daß Bernstein erhärteter Baumsaft sei.
Diodor, Strabon und Plinius haben alles zusammengestellt, was über den Bernstein damals bekannt war; nach Plinius
soll man ihn Succinum genannt haben, um anzuzeigen, daß er aus dem Saft (succus) der Bäume entstanden sei, und Plinius selbst
leitet ihn von einer Pinie ab. SchonPytheas hatte zur Zeit Alexanders d. Gr. eine Entdeckungsreise unternommen, um die Heimat
des Zinnes, des Bernsteins und köstlicher Felle zu erkunden; er erzählt, daß der Bernstein auf der InselAbalus
im Ozean, gegenüber dem germanischen Volk der Guttonen, von den Wellen angetrieben werde, aber er ist schwerlich über die
Weser oder Elbe hinausgekommen, und so kann Abalus nicht auf das Samland bezogen werden.
Plinius spricht bestimmter und verlegt die Bernsteininseln, Glessarien oder Elektriden, ins GermanischeMeer, gegenüber Britannien, so daß mit Sicherheit angenommen werden kann, daß die Alten Bernstein aus der Nordsee erhalten haben.
Die erste sichere Andeutung der samländischen Küste gibt Dionysios von Halikarnaß, und wenn Plinius erzählt, daß die Germanen
den Bernstein hauptsächlich nach Pannonien gebracht haben, von wo er durch die Veneter rings am Adriatischen
Meer verbreitet wurde (daher die Fabel vom Ursprung des Bernsteins aus dem Po), so kann auch hierin wohl eine Hinweisung auf
die Ostseeküste gesehen werden.
Daß Überlandhandel mit Bernstein schon in der vorrömischen Zeit stattgefunden habe, scheinen die Massenfunde bei
Giebichenstein bei Halle a. S. zu beweisen. Verarbeiteten Bernstein findet man in den Nekropolen Norditaliens, in den großen Gräberfeldern
von Hallstatt und in süddeutschen Hügelgräbern. Epochemachend für den Bernsteinhandel war die Entsendung eines römischen
Ritters durch KaiserNero. Wahrscheinlich wurde durch diese Expedition die bernsteinreiche Küste des ostpreußischen Samlandes
dem römischen Handel erschlossen, der vorher auf den Zwischenhandel, namentlich der im nördlichen Elbgebiete
wohnenden Teutonen, angewiesen war.
Durch diese in der Folge sehr lebhaften Handelsbeziehungen erklärt sich der große Reichtum der ProvinzPreußen an römischen
Fabrikaten. Der Bernstein war bei den Römern als Schmuckstein ungemein beliebt, auch schrieb man ihm Heilkräfte
zu, und die Dichter, besonders Martial, sind seines Lobes voll. Auch in der merowingischen Zeit noch war der Bernstein als Schmuck
sehr beliebt, wie dies zahlreiche in Gräbern dieser Zeit gefundene Perlen bezeugen. Mit dem immer mehr hervortretenden Übergewicht
des Orients am Ende des ersten Jahrtausends unsrer Zeitrechnung bahnten sich auch Verbindungen für den
Bernsteinhandel nach dem Orient an. Zeugen dafür sind die zahlreichen Funde an orientalischen (kufischen) Silbermünzen und
Schmuckgegenständen, meistens aus dem 10. und 11. Jahrh. stammend.
Gegenüber der Klarheit der Alten bezüglich der wahren Natur des Bernsteins herrschte in der neuern Zeit viel Verwirrung.
Agricola verwarf die Ansicht von der vegetabilischen Abstammung des
Bernsteins vollständig, und Linné
mußte dieselbe noch verteidigen. Erst zu Ende des vorigen Jahrhunderts wurden die natürlichen und geologischen Verhältnisse
des Bernsteins genauer erkannt, und durch die bis in die neueste Zeit reichenden Bemühungen von Schweigger, Aycke, Berendt,
Göppert, Menge, Zaddach, Heer, Runge u. a. haben wir jetzt eine sehr vollständige Kenntnis
derselben erlangt.
In den ältesten Zeiten war das Auflesen des ausgeworfenen Bernsteins jedermann erlaubt, erst die Bischöfe erkannten in dem
»Börnstein«, lapis ardens, eine sehr ergiebige Einnahmequelle und ein
geeignetes Steuerobjekt (die älteste Urkunde datiert von 1264). Die DeutschenRitter beuteten das Bernsteinregal
in größtem Maßstab
[* 95] aus und gestatteten niemand, gefundenen Bernstein zu behalten oder auf eigne Rechnung zu vertreiben.
Die erste Bernsteindreherinnung bildete sich 1534 in Stolp.
Unter den Markgrafen und Kurfürsten wurden besondere Bernsteingerichte gegen Unterschlagungen eingesetzt, und alle Strandbewohner
mußten den Bernsteineid schwören. Sie erhielten als Entschädigung für die anstrengende und gefährliche
Arbeit des Schöpfens nur das gleiche MaßSalz,
[* 96] dessen sie bei dem Fischereigewerbe bedurften. Diese unnatürlichen Verhältnisse
führten bald zur Verpachtung der Bernsteinnutzung an Danziger Kaufleute, welche alsbald die glänzendsten Resultate erzielten,
den Handel bis Persien
[* 97] und Indien ausdehnten und in vielen StädtenFaktoreien einrichteten.
Dies verlockte aber die Regierung, die Sache wieder selbst in die Hand
[* 98] zu nehmen, und noch oft wechselten
seitdem Verpachtung und Selbstverwaltung miteinander ab. Erst zu Ende des vorigen Jahrhunderts wurde der Bernsteineid abgeschafft,
und FriedrichWilhelm III. überließ 1837 die ganze Bernsteinnutzung von Danzig bis Memel gegen eine Pauschalsumme von 30,000
Mk. den Adjazenten und Strandgemeinden; erst seit 1866 wurde die Gräberei in den Strandbergen, welche etwa seit 200 Jahren
betrieben wird, wieder besonders verpachtet.
Gegenwärtig ist der in ganz Ostpreußen und am westpreußischen Strand, mit Ausnahme des Stadtgebiets Danzig, vorbehaltenes
Eigentum des Staats. Für die Strandstrecke von Danzig bis Memel bezieht derselbe die oben genannte Pachtsumme,
er verpachtet die Bernsteingräbereien in den Strandbergen auf eignen und Privatgrundstücken und die Baggerei im KurischenHaff. Jeder Grundbesitzer in Ostpreußen muß den auf seinem Grundstück gefundenen Bernstein gegen gesetzlichen Finderlohn(1/10 des
Wertes) abliefern, wenn er sich nicht ebenfalls durch Zahlung einer Pacht von dieser gesetzlichen Verpflichtung
befreit.
Eine bedeutende Einnahme des Staats aus diesem Regal steht aber den mannigfachen Beschränkungen, welche die Regalverwaltung
mit sich bringt, nicht gegenüber; der größte Teil des Gewinnes fällt den Besitzern günstig gelegener Strande oder den
Bernsteinhändlern zu. Die vier StellenSchwarzort, Brüsterort, Sassau und Warnicken liefern eine Pachtsumme
von 260,000 Mk.
Vgl. Hartmann, Succini prussici historia (Frankf. 1677);
Berendt und Göppert, Der und die in ihm vorkommenden
Überreste der Vorwelt (Berl. 1845);
Nach seiner Rückkehr (1819) wurde er 1821 zum ordentlichen Professor der orientalischen Sprachen an der UniversitätBreslau
ernannt, begab sich 1836 abermals nach Oxford,
[* 105] 1842 nach Italien,
[* 106] um seine Exzerpte und Abschriften morgenländischer
Handschriften zu vervollständigen, und starb in Lauban. Außer Abhandlungen in Journalen veröffentlichte er ein
arabisches Gedicht des Szafieddin von Hilla (zuerst Leipz. 1816), einen andern arabischen Schriftsteller,
»De initiis et originibus religionum in oriente dispersarum« (Berl. 1816),
welcher Nachträge
zur Chrestomathie (Bd. 1, das. 1817)
folgten, namentlich aber den Anfang eines großen syrischen Wörterbuchs (1. Heft, Berl. 1852) und andre Beiträge zur syrischen
Litteratur: »Über die charklensische Übersetzung des NeuenTestaments« (2. Aufl., Bresl. 1854),
ein vortreffliches Lexikon zu Kirsch' »Chrestomathia syriaca«, welche er neu bearbeitete
(Leipz. 1832-36, 2 Bde.) und »Gregorii
Bar-Hebrael scholia in librum Jobi« (Bresl. 1858).
2) Aaron, Publizist und Volksschriftsteller, geb. 1812 zu Danzig, jüdischer Abkunft, wurde für den Rabbinerstand bestimmt
und in Talmud und Bibel
[* 107] unterrichtet, bis er in Berlin sich eifrigen Studien, auch auf naturwissenschaftlichem
Gebiet, hingab. Sein Erstlingswerk war eine Übersetzung und Bearbeitung des Hohenliedes (Berl. 1834), die
er unter dem Namen A. Rebenstein herausgab. Ihr folgten: »Plan zu einer neuen Grundlage für die Philosophie der Geschichte«
(Berl. 1838);
eine Abhandlung über die »Rotation der Planeten«
[* 108] und das gegen Bülow-Cummerow gerichtete politisch-statistische anonyme Schriftchen »Zahlen frappieren« (das. 1843).
An den
religiösen Reformbewegungen seit 1845 nahm Bernstein im Interesse einer Reform des Judentums regen Anteil. Im März 1849 gründete
er zu Berlin die demokratische »Urwählerzeitung«, die
alsbald ungemeine Verbreitung fand, aber dem Herausgeber verschiedene Preßprozesse und Gefängnisstrafen zuzog und schließlich
unterdrückt wurde. Seit 1853 erschien das Blatt
[* 109] als »Volkszeitung« im Verlag von FranzDuncker weiter und gehörte lange zu
den verbreitetsten politischen ZeitungenDeutschlands.
[* 110] Bernstein schrieb in demselben jahrzehntelang die täglichen Leitartikel und
veröffentlichte außerdem eine Reihe populär-naturwissenschaftlicher Abhandlungen, die ihn als einen
Meister in gemeinverständlicher Erörterung wissenschaftlicher Fragen beurkunden und großen Beifall
fanden.
Sie erschienen gesammelt als »NaturwissenschaftlicheVolksbücher« (4. Aufl., Berl. 1880, 5 Bde.;
neue Folge 1880 ff.). Auch seine politischen Aufsätze aus der neuesten preußischen Geschichte gab er besonders heraus unter
dem Titel: »Revolutions- und Reaktionsgeschichte Preußens und Deutschlands von den Märztagen bis zur neuesten
Zeit« (Berl. 1883-84, 3 Bde.).
Interessant sind seine realistischen, dem jüdischen Kleinleben entnommenen Novellen: »Vögele der Maggid« (Berl. 1860; neue
Bearbeitung, Leipz. 1864) und »Mendel Gibbor«
(Berl. 1860, neue Ausg. 1872). Außerdem veröffentlichte er: »Ursprung der Sagen von Abraham, Isaak und
Jakob« (Berl. 1871);
»Betrachtungen über Natur- und Kulturleben« (das. 1874, 2. Aufl. 1884) und
»Natur- und Kunstbetrachtungen« (Leipz. 1879).
Zur Darstellung erhitzt man Bernsteinabfälle in einer Retorte auf 280°, solange noch weiße Dämpfe übergehen. Diese verdichten
sich in der Vorlage zu kristallisierter Bernsteinsäure, einer dunkelbraunen, sauren Lösung, und zu Bernsteinöl. Als Rückstand bleibt
in der RetorteBernsteinkolophonium, welches zur Darstellung von Bernsteinfirnis dient. Der Inhalt der Vorlage
wird mit heißem Wasser versetzt, filtriert und verdampft. Die rohe Bernsteinsäure reinigt man durch wiederholtes Umkristallisieren
und Behandeln mit Tierkohle. Die Ausbeute beträgt 4 Proz. und wird bedeutend vermehrt, wenn man den Bernstein mit 5-6 Proz.
konzentrierter Schwefelsäure
[* 112] befeuchtet; doch ist dann das Kolophonium unbrauchbar. Vorteilhafter läßt
man rohen äpfelsauren Kalk mitWasser und faulem Käse bei 30-40° gären, zersetzt den gebildeten bernsteinsauren Kalk mitSchwefelsäure und verdampft das Filtrat. Bernsteinsäure bildet farb- und geruchlose Kristalle,
[* 113] schmeckt sauer, etwas erwärmend,
¶
Christian VII. belohnte ihn mit der Erhebung in den dänischen Reichsgrafenstand (1767). Nicht weniger
erfolgreich war seine Wirksamkeit im Innern. Es gelang ihm durch Unterstützung des Fabrikwesens und namentlich des für
Dänemark sehr wichtigen Frachthandels, den Wohlstand des Landes erheblich zu befördern. Zugleich suchte er die Lasten des
Landmannes zu erleichtern, den Druck des Heerwesens zu mildern und den Volksunterricht zu heben. Er übernahm
die Direktion des gesamten Armenwesens, unterwarf dasselbe einer vollständigen Neuordnung und gründete das große Hospital
in Kopenhagen.
[* 118]
Während des englisch-französisch-spanischen Seekriegs brachte er, in Verbindung mit Rußland, Schweden und Preußen, die bewaffnete
Neutralität zu stande, welcher Dänemark während verderblicher Kriege zwischen andern Völkern einen langjährigen
Frieden verdankte. Aber infolge von Differenzen mit der verwitweten Königin Juliane und deren MinisteriumGuldberg legte Bernstorff 1780 seine
Stelle nieder, um sich auf seine Güter im Mecklenburgischen zurückzuziehen.
Sobald jedoch der junge Kronprinz 1784 eine Änderung des Staatsrats durchgesetzt und den Einfluß der
Königin gebrochen hatte, wurde Bernstorff zurückgerufen und in alle seine Ämter und Würden wieder eingesetzt. Von da an blieb er
bis zu seinem Tode der leitende Mittelpunkt der äußern und innern Verwaltung und erhob Dänemark unter den schwierigsten Verhältnissen
zu einer hohen Blüte.
[* 121] Den unvermeidlichen Krieg mit Schweden wußte er wenigstens schnell zu beendigen.
Dänemark trat durch Bernstorffs Veranstaltung 1791 sogar mit dem glücklichsten Erfolg als Vermittler zwischen Rußland
und England im Türkenkrieg auf. Die 1792 von seiten der gegen Frankreich alliierten Mächte an Dänemark ergangene Einladung
zur Teilnahme an dem Kriege gegen die Republik lehnte ab, wie er auch später den Koalitionen gegen Frankreich
nicht beitrat. Durch dieses Friedens- und Neutralitätssystem sowie durch wahrhaft wohlthätige, alle Gegenstände der Administration,
Finanzen, Handel, Schiffahrt, Manufaktur- und Fabrikwesen sowie militärische Angelegenheiten betreffende Maßregeln ist Bernstorff der
Wohlthäter Dänemarks geworden.
Ihm ist besonders die Befreiung des Bauernstandes in Dänemark von persönlichen und wirtschaftlichen Fesseln
zu danken. Auch an der Aufhebung der Leibeigenschaft in Schleswig-Holstein hatte er einen bedeutenden Anteil, obwohl sie erst
nach seinem Tod erfolgte. Dabei war er ein standhafter Verteidiger liberaler Regierungsprinzipien und erklärte sich stets
entschieden gegen jede Beschränkung der Preßfreiheit. Bernstorffs Privatcharakter erscheint überall in dem günstigsten
Licht.
[* 122] Er starb
3) ChristianGünther, Graf von, der älteste Sohn des vorigen, geb. zu Kopenhagen, begann seine staatsmännische Karriere
bei der dänischen Gesandtschaft in Berlin, ging später als Gesandter nach Stockholm
[* 123] und privatisierte
dann eine Zeitlang in Kopenhagen. Nach dem Tode des Vaters (1797) folgte er diesem im Ministerium des Auswärtigen, bewies aber
nicht dessen administrative und politische Umsicht, indem er besonders durch sein hartnäckiges Festhalten einer bewaffneten
Begleitung der neutralen dänischen Handelsschiffe, welche sein Vater noch auf dem Sterbebett widerraten, 1798 England
zu Feindseligkeiten herausforderte, welche für Dänemark höchst nachteilig endeten. Bernstorff trat daher 1810 vom Ministerium zurück
und ging als
¶