Twistausfuhr nach dem
Kontinent. Gleichzeitig veränderten sich auch die Verhältnisse in der Baumwollkultur. Vor 1786 hatte
England nie über 20 Mill. Pfd. Baumwolle
[* 2] importiert und zwar 6 Mill. aus
Westindien,
[* 3] fast ebensoviel aus den spanischen und französischen
Kolonien, den Rest aus den holländischen und portugiesischen Besitzungen und aus derLevante.
Nun trat
auch
Nordamerika
[* 4] in die
Reihe der Produzenten.
Schon 1621 fand ein erster
Versuch mit Baumwollpflanzung statt, aber die erste
Einfuhr nordamerikanischer Baumwolle nach
England fällt allem Anschein nach ins Jahr 1747. Im J. 1791 exportierten die
Vereinigten Staaten
[* 5] nur 81
Sack, 1821 aber schon 125 und 1826 über 200 Mill. Pfd. Im J. 1849 überstieg
die Ausfuhr zum erstenmal 1000 Mill. Pfd. So war durch die
Erfindungen in Spinnerei und
Weberei
[* 6] und durch die eigentümlichen
Kulturverhältnisse in
NordamerikaOstindien
[* 7] sowohl in der
Produktion als in der Verarbeitung der Baumwolle aus dem
Feld geschlagen,
die
Vereinigten Staaten undEngland behaupteten von nun an weitaus den ersten
Rang in der Baumwollindustrie.
Zur Zeit des
Ausbruchs des nordamerikanischen
Bürgerkriegs war die Baumwollindustrie vollständig von
Amerika
[* 19] abhängig geworden
und mußte deshalb die
Störungen in der
Produktion sehr schwer empfinden. Die wichtigste
Folge war der mit großer
Energie auftretende
Wettbetrieb
Ostindiens,
Ägyptens und
Brasiliens. Zwar konnten diese trotz der größten Anstrengungen denAusfall
bei weitem nicht decken, aber die
Produktion gewann daselbst festen
Boden und behauptete sich auch für die spätere Zeit.
Namentlich ist sie in
Ostindien mit der
Entwickelung der
Hand- u. Maschinenindustrie beständig gestiegen, so daß in 3
Jahren
die Zahl der
Arbeiter von unter 40,000 auf über 52,000 anwuchs.
In denVereinigten Staaten datiert die Baumwollspinnerei seit 1643, wo man den
Rohstoff aus
Barbados bezog.
Die erste größere
Fabrik wurde 1791 in
Rhode-Island angelegt, 1816
gab es etwa 15
Fabriken, welche 11 Mill. Pfd. Baumwolle verarbeiteten.
Im J. 1830 zählte man schon 801
Fabriken, 1880 zwar nur 756, dafür war aber die Spindelzahl von 1,246,703
auf 10,653,435, die der
Webstühle
[* 20] von 33,433 auf 225,759, die der
Arbeiter von 62,208 auf 172,544 gestiegen, statt 77 Mill.
Pfd. wurden 1880-1881: 1012 Mill. Pfd. verarbeitet.
Dagegen betrug 1877 die Zahl aller
Spindeln der vorstehenden
Länder erst 70,334,000, die industrielle Thätigkeit auf dem
Gebiet der Baumwollmanufaktur ist also trotz wiederholter Rückschläge rüstig vorwärts geschritten.
(Niggeröl), fettes
Öl, welches durch
Pressen oderExtrahieren mit
Schwefelkohlenstoff
aus Baumwollsamen gewonnen wird. Die
Ausbeute beträgt 15-30 Proz. Das rohe gepreßte
Öl ist dunkel rotbraun, mit
Schleim und
Eiweißkörpern verunreinigt, dickflüssig, vom spez. Gew. 0,921,
erstarrt bei -2 bis -3°. Es kann nach dem
Waschen mit
Wasser oder Wasserdampf durch Behandeln mit
Kalilauge gebleicht werden,
ist dann hellgelb, schmeckt nußartig, riecht schwach erdartig, erstarrt zwischen 2 und 0°, ist unlöslich
in
Alkohol, löslich in
Äther und steht zwischen den trocknenden und nicht trocknenden
Ölen, spez. Gew. 0,926. Es dient zur
Verfälschung des
Olivenöls, als Brennöl und zur
Darstellung von
Seife. Die Preßrückstände von der Gewinnung des Baumwollsamenöls
dienen als Viehfutter.
aus gröberm
Garn hergestellte
Schnüre oder
Stricke, werden als Ein- und Auszugsschnüre beim
Selfactor
und als Antriebsschnüre benutzt, wo ihre Schmiegsamkeit und
Festigkeit
[* 28] in Betracht kommen, wie z. B. bei den Laufkränen.
rechter Nebenfluß des
Mains, entspringt auf den
Haßbergen unweit Bundorf, nimmt die Weißach und
Lauter auf
und durchfließt ein breites und wiesenreiches
Thal,
[* 29] bis er unterhalb des
Fleckens Baunach nördlich von
Bamberg
[* 30] mündet.
¶
(Bauriß), geometr. Zeichnung eines Gebäudes in verjüngtem Maßstab,
[* 32] aus welchem die innere und äußere Gestalt
desselben ersehen werden kann. Man unterscheidet den zunächst zur Vorlage und Beurteilung bestimmten
Bauplan, welcher in einem kleinern Maßstab, und den zur Ausführung bestimmten Bauplan, welcher in größerm Maßstab gezeichnet wird
und in letzterm Fall mit allen erforderlichen Maßen versehen sein muß. Bei dem erstern kommt es mehr auf Übersichtlichkeit
und geschmackvolle Darstellung, bei dem letztern mehr auf Genauigkeit und Deutlichkeit an. Je nachdem
der ein Grundplan oder ein Höhenplan ist, unterscheidet man den Grundriß, den Aufriß und den Durchschnittsriß, wobei der
letztere entweder einen Querschnitt oder einen Längsschnitt bildet, je nachdem das Gebäude nach seiner Quer- oder Längsachse
durchschnitten dargestellt wird. S. auch Bebauungsplan.
Den eigentlichen Glanzpunkt seiner historischen Forschungen bildete speziell das dogmengeschichtliche Feld, teils in den beiden
umfassenden Monographien: »Die christliche Lehre
[* 35] von der Versöhnung in ihrer geschichtlichen Entwickelung
von der ältesten Zeit bis auf die neueste« (Tübing. 1838),
Dieselbe brach einer durchaus neuen Anschauung des Urchristentums Bahn, welche gewiß auf vielen Punkten anfechtbar, aber schon
darum epochemachend ist, weil sie zuerst die allgemein gültigen Gesetze der Geschichtswissenschaft auf diesem Gebiet zur
Anwendung gebracht hat. Die beste Gesamtdarstellung gibt Baur selbst in dem Werk »Das
Christentum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte« (Tübing. 1853, 3. Aufl. 1863). Daran schließen sich: »Die
christliche Kirche vom Anfang des 4. bis zum Ende des 6. Jahrhunderts« (Tübing. 1859; 2. Aufl., Leipz. 1863);
Vgl. auch Baurs Werk »Die Epochen der kirchlichen Geschichtschreibung« (Tübing. 1852).
2) Gustav, evangel. Theolog, geb. zu Hammelbach im
Odenwald, habilitierte sich 1841 an der theologischen Fakultät zu Gießen,
[* 36] wo er 1847 außerordentlicher, 1849 ordentlicher
Professor wurde, ging 1861 als Hauptpastor der Jakobigemeinde nach Hamburg
[* 37] und 1870 als ordentlicher Professor nach Leipzig.
[* 38] Unter seinen Schriften sind außer mehreren Predigtsammlungen zu nennen: »Grundzüge der Homiletik« (Gießen 1848);
»Grundzüge
der Erziehungslehre« (3. Aufl., das. 1876);
die unvollendete »Geschichte der alttestamentlichen Weissagung«
(das. 1861);
»Untersuchungen über den Festgehalt und das Gewicht
des Schichtholzes und der Rinde. Ausgeführt von dem Verein deutscher forstlicher Versuchsanstalten« (Augsb. 1879);
im subjektiven Sinn die Befugnis des Grundeigentümers, auf seinem Grund und Boden bauliche
Anlagen vorzunehmen; im objektiven Sinn der Inbegriff der Rechtsnormen, welche sich auf die Ausübung dieses Rechts beziehen
und dasselbe begrenzen und beschränken. Solche Beschränkungen sind teils im öffentlichen Interesse geboten, teils zur Sicherung
der Nachbarn durch die Gesetzgebung getroffen. Während die letztern privatrechtlicher Natur sind, gehören
die erstern in das Gebiet der Baupolizei, welche alle Maßregeln umfaßt, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung bei Bauten bestimmt sind.
Die baupolizeilichen Vorschriften sind teils allgemeiner, teils lokaler Natur. Neben allgemeinen Gesetzen und Verordnungen finden
sich für einzelne Gemeinden, namentlich für größere Städte, besondere statutarische Normen, neben allgemeinen
und umfassenden Bauordnungen (Baupolizeiordnungen) Spezialgesetze über einzelne Fragen des öffentlichen Baurechts. Für die
preußische Monarchie fehlt es an einer allgemeinen Baupolizeiordnung. Neben den Vorschriften des allgemeinen preußischen
Landrechts (Teil I,
Tit. 8, §. 67 ff.) bestehen nur zahlreiche
Vorschriften von provinziellem oder lokalem Charakter.
Dazu kommen Vorschriften sanitätspolizeilicher Art, aber auch Bestimmungen, welche im Interesse der Zweckmäßigkeit, der
Schönheit und des Geschmacks erlassen sind. Für größere Ortschaften sind regelmäßig besondere Bebauungspläne und
Baufluchtlinien amtlich festgestellt, welche von den Privaten innegehalten werden müssen (s. Bebauungsplan). Außerdem ist
den Gemeinden durch das Mittel der Zwangsenteignung oder Expropriation die Möglichkeit zur Herstellung gerader und zweckmäßiger
Straßenzüge gegeben.
Regelmäßig ist ferner für Neubauten und größere Reparaturen die Einholung der Genehmigung der Baupolizeibehörde (Baukonsens)
erforderlich; auch finden Baurevisionen und baupolizeiliche Abnahmen der Neubauten statt. Die baupolizeiliche
Genehmigung eines Bauerlaubnisgesuchs, welch letzterm Grund- und Aufriß, Situationsplan und Fassadezeichnung beizugeben sind,
bezieht sich jedoch nur auf die Wahrung des öffentlichen Interesses, ohne daß etwanige Privatansprüche dritter Personen,
insbesondere der Nachbarn, dadurch berührt würden. Außerdem ist die Baupolizeibehörde befugt, notwendige
Reparaturen von Gebäuden anzuordnen und deren Vornahme nötigenfalls durch Strafen zu erzwingen. Das deutsche Strafgesetzbuch
(§ 367, Ziff. 13) bedroht denjenigen, welcher trotz der polizeilichen Aufforderung es unterläßt, Gebäude, welche den Einsturz
drohen, auszubessern oder einzureißen, mit Geldstrafe bis zu 150 Mk. oder mit Haftstrafe bis zu sechs Wochen. Die
gleiche Strafe trifft denjenigen (Strafgesetzbuch, § 367, Ziff. 15), welcher als Bauherr,
¶
mehr
Baumeister oder Bauhandwerker einen Bau oder eine Ausbesserung, wozu die polizeiliche Genehmigung erforderlich ist, ohne diese
Genehmigung oder mit eigenmächtiger Abweichung von dem durch die Behörde genehmigten Bauplan ausführt oder ausführen läßt.
Zu manchen baulichen Anlagen, nämlich zu solchen, welche durch die örtliche Lage oder durch die Beschaffenheit der Betriebsstätte
für die Besitzer oder Bewohner der benachbarten Grundstücke oder für das Publikum überhaupt erhebliche Nachteile, Gefahren
oder Belästigungen herbeiführen können, ist die vorherige gewerbepolizeiliche Genehmigung nach der deutschen Gewerbeordnung
(§ 16) erforderlich, welche erst nach vorgängiger Bekanntmachung der beabsichtigten Anlage und nach dem gesetzlich geordneten
Verfahren erteilt wird.
Dahin gehören z. B. Schießpulverfabriken, Kalk-, Ziegel- und Gipsöfen, Hammerwerke, chemische Fabriken,
Schlächtereien, Gerbereien u. dgl. Der Nachweis genügender
Befähigung, welcher früher von Bauhandwerkern und Bauführern erbracht werden mußte, ist nach der deutschen Gewerbeordnung
nicht mehr erforderlich. Dagegen müssen Baumeister, welche mit obrigkeitlichen Funktionen ausgestattet werden und welche öffentliche
Bauten ausführen, die für das Baufach vorgeschriebenen Prüfungen bestanden haben.
Neben den aufgeführten baupolizeilichen Beschränkungen ist das subjektive Baurecht des Grundeigentümers auch manchen
Beschränkungen privatrechtlicher Natur unterworfen. Derartige Beschränkungen des Eigentums können durch Vertrag oder durch
erwerbende Verjährung entstehen; manche sind aber schon im Gesetz selbst gegeben. In ersterer Beziehung sind namentlich zu
nennen: die Servitut der Lasttragung des Gebäudes oder das Recht, vermöge dessen jemandes Gebäude auf
irgend einem Teil des benachbarten Hauses stehen darf, wobei dem Nachbar noch die Verpflichtung auferlegt ist, für gehörige
Instandhaltung der Teile seines Gebäudes, auf welchen das betreffende Haus ruht, Sorge zu tragen; das Balten-, Träger- oder
Tramrecht oder die Befugnis, Balken, Träger
[* 60] oder einen sonstigen hervorragenden Teil eines Gebäudes in des Nachbars Mauer einzuschieben
oder darauf ruhen zu lassen, wobei jedoch der Nachbar nicht verpflichtet ist, die betreffenden Stellen auszubessern; das Überbaurecht
oder das Recht, ein oder mehrere Stockwerke, einen Balkon, Altan oder eine Galerie etc. über des Nachbars
Grundstück herüberragen zu lassen, ohne daß jedoch diese Teile auf dem betreffenden Grundstück ruhen dürfen, und das Recht,
an einem Gebäude ein über des Nachbars Grundstück überragendes Wetterdach anzubringen;
das Trauffalls- oder Traufrecht
oder die Befugnis, das vom Dach
[* 61] fließende Wasser tropfenweise und das in Rinnen aufgefangene Regenwasser
stromweise auf des Nachbars Grundstück fallen zu lassen sowie das unreine Wasser auf das benachbarte Grundstück zu leiten
oder auszugießen (Ausgußrecht);
das Höherbaurecht oder die Befugnis, dem Nachbar das Höherbauen seines Gebäudes zu wehren
und selbst höher als der Nachbar zu bauen;
das Licht- und Fensterrecht oder das Recht, entweder in des
Nachbars oder in einer gemeinschaftlichen MauerFenster oder sonstige Öffnungen anzulegen;
das Aussichtsrecht oder diejenige
Servitut, nach welcher der eine Nachbar dem andern das Licht
[* 62] auf keine Weise schmälern darf und ihm die Aussicht über sein
Grundstück gewähren muß, wogegen aber auch das Heraussehen aus dem eignen Fenster heraus auf des Nachbars
Raum verboten sein kann;
Was aber die gesetzlichen Beschränkungen des Eigentumsrechts anbelangt, so gehört
hierher namentlich das römisch-rechtliche Verbot des sogen. Neidbaues, d. h. das Verbot, seine Eigentumsbefugnisse
lediglich zur Schikane des Nachbars durch lästige und unangenehme bauliche Anlagen zu mißbrauchen. So bestimmt z. B. auch
der Sachsenspiegel, daß Ösen, Gänge (»das sind Heimlichkeiten«) und Schweineställe 3 Fuß von des Nachbars Zaun stehen sollen.
Ebenso verordnet das königlich sächsische Zivilgesetzbuch: »Viehställe, Düngergruben, heimliche Gemächer, Feuerherde,
Rauchfänge, Backöfen, Röhrkasten, zur Ableitung des Wassers dienende Rinnen und Gräben und ähnliche
Anlagen dürfen nur in solcher Entfernung von des Nachbars Grenze oder unter solchen Vorkehrungen angelegt werden, daß sie
dem Grundstück des Nachbars keinen Schaden bringen, insbesondere auf Gebäude, Grenzmauern und Brunnen keinen nachteiligen
Einfluß äußern«.
Vgl. Hesse, Über die Rechtsverhältnisse zwischen Grundstücksnachbarn (Eisenberg
1862, 2 Bde.);
nach Rau und andern Nationalökonomen die Rente von dem durch das Haus dargestellten Kapital zum Unterschied
von der Rente des überbauten Platzes (Grund-, Bodenrente).
die in den Bauwerken gewisser Zeitperioden und deren Nachbildungen zu Tage tretende Einheit in der räumlichen
Anordnung, in der Art des Baugefüges und in der Ausbildung der Bauformen und Ornamente
[* 75] im großen und kleinen, also die den
Meistern einer solchen Zeitperiode und ihren Nachahmern gemeinsame Ausdrucksweise. Da die zur Gottesverehrung
bestimmten, also dem erhabensten Zweck gewidmeten Bauwerke dem Künstler das dankbarste Feld zur Entwickelung der Bauformen darboten,
so knüpfte sich die Entstehung der historischen Baustile an die bauliche Herstellung der Tempel
[* 76] und Gotteshäuser und an
die Zeitperioden, in welchen dieselbe durch die Religion und den religiösen Kultus in umfangreicher Weise
geboten war.
Unter den zahlreichen so entstandenen Bauweisen treten in fortschreitender Zeitfolge die ägyptische, die griechische, die
etruskische, die römische, die altchristliche, die byzantinische, die arabische, die romanische und gotische Bauweise sowie
die Früh- und Spätrenaissance in den kulturgeschichtlichen Vordergrund, worunter wieder der griechische oder klassische,
der romanische und gotische Stil die selbständigsten, am meisten durchgebildeten sind und die Bauformen
der Gegenwart teils in reiner, teils in kombinierter Anwendung beherrschen.
Während die Grundformen der Baustile in architektonischer Beziehung sich aus einem dem jeweiligen Bedürfnis entsprechenden
Raumplan der Bauwerke und dem Konstruktionsprinzip ihrer Decken und Stützen entwickelten, erscheinen die zu
ihrer Charakteristik wesentlichen Detailformen als die Ergebnisse eines mehr oder minder fein entwickelten Gefühls für die
Unterscheidung und Verknüpfung ihrer einzelnen Glieder
[* 77] sowie der Auswahl und Verarbeitung der zu ihrer künstlerischen Vollendung
dienenden, der Natur entlehnten symbolischen Mittel, welche zusammengenommen die Hauptmerkmale der genannten Baustile ausmachen.
So zeigen der ägyptische und griechische Stil meist rechteckige oder aus Rechtecken zusammengesetzte Planformen
und wagerechte, aus Steinbalken bestehende Decken auf steinernen Säulen.
[* 78]
Besondere Kopf- und Fußplatte, ausgebauchter, am Fuß eingezogener Schaft und kessel- oder kelchförmiges, meist mit Lotosblättern
und Lotosblüten verziertes Kapitäl kennzeichnen die ägyptische Säule (s. Tafel »Baukunst
[* 79] III«),
[* 80]
während die griechische
Säule (s. Tafel IV und »Säulenordnungen«) in drei Grundformen auftritt, welche die Hauptmerkmale der dorischen, ionischen
und korinthischen Ordnung bilden. Während die dorische Säule ein wulstförmiges Kapitäl mit quadratischer Deckplatte und
einen scharf kannelierten, nach unten konisch verbreiterten, derben Schaft ohne Fuß besitzt, zeigen die beiden letztern weicher
kannelierte, nach unten schwächer anlaufende, schlankere Schäfte mit reichgegliedertem, vorspringendem
Fuß (ionische und attische Basis), wobei die ionische Säule ein aus Deckplatte, Doppelvolute und Halsring, die korinthische
Säule ein aus Deckplatte, Kelch mit spiralförmigen Ranken und mehreren Lagen von Akanthusblättern und Halsring bestehendes
Kapitäl trägt.
Die etruskische Bauweise (s. Tafel V) ahmt den Tempelbau der Griechen mit hölzernem
Gebälk auf steinernen Säulen nach und wendet daneben und getrennt davon zum erstenmal den Gewölbebau auf Privatbauten an.
Der aus ihr und der griechischen hervorgegangene römische Baustil (s. Tafel V u.
VI) benutzt rechteckige, zentrale sowie aus beiden zusammengesetzte Grundpläne und kombiniert den Gewölbe-
und den Architravbau, indem der erstere in Form von Tonnen-, Kuppel- und Kreuzgewölben die Konstruktion, der
letztere als Umrahmung
des Bogens die Wandgliederung bildet. Die römischen Säulen erscheinen als mehr oder minder treue Nachbildungen der griechischen
Säulen und sind häufig mit reichen, meist aus Teilen des ionischen und korinthischen Kapitäls zusammengesetzten,
sogen. Kompositenkapitälern versehen.
Die im Abendland sich entwickelnde altchristliche Baukunst (s. Tafel VII) bildet die römische Markthalle (Basilika)
[* 81] zur christlichen
Kirche aus, indem sie zwei Seitenschiffe und ein erhöhtes Mittelschiff mit wagerechter Holzbalkendecke herstellt und
die schwere Schiffswand anstatt des Architravs durch eine Rundbogenstellung durch Pfeiler oder römische Säulen
oder durch beide abwechselnd stützt. Die im Morgenland, vorzugsweise in Byzanz, geübte byzantinische Baukunst (s. Tafel VII)
bildet den römischen Kuppelbau über kreisförmigem, polygonförmigem oder rechteckigem Grundplan fort, woraus die Hängekuppel
und die an die offenen Bogen derselben sich anschließenden Halbkuppeln entstehen.
Der aus der altchristlichen Baukunst sich entwickelnde romanische Baustil verwandelt den rechteckigen Grundplan
ihrer Basilika in den des einfachen oder Doppelkreuzes mit halbkreisförmigen Apsiden und führt den Unterbau von der flachen
Holzdecke mit einzelnen Gurtbogen zu der fast durchweg im Halbkreis gewölbten Decke
[* 82] über, bei welcher je zwei, meist quadratische
Kreuzgewölbe eines Seitenschiffs einem quadratischen Gewölbe
[* 83] des Mittelschiffs entsprechen.
Die parallelepipedischen Anfänger der Kreuzgewölbe vermittelt sie mit den runden Säulenschäften durch einen zwischen
dieselben eingeschalteten, unten abgerundeten, mit Deckplatte und Halsring versehenen Würfel, das sogen. Würfelkapitäl,
[* 84] und
gibt den Säulenschäften eine aus zwei Wülsten mit einer zwischenliegenden Hohlkehle und einer quadratischen, oft mit vermittelnden
Eckblättern versehenen Unterlagsplatte bestehende Basis. Die zur künstlerischen Vollendung in reichem
Maß angewandten symbolischen Mittel sind teils dem Pflanzen- und Tierreich, teils beiden zugleich entlehnt, woraus unter andern
die reichen romanischen, meist streng stilisierten Blätter-, Tier- und Bilderkapitäler entstanden sind.
Der gotische Baustil (s. Tafel X und »Kölner
[* 85] Dom« bei Artikel »Köln«)
[* 86] setzt im Grundplan an die Stelle der halbkreisförmigen
Abschlüsse und Apsiden die polygonalen, acht-, zehn- und mehreckigen und wählt einen konstruktiv homogenern Gewölbeplan,
worin nunmehr je ein kleineres, meist quadratisches Kreuzgewölbe des Seitenschiffs einem länglich rechteckigen Kreuzgewölbe
des Mittelschiffs entspricht und deren Gurtbogen und Grate in dem bei gleicher Höhe auch auf verschiedene
Spannweiten anwendbaren Spitzbogen überwölbt werden.
Die Strebepfeiler treten an die Außenseiten der Umfangswand und setzen sich zum Teil über den Dächern der Seitenschiffe
als freie Strebebogen bis zu den Strebepfeilern des erhöhten Mittelschiffs fort. Auch die Fenster- und Thüröffnungen werden
fast durchweg mit dem Spitzbogen überdeckt und erstere mit meist aus geometrischen Motiven bestehendem
Maßwerk
[* 87] versehen. Die Gliederungen, Kapitäler und Basen der meist gegliederten Pfeilerschäfte erhalten mehr geometrische,
mit Lineal und Zirkel beschriebene Profile, dagegen die zu ihrer Symbolisierung verwandten, dem Pflanzen- u. Tierreich entlehnten
Mittel stets freiere, naturalistische Bewegung. Die Renaissance (s. Tafel XI, XII) greift zu den Formen und
Konstruktionen des griechischen und vorzugsweise römischen Stils zurück und paßt dieselben
¶
mehr
den modernen Bedürfnissen, insbesondere auch des Privatbaues, an. Sie wendet die gerade und rundbogige Überdeckung oder
auch beide zugleich an. Im Kirchenbau kommt auch die Kuppel zur Verwendung, mit welcher alsdann außer andern auch byzantinische
Formen verbunden werden. Auf die edle, sogen. Frührenaissance folgt die Hochrenaissance als die Epoche der
höchsten Blüte,
[* 89] aus welcher sich die Spätrenaissance entwickelt, deren AusläuferBarock-, Rokoko- und Zopfstil sind.
Die Gegenwart hat zu den Formen der klassischen, mittelalterlichen und Renaissancestile zurückgegriffen und wendet deren
Planformen, Konstruktionen und Details teils rein, teils kombiniert an, bevorzugt jedoch den zur Lösung der verschiedenartigsten,
die frühern an Dimension
[* 90] übertreffenden Aufgaben des Profanbaues besonders geeigneten Renaissancestil,
während die mittelalterlichen Stile, insbesondere der gotische, noch als die im Kirchenbau vorherrschenden anzusehen sind.
Durch die immer zahlreicher angewandten Eisenkonstruktionen hat die Architektur der Gegenwart ein neues, noch wenig durchgebildetes
Konstruktionselement erhalten, welches ihr bereits einen individuellen Charakter aufdrückt und ihr bei
allmählicher Durchbildung einen neuen, selbständigen Stil zuführen wird. Außer den vorgenannten Baustilen haben sich einzelne
Bauweisen entwickelt, welche als Vermittelungsglieder derselben anzusehen sind, worunter insbesondere der zwischen dem romanischen
und gotischen Stil entwickelte den Namen des Übergangsstils erhalten hat, bei welchem sich der Rund- und Spitzbogen oft gleichzeitig
angewandt findet.
Ferner haben die genannten Hauptbaustile nach dem Charakter der Länder, worin sie sich entwickelt haben, eine verschiedene
Ausbildung erfahren, z. B. der gotische Stil, bei welchem man einen deutsch-, französisch-, englisch- und italienisch-gotischen
Stil unterscheidet. Ausführliche Charakteristik der Baustile enthält der Artikel »Baukunst« (s. d.).
Vgl. Rosengarten, Die architektonischen
Stilarten (3. Aufl., Braunschw. 1874);
Lübke, Abriß der Geschichte der Baustile (4. Aufl., Leipz. 1878);
(spr. botäng),LouisEugèneMarie, franz. Philosoph und Theolog, geb. zu Paris,
[* 91] seit 1819 Professor der Philosophie an der Akademie zu Straßburg
[* 92] und als solcher ein Anhänger der liberalen Partei, ward 1824 suspendiert,
warf sich aber infolge plötzlich eingetretener Sinnesänderung der Kirche in die Arme und ließ sich 1828 zum Priester weihen,
worauf er zwar in sein Lehramt wieder eingesetzt, bald aber neuerdings der Heterodoxie beschuldigt und
(1834) zur Retraktation aufgefordert wurde. Die Feindschaft zwischen ihm und dem Klerus wuchs, als er in dem Werk »De l'enseignement
de la philosophie en France au XIX. siècle« (Straßb. 1833) die herrschende scholastische Methode angriff und der AbbéBonnechose
die Lehre des Meisters unter dem Titel: »Philosophie du christianisme, correspondances religieuses de Mr.
Louis Bautain« (das. 1835, 2 Bde.)
herausgab. Die kirchlichen Mißhelligkeiten wurden durch einen (allerdings kaum mehr als scheinbaren) Widerruf (1834; vgl.
Bautain, Lettre à Mgr. de Trevern, évêque de Strasbourg, Straßb. 1836) und durch einen persönlichen Besuch
Bautains beim Papst insoweit ausgeglichen, daß Bautain seit seiner Rückkehr nach Frankreich in
Paris lebte,
wo er während des Winters einen großen Kreis von Schülern um sich sammelte und Predigten hielt, die zu den besuchtesten gehörten.
Was ihm vorzugsweise den Vorwurf der Ketzerei zugezogen hat, war in der Lehre von der Sünde und der Gnade
seine Hinneigung zum Augustinismus. Im J. 1848 ernannte der ErzbischofSibour Bautain zum Obervikar der PariserDiözese; 1853 wurde
er Professor der Moraltheologie an der theologischen Fakultät zu Paris, wo er starb. Bautains philosophische Lehren
[* 93] sind ein in sich haltloses Aggregat von Sätzen, die hauptsächlich von Kant, Jacobi, Platon und Augustinus
entlehnt sind. Er schrieb noch: »Psychologie expérimentale« (Straßb. 1839, 2 Bde; 2. Aufl.,
Par. 1859; deutsch, Münst.
1853);
(Hirmen, Galgensteine), im skandinavischen Norden
[* 94] in vorgeschichtlicher Zeit errichtete rohe, schmale, hohe
Denksteine, vielleicht von gleicher Bedeutung wie die in andern Gegenden Europas unter der Bezeichnung
Menhir bekannten prähistorischen Monumente.
Sie finden sich einzeln und miteinander verbunden, besonders zahlreich auf den
InselnBornholm und Fuur (im Limfjord).
Zu unterscheiden sind von ihnen die Steinsetzungen (Grabdenkmäler, Opferplätze) und
die Runensteine.
[* 88] (wend. Budissin), Hauptstadt der gleichnamigen sächs. Kreishauptmannschaft, die erste der sogen.
Vierstädte, liegt an der Dresden-Görlitzer und der Bautzen-Schandauer Eisenbahn, auf einer steilen Anhöhe rechts über der Spree,
über welche eine schöne Eisenbahnbrücke führt, und besteht aus der eigentlichen, mit Mauern und Warttürmen
umgebenen Stadt und zwei Vorstädten, die durch Alleen von der eigentlichen Stadt geschieden und mit Wall und Graben (jetzt
zum Teil Promenaden) umgeben sind, während das meist von Wenden bewohnte Dorf Seidau (mit 2858 Einw.) nördlich am andern
Ufer der Spree liegt. Im NW., auf dem höchsten Punkte der Stadt, liegt das uralte, 958 gegründete, aber
später wiederholt abgebrannte Felsenschloß Ortenburg, ehemals häufig die Residenz der Könige von Böhmen, jetzt Sitz verschiedener
Behörden.
Unter den Kirchen ist die vorzüglichste der Dom St. Petri am Fleischmarkt, ein großer Hallenbau von unregelmäßiger Grundform,
1441-97 erbaut, mit 94 m hohem Turm,
[* 96] fünf großen Glocken und kostbaren Kirchengefäßen. Die Kirche ist
seit 1543 paritätisches Gotteshaus für Katholiken (deren Bautzen 1631 zählt) und Protestanten. AndreKirchen sind die zu St. Maria
und Martha (Garnisonkirche für Protestanten), die protestantische Dreifaltigkeits- oder Taucherkirche, die St. Michaeliskirche
(für wendische Protestanten) und die Kirche zu Unsrer LiebenFrau (für wendische Katholiken). Andre ansehnliche
Gebäude sind: die beiden Landschaftshäuser, die Dekanei (das Kapitelhaus), das schöne Rathaus mit schlankem Turm, das große
Gewandhaus,