Ausleerende Methode - Auslieferung von Verbrechern
mehr
noch in
Gefäß
[* 2] 1.
Hat das
Gefäß 2 viermal reines
Wasser empfangen, so wird es ebenfalls entleert, mit frischer
Substanz beschickt,
und während nun das reine
Wasser in
Gefäß 3 fließt, gelangt die
Lauge zuletzt aus
Gefäß 1 in
Gefäß 2. In dieser
Weise fährt
man fort und erreicht damit, daß das reine
Wasser stets auf fast erschöpfte
Substanz fließt und diese
vollständig auswäscht, während sich die schon ziemlich konzentrierte
Lauge zuletzt bei Berührung mit frischer
Substanz
vollständig mit löslichen Teilen sättigt. Diese
Methode wird auch in der
Weise ausgeführt, daß man die auszulaugende
Substanz
in
Sieb- oder Drahtkörbe packt und diese aus einem
Gefäß in das andre hebt, während sich die
Flüssigkeit
in entgegengesetzter
Richtung durch die terrassenförmig aufgestellten
Gefäße bewegt, indem in das obere
Gefäß reines
Wasser
einfließt und der konzentrierte
Auszug aus dem untersten
Gefäß abfließt.
Zum
Extrahieren von
Vegetabilien wendet man häufig die Deplacierungs- oderVerdrängungsmethode an. Man
benutzt hierzu ein thönernes, innen glasiertes
Gefäß, welches etwa die Form eines Zuckerhuts besitzt, stellt dasselbe mit
der
Spitze nach unten in ein geeignetes
Gestell, verschließt die untere Öffnung, füllt das
Gefäß mit der zerkleinerten
Substanz, übergießt diese mit
Wasser und überläßt den
Apparat einige Zeit derRuhe. Dann zieht man den
ersten
Auszug durch die Öffnung in der
Spitze des
Gefäßes ab, gießt von neuem
Wasser auf und wäscht, nachdem auch dieses
nach längerer Einwirkung abgezogen ist, die extrahierte
Substanz durch gleichmäßiges Ausgießen von
Wasser so lange aus,
bis die abfließende
Flüssigkeit nur noch wenig gefärbt ist.
Statt des Thongefäßes wendet man auch ein
Faß an,
[* 3] welches nahe über dem
Boden mit einem
Hahn
[* 4] versehen ist und über diesem
einen Siebboden enthält, auf welchen die zu extrahierende
Substanz geschüttet wird. Bedeckt man dieses
Faß oder das Thongefäß
mit einem am
Rand luftdicht schließenden Deckel, aus dessen Mitte sich eine möglichst lange, am andern
Ende mit einem Trichter versehene
Röhre vertikal erhebt, und gießt dann so viel
Wasser ein, daß nicht nur das
Gefäß, sondern
auch die
Röhre bis in den Trichter hinein gefüllt ist, so steht die zu extrahierende
Substanz unter hohem
Druck und wird schneller
vom
Wasser durchdrungen.
Man nennt diese Vorrichtung
Realsche oder
hydrostatische Presse, während bei der aerostatischen,
Romershausenschen oder
Luftpresse
der
Raum zwischen den beiden
Böden des
Fasses mit einer
Luftpumpe
[* 5] verbunden wird, so daß, wenn diese in Thätigkeit tritt,
der Atmosphärendruck die
Flüssigkeit durch die zu extrahierende
Substanz hindurchtreibt. Den Atmosphärendruck kann
man auch mit
Hilfe von Wasserdampf zur
Wirkung bringen, wie es bei manchen Kaffeemaschinen geschieht, und anderseits laugt
man z. B.
Nutzholz, um es dauerhafter zu machen, unter hohem
Druck aus, indem
man es in Form von Eisenbahnschwellen etc. in
einen
Dampfkessel
[* 6] packt und dann aus einem andern
Dampfkessel Wasserdampf einleitet. Der
Dampf
[* 7] verdichtet
sich zuerst, indem er seine
Wärme
[* 8] an das
Holz
[* 9] abgibt, durchdringt dasselbe dann und entfernt daraus die löslichen, leicht
zersetzbaren Saftbestandteile. In diesem
Fall handelt es sich nicht um die Gewinnung des
Auszugs, und insofern gehört die
Operation einem andern
Kreis
[* 10] an.
Wird als Lösungsmittel nichtWasser, sondern eine wertvolle flüchtige
Flüssigkeit, z. B.
Alkohol,
Äther,
Schwefelkohlenstoff,
Benzin, angewandt, so benutzt man Auslauge- oder Extraktionsapparate, deren einzelne
Gefäße,
um Verluste
durch
Verdunstung zu vermeiden, luftdicht verschließbar sein müssen. Auch für kontinuierlichen Betrieb sind derartige
Apparate
ausgebildet worden. Man versieht z. B. ein cylinderförmiges, aufrecht stehendes, luftdicht
verschließbares
Gefäß in halber
Höhe mit einem Siebboden und schüttet auf diesen die zu extrahierende
Substanz, während der
Äther sich in dem untern
Raum befindet, der mittels Doppelbodens durch
Dampf geheizt wird.
Die Ätherdämpfe gelangen durch ein weites
Rohr, welches die Mitte des Siebbodens durchsetzt, in den
Raum über der zu extrahierenden
Substanz und werden hier an einem horizontal liegenden, mit kaltem
Wasser gespeisten
Schlangenrohr und an
dem ebenfalls gut gekühlten Deckel des
Gefäßes verdichtet, so daß der
Äther in
Tropfen auf die
Substanz herabfällt. Er
durchdringt dieselbe, nimmt die löslichen
Stoffe auf und sickert durch den Siebboden in den untern Teil des
Apparats, wo er von neuem in
Dampf verwandelt wird, während die gelösten
Stoffe zurückbleiben. Man läßt den
Apparat arbeiten,
bis der von dem Siebboden herabfallende
Äther farblos ist. Die Extraktionsapparate für flüchtige
Flüssigkeiten sind besonders
für die Gewinnung von
Fett aus
Samen,
[* 11]
Knochen,
[* 12]
Wolle mit
Hilfe von
Schwefelkohlenstoff,
Äther, Benzol etc.
ausgebildet worden.
Methode (Evacuatio), eine in früherer Zeit, besonders unter der Herrschaft der
Humoralpathologie, hochgeschätzte
und vielfach mißbrauchte Heilmethode, welche auf der reichlichen Anwendung von Abführmitteln,
Brechmitteln,
Harn und
Schweiß
treibenden
Mitteln beruhte und eine im
Körper vorausgesetzte
Materia peccans zu entfernen suchte.
(Interpretation), die Auffindung und
Darstellung des in irgend etwas
(Worten, Zeichen etc.) liegenden
Sinnes,
insbesondere des
Sinnes einer Schriftstelle. Im
Gegensatz zu einer sinngetreuen, wissenschaftlich genauen oder
authentischen (d. h. vom Verfasser selbst herrührenden) Auslegung nennt man populäre
Auslegung diejenige, welche den
Sinn einer
Stelle, z. B. einer Bibelstelle, so vielseitig behandelt, als lehrreich und fruchtbar
erscheint, ohne sich an den
Sinn, welchen der Verfasser hineinlegen wollte, streng zu binden. Die Auslegung macht sich als
Kunst besonders
geltend in der
Philologie, wo sie als
Interpretation das richtige Verständnis der klassischen Schriftwerke
zu vermitteln hat; in der
Theologie als
Exegese der
Heiligen Schrift und der als norma fidei sanktionierten Glaubensartikel
(s.
Hermeneutik); in der
Jurisprudenz als
Gesetzesauslegung (s. d.).
oder Extraditionsscheine, auch Bezugsanweisungen, Bezugsscheine genannt, sind
Scheine, welche
die
Auslieferung einer
Ware zum
Zweck haben. Vgl.
Lagerschein.
vonVerbrechern.Vermittelst der Auslieferung wird ein
Strafverfahren oder auch die
Strafvollstreckung gegen solche
Personen ermöglicht, welche sich nach begangener Missethat durch
Flucht der
Verfügung des
Gerichts oder
der Vollzugsbehörde entzogen haben. An dem Hergang der Auslieferung sind also notwendigerweise drei
Kategorien von
Personen beteiligt:
die Beamten oder
Organe desjenigen
Landes, welches sich der
Verfügung über einen Rechtsflüchtigen entschlägt;
desjenigen Landes, welches den Rechtsflüchtigen in seine Verfügungsgewalt zu bringen sucht, und endlich die Rechtsflüchtigen
selbst. Im weitern Sinn genommen, begreift der Ausdruck Auslieferung auch die gesetzlich geordnete, in Gemäßheit strafprozessualischer
Grundsätze zu bewirkende Übergabe eines Verbrechers von einem Gericht eines Staates oder Bundesstaats an ein andres Gericht innerhalb
desselben Gesetzgebungsterritoriums. Im engern Sinn versteht man dagegen unter Auslieferung eine Maßregel der Völkerrechtsordnung,
in Gemäßheit welcher unabhängige Staaten sich wechselseitig für die Zwecke der Strafrechtspflege Unterstützung leihen,
damit Verbrecher in demjenigen Staat, in welchem sie eine Missethat begangen haben, und aus welchem sie entflohen sind, zur
Rechenschaft gezogen werden können.
Was die geschichtliche Entwickelung der Auslieferung anbelangt, so folgt diese überall dem jeweiligen Zustand der strafrechtlichen
Kultur, der Strafprozeßgrundsätze und der völkerrechtlichen Beziehungen. Im Altertum fehlte es durchaus an regelmäßigen
Einrichtungen der Auslieferung. Man dachte nicht an die Verfolgung solcher, die sich der Bestrafung durch Flucht in das Ausland entzogen
hatten. Das Exil war die hauptsächliche und vielfach sogar einzig mögliche Gestalt der Freiheitsstrafe. Selbstverbannung
war zur Zeit der römischen Republik sogar das Recht derjenigen, die sich einer Verurteilung in Kapitalsachen entziehen wollten.
Rechtlosigkeit des Flüchtlings in der Fremde erschien im Vergleich zur Todesstrafe als das schlimmere Übel. Dazu kam,
daß die einzelnen Staaten den Interessen ausländischer Rechtspflege entweder teilnahmlos oder gar feindlich gegenüberstanden.
Außerhalb der von der Strafrechtspflege verfolgten Zweckrichtungen finden sich freilich im Altertum einige gelegentlich vorkommende
Fälle, in denen Schuldige zur Bestrafung an das Ausland abgegeben oder bis in einen ausländischen Zufluchtsstaat verfolgt
werden. Die Verfolgung Hannibals durch die Römer,
[* 15] die häufig herbeigezogen wird, erscheint jedoch als
Akt rein praktischer Verfolgung eines besiegten Feindes, an dessen Vernichtung den Römern auch dann noch viel gelegen war,
als er den Oberbefehl über Armeen längst verloren hatte. Es ist selbstverständlich, daß das Asylrecht (s. Asyl) nicht bloß
der Bestrafung im Inland, sondern auch der Verfolgung durch ausländische Regierungen eine Schranke setzen
mußte.
Ebensowenig wie das klassische Altertum kennt das Mittelalter bestimmte Rechtsregeln für die Handhabung der Auslieferung. Jede der zahlreichen
Justizgewalten war eifersüchtig darauf bedacht, ihre Selbständigkeit zu wahren. Kaiser und Könige, Kirchen und Kloster, Grundherren,
Vasallen und Städte glaubten es sich und ihrer Würde schuldig zu sein, Rechtsflüchtige so lange zu beschirmen
und zu beherbergen, als es das eigne Interesse und die allgemeine Sicherheit irgend zuließen.
Das weit ausgedehnte Asylrecht der mittelalterlichen Kirchen wirkte für andre Lebenskreise vorbildlich. Auch darf nicht übersehen
werden, daß die herkömmlichen Vorstellungen von Gastfreundschaft und das durch barbarische Strafmittel
in jener Zeit herausgeforderte Mitleid dem Flüchtling überall zu statten kommen mußten. Auslieferung galt daher vielfach als Akt der
Schwäche gegenüber dem Andrängen andrer Staaten oder als feiger Verrat an Schutzflehenden, die seltener von dem Spruch einer
unparteiisch erwägenden Justiz als von der Rache mächtiger Verfolger bedroht waren. In demselben Maß,
wie in den größern Staaten, vornehmlich in Frankreich und in England, die
königliche Gewalt ständige Gerichtsorganisationen
herzustellen und zu führen vermochte oder das Gebiet der grundherrlichen und kirchlichen Justiz beschränkte, wuchs auch
die Erkenntnis, daß die Rechtspflege des Staates, unabhängig von lokalen Hindernissen und räumlichen
Schranken, eine allgemein menschliche Aufgabe zu erfüllen hat.
Anderseits begann man im 14. und 15. Jahrh. zu begreifen, daß die öffentliche Unsicherheit
(Straßenraub, Wegelagerei, Gaunerwesen) durch Unvollkommenheiten und Hemmungen in der Strafrechtspflege befördert werden
mußte, Straflosigkeit also ein schweres Gebrechen darstelle. Vorderhand suchte man sich in höchst zweckwidriger Weise
dadurch zu helfen, daß man die strafprozessualische Lage des Ausbleibenden und Flüchtigen durch allerlei Nachteile verschlimmerte,
womit dann hinwiederum das öffentliche Mitleid auf seine Seite gedrängt wurde.
Dennoch kennt die mittelalterliche Rechtsgeschichte einige Beispiele von Auslieferungsverträgen. Als solche sind zu erwähnen:
2) der Vertrag zwischen Karl V. von Frankreich und dem Grafen von Savoyen Immerhin waren solche Verträge selten.
Häufiger kam es vor, daß Fürsten in eine Beschränkung des Asylrechts willigten oder aber sich ausdrücklich
verpflichteten, gewisse Gattungen von Verbrechern auszuweisen oder überhaupt in ihren Staaten nicht aufzunehmen. Dieser Art
war beispielsweise das zwischen Ludwig VI. von Frankreich und dem König von England getroffene Abkommen, wonach
man sich Unterstützung gegen rebellische Unterthanen angelobte.
Während man in der Verbannung gemeiner Verbrecher selten etwas Anstößiges fand, erkannte man die Gefährlichkeit
des Exils gerade bei politischen Verbrechern vergleichungsweise frühzeitig. So war es denn eben das Interesse absoluter Herrscher,
ihre Gegner mit allen denkbaren Mitteln außerhalb der Landesgrenzen zu verfolgen, worin die spätere Auslieferung ihren Anknüpfungspunkt
fand Ludwig XIV. ließ gelegentlich Rechtsflüchtige jenseit der französischen Grenze ergreifen, ein willkürlicher
Gewaltmißbrauch, dessen sich auch Napoleon schuldig machte, als er sich des Herzogs von Enghien versicherte.
Einen Wendepunkt in der Geschichte des Auslieferungswesens bezeichnet das 18. Jahrh. Die Zweckwidrigkeit
einer Verbannung gemeiner Verbrecher ward allgemein begriffen. Friedrich d. Gr. schaffte in seinen Ländern die Landesverweisung
ab. Das Interesse, den flüchtigen Verbrecher zu verfolgen, traf zusammen mit dem präventiv-polizeilichen
Zweck, fremdes Gesindel von der Zuwanderung abzuhalten. Ebenso einleuchtend war, daß dem Abschreckungszweck; dem die
Strafrechtspflege im vorigen Jahrhundert mit Vorliebe huldigte, in vollkommenem Maß erst dann genügt sei, wenn dem Verbrecher
die Hoffnung abgeschnitten würde, sich nach begangener Missethat in die Fremde flüchten zu können.
Anderseits begann die öffentliche Meinung unter dem Eindruck, den derWiderruf des Edikts von Nantes
[* 16] und die Dragonaden gemacht
hatten, der politisch und religiös Verfolgten sich anzunehmen. Selbst die Päpste vermochten sich dieser Strömung der Gedanken
nicht zu entziehen. Die Kirche ordnete eine Beschränkung ihres alten Asylrechts an. Überall suchte man,
zumal nach dem Auftreten Beccarias, die allgemeinen menschlichen Interessen in der Strafrechtspflege und
¶
mehr
Strafgesetzgebung geltend zu machen und den Eigennutz der einzelnen Staaten in der Verfolgung ihrer besondern Interessen zurückzudrängen.
Frankreich, Dänemark,
[* 18] Spanien,
[* 19] die deutschen Staaten, Schweden,
[* 20] Rußland schlossen mehrfach Auslieferungsverträge miteinander
ab. Als einer der vollständigsten in dieser Kategorie darf derjenige bezeichnet werden, den Frankreich 1759 mit Württemberg
[* 21] abschloß und 1765 erneuerte. Unter den acht Verbrechensgattungen, auf welche derselbe Bezug nahm, befanden
sich sogar Deserteure und Vagabunden, ein Anzeichen dafür, daß polizeiliche Zwecke sich mit den strafrechtlichen Gesichtspunkten
vermischten. Selbst die nordamerikanische Union schloß ihren ersten Auslieferungsvertrag mit England wonach Mörder
und Fälscher wechselseitig ausgeliefert werden sollten.
Für die im 19. Jahrh. fortschreitende Entwickelung der waren vorzugsweise zwei Verhältnisse von Wichtigkeit:
einmal die Verbreitung der konstitutionellen Verfassungsgrundsätze in West- und Mitteleuropa, anderseits die ungeheure Verkehrsentwickelung
infolge des Eisenbahnbaus und der Einrichtung transatlantischer Dampferlinien. Jede der zahlreichen politischen Bewegungen
seit 1815 nötigte die hervorragenden Führer aufständischer Parteien oder der gestürzten Reaktion, in
das Ausland unter den Schutz freierer Staatsordnungen zu flüchten.
Aber auch das gemeine Verbrechen fand in der Leichtigkeit, die Staatsgrenze zu überschreiten, einen Anreiz zur Bethätigung.
England, Belgien
[* 22] und die Schweiz
[* 23] verteidigten das Asylrecht für politische Verbrecher, während sie gleichzeitig die thatkräftige
Verfolgung gemeiner Verbrecher zuzugestehen bereit waren. Mit 1815 beginnend, steht das europäische
Auslieferungsrecht unter diesem überall durchschimmernden Gegensatz zwischen dem Mißtrauen derer, welche im Hinblick auf
das politische Verbrechen der Verfolgungssucht despotischer Regierungen zu wehren suchen, und dem sicherheitspolizeilichen
Bestreben, sich schleunigst mit Hilfe ausländischer Staatsregierungen des Rechtsflüchtigen zum Zweck seiner Aburteilung zu
versichern.
Die Thatsache der Flucht erschien somit überall, je nach dem Standpunkt des Beurteilers, in dem Zwielicht
einerseits berechtigter Selbsterhaltung gegen despotisch und willkürlich gehandhabte Übermacht siegreicher Parteigegner,
anderseits als Eingeständnis der Schuld durch solche, die sich der Untersuchung vor dem Richter entzogen. Von hervorragender
Wichtigkeit für die spätere Ausbildung der Auslieferungspraxis nach 1848 ward die belgische Gesetzgebung,
die jenen verschiedenen Gesichtspunkten gerecht zu werden suchte und deswegen in neuerer Zeit vielfach als mustergültig betrachtet
wurde, während, im Unterschied dazu, die osteuropäischen Staaten bis vor kurzem das polizeiliche Verfolgungsinteresse über
Gebühr betonten und England sowie die nordamerikanische Union den Schutz auch gemeiner Verbrecher gegenüber
der ausländischen Justiz in bedenklicher Weise ausdehnten.
Gegenwärtiger Zustand des Auslieferungsrechts.
Schwerlich wird heutzutage bestritten, daß die von einem Staat (Zufluchtsstaat) an einen andern Staat (Verfolgungsstaat) einen
wesentlichen Bestandteil geordneter Strafrechtspflege darstellt. Immerhin aber bleibt bei der Bemessung der dabei innezuhaltenden
Grenzen
[* 24] auch heutzutage noch mancher Zweifel bestehen. Streitig ist insbesondere, ob eine Auslieferungspflicht,
vom Standpunkt allgemeiner völkerrechtlicher Grundsätze ausgehend, auch ohne vertragsmäßige Vereinbarung
angenommen werden
könne.
Sicherlich ist die Auslieferung keine Sache der bloßen Willkür oder der Gefälligkeit. Jeder Staat ist heutzutage nicht nur an der Aufrechterhaltung
des Friedens zwischen dritten Staaten, sondern auch an der Sicherung ausländischer Rechtsordnung gegen
schwere Schädigungen interessiert. KeinStaat kann wünschen, daß sich fremde Verbrecher in seinem Gebiet niederlassen oder
aufhalten, um die Frucht ihrer Missethaten ruhig zu genießen. Thatsächlich ist indessen der Zustand der europäischen Strafgesetzgebungen
noch ein so ungleicher, daß nicht nur die Bestimmungen darüber, was gestraft werden soll, sondern auch
die Festsetzungen der Strafarten und der Strafmaße weit auseinander gehen. Da gerade das Strafrecht in besonders starkem
MaßAusdruck ethischer Prinzipien ist, so kann von den höher entwickelten Kulturstaaten füglich nicht begehrt werden, daß
sie die Flüchtlinge in solchen Fällen ausliefern, in denen sie weder das Vorhandensein sittlicher und
rechtlicher Verschuldung noch die Zulässigkeit gewisser Strafmittel anzuerkennen vermögen. Gäbe es in Europa
[* 25] irgend einen
Staat, der sich qualvoller Todes- oder Leibesstrafen bediente, so wäre ihm gegenüber die Auslieferung sicherlich einzuschränken. Hieraus
ergibt sich, daß von einer allgemeinen Auslieferungspflicht so lange noch nicht die Rede sein kann, als
nicht eine Ausgleichung der hauptsächlichsten Strafrechtsverschiedenheiten in den einzelnen Ländern eingetreten ist.
Somit sind die Staaten zur Auslieferung aneinander nur so weit gehalten, als sie sich vertragsmäßig dazu verpflichtet haben.
Die Übernahme solcher Verpflichtungen ist jedoch keine Sache der Willkür. In der konstitutionellen Monarchie erfordert der
Abschluß von Ablieferungsverträgen die Mitwirkung der Volksvertretung. Diese Mitwirkung kann in doppelter
Gestalt hervortreten: entweder in der Vereinbarung und Publikation eines Auslieferungsgesetzes, worin die Bedingungen im voraus
genau festgestellt werden, unter denen die Staatsregierung Auslieferungsverträge mit dem Ausland abschließen darf (wie in
Belgien, Holland, England, deren Beispiel auch die französische und italienische Regierung zur Vorlage derartiger
Gesetzentwürfe 1882 und 1883 bewogen hat), oder in dem Erfordernis nachträglicher Zustimmung zu jedem einzelnen Auslieferungsvertrag,
wie nach der Vorschrift der deutschen Reichsverfassung, wobei zu bemerken ist, daß für beide Systeme gewichtige Gründe angeführt
werden können. Sieht man in der Auslieferung vorzugsweise einen Rechtsakt, nicht eine politische oder administrative
Maßregel, so dürfte freilich dem belgischen System der Vorzug einzuräumen sein.
Die Hauptpunkte, auf deren Ordnung in den Auslieferungsverträgen zu achten ist, sind folgende:
1) Die Bestimmung derjenigen Personenklassen, die der Auslieferung unterliegen sollen. Zunächst muß man davon
ausgehen, daß (dem Ausland gegenüber) Staaten keine Unterstützung beanspruchen dürfen, die darauf bedacht
sind, ein außerhalb ihrer Grenzen begangenes Verbrechen zu ahnden. Sodann geht die überwiegende Praxis dahin, die Auslieferung eigner
Unterthanen an das Ausland zu verweigern. Das deutsche Strafgesetzbuch (§ 9) verbietet sie geradezu. Selbstverständlich ist
aber unter der Bezeichnung Ausland in dieser Hinsicht das Verhältnis der einzelnen Mitgliederstaaten in
einem Bund nicht zu verstehen. Das Deutsche Reich,
[* 26] die amerikanische Union, die Schweiz haben besondere Vorschriften für das
interne Auslieferungswesen. Abweichend von der allgemeinen Praxis, liefern
¶
2) Die Bestimmung derjenigen Verbrechensfälle, in denen Auslieferung verlangt werden kann und anderseits zu
gewähren ist. Die geringfügigen Übertretungen scheiden dabei schon mit Rücksicht auf den Kostenpunkt aus. Ebenso hat sich,
freilich erst in unserm Jahrhundert, die Maxime verbreitet, in Gemäßheit welcher die Auslieferung politischer
Verbrecher ausgeschlossen wird. Welche Thatbestände als politische zu gelten haben, ist nicht leicht zu sagen. In allen zweifelhaften
Fällen wird die Entscheidung des Zufluchtsstaats ausschlaggebend sein.
3) Die Feststellung des Auslieferungsverfahrens zwischen den beteiligten Regierungen. In dieser Hinsicht bestehen noch in der
Gegenwart fundamentale Gegensätze in Theorie und Praxis. Nach dem bisherigen französisch-kontinentalen
Rechtszustand wird die Auslieferung lediglich als diplomatisch-administrative Angelegenheit zwischen den Staatsregierungen
betrieben, so daß sich der Hergang zwischen den auswärtigen Ministerien, der Justizverwaltungsstelle und den Polizeibehörden
abspielt.
Wesentlich dabei ist nur dies, daß die Identität des Flüchtlings auf Grund genauer Beschreibung nachgewiesen,
der ihm zur Last gelegte Verbrechensthatbestand angegeben und die den Angeschuldigten verdächtigenden Beweismittel so weit
ersichtlich gemacht werden, daß der Erlaß eines richterlichen Haftbefehls gerechtfertigt erscheint. Anders nach englisch-amerikanischem
Recht, wo das Prinzip der persönlichen Freiheit auch dem Ausländer gegenüber dadurch gewahrt wird, daß der Richter zu
prüfen hat, ob die vorhandenen Beweismittel zum Erlaß eines Haftbefehls nach den in Amerika oder England geltenden Gesetzen
ausreichend sind.
Der auf Requisition einer ausländischen Regierung zum Zweck seiner Auslieferung Festgenommene wird daher vor dem Richter mit
seinen Einwendungen gehört und kann auch darthun, daß es sich bei dem ihm zur Last gelegten Thatbestand
um ein politisches Verbrechen handeln würde. Auch in Belgien und Holland konkurriert die richterliche Gewalt bei der Erledigung
der Auslieferung In der That erscheint es ungerecht, den Fremden, ohne ihm ein gerichtliches Gehör
[* 30] zu eröffnen, lediglich auf Ersuchen
einer ausländischen Behörde seiner persönlichen Freiheit zu berauben.
Die Mitwirkung des Richters bei der Entscheidung der Frage, ob einem Auslieferungsbegehren recht gegeben werden könne, ist
daher so weit notwendig, als es sich um Präjudizialfragen rechtlicher Art handelt oder der Verfolgte im stande ist, die
bezeichnete Identität seiner Person zu widerlegen. Dagegen kann es nicht gebilligt werden, wenn in England
und Amerika der
Richter eine Voruntersuchung führt, um zu ermitteln, ob die vorhandenen Anschuldigungsbeweise zur Verhaftung
genügend sind. In dieser Richtung muß vielmehr die Versicherung des ausländischen Richters als hinreichend erachtet werden.
4) Die Behandlung der Kostenfrage. Am einfachsten und zweckmäßigsten übernimmt jeder Staat die in seinem eignen Gebiet
für den Transport verausgabten Kosten, ohne deren Ersatz im einzelnen Fall zu betreiben. Anders verhält es sich mit den Zwischenstrecken,
durch deren Gebiet auslieferungsflüchtige Verbrecher zu transportieren sind. Von kleinern Ländern, wie der Schweiz und Belgien,
kann billigerweise nicht verlangt werden, daß sie die Kostenfür fremde Großstaaten ohne jede Möglichkeit
der Reciprozität betreiben.
Mit der Auslieferung der Personen ist jeweilig auch die Beschlagnahme derjenigen Sachen verbunden, welche als Beweismittel für
Untersuchungszwecke oder als spätere Ersatz quellen für den verbrecherisch verursachten Schaden in Anspruch genommen werden.
Im übrigen kann sich das Auslieferungsverfahren je nach den Umständen und Verhältnissen verschieden gestalten.
Eine abgekürzte Prozedur pflegt bei entlaufenen Matrosen im Interesse der Seeschiffahrt überall zugelassen zu werden.
Das gegenwärtige Recht ist in vielen Stücken als ungenügend und mangelhaft zu bezeichnen. Als reichstes Ziel für die internationale
Praxis erscheint die Ausgabe, nach dem Vorbild des Weltpostvereins einen Verein solcher Staaten zu begründen, die
sich in Beziehung auf die Grundsätze eines allgemeinen Auslieferungsrechts miteinander verständigen und den Thatbestand derjenigen
Verbrechen einheitlich feststellen, in denen Auslieferungspflicht anzunehmen sein würde.
Das 1873 zu Gent
[* 31] gestiftete Völkerrechtsinstitut hat es versucht, in seiner Jahresversammlung zu Oxford
[* 32] (1880) die Grundsätze
zu formulieren, die vom Standpunkt der Völkerrechtswissenschaft dem heutigen Auslieferungsrecht der
Kulturstaaten zu Grunde gelegt werden sollten. Danach wird die Auslieferung von gemeinen Verbrechern (Mördern, Brandstiftern,
Dieben) als ein internationaler Rechtsakt bezeichnet, welcher zwar auch ohne besondere Vertragsschließungen rechtmäßig
besteht, aber nur durch den Abschluß von Staatsverträgen und bestimmte, innerhalb der einzelnen Staaten zu erlassende Gesetze
über das Auslieferungsverfahren eine befriedigende Regelung erfahren kann.
Dabei ist Gegenseitigkeit keine unerläßliche Bedingung. Wenn die in mancher Hinsicht wünschenswerte Auslieferung der eignen
Unterthanen nicht zugestanden wird, so erscheint es doch billig, die nach Begehung der That erworbenen Bürgerrechte unberücksichtigt
zu lassen; auch wird die Berechtigung des eine Auslieferung verlangenden Staates nach dessen Gesetzgebung zu bemessen
sein, sofern diese Gesetzgebung sich nicht mit der des ersuchten Staates in Widerspruch befindet.
Wegen politischer Vergehen findet keine Auslieferung statt; ist aber das politische Verbrechen zugleich mit einem gemeinen verbunden,
so darf die Auslieferung nur dann gewährt werden, wenn die bestimmte Versicherung vorliegt, daß der Ausgelieferte
nicht durch ein Ausnahmegericht abgeurteilt wird. Die Auslieferung erfolgt nach Prüfung des Gesuchs durch einen Richter und dessen Zustimmung
und zwar auf diplomatischem Weg. Die Regierung, welche den Ausgelieferten in ihre Gewalt brachte, darf denselben ohne Zustimmung
der ausliefernden Regierung weder wegen andrer als der zuerst bezeichneten Vergehen aburteilen, noch auch
an eine dritte
¶
Deutschland,
[* 34] das wegen seiner zentralen Lage in Europa häufiger als die Mehrzahl aller andern Kontinentalstaaten
darauf hingewiesen ist, die Unterstützung des Auslandes zur Verfolgung flüchtiger Verbrecher in Anspruch zu nehmen, hat
verhältnismäßig nur wenige und teilweise ungenügende Auslieferungsverträge mit dem Ausland abgeschlossen, so daß wir
hinter andern Ländern, wie insbesondere Italien und Belgien, ziemlich weit zurückstehen. Deutschlands
[* 35] Auslieferungsverträge
beziehen sich bis jetzt nur auf ItalienGroßbritannien
[* 36] die SchweizBelgienLuxemburgBrasilien
[* 37] Schweden und NorwegenSpanien und Uruguay
[* 38]
Mit Nordamerika
[* 39] bestehen ältere, aus der Zeit von 1866 und 1870 ursprünglich nur auf Preußen
[* 40] und den
Norddeutschen Bund bezügliche, vielfach zweifelhafte und unsichere Abmachungen. Außerdem sind noch verschiedene von einzelnen
deutschen Staaten mit dem Ausland abgeschlossene Verträge in Gültigkeit. Auffallend muß es erscheinen, daß das Deutsche Reich
bisher noch nicht erreicht hat, mit den drei größten Nachbarmächten Frankreich, Rußland und Österreich
[* 41] Auslieferungsverträge abzuschließen. Indessen hat Preußen im Januar 1885 mit Rußland einen Auslieferungsvertrag abgeschlossen.
Litteratur: Kleut, Dissertatio de deditione profugorum (Utr. 1829);
öffentliche Aufforderung zu einer Leistung mit dem Versprechen einer Gegenleistung. Dem römischen Recht
war dies Rechtsinstitut fremd, doch haben sich in dieser Beziehung gewohnheitsrechtliche Satzungen ausgebildet,
indem derartige Auslobungen in dem entwickelten Verkehrsleben der Neuzeit täglich vorkommen, z. B.
das Versprechen einer Belohnung für die Entdeckung eines Verbrechers, für den Finder einer verlornen Sache, das Ausschreiben
einer Preiskonkurrenz für eine Leistung auf dem Gebiet der Kunst oder Wissenschaft u. dgl. Die Auslobung ist
die Vorbereitung zu dem Abschluß eines Vertrags zwischen dem Auslobenden und demjenigen, welcher der Auslobung entsprechend leistet.
Letzterer erwirbt hierdurch einen Anspruch auf die verheißene Gegenleistung. Solange aber die fragliche Leistung noch
nicht effektuiert worden ist, kann die Auslobung selbst zurückgenommen werden, was aber ebenfalls
öffentlich geschehen muß. Doch hat derjenige, welcher in solchem Fall bereits Anstrengungen gemacht und Auslagen gehabt
hat, einen Anspruch auf entsprechenden Schadenersatz. In einem andern Sinn ist Auslobung s. v. w. Abfindung (s. d.).
der oft geringfügige äußere Anstoß, durch welchen die in einem Körper unthätig
aufgespeicherte Wirkungsfähigkeit (potentielle Energie, Spannkraft, s. Kraft)
[* 43] zu plötzlicher Kraftäußerung (Arbeitsleistung)
veranlaßt wird. Eine leise Berührung des Drückers einer gespannten Armbrust
[* 44] genügt, um die beim Spannen aufgewendete und
in der straff gezogenen Sehne gleichsam schlummernde Arbeit zu entfesseln oder auszulösen und als Wucht des fortgeschleuderten
Bolzens wieder erwachen zu lassen.
Die Auslösung ist sonach nicht die Ursache, sondern nur die Veranlassung der erzielten Arbeitsleistung, sie gibt nur den Anstoß
zur Verwandlung der bereits vorhandenen, durch die vorausgegangene Spannung erzeugten potentiellen Energie in eine gleichgroße
Menge Bewegungsenergie. Bei einem Körper, der sich im Zustand des labilen Gleichgewichts befindet, wie z. B.
ein auf seiner Spitze balanciertes Ei,
[* 45] genügt ein Hauch, um ihn umzuwerfen und hiermit die Wirkungsfähigkeit, die er vermöge
der erhöhten Lage seines Schwerpunkts innehat, als Wucht der Fallbewegung auszulösen.
Das Fünkchen, welches Knallgas, Schießpulver,
[* 46] Nitroglycerin etc. zum Explodieren bringt, bewirkt die der in diesen explosiven
Körpern angesammelten chemischen Energie. In der Physiologie betrachtet man das Nervensystem als einen Auslösungsapparat,
da Erregungen von äußerst feinen NervenfasernKräfte von außerordentlichem Umfang in Freiheit setzen können. Die Berührung
der Glottis mit einem feinen Haar
[* 47] bewirkt die heftigsten Hustenanfälle, an denen nicht allein die Respirationsmuskeln, sondern
fast die ganzen Körpermuskeln beteiligt sind.
Die verschwindend kleine auslösende Kraft, hier die Erregung von nur wenigen sensibeln Nervenfasern der Glottis, bewirkt eine
Reihe von Veränderungen in den Ganglienzellen
[* 48] des Zentralnervensystems, und es gelangt nunmehr durch Reizung zahlreicher
zentrifugaler Fasern eine mächtige Summe von Spannkräften, die in den Muskeln
[* 49] aufgespeichert liegen, in explosiver Weise zur
Entladung.
die Vorrichtung in der Mechanik des Pianoforte, welche bewirkt, daß die Hämmerchen sofort nach der Berührung
der Saiten in ihre frühere Lage zurückfallen. S. Klavier.
Gesetzesvorschrift, welche nicht für die Gesamtheit, sondern nur für eine bestimmte Klasse der Staatsangehörigen
erlassen wird. Den Gegensatz bildet das allgemeine oder gemeinsame Recht, welches, dem Grundsatz der Rechtsgleichheit entsprechend,
für alle Staatsbürger gleiche Bedeutung hat und alle in gleichmäßiger Weise trifft. Das Ausnahmegesetz ist ein Bruch mit der allgemeinen
Rechtsordnung, das Aufgeben eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes gegenüber einer gewissen Kategorie von Personen. Das Ausnahmegesetz charakterisiert
sich daher als eine Abweichung von dem im Rechtsstaat geltenden Prinzip der Gleichheit, und ebendarum kann der Erlaß eines solchen
nur ausnahmsweise aus besonders triftigen und dringenden Gründen als gerechtfertigt erscheinen. Auch wird ein Ausnahmegesetz zuweilen
nur auf eine bestimmte Zeit erlassen, um den Bruch, welcher dadurch in die allgemeine Rechtsordnung gemacht wird, möglichst
¶
mehr
bald wieder beseitigen zu können. Ein solches Ausnahmegesetz, über dessen innere Berechtigung viel gestritten wird, ist das deutsche
Sozialistengesetz (Reichsgesetz vom verlängert durch Reichsgesetz vom bis und durch Reichsgesetz
vom bis zum gegen sozialdemokratische, sozialistische und kommunistische Bestrebungen
gerichtet, die den Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung bezwecken. Auch das deutsche Reichsgesetz vom
betreffend den Orden
[* 51] der Gesellschaft Jesu, ist ein Ausnahmegesetz, auf Grund dessen den Angehörigen dieses Ordens der Aufenthalt in bestimmten
Bezirkenoder an bestimmten Orten untersagt werden kann.
Auch das deutsche Reichsgesetz vom betreffend die unbefugte Ausübung von Kirchenämtern, welches
die Expatriierung und Ausweisung von renitenten Geistlichen statuiert, gehört hierher. Als Ausnahmegesetz bezeichnet man aber auch diejenige
Norm, welche nicht auf dem regelmäßigen gesetzlichen und verfassungsmäßigen Weg zu stande kommt, sondern die in konstitutionell-monarchischen
Staaten ohne Mitwirkung der Volksvertretung einseitig von der Regierung erlassen wird (Notgesetz).
Ein solches Ausnahmegesetz kann aber nur in ganz besonders dringenden Fällen und nur dann, wenn der Regierung zu dem Erlaß eines solchen
besondere Vollmacht erteilt ist, als rechtsverbindlich angesehen werden. In England kann z. B. durch Suspension der Habeaskorpusakte
ein solcher Ausnahmezustand herbeigeführt werden, wodurch die Regierung zu außerordentlichen Maßregeln
und insbesondere zur Vornahme von Verhaftungen ermächtigt wird. Auf der andern Seite gehört auch die sogen. Bill of attainder
(Strafbill) hierher, wodurch das Parlament in einzelnen Fällen die Befugnis erhält, eine bestimmte Person ohne gerichtliches
Verfahren selbst zur Untersuchung zu ziehen und zu bestrafen. Derartige Ausnahmegesetze haben aber
immer etwas Bedenkliches, und nur in besondern Fällen des sogen. Staatsnotrechts kann der Erlaß eines solchen Gesetzes als
gerechtfertigt erscheinen.
Wechselnota, zeigt an, daß ein Wechsel nach Gewohnheit des Platzes, auf den er gezogen
worden ist, verfällt. Wo z. B. die Zahlungszeit, wie in Leipzig,
[* 52] auf medio oder ultimo mensis gestellt
zu werden pflegt, heißt a uso: nach 14 Tagen, also den 15. Tag.
Decimus Magnus, der namhafteste röm. Dichter des 4. Jahrh. n. Chr., geboren um 310 zu Burdigala (Bordeaux),
[* 54] stand als Lehrer der Beredsamkeit und Grammatik in seiner Vaterstadt in so ausgezeichnetem Ruf, daß ihn der Kaiser Valentinian
zum Erzieher seines SohnsGratian berief, der ihm nach seiner Thronbesteigung außer andern Auszeichnungen 379 das
Konsulat übertrug. Nach Gratians Ermordung lebte Ausonius auf seinem Landgut bei Burdigala in eifriger litterarischer Thätigkeit
bis nach 393. Außer einer schwülstigen Lobrede auf Gratian besitzen wir von Ausonius eine Reihe von Gedichten in verschiedenen Maßen
und über alle möglichen Gegenstände, wie denn überhaupt kein Thema ihm zu gering schien, Gelehrsamkeit
und Witz nebst Vers- und Sprachgewandtheit spielen zu lassen: Epigramme, Gedichte auf verstorbene Verwandte (Parentalia) und
Fachgenossen (»Commemoratio professorum Burdigalensium«,
wichtig für die Kenntnis des damaligen Schulwesens),
poetische Episteln
und 20 sogen. Idylle, von denen das zehnte: »Mosella«, die poetische
Schilderung einer Rhein- und Moselreise von Bingen
[* 55] bis Trier
[* 56] (hrsg. von Troß, Hamm
[* 57] 1821 u. 1824; von Böcking, mit Übersetzung,
Bonn
[* 58] 1845; übersetzt von Geib, Trier 1843, und Lingg, Stuttg. 1870), durch glückliche Beschreibung sich auszeichnet, u. a. Den
Mangel eigentlicher poetischer Begabung sucht Ausonius durch sprachliche und metrische Gewandtheit sowie
durch rhetorischen und gelehrten Schmuck zu ersetzen, daher seine Darstellung meist der Einfachheit und Natürlichkeit entbehrt.
Hauptausgabe seiner Werke ist die von Schenkl (Berl. 1883); von frühern sind zu nennen die Ausgaben von Scaliger (Leid. 1575,
Heidelb. 1588 u. öfter), Vinetus (Bordeaux 1580 u. 1590), Tollius (Amsterd. 1669), Souchay
(Par. 1730).
(tschech. Hustopec), Bezirkshauptstadt in Mähren,
[* 59] an der Nordbahn, hat ein Bezirksgericht, eine Landesunterrealschule,
eine alte Dechanteikirche, Likörfabrik, Wein-, Obst- und Süßholzbau, bedeutenden Marktverkehr und (1880) 3302 Einw.