beitragen solle. Die Landesvertretung wies die hierauf bezügliche
Vorlage, als dem
Interesse des
Landes nachteilig, beharrlich
zurück, und erst 1872 kam die Auseinandersetzung des herzoglichen
Hauses mit dem Land in betreff des Domanialbesitzes zu
stande. Auf
HerzogLeopoldFriedrich folgte sein Sohn
LeopoldFriedrich.
Die Hauptlinie
Bernburg wurde von
Viktor Amadeus' ältestem Sohn,
KarlFriedrich (1718-21), fortgepflanzt. Ihm folgte sein Sohn
ViktorFriedrich (1721-65), diesem
FriedrichAlbrecht (1765-96), der, wie sein
Vater, das
Wohl des
Landes sich sehr angelegen
sein ließ. Unter der
Regierung seines
Sohns und Nachfolgers Alexius
FriedrichChristian (1796-1834) wurden die bernburgischen
Lande durch den Anfall des dritten Teils von
Zerbst
[* 3] vergrößert. Bei der körperlichen und geistigen
Schwäche seines
Sohns
und Nachfolgers
AlexanderKarl (1834-63) hatte er demselben einen
Geheimen Konferenzrat zur Seite und an die
Spitze derGeschäfte gestellt. Im J. 1848 glaubte der Konferenzrat am klügsten zu handeln, wenn er selbst den
Wünschen des
Volks, die sich in zahllosen
Petitionen und
Beschwerden äußerten, entgegenkäme, und erließ 3. Mai eine provisorische
Verordnung,
wonach der Konferenzrat selbst in die
Stellung eines konstitutionellen verantwortlichen
Ministeriums der künftigen
Ständeversammlung gegenüber eintrat. Am 5. Juli erschien der langersehnte Verfassungsentwurf, auf
Grund dessen der Zusammentritt
der Volksvertreter auf den 31. Juli festgesetzt wurde.
Alle diese
Schöpfungen hörten bei seinem
Tod (1812) wieder auf.
Sein Nachfolger war der unmündige Sohn seines
BrudersLudwig,
mit dem 1818 die
Linie erlosch. Seine ungeregelte Finanzwirtschaft, Soldatenspielerei und Jagdleidenschaft
hatten die
Schulden des
Landes auf 2 Mill. Thlr. gesteigert, was zur
Folge hatte, daß unter Vermittelung Kursachsens die Finanzverwaltung
der Hauptsache nach unter ständische Leitung gestellt ward. Das Land fiel darauf an
Ferdinand, einen Sprößling der
LinieAnhalt-Köthen-Pleß. Diese war von demVater des eben erwähnten
FerdinandFriedrichErdmann, dem
¶
HerzogHeinrich trat hierauf das FürstentumPleß dem nächsten Fideikommißerben, dem Grafen von Hochberg-Fürstenstein,
gegen eine lebenslängliche Rente von 30,000 Thlr. ab. Die völlige Zerrüttung der finanziellen Angelegenheiten
des Herzogtums, welche 1845 an den Tag kam (die Staatsschuld bezifferte sich auf 4,323,249 Thlr.), ist ihm nicht zur Last zu
legen, sondern datierte aus frühern Zeiten. Die Agnaten und Preußen
[* 11] nahmen sich der Sache an, und einem preußischen Beamten,
der in köthensche Dienste
[* 12] trat, v. Goßler, gelang es, wenigstens finanzielle Ordnung einzuführen, wie
er sich auch als Minister Vertrauen im Land erwarb.
(v. griech. anydria, »Wasserlosigkeit«;
Karstenit, Muriacit), Mineral aus der Ordnung der Sulfate, kristallisiert rhombisch, doch sind gute Kristalle
[* 17] selten. Meist tritt er derb in körnigen oder fast dichten Aggregaten auf und durchzieht z. B. als solcher in Wieliczka und
Bochnia das Steinsalz und den Salzthon in eigentümlichen Windungen (Gekrösestein). Er ist gewöhnlich weiß, selten bläulich
oder rötlich gefärbt, glasglänzend, durchsichtig und durchscheinend, Härte 3-3,5, spez. Gew. 2,8-3.
Er besteht aus wasserfreiem schwefelsauren Kalk CaSO4 ^[CaSO4] und findet sich in großen, meist unregelmäßig ausgedehnten
Massen mit Gips
[* 18] und Steinsalz in den Salzgebirgen verschiedener Formationen, namentlich der Dyas, Trias und des Tertiär, eingelagert.
Im Verhältnis zum Gips (wasserhaltiger schwefelsaurer Kalk) bildet er gewöhnlich die untern oder innern
Kernmassen, und es ist sehr wahrscheinlich, daß der meiste Gips in der Natur aus Anhydrit durch Aufnahme von Wasser hervorgegangen
ist.
Hierbei wurde das Volumen bedeutend vergrößert, und das Gestein übte daher einen sehr heftigen Kristallisationsdruck auf
die Umgebung aus, woraus sich die Störungen im Schichtenbau erklären, welche man meistens in der Nähe
von Gipslagern beobachtet. Über die Bildungsweise des natürlichen Anhydrits war man lange Zeit im unklaren. Unter Anwendung
von Schmelzfluß läßt sich auf mannigfache Weise kristallisierter Anhydrit erhalten, doch widerspricht das geognostische Vorkommen
einer plutonischen Bildungsweise.
Aus einer Lösung von schwefelsaurem Kalk in Wasser wird unter gewöhnlichen Verhältnissen Gips und kein
Anhydrit abgeschieden. Bei stärkerm Druck bildet sich aber wasserärmerer schwefelsaurer Kalk, wie manche Kesselsteine darthun. Erhitzt
man Gips mit gesättigter Kochsalzlösung und überschüssigem Kochsalz in zugeschmolzenen Glasröhren, so bilden sich schon
bei 120-130° C. Anhydritkristalle; bei gewöhnlicher Temperatur wird aus derselben LösungGips abgeschieden. Es
scheint also bei niederer Temperatur der schwefelsaure Kalk der Kochsalzlösung, bei höherer Temperatur die Kochsalzlösung
dem Gips das Wasser zu entziehen. Übrigens ist auch mancher Gips in der Natur durch Umwandlung aus kohlensaurem Kalk entstanden
(s. Gips). Der körnige Anhydrit wird vielfach zu Statuetten und Ornamenten verarbeitet; pulverisiert und gebrannt,
nimmt er zwar Wasser auf, erhärtet aber nicht zur einheitlichen Masse wie gebrannter Gips, kann also diesen nicht ersetzen.
troglodytische Stadt bildeten. Ani war im 5. Jahrh. noch ein kleines Fort, ward dann 961 Residenz der Bagratiden, als solche
erweitert, befestigt und mit Palästen und Kirchen geziert und gehörte bald zu den prächtigsten Herrschersitzen Vorderasiens.
Nach der Sage zählte es 100,000 Häuser und 1001 Kirchen. Nachdem die Stadt schon 1040 von den Byzantinern
erobert worden, fiel sie später den Seldschukken, dann den kurdischen Beni Schedda in die Hände und wurde von 1125 bis 1209 fünfmal
von den Georgiern erobert. Durch solche Stürme bereits um ihren Glanz gebracht, wurde sie 1319 durch ein Erdbeben
[* 20] völlig verwüstet.
Ihre vormalige Größe bezeugen jetzt nur noch ihre Ruinen, welche einen Raum von 5,5 km im Umkreis bedecken
und von russischen Archäologen genauer untersucht worden sind.
Vgl. Brosset, Les ruines d'A. (Petersb. 1860-61, 2 Bde.).
(spr. -ssä-burschŏa),Auguste, franz. Theaterdichter, geb. zu Paris, genoß als der Sohn
armer Eltern eine sehr dürftige Erziehung und trat 1821 als Schreiber bei einem PariserSachwalter ein.
Nachdem er in dieser Stellung 1825, kaum 19 Jahre alt, sein erstes Stück, das Melodrama »Gustave, ou le Néapolitain«, mit Erfolg
auf die Bühne gebracht, widmete er sich ganz der Bühnenschriftstellerei. Er schrieb Volksstücke im gröbern Stil,
Lustspiele, Vaudevilles, Texte zu komischen Opern, ernste Dramen und Tragödien, im ganzen etwa 200 Werke, allerdings nicht ohne
Beihilfe von Mitarbeitern, unter denen vorzüglich Ducange, Lockroy, Villeneuve und Brisebarre Erwähnung verdienen, während
umgekehrt mehrere der besten Stücke, welche den Namen Alex. Dumas' tragen (z. B. »Térésa«, »Angèle«
und »Catherine Howard«),
Anicet-Bourgeois zum Verfasser haben. In den letzten Jahren seines Lebens schrieb Anicet-Bourgeois fast nur
noch Feerien oder vielmehr den Text zu glänzend hergerichteten Ausstattungs- und Paradestücken. Er starb in Pau.
[* 21] Von seinen Stücken haben sich bis in die letzte Zeit auf dem Repertoire erhalten: »J'enlève ma femme« »Passé
minuit«, »La joie de la maison«, »Les
trois épiciers«, »Le
[* 22] maître d'école«, »La
petite Fadette«, »La fiole de Cagliostro«, »Pascal et Chambord«, »Cotillon III« etc.;
ferner die Dramen: »La pauvre fille«, »Le
docteur noir«, »Atar-Gull«, »Madeleine«, »Les fugitifs«, »Les
pirates de la savane«, »La fille des chiffonniers«, »Latude« und »Médecin des enfants«, welche
alle mehr als 100 Aufführungen erlebten.
Unter ihm begann zwischen der morgen- und abendländischen
Kirche der Streit über die Feier des Osterfestes, welches erstere zugleich mit den Juden feierte. Anicetus hatte auch viel mit der
gnostischen Sekte der Valentinianer zu kämpfen.
Peter, der erste Kartenzeichner von Tirol,
[* 23] geb. zu Oberperfuß bei Innsbruck,
[* 24] trieb bis in sein 28. Jahr
Landwirtschaft und Drechslerei, ging aber 1751 zu den Jesuiten nach Innsbruck, wo er Mathematik, Astronomie
[* 25] und Mechanik studierte
und sich zu einem geschickten Kartenzeichner und praktischen Mechaniker ausbildete. Im J. 1756 vollendete
er eine Himmelskugel von 3 FußDurchmesser und 1759 einen gleichgroßen Erdglobus, die allgemeine Bewunderung erregten und
sich jetzt im Ferdinandeum zu Innsbruck befinden. Er erhielt darauf von der Regierung den Auftrag zur Herstellung einer Karte
von Tirol, begann die Vermessungsarbeiten 1760 und hatte im Frühjahr 1763 schon mehr als zwei Drittel
von Nordtirol kartiert. Kränklichkeit nötigte ihn, 1765 in dem gleichfalls aus Oberperfuß stammenden
Bauerssohn BlasiusHüber (geb. 1735, gest. 1814) sich einen Gehilfen heranzubilden, der dann nach Anichs plötzlichem Tod das gemeinsame
Werk zu Ende führte. Dasselbe erschien 1774 in 21 Blättern, von denen etwa der dritte Teil, besonders
Südtirol, Hübers Werk ist.
Diese »Benzole« des Handels liefern bei Einwirkung von Salpetersäure ein Gemisch von Nitrobenzol und Nitrotoluol, und aus diesem
wird durch Reduktion unter dem Namen Anilinöl ein Produkt erhalten, welches aus Anilin und Toluidin besteht. Unter dem NamenToluol
bergen sich aber zwei isomere Kohlenwasserstoffe, die entsprechend zwei isomere Toluidine liefern, und
somit ist das Anilinöl ein Gemisch von drei Körpern. Neben demselben kommt für manche Zwecke ein sogen. reines Anilin im Handel
vor, welches nur sehr wenig Toluidin enthält, und außerdem ein sogen. reines Toluidin mit sehr geringem Anilingehalt.
Das chemisch reine Anilin ist ein farbloses Öl vom spez. Gew. 1,036, riecht aromatisch, honigähnlich,
erstarrt bei -8°, löst sich in 31 Teilen Wasser, mischt sich mit Alkohol, Äther und Ölen, verflüchtigt sich bei gewöhnlicher
Temperatur, siedet bei 184°, brennt mit leuchtender, rußender Flamme
[* 30] und bildet mit Säuren farb- und geruchlose, gut kristallisierende
Salze (daher Kristallin), welche in Wasser und Alkohol löslich sind, Fichtenholz gelb färben (so daß man
sie zur Nachweisung von Holzstoff
[* 31] in Papier benutzen kann) und mit Chlorkalk
[* 32] eine violette Färbung liefern.
Eisenchlorür. Es entsteht salzsaures Anilin, und wenn man nun gelöschten Kalk zusetzt und gespannten Wasserdampf in den Cylinder
leitet, so destilliert das Anilin über, welches zur Reinigung rektifiziert wird.
Die Anilinöle geben bei der Behandlung mit oxydierenden Substanzen verschiedene Farbstoffe, welche man unter dem NamenAnilinfarben
zusammenfaßt. Bei der Einwirkung von Arsensäure auf Anilin (als Nebenprodukt der Fuchsindarstellung) entsteht
Violanilin C12H15N3 , eine Base, welche mit Säuren violette Salze bildet. Wirkt Arsensäure auf
salzsaures Anilin, so entsteht ein Gemisch von Violanilin mit Triphenylendiaminblau, welches durch Behandeln mit konzentrierter
Schwefelsäure in die entsprechenden Sulfosäuren übergeführt wird.
Diese dienen als Bleu Coupier in der Seiden- und Wollfärberei. Im Violanilin kann man Wasserstoffatome
durch Alkoholradikale ersetzen. Aus dem auf solche Weise erhaltenen Trimethylviolanilin und Triphenylviolanilin bereitet man
Sulfosäuren, die in der Färberei und zu Tintenpulvern benutzt werden. Bei Einwirkung von Salzsäure auf Violanilin entsteht
Triphenylendiaminblau C18H12N2 , dessen Sulfoderivat als Marineblau zur Woll-
und Seidenfärberei dient. Bei der Fuchsindarstellung durch Behandeln von Nitrobenzol mit Anilin entsteht Azodiphenylblau, welches
wahrscheinlich mit Violanilin identisch ist.
Als Nebenprodukte der Fuchsinbereitung gewinnt man gelbes Phosphin (Granat,
[* 38] Xanthin, gelbes Fuchsin), Kastanienbraun (Marron),
Mauvanilin, Chrysanilin und die oben schon genannten Farbstoffe. Die arsenhaltigen Rückstände bieten große Schwierigkeiten
dar und müssen aufgearbeitet werden, da sie nicht leicht in unschädlicher Weise zu beseitigen sind. Man versetzt sie
z. B. mit Manganchlorür, fällt mit Kalkmilch arsenigsauren Kalk, mischt diesen mit allerlei arsenhaltigen harzigen Rückständen
von der Fuchsinbereitung, mit Kohle, Sägemehl, Teer und verbrennt ihn in besonders konstruierten Öfen,
[* 39] mit welchen Giftkammern
verbunden sind. In diesen sammelt sich arsenige Säure, die wieder in Arsensäure verwandelt wird.
Nach Coupiers
Verfahren wird die Arsensäure ganz vermieden. Man erhitzt in einem mit Rührwerk versehenen
Kessel Anilinöl, welches zu zwei Dritteln mit Salzsäure neutralisiert ist, mit Nitrobenzol und etwas Eisen, löst die Schmelze
in Wasser, setzt Kalk hinzu, um noch vorhandenes salzsaures Anilin zu zersetzen, destilliert das frei gewordene Anilin ab
und reinigt das ausgeschiedene salzsaure Rosanilin durch Umkristallisieren. Bei diesem Prozeß wird das
Eisen zunächst in Eisenchlorür verwandelt, und dies oxydiert sich durch Einwirkung des Sauerstoffs des Nitrobenzols zu Eisenchlorid,
welches wieder durch das Anilin reduziert wird etc. Die harzigen Rückstände von dieser
Methode werden der trocknen Destillation unterworfen, wobei man Ammoniakwasser und basische Öle
[* 40] erhält,
aus denen wieder Anilin, Toluidin, Naphthylamin und Diphenylamin gewonnen werden.
Das Rosanilin ist farblos, kristallinisch, in Wasser wenig, in Alkohol etwas leichter löslich, bildet mit 1 MolekülSäure sehr
beständige Salze, welche im durchfallenden Lichte dunkelrot sind, im auffallenden Licht
[* 41] wie die grünen Flügeldecken mancher
Käfer
[* 42] metallisch schimmern und sich meist in Wasser und Alkohol mit dunkelroter Farbe lösen. Die zweisäurigen
Salze sind blau und geben eine violette Lösung, die dreisäurigen sind gelbbraun, sehr unbeständig und werden schon durch
Wasser zersetzt.
Das salzsaure Rosanilin ist wenig löslich in Wasser, leichter in Alkohol, nicht in Äther, färbt 100 Mill.
Teile Wasser deutlich rot, und 1 Teil genügt zum Färben von 200 Teilen Wolle. Auch das essigsaure Rosanilin wird, namentlich
in England, als Fuchsin benutzt. Rubin ist arsenfreies Fuchsin, Cerise eine geringere Sorte. In neuerer Zeit stellt man Sulfosäuren
des Rosanilins dar, deren Salze den Farbton des ursprünglichen Farbstoffs behalten, aber sich in Wasser,
bez. in Alkali lösen, weniger lichtempfindlich sind als die Rosanilinsalze und in der Färberei und Druckerei im Verein mit
sauren Beizen angewandt werden können.
Bei der Einwirkung von Anilin auf salzsaures Anilin bei 220-250° entsteht Diphenylamin, welches, mit Salzsäure ausgezogen, aus der
Lösung durch viel Wasser gefällt und durch Rektifikation gereinigt wird. Erhitzt man dasselbe mit Oxalsäure auf 110-120°,
so entsteht Diphenylaminblau, welches durch Überführung in die Sulfosäure wasserlöslich gemacht wird.
Man kann auch das Diphenylamin in die Sulfosäure verwandeln und diese mit Oxalsäure nicht über 30° erhitzen.
Erhitzt man ein Rosanilinsalz mit Anilin, so werden Wasserstoffatome durch Phenylgruppen ausgetauscht, und es entstehen
rotviolettes Monophenylrosanilin (Amarant), blauviolettes Diphenylrosanilin (Violet de Parme) und blaues Triphenylrosanilin
(Lichtblau, Azulin, Azurin, Bleu de Lyon).
[* 46] Letzteres wird besonders durch Erhitzen von Rosanilin mit Anilin und etwas Benzoesäure
auf 180° erhalten; es entweicht dabei viel Anilin und Ammoniak, und wenn man die Masse dann in Salzsäure bringt, so scheidet sich
der Farbstoff aus.
Das Lichtblau ist nur in Spiritus
[* 47] löslich, doch werden mehrere wasserlösliche Sulfosäuresalze dargestellt (Nicholsons Blau,
Alkaliblau, Wasserblau, Chinablau). Wird Trimethylrosanilin noch weiter mit Jodmethyl behandelt, so entsteht
Jodgrün, welches als Zinkdoppelsalz in den Handel kam, aber durch das billigere Methylgrün verdrängt
wurde. Wird salzsaures
Rosanilin mit salzsaurem Anilin auf 240° erhitzt, so entsteht Bismarckbraun, ein schwarzgrünes Pulver, welches sich mit brauner
Farbe in Alkohol löst und in der Seiden- und Lederfärberei viel benutzt wird.
Anilingelb (Anilinorange, Aurin) wird aus dem harzartigen Nebenprodukt von der Rosanilinbereitung gewonnen.
Aus der mit einem Dampfstrahl bereiteten Lösung fällt man das schwer lösliche salpetersaure Salz
[* 48] des Chrysanilins C20H17N2
. Diese Base ist amorph, gelb, fast unlöslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol und färbt, wie auch
ihre Salze, Seide
[* 49] und Wolle schön goldgelb. Ein Oxydationsprodukt des Anilins von noch nicht sicher erkannter
Konstitution ist das Anilinschwarz (Indigschwarz, Lukasschwarz), welches seiner Unlöslichkeit halber nicht in Fabriken, sondern
in den Färbereien direkt auf der Faser erzeugt wird.
Man druckt auf das Gewebe
[* 50] eine durch Gummi verdickte Lösung von möglichst toluidinfreiem salzsauren Anilin, chlorsaurem
Kali und Salmiak, welche mit einer Kupferverbindung (vorzugsweise Schwefelkupfer) versetzt ist, und läßt das Schwarz unter
Zutritt des Sauerstoffs der Luft bei etwa 30° sich entwickeln. Statt des Kupfers hat man mit gutem Erfolg auch Vanadin- und
Cersalze angewandt. Ein Teil Vanadinchlorür soll bei Gegenwart von chlorsaurem Kali 1000 Teile salzsaures
Anilin verwandeln.
Oft wird das Schwarz nach einiger Zeit grün, doch kann dies vermieden werden, wenn man die Gewebe mit chromsaurem Kali und
Schwefelsäure behandelt. Wenn man konzentrierte Lösungen von Anilinsalzen durch den galvanischen Strom zersetzt, so scheidet
sich am positiven Pol Anilinschwarz aus. In konzentrierter Schwefelsäure löst sich das Schwarz zu einer
Sulfosäure, deren alkalische Lösung durch reduzierende Körper entfärbt wird, unter dem Einfluß des Sauerstoffs der Luft aber
wieder Anilinschwarz liefert. Das Anilin wird nur in der Zeugdruckerei benutzt und zeichnet sich durch seine vollkommene Echtheit
aus.
Die Anilinfarben sind an sich nicht giftig, doch enthält nicht kristallisierte Ware bisweilen giftige, zu ihrer Bereitung benutzte
Stoffe, wie Arsenik, Quecksilbersalze, die indes auch nur unter besondern Verhältnissen schädlich werden können. Mit Fuchsin
gefärbte Nahrungsmittel
[* 51] enthalten so außerordentlich wenig Farbstoff, daß ein Gehalt an Arsen, welcher
doch immer in engen Grenzen
[* 52] bleibt, kaum noch in Betracht kommt. Enthielte das Fuchsin selbst 10 Proz. Arsen (was niemals vorkommt),
so würde man in 100 ccm eines damit gefärbten Likörs doch nur 0,02 mgArsen dem Körper zuführen, eine Dosis, die völlig
unschädlich ist. Daß mit Anilinrot gefärbte Zeuge irgendwie schädlich sich erwiesen hätten, ist niemals behauptet oder
beobachtet worden; wohl aber könnten mit Anilinrot bedruckte StoffeGefahr bringen, wenn von dem vorausgesetzt stark arsenhaltigen
Farbstoff mit der vielleicht angewandten arsenhaltigen Beize erheblichere Mengen sich abrieben und
¶
mehr
staubförmig in die Mundhöhle
[* 54] und den Magen
[* 55] gelangten. Sehr giftig aber können auch die mit Anilinfarbe bedruckten Tapeten
werden, da eine Anzahl gewissenloser Fabrikanten die Anilinfarbenrückstände, welche häufig einen bedeutenden Gehalt von
Arsen enthalten, aufkaufen. Übrigens ist zu berücksichtigen, daß im Publikum der Name Anilin auf alle Teerfarbstoffe ausgedehnt
wird, unter denen sich allerdings mehrere befinden, die mit Entschiedenheit als giftig bezeichnet werden
müssen.
Das Anilin wurde 1826 von Unverdorben aus Indigo erhalten und Kristallin genannt;
Sie erwarben auch die von Girard und Delaire gemachte Erfindung der Fuchsinbereitung mittels Arsensäure,
und seitdem ist die Fabrikation von Fuchsin in Frankreich durch die Société de la Fuchsine in Lyon monopolisiert. Hofmann erforschte
die Natur der neuen Farbstoffe, erklärte die Bildung von Anilinblau aus Fuchsin und Anilin und entdeckte die mit Alkoholjodüren
darstellbaren Farbstoffe. Die Anilinfarbenindustrie hat in kurzer Zeit eine außerordentliche Bedeutung
gewonnen.
Man konsumierte schon 1869 über 1,5 Mill. kg Anilinöl und davon 1 Mill. allein in Deutschland, den Rest in Frankreich, England
und der Schweiz.
[* 56] Im J. 1879 betrug die Tagesproduktion in England 2500 kg (mit nur geringer Ausfuhr), in Frankreich 5-6000
kg (davon über ⅔ Export nach Deutschland), in Deutschland 9000 kg. Obwohl die Begründung der Anilinfarbenindustrie und ihre
ersten wichtigsten Erfindungen auf englischem und französischem Boden stattfanden, beteiligte sich doch Deutschland gleich
anfangs durch billige und gute Fabrikate an derselben und lief bald allen Mitbewerbern den Rang ab. Seine meist
sehr bedeutenden Fabriken liegen hauptsächlich in Südwest- und Westdeutschland und beteiligen sich an der europäischen
Gesamtfabrikation mit ungefähr der Hälfte.
Bei weitem die größte Menge der Anilinfarben findet in der Färberei Verwendung. In der That sind die Vorzüge dieser Farbstoffe
vor andern Pigmenten sehr bedeutend. An Glanz und Schönheit sowie an Leichtigkeit der Färbeprozesse werden
sie von kaum irgend einem andern Färbematerial erreicht, während zugleich ihr Preis ein so niedriger ist, daß bei ihrer
eminenten Ausgiebigkeit nur wenige andre Stoffe damit konkurrieren können. Am schönsten erscheinen die Anilinfarben auf Seide,
durch welche sie ohne weiteres aus kalter Lösung fixiert werden; daher beherrschen gegenwärtig die Anilinfarben
die Seidenfärberei vollständig.
Wolle färbt sich in erwärmten Lösungen von Anilinfarben ebenso leicht wie Seide, aber ihre Verwendung beschränkt sich hier
doch auf Kammwollgewebe für
Frauenkleidung und auf Wollgarn. Am wenigsten eignen sich die Anilinfarben für Baumwolle,
[* 57] welche
dieselben nur nach vorhergegangener Beizung aufnimmt; immerhin hat der Zeugdruck mit den Anilinfarben einige
prachtvolle Effekte erzielt. Leider werden alle diese Farbstoffe durch Licht sehr schnell zerstört, sie gehören in dieser
Beziehung zu den vergänglichsten Pigmenten.
ein mehr oder minder stark ausgeprägter Komplex von Gesundheitsstörungen, welche durch die Einwirkung
von Anilindämpfen auf den Organismus entstehen und sich häufig an Arbeitern in Anilinfabriken zeigen.
Versuche an Tieren ergaben bei überall gleicher Empfänglichkeit, daß das Anilin zuerst auf das regulatorische Zentrum für
die Herzbewegungen wirkt und zwar zuerst anregend, dann lähmend. Der Tod tritt ein durch Herzlähmung, welche als eine direkte
Folge des Gifts zu betrachten ist.
Bei den Beobachtungen an Menschen hat man akute und chronische Vergiftungen zu unterscheiden. Erstere treten
besonders an heißen Sommertagen bei ungenügender Ventilation ein. Lippen, Ohren und Wangen, wohl auch die Nägel,
[* 61] färben sich
bläulich, ohne daß der Arbeiter ein Unwohlsein verspürt, und bei sofortiger Entfernung aus der anilinhaltigen Luft verschwinden
diese Symptome in wenigen Stunden. Nach längerer und stärkerer Einwirkung der Anilindämpfe zeigen sich
Eingenommenheit des Kopfes, Schwäche, Erschwerung des Atmens, unsicherer Gang,
[* 62] Ekel, Würgen, bisweilen leichte
¶