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Börsengeschäft ist Alternativ die Geschäfts- oder Schlußform, bei der es dem einen Interessenten freisteht, Lieferung oder Differenzvergütung zu fordern.
Börsengeschäft ist Alternativ die Geschäfts- oder Schlußform, bei der es dem einen Interessenten freisteht, Lieferung oder Differenzvergütung zu fordern.
Bezeichnung für kleine, tanzartige Musikstücke, die mit einem Trio abwechseln (Menuetto alternativo);
auch wird wohl das Trio in solchen Stücken ein Alternativo genannt.
eine Obligation, bei welcher der Verpflichtete verbunden ist, von zwei oder mehreren Leistungen eine zu gewähren.
s. Währung. ^[= (lat. valuta, Gültigkeit, von valeo, gelten, franz. Étalon, engl. Standard, Legal tender), ...]
(lat.), das wechselseitige Ablösen von zweien oder mehreren in irgend einer Thätigkeit.
Fürstenhäuser, in der frühern deutschen Reichsverfassung in Bezug auf das Direktorium des Reichsfürstenrats Österreich [* 2] und Salzburg, [* 3] in Bezug auf den Abstimmungsturnus in demselben die sechs Fürstentümer Pommern, [* 4] Mecklenburg, [* 5] Württemberg, [* 6] Hessen, [* 7] Baden [* 8] und Holstein.
roter Sandstein, s. Devonische Formation. ^[= (nach der engl. Grafschaft Devonshire genannt, auch rheinische Formation, jüngeres Übergangsgebirg ...]
s. Brand. ^[= # (Necrosis, Mortificatio), das Aufhören des Lebens in einzelnen Teilen des Körpers, also örtlicher ...]
bei den Haussäugetieren beruht hauptsächlich auf der erfahrungsmäßigen Kenntnis des Zahnwechsels und der Veränderung in Form und Stellung, welche die Zähne, [* 9] namentlich die Schneidezähne, durch den Gebrauch erleiden; beim Rind [* 10] geben zugleich das Wachstum der Hörner und die Ringbildung an denselben gewisse Anhaltspunkte. Selbstverständlich kommt nebenbei das Aussehen der Tiere in Betracht. Alte Tiere zeigen oft am Kopf graue Haare [* 11] und ein Zusammenschrumpfen des Fettpolsters unter der Haut. [* 12]
Alle landwirtschaftlichen Haustiere erlangen ihren vollen Wert erst mit einem gewissen Alter; sie gehen im Wert zurück, sobald sie die höhern Lebensjahre erreichen. Demnach hat die Alterserkennung im Viehhandel eine große Bedeutung. Bei Pferden wird dieselbe durch die Beschaffenheit des Unterkiefers und der Schneidezähne in demselben genügend ermöglicht. Bis zum siebenten Lebensjahr ist das Alter der Pferde [* 13] präzis festzustellen, bei ältern Pferden kann die Alterserkennung nur annähernd richtig sein.
In der mittlern Lebenszeit macht es übrigens für die Verwertung der Pferde nicht viel aus, ob dieselben 2-3 Jahre älter sind oder nicht. Die Rinder [* 14] gewähren neben den Schneidezähnen des Unterkiefers besonders in der Beschaffenheit der Hörner einen Anhalt [* 15] für die Alterserkennung Ziegen und Schafe [* 16] werden nach dem Wechsel und der Reibefläche der Schneidezähne beurteilt. Bei Schweinen richtet man sich zweckmäßig nach der Formation der Kopfknochen und nach der Beschaffenheit der Haut. Ähnlich wird beim Geflügel die Alterserkennung nach der Form und Struktur des Schnabels sowie nach der Farbe, Dicke und sonstigen Beschaffenheit der Haut an den Gliedmaßen und am Rumpf bewirkt.
das älteste Mitglied einer Körperschaft, welches, solange die Wahl des eigentlichen Präsidenten noch nicht erfolgt ist, inzwischen die Leitung der Geschäfte wahrnimmt. So treten nach der Geschäftsordnung des deutschen Reichstags (§ 1) bei dem Eintritt in eine neue Legislaturperiode die Mitglieder des Reichstags nach dessen Eröffnung unter dem Vorsitz ihres ältesten Mitglieds zusammen. Das Amt dieses Alterspräsidenten kann von dem dazu Berufenen auf das im Lebensalter ihm am nächsten stehende Mitglied übertragen werden. Für jede fernere Legislaturperiode dagegen setzt das Präsidium der vorausgegangenen Session bis zur vollendeten Präsidentenwahl seine Funktionen fort, so daß also nur bei Beginn einer neuen Legislaturperiode der Alterspräsident fungiert.
(Greisenring der Hornhaut, Arcus senilis, Gerontoxon), die im Alter eintretende sichelförmige Trübung des obern und untern Hornhautrands. Nicht selten fließen die Hörner der beiden Sicheln zu einem Kreis [* 17] zusammen. Die Trübung läßt immer zwischen sich und der Sklerotika (s. Auge) [* 18] einen etwa 1 mm breiten Zwischenraum, der durchsichtig bleibt, wie auch die Mitte der Hornhaut an dem Prozeß keinen Anteil nimmt. Das Sehen [* 19] an und für sich wird daher durch diese Veränderung nicht beeinträchtigt. Der Altersring beruht auf einer fettigen Entartung der Hornhautzellen und ist nicht heilbar. Er ist stets mit Weitsichtigkeit gepaart.
(griech. Marasmus, lat. Involutio senilis, Senilität, Seneszenz), derjenige Zustand, in welchen alle organischen Wesen verfallen, wenn sie sich dem höchsten Maß ihrer natürlichen Lebensdauer nähern. Die Altersschwäche ist demnach keine Krankheit im strengern Sinn, sie ist vielmehr das Resultat der schlechteren Ernährung, welcher Pflanzen, Tiere und Menschen unterliegen, wenn sie den Zenith ihrer Kraftfülle überschritten haben und nun allmählich verdorren.
Der Zeitpunkt, in welchem die Altersschwäche beginnt, ist demnach für die verschiedenen Pflanzen- und Tierarten sehr verschieden: die einjährigen Pflanzen erreichen ihn in wenigen Sommermonaten, während die Eiche noch nach Jahrhunderten in stolzer Kraft [* 20] ihre Äste treibt und sich in jedem Lenz mit neuem Grün schmückt;
der Seidenspinner [* 21] erfreut sich nur knapp bemessene Tage seiner vollen Lebensfrische und siecht dahin, sobald er seine Eier [* 22] gelegt hat, während der Rabe und der Elefant [* 23] Menschengeschlechter überdauern.
Der Mensch selbst erreicht erfahrungsgemäß nur selten das 70. oder ein späteres Lebensjahr, die Altersschwäche beginnt aber weit früher, in ihren ersten Spuren schon Anfang der 40er, zuweilen noch zeitiger. Den Beginn der Alterserscheinungen macht das Auge, dessen Akkommodationsfähigkeit schon Mitte der 30er Jahre nicht selten merklich abnimmt. Gleichfalls früh ergrauen die Haare, namentlich der Schläfengegend und bei dunkelhaarigen Personen. Das Fettpolster schwindet, die Haut wird welker, bekommt Runzeln, einzelne Stellen werden leicht bräunlich gefärbt.
Später verlieren die Muskeln [* 24] an prompter elastischer Wirkung, die Beine werden ungelenk, der Rücken steif. Im hohen Alter werden die Knochen [* 25] dünner; ein Fall, der im mittlern Lebensalter eine Verrenkung bewirkt haben würde, führt bei Greisen leicht einen Knochenbruch, z. B. im Hüftgelenk, herbei. Die Hornhaut zeigt den Greisenbogen; zuweilen verdickt sich das Trommelfell, es verwachsen die Gehörknöchelchen, und es entsteht ein gewisser Grad von Taubheit.
Die Schärfe und Schlagfertigkeit des Geistes nimmt bei den meisten Personen ab; viele alte Leute werden redselig, etliche geradezu kindisch oder völlig schwachsinnig. Unter den innern Organen verfallen das Herz und die Leber einer geradezu regelmäßigen Verkleinerung (braune Atrophie) mit Bildung brauner Farbstoffmoleküle in ihrem Gewebe. [* 26] Die Milz schrumpft, ebenso die Nieren (Granularatrophie), das Gehirn [* 27] wird derber, seine nervöse Substanz nimmt ab auf Kosten der bindegewebigen Gerüstmasse, und so entsteht mit zunehmendem Alter eine Summe von Störungen, die, jede für sich betrachtet, nur unwesentliche Folgen nach sich ziehen, aber vereint das ausmachen, was man als mannigfache Klagen des dekrepiten Alters kennt, was den Greis als Ruine des Menschen erscheinen ¶
läßt und schließlich die kümmerliche Fackel verglimmen macht, ohne daß Krankheit oder äußerer Anstoß gewaltsam das Leben zum Verlöschen bringt.
s. v. w. Fernsichtigkeit. ^[= (Weitsichtigkeit, Presbyopie, ), der Zustand, bei welchem der Nahpunkt ...]
Stil, s. Kalender. Im Wechselverkehr hat derselbe eine Bedeutung, wenn z. B. ein in Rußland oder Griechenland [* 29] ausgestellter, in Deutschland [* 30] zahlbarer Datowechsel nicht zugleich die Bemerkung enthält, daß er nach dem neuen Stil datiert sei, oder wenn er nach beiden Stilen datiert ist. In diesem Fall wird (nach § 34 der deutschen Wechselordnung) der Verfalltag von demjenigen Kalendertag neuen Stils ab berechnet, welcher dem nach altem Stil sich ergebenden Tag der Ausstellung entspricht. So ist für einen im gewöhnlichen Jahr am 18. Febr. per »drei Monate dato« ausgestellter Wechsel der Verfalltag nicht so zu berechnen, daß man erst vom 18. Febr. drei Monate weiter bis 18. Mai rechnet und dann durch Zählung der zwölf Differenztage den 30. Mai als Verfalltag erhält, sondern so, daß man zum 18. Febr. zuerst die zwölf Differenztage hinzurechnet und den 2. März neuen Stils als Ausstellungstag erhält, nach welchem dann, drei Monate weiter gerechnet, der 2. Juni als richtiger Verfalltag sich ergibt.
(Altersversorgung), derjenige Zweig der Lebensversicherung (s. d.), bei welchem der Versicherte gegen in seinen jüngern Jahren gezahlte Prämien nach Eintritt in ein bestimmtes Lebensalter ein Kapital oder eine von da ab bis zu seinem Tod laufende Rente (Altersrente) erhält. Der eigentliche Zweck der Altersversicherung, die Versorgung für den Fall der verminderten Erwerbsfähigkeit oder der vollständigen Erwerbsunfähigkeit, wird freilich durch die Altersversicherung nicht genügend erreicht, da die Invalidität nicht bei jeder Person im gleichen von vornherein bestimmten Alter eintritt, daher wenigstens bei solchen Personen, die auf Erwerb durch Arbeit angewiesen sind, die Invalidenversicherung (s. d.) ergänzend eintreten muß. Die Altersversicherung kann von Lebensversicherungsgesellschaften oder auch von besondern hierfür (meist für Arbeiter) eingerichteten Anstalten übernommen werden. Frankreich hat Staatsanstalten für Altersversicherung, für welche jedoch ein Beitrittszwang nicht besteht.
Vgl. Kretschmann, Die Altersversorgung der Arbeiter in Deutschland (Leipz. 1882).
im allgemeinen der ungeheure Zeitraum der Geschichte, der, seinem Anfang nach unbestimmbar, mit dem Untergang des weströmischen Reichs und der Entstehung der christlich-germanischen Staaten 476 endet; insbesondere der Zeitraum, welcher die Geschichte der Griechen und Römer [* 31] umfaßt, das klassische Altertum genannt, in welchem jedoch nicht nur das Kulturleben jener beiden Völker zusammengefaßt wird, sondern das in höherm oder geringerm Maß auch solche Völker mit einbezieht, die, wie die Ägypter, Babylonier, Phöniker, Hebräer etc., nach Errichtung des römischen Weltreichs zu jenen in genauere Beziehungen traten. Im engern Sinn versteht man unter Altertum auch die Urgeschichte jedes einzelnen Volks, die ihren regelrechten Abschluß mit einer Periode findet, in welcher durch große Ereignisse eine völlige Umwandlung des geistigen und sittlichen Lebens des betreffenden Volks sich vollzieht. So schließt das Altertum ab bei Germanen, Kelten u. a. mit der Annahme des Christentums, bei Arabern, Persern, Türken mit der Bekehrung zum Islam, bei Azteken, Inka [* 32] u. a. mit ihrer Entdeckung und Unterwerfung durch die Europäer und ihrer darauf folgenden Annahme christlicher Religion und Kultur.
Was nun von Denkmälern aus den bezeichneten Perioden auf uns herübergekommen ist, nennen wir Altertümer oder Antiquitäten, und zwar versteht man darunter nicht nur Bau- und Kunstwerke (mit Einschluß von Gefäßen, Waffen, [* 33] Werkzeugen u. dgl.), sondern auch die Nachrichten von den staatlichen, religiösen und sozialen Einrichtungen, von dem öffentlichen und privaten Leben der betreffenden Völker, wie sie in den uns überlieferten Schriften, Denkmälern u. a. enthalten sind.
Wie von griechischen und römischen Altertümern, so spricht man auch von indischen, persischen, phönikischen, ägyptischen, von deutschen, skandinavischen, slawischen Altertümern. Von diesen Altertümern sind aber in neuerer Zeit die Werke der bildenden Kunst durch eine besondere Wissenschaft, die Archäologie (s. d.), zu einer eignen Provinz abgegrenzt worden, und so versteht man heute unter Altertümern nur noch die Staats-, Religions- und Privataltertümer.
Die Staatsaltertümer umfassen Verfassung, Rechtspflege, Polizei-, Finanz- und Kriegswesen, Kultur und Handel, die Religions- oder Sakralaltertümer den Kultus, die Privataltertümer die physischen und geselligen Verhältnisse, wie Familie, Sklaverei, häusliche Einrichtung, Lebensweise etc. Was wir davon in den speziellen Fällen der einzelnen Völker wissen, sowie was uns an Werken der Kunst erhalten blieb, das ist an den betreffenden Stellen im besondern aufgeführt worden.
Die bekanntesten Handbücher der klassischen Altertumskunde lieferten für die griechischen Altertümer: K. F. Hermann (»Lehrbuch der griechischen Antiquitäten«, neubearbeitet von Blümner u. a., Freiburg [* 34] 1882 ff., 4 Bde.),
Schömann (»Handbuch der griechischen Altertümer«, 3. Aufl., Berl. 1871-73, 2 Bde.);
für die römischen: Lange (»Handbuch der römischen Altertümer«, 3. Aufl., das. 1876, 3 Bde.),
Marquardt und Mommsen (»Handbuch der römischen Altertümer«, 2. Aufl., Leipz. 1876 ff., 7 Bde.) sowie Guhl und Koner (»Das Leben der Griechen und Römer«, 5. Aufl., Berl. 1882).
Populär gehalten ist Seyfferts »Lexikon der klassischen Altertumskunde« (Leipz. 1883, illustriert). Das oben angegebene zeitliche Maß ist übrigens bei den heutigen schnell vorwärts schreitenden Kulturvölkern keineswegs festgehalten worden, es erscheint näher an die Jetztzeit herangerückt und wird im Lauf der Zeiten noch weiter vorrücken. So betrachtet man namentlich auch die deutschen Altertümer, nämlich das, was man heute als »altdeutsch« bezeichnet, als bis zur Reformation reichend, eine Grenze, die sich auch Jakob Grimm bei der Darstellung der deutschen Rechtsaltertümer gezogen hat. Handbücher der deutschen Altertumskunde gaben Müllenhoff (Berl. 1870, Bd. 1) und Lindenschmit (Braunschw. 1880, Bd. 1), eine populäre Gesamtdarstellung enthält Götzingers »Reallexikon der deutschen Altertümer« (2. Aufl. Leipz. 1884). - Über die biblischen Altertümer vgl. Biblische Archäologie.
Vereine, Vereine, die sich die Erforschung des Altertums eines Landes oder eines Landesteils zur Aufgabe gestellt haben. Ihr gemeinsames Ziel ist ein dreifaches: Förderung allgemeiner und spezieller Geschichtsstudien;
Erhaltung und Sammlung der Denkmäler und Altertümer, in denen sich die Anschauungsweise, die Empfindung und Geschmacksrichtung der frühern Zeiten aussprechen;
endlich Niederlegung des Erforschten in besondern, meist periodisch erscheinenden Schriften.
Die meisten dieser Vereine sind Privatgesellschaften, oft unter Protektion einer fürstlichen Person, zum Teil auch vom Staate durch Geldbeiträge unterstützt; ihre ¶
Mitglieder zerfallen in ordentliche, Ehren- und korrespondierende Mitglieder. Die ältesten altertumsforschenden Vereine finden wir in England und Italien. [* 36] Die Londoner Society of Antiquaries wurde bereits 1572 von Parker und Cotton gestiftet, aber schon 1604 von Jakob I., welcher der Gesellschaft mißtraute, aufgelöst und erst 1707 von neuem ins Leben gerufen; 1751 wurde sie von Georg II. als öffentliche Gesellschaft anerkannt. Sie hat in einer langen Reihe dicker Quartbände eine Überfülle antiquarischen Reichtums zu Tage gefördert und namentlich über die Periode der Angelsachsen die seltensten und interessantesten Aufschlüsse erteilt; treffliche Kupferstiche bringen das Wichtigste zur unmittelbaren Anschauung. In Schottland wurde 1780 die Scottish Society of Antiquaries und in Irland sechs Jahre später mit gleichen Zielen die Royal Irish Academy gegründet.
Gegenwärtig finden sich dergleichen Vereine in allen größern Städten Englands, ebenso Frankreichs. Bedeutendes leisteten hier besonders die Pariser Société des Antiquaires de France, die sich 1814 aus der 1805 gegründeten Académie celtique bildete, die Société de l'histoire de France und die Commission des monuments historiques. Eine wirksame Förderung erhält die Altertumsforschung in Frankreich durch die Teilnahme der großen wissenschaftlichen Staatsinstitute (namentlich der Pariser Akademie der Wissenschaften, Künste und Inschriften), welche bezügliche Preisaufgaben stellen und die Herausgabe antiquarischer Prachtwerke übernehmen.
Von andern Ländern finden sich Vereine in Lissabon, [* 37] Madrid, [* 38] Brüssel, [* 39] Lüttich, [* 40] Leiden, [* 41] Kopenhagen, [* 42] Stockholm, [* 43] Upsala, [* 44] Philadelphia, [* 45] Worcester (in Massachusetts) etc. In Österreich gibt es zahlreiche vaterländische Vereinsmuseen, namentlich den Altertumsverein in Wien, [* 46] das Johanneum zu Graz [* 47] (gestiftet 1810), das Vaterländische Museum zu Prag [* 48] (1816), das Ferdinandeum zu Innsbruck [* 49] (1823), das Francisceum zu Brunn; die Schweiz [* 50] hat solche Vereine in Bern [* 51] und Zürich. [* 52] Hervorragende Bedeutung erlangte das Germanische Museum (s. d.) in Nürnberg, [* 53] das 1853 begründet wurde und einen Mittelpunkt für die gesamte deutsche Altertumsforschung bildet, sowie in Österreich die k. k. Zentralkommission zur Erhaltung und Erforschung der Baudenkmäler in der österreichischen Monarchie zu Wien, deren zahlreiche Publikationen ein unschätzbares Material zu einer Kunstgeschichte Österreichs bilden, und deren Wirkungskreis in neuester Zeit auf die »Kunstdenkmäler« überhaupt ausgedehnt worden ist. In Deutschland verschmolz die Altertumsforschung mit der Geschichtsforschung, und seit Begründung der Gesellschaft für Deutschlands [* 54] ältere Geschichtskunde durch Stein haben auch die lokalen Vereine neben den Antiquitäten besonders die Geschichte ihres Bereichs zum Gegenstand ihrer Bestrebungen gemacht. Näheres über die Altertums- und geschichtsforschenden Vereine stehe daher unter Historische Vereine.
(Altertumswissenschaft), der Inbegriff aller das Altertum (s. d.) betreffenden Kenntnisse oder diejenige Wissenschaft, welche neben der Geschichte auch die Sprache [* 55] und Litteratur, Kunst und Wissenschaft, Recht und Sitte, Staats- und Religionsverhältnisse, kurz das gesamte Kulturleben der Völker des Altertums, insbesondere der Griechen und Römer (klassische Altertumskunde), zu erforschen und darzustellen sucht;
fällt mit Philologie (s. d.) nach dem von Wolf und Böckh festgestellten Begriff derselben zusammen.
vom Berge (arab. Scheich ul Dschebel), Titel, den sich Hassan ben Sabbah, der Gründer der mohammedanischen Sekte der Assassinen (s. d.), beilegte und den die Häupter derselben seitdem führten.
(fliegender Sommer, Flugsommer, Sommerfäden, Graswebe etc.), das feine, weiße Gewebe kleiner Feldspinnen, welches bisweilen im Frühjahr (Mädchensommer), öfter im Spätherbst Felder und Wiesen überzieht, in der Luft umherfliegt und fadenförmig an erhabenen Gegenständen sich anhängt. Der Volksglaube früherer Jahrhunderte brachte den fliegenden Sommer in Verbindung mit den Göttern. Nach Einführung des Christentums bezog man ihn auf Gott und Maria, weshalb er in Frankreich fils de la Vierge, im südlichen Deutschland Mariengarn, Marienfaden oder Frauensommer, in England Gossamer (Gottes Schleppe) genannt wird.
Die fliegenden Fäden werden von jungen und alten Spinnen [* 56] gesponnen und zwar vornehmlich von Individuen der Gattungen Luchsspinne (Lycosa), Kreuzspinne (Epeira), Krabbenspinne (Thomisus) und Weberspinne (Theridium). Diese Spinnen sind zum Herbst herangewachsen, und ihre Fäden bezeichnen die Wege, welche sie zogen. Da sie aber nur bei gutem Wetter [* 57] spinnen, so steht die Erscheinung in der That im Zusammenhang mit schönen Herbsttagen. Die Fäden werden zum Teil vom Wind losgerissen und fortgeführt, aber auch von den Spinnen direkt für eine Fahrt durch die Luft erzeugt. Das Tierchen kriecht auf einen erhöhten Punkt, reckt den Hinterleib in die Höhe, schießt einen oder mehrere Fäden aus seinen Spinnwarzen empor und überläßt sich, von diesen getragen, der Luftströmung. Will die Spinne auf den Boden zurückkehren, so klettert sie an dem Faden [* 58] hinauf und wickelt ihn dabei mit den Füßen zu einem Flöckchen zusammen, welches sich langsam zu Boden senkt.
(franz., spr. -täß), Hoheit;
Ehrenprädikat für fürstliche Personen. Altesse impériale, Kaiserliche Hoheit, Titel des Kronprinzen des Deutschen Reichs, der österreichischen Erzherzöge und der russischen Großfürsten;
Altesse royale, Königliche [* 59] Hoheit, Ehrenprädikat für die königlichen Prinzen und für die Großherzöge;
Altesse sérénissime, Durchlaucht.
(Sekenim), Name der Gemeindevorsteher bei Juden und Christen (s. Presbyter).
Im Zusammenhang mit der Ehrerbietung, welche die morgenländischen Völker dem Alter widmen, stand die Einrichtung, daß die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten vorzugsweise in die Hände der Alten gelegt war.
Bei den Israeliten reichen Stammes- und Ortsälteste bis ins hohe Altertum hinauf, und seit dem Exil finden wir einen volkstümlichen Senat in Thätigkeit, aus dem das Synedrium (s. d.) hervorging.
Testament, s. Bibel. ^[= (griech. Biblia, "Bücher"; auch die Schrift, Heilige Schrift, Wort Gottes), Name ...] [* 60]
Welt, die östliche Halbkugel der Erde mit den Erdteilen Europa, [* 61] Asien [* 62] und Afrika, [* 63] im Gegensatz zu dem neuentdeckten Amerika, [* 64] der Neuen Welt.
Australien [* 65] bleibt bei der Bezeichnung Alte und Neue Welt ganz aus dem Spiel. In Beziehung auf Zeit versteht man unter den Völkern der Alten Welt diejenigen Nationen, die in Asien, Afrika und Europa vor dem Erscheinen des Christentums auftraten;
auch begreift man unter dem Ausdruck alte Welt zuweilen das gesamte Kulturleben jener Völker.
ein am Ende des vorigen Jahrhunderts infolge der Revolution entstandener Ausdruck der die französische Tracht und Gewohnheit des Rokokozeitalters bezeichnet;
dann im übertragenen Sinn alles Veraltete und Unmodische. ¶
Häuser, zur Zeit des alten Deutschen Reichs diejenigen Fürstenhäuser, welche schon auf dem deutschen Reichstag von 1582 Sitz und Virilstimme hatten. Seit 1582 setzten es nämlich die alten fürstlichen Häuser durch, daß, wenn auch der Kaiser das Recht der Standeserhöhung behielt, doch die bloße Erteilung der fürstlichen Würde noch nicht das Recht zur Führung einer Virilstimme auf dem Reichstag gab, daß vielmehr dies Recht von der Genehmigung der dabei interessierten Stände abhängig wurde. So ist der Unterschied zwischen alten und neuen Fürsten entstanden; zu erstern gehörten die Erzherzöge von Österreich, die Pfalzgrafen bei Rhein, die Herzöge von Sachsen, [* 67] die Markgrafen von Brandenburg [* 68] (nicht aber die Fürsten von Hohenzollern), die Herzöge von Braunschweig [* 69] und von Württemberg, die Landgrafen von Hessen, die Markgrafen von Baden, die Herzöge von Mecklenburg und von Holstein, die Fürsten von Anhalt; auch die Fürsten von Liane wurden dazu gerechnet, obwohl sie erst 1592 gefürstet wurden.
Auf der Grenze zwischen alten und neuen Fürsten stehen die Herzöge von Arenberg, welche zwar die herzogliche Würde erst nach 1582, die fürstliche aber schon 1576 erhalten haben. Unter den neufürstlichen Häusern unterschied man wieder zwischen solchen, die Sitz und Stimme auf den Reichstagen hatten, wie Hohenzollern, Lobkowitz, Salm, Dietrichstein, Nassau, Auersperg, Fürstenberg, Schwarzenberg, Liechtenstein, [* 70] Thurn und Taxis und Schwarzburg, [* 71] und solchen, die nicht im Fürstenkollegium saßen, wie Waldeck [* 72] und Reuß. [* 73]
s. Gradisca. ^[= 1) Stadt im österreichisch-illyr. Küstenland, gefürstete Grafschaft Görz und Gradisca, am ...]
L. (Althee, Eibisch), Gattung aus der Familie der Malvaceen, ein- oder mehrjährige, zerstreut rauhhaarige bis samtartig filzige Kräuter mit handförmig gelappten oder geteilten Blättern, einzeln oder in Büscheln achselständigen, meist ansehnlichen Blüten, die bisweilen eine endständige Traube oder Doldentraube bilden. Etwa zwölf Arten in den gemäßigten Klimaten der Alten Welt. Althaea òfficinalis L. (gemeiner Eibisch, weiße Pappel, s. Tafel »Arzneipflanzen [* 74] I«), [* 75]
Staude mit starkem Rhizom, [* 76] 1-1,25 m hohen Stengeln, gestielten, eiförmig spitzen, schwach drei- bis fünflappigen, ungleich kerbig gesägten, weichfilzigen Blättern und großen, fleischfarbigen Blüten, wächst auf feuchtem, am liebsten salzigem Boden in Süd-, auch in Mitteleuropa bis zur Ostsee, im gemäßigten West- und Nordasien, in Nordamerika [* 77] und Australien, wird besonders bei Nürnberg und Schweinfurt [* 78] (Produktion ca. 200 metr. Ztr.), auch bei Jena, [* 79] in Frankreich und Belgien [* 80] wegen der als Radix Althaeae offiziellen Wurzel [* 81] kultiviert.
Diese wird im Herbst von der zweijährigen Pflanze gesammelt und frisch geschält, ist weißgelblich, etwas biegsam, mit ebenem, nicht faserigem Bruch, riecht eigentümlich süßlich, schmeckt fade schleimig und enthält viel Asparagin, Schleim, Stärke, [* 82] Zucker, [* 83] Salze etc. Sie dient als Zusatz zu Brustthee, zur Bereitung von Altheesirup (ein wässeriger Auszug, mit Zucker zur Sirupskonsistenz gekocht), Lederzucker (Pasta gummosa), bei der Appretur etc. und wurde schon von den alten Griechen arzneilich benutzt.
Althaea rosea Cav. (Alcea rosea. L., Stock-, Pappelrose, Rosenmalve), eine zweijährige, auch perennierende Pflanze, im Orient und in Südosteuropa, mit 2-3 m hohem, aufrechtem Stengel, [* 84] rundlichen, am Grund meist herzförmigen, runzeligen, fünf- bis siebeneckigen Blättern, großen, oft gefüllten, weißen, hell- oder dunkelroten, auch gelben und braunen Blüten, die zu einer langen Traube geordnet sind, wird als Zierpflanze (besonders in den Charterschen Varietäten), in der schwarzroten Varietät aber auch auf Feldern kultiviert und zum Färben der Weine, Liköre und des Essigs, auch in der Färberei zur Erzeugung violetter und andrer Nüancen sowie als schleimiges, etwas zusammenziehendes Arzneimittel benutzt.
s. Meleagros. ^[= (Meleager), 1) im griech. Mythus Sohn des Königs Öneus von Kalydon und der nahm in ...] [* 85]
Dorf in der preuß. Provinz Sachsen, Regierungsbezirk Magdeburg, [* 86] Kreis Neuhaldensleben, an der Bever, 2 km von der Eisenbahnstation Neuhaldensleben, mit einer Simultankirche, großartigem Klostergarten nebst Park, fünf Thonwarenfabriken mit starkem Export, großer Steingutfabrik und (1880) 2344 (460 kath.) Einwohnern.
Die Industrie wurde durch Nathusius (s. d.) begründet, der 1810 das von der westfälischen Regierung aufgehobene, 965 ursprünglich für Benediktinernonnen gestiftete Cistercienserkloster ankaufte.
Theodor, Schriftsteller, geb. zu Detmold, [* 87] studierte in Bonn, [* 88] Jena und Berlin [* 89] Theologie und Philologie, wendete sich dann, litterarisch thätig, nach Leipzig, [* 90] wo er die »Märchen aus der Gegenwart« (Leipz. 1847) schrieb und sich bald völlig der Publizistik widmete. Im J. 1848 redigierte er die »Barmer Zeitung«, seit dem Herbste d. J. die »Zeitung für Norddeutschland« in Hannover. [* 91] Infolge eines revolutionären Aufrufs (zu gunsten der Reichsverfassung von 1849) im Sommer 1849 angeklagt, ward er zu zweijährigem Staatsgefängnis verurteilt, im November 1849 nach Hildesheim [* 92] übergeführt, im Frühjahr 1850 begnadigt. Als litterarisches Resultat seiner Haft trat das phantasievolle, eine ideale Demokratie verkündende Buch »Aus dem Gefängnis« (Barm. 1850) hervor. Althaus' Gesundheit war infolge der Haft gebrochen; er suchte Heilung in einem Seebad und im nächsten Jahr zu Gotha, [* 93] wo er starb. Seine schwungvollen, formschönen und tiefsinnigen Gedichte wurden 1853 als Manuskript für die Familie gedruckt. Einzelne Proben daraus finden sich in Ad. Sterns »Fünfzig Jahre deutscher Dichtung« (2. Aufl., Leipz. 1877).
s. Althaea. ^[= L. (Eibisch), Gattung aus der Familie der Malvaceen, ein- oder mehrjährige, zerstreut ...]
s. Lederzucker. ^[= (Gummipasta, Pasta gummosa s. Althaeae), beliebtes Heilmittel gegen Husten, wird ...]
die gesetzgebende Versammlung auf Island [* 94] (s. d.). ^[= eine zu Dänemark gehörige Insel im nördlichen Atlantischen Ozean, liegt zwischen 63° 23'-66° ...]
s. Deutsche Sprache. ^[= Die Bezeichnung d. S. ist in verschiedenen Bedeutungen gebraucht worden. Manche, wie Jakob Grimm ...] [* 95]
Art tieferer Ventiltrompete in Es oder F.
Viscount, s. Spencer. ^[= 1) Georg John, Graf, engl. Bibliophile, geb. 1. Sept. 1758 als Sohn des Lords S., der 1761 zum ...]
da Zevio (spr. -kjehro, Aldighiero), verones. Maler des 14. Jahrh., war unter dem Einfluß Giottos in Verona [* 96] und Padua [* 97] thätig, wo er zum Teil mit seinem ebenbürtigen Zeitgenossen Avanzi (s. d.) im Auftrag der edlen Häuser der Scaliger und Lupi arbeitete. In Padua ließ Bonifazio Lupi die von ihm 1372 gegründete Jakobs-, später Felixkapelle von Altichiero und Avanzi mit Fresken zieren. Außer einem großen Fresko der Kreuzigung sieht man hier Szenen aus der Legende des heil. Jakobus.
Der Stil der Kreuzigung ist ein großartiger, ernster, der vielfach an Giottos Weise in Hinsicht des Ausdrucks, der Bewegung und Gruppenbildung sowie des dramatischen Elements erinnert. Das Streben nach Natürlichkeit gibt den Kompositionen eine erfreuliche Frische. Die Zeichnung ist einfach, groß und bestimmt, das Kolorit bereits vielfacher Modellierung fähig. Noch bedeutender treten diese Eigenschaften der Künstler, deren Wirksamkeit sich nicht trennen läßt, in ihren Gemälden in der 1377 erbauten Georgskapelle zu Padua an den Tag, wo außer Szenen aus der Passionsgeschichte die Hauptmomente der St. Georgs-Legende dargestellt sind. ¶
(lat.), Großsprecherei.
(lat.-griech.), Werkzeug zur Höhenmessung; [* 99]
Altimetrie, Höhenmessung. S. Meßinstrumente.
(Altyn), russ. Kupfermünze, = 3 Kopeken.
Unter Peter I. (1700-25) wurden auch silberne Altine im Wert von 12,08 Pfennig geprägt.
(lat.), das Höhere, z. B. Altiora betreiben, sich den höhern Studien widmen.
der von einer Mauer umschlossene Tempelbezirk in Olympia (s. d.).
Schahar (Alti Schehr, »Sechs-Städte-Gebiet«),
türkisch-tatar. Bezeichnung der chinesischen Provinz Thianschan-Nanlu (Ostturkistan),
welche seit 1865 ein selbständiges Reich unter der Herrschaft Jakub Begs bildete und von ihm den Namen Dschiti Schahar (»Sieben-Städte-Gebiet«) erhielt, da er zu den sechs Städten von Alti Schahar (Aksu, Turfan, Kaschgar, Jarkand, Jangihissar und Chotan) noch die im SW. von Jarkand gelegene Landschaft Sarikul mit der Stadt Taschkurgan eroberte. S. Turkistan.
tolléndi jus (lat.), das Recht, in Bezug auf des Nachbars Haus höher bauen zu dürfen.
Name für eine kirchliche Bewegung, welche den von der nationalen Idee getragenen Widerstand der Gewissenhaftigkeit und der Wissenschaftlichkeit im deutschen Katholizismus gegen die im Unfehlbarkeitsdogma vollendete ultramontane Entwickelung der römischen Kirche darstellt. Bisher war es unter Beihilfe der Politik deutscher Regierungen der Kurie gelungen, den Widerspruch der deutschen Wissenschaft (Hermes, [* 100] Günther, Frohschammer u. a.) zu unterdrücken, Männer, die sich römischen Zumutungen unfügsam zeigten, von den Bischofstühlen zu entfernen oder zurückzuhalten (Sedlnitzky, Schmidt) und in Klerus und Gemeinde den Ultramontanismus zur Herrschaft zu bringen.
Als aber trotz der Einsprache der deutschen Theologie, trotz des Protestes einer starken Minorität auf dem vatikanischen Konzil das Dogma von der Unfehlbarkeit zu stande gekommen war; als dieselben deutschen Bischöfe, die sich vorher so entschieden dagegen ausgesprochen hatten, dasselbe dennoch (in Bayern [* 101] mit Umgehung des Placet) verkündigten und gegen die opponierenden Fakultäten von München, [* 102] Bonn und Breslau [* 103] sowie gegen einzelne Geistliche und Religionslehrer mit kirchlichen Zensuren einschritten, und als zugleich in dem Verhalten des Klerus und der katholischen Partei des Reichstags es sich unverhohlen zeigte, daß das Streben dahin gehe, den päpstlichen Willen auch zum obersten Gesetz der Staaten zu machen: da wurde es vielen der Besten zur Gewissenspflicht, sich der Einführung eines Dogmas zu widersetzen, welches für den Papst eine schrankenlose Gewalt über jeden Einzelnen wie über Kirche und Staat in Anspruch nehme, und mit dem kein Recht, keine Freiheit, keine Gewissenhaftigkeit bestehen könne.
Ein Brief des Stiftspropstes Döllinger zu München an den Erzbischof, in dem er in schneidiger Sprache (März 1871) begründete, daß er als Christ, als Theolog, als Geschichtskundiger, als Bürger das Dogma nicht annehmen könne, und den der Erzbischof mit der Exkommunikation beantwortete, gab der in weitern Kreisen verbreiteten Stimmung Ausdruck und Anlaß zu einer weiter gehenden Bewegung, die von einem Aktionskomitee in München geleitet wurde. Die anfängliche Hoffnung, die Annahme des Dogmas in der deutschen Kirche noch rückgängig machen zu können, schwand durch die in einem gemeinsamen Hirtenbrief des deutschen Episkopats ausgesprochene Unterwerfung desselben.
Ihr stellte der Kongreß der Altkatholiken zu München (September 1871) die Behauptung entgegen, die Infallibilisten seien, durch den Jesuitismus verführt, vom Glauben der alten Kirche abgefallen, und diese bestehe rechtmäßig nur in ihnen fort. Damit war das Schisma ausgesprochen; unter dem Schutz und der Begünstigung des Staats bildeten sich eine Anzahl altkatholische Gemeinden, deren kirchlichem Bedürfnis der Erzbischof von Utrecht [* 104] entgegenkam, indem er sich zu einer Firmelungsreise durch dieselben entschloß. In einer Reihe wissenschaftlicher und populärer Schriften entwickelten inzwischen die Führer der Bewegung, Schulte, Friedrich, Reinkens, Michelis u. a., aus Kirchenrecht und Kirchengeschichte die Ungültigkeit und Unstatthaftigkeit des Dogmas, seinen Widerspruch mit Religiosität und Sittlichkeit.
Der zweite Kongreß in Köln, [* 105] September 1872, hielt in seinen Anträgen an den Staat den bisherigen Anspruch, die rechte katholische Kirche zu sein, fest und beauftragte ein Komitee, die Einleitung zu einer Rekonstituierung der Kirche durch eine Bischofswahl zu treffen. Zugleich wurde auch die von Döllinger angeregte Frage nach der Möglichkeit einer Wiedervereinigung der getrennten Konfessionen [* 106] ins Auge gefaßt und offen ausgesprochen, daß man nicht, wie anfänglich beabsichtigt gewesen, nur auf den Zustand des 7. Jahrh., vor der Trennung von der griechischen Kirche, zurückgreifen könne, sondern daß eine Revision der Entwickelung in Lehre, [* 107] Verfassung und Kultus notwendig sei. In der That ist nur dann von der ganzen Bewegung ein mehr als vorübergehender Erfolg zu erwarten, wenn es ihr gelingt, durch ein Vertiefen in den objektiven religiösen Gehalt des Katholizismus ein neues religiöses Prinzip zu finden, auf dem eine kirchliche Gemeinschaft sich aufbauen könnte, ohne in den Romanismus zurückzufallen oder zum Protestantismus getrieben zu werden.
Zunächst wurde nunmehr einer neuen Delegiertenversammlung zu Köln ein von J. F. ^[Johann Friedrich] v. Schulte entworfenes Organisationsstatut vorgelegt und von derselben angenommen. Nach demselben beruht die Leitung der Kirche bei dem Bischof, dem ein Spezialausschuß von neun Personen, teils Geistlichen, teils Laien, zur Seite steht, den die Synode der Kirche erwählt, welche jährlich in der Pfingstwoche zusammentritt, und zu der sämtliche Geistliche und für jede Gemeinde, bez. für je 200 selbständige Männer ein Laiendeputierter berufen werden.
Bei der gleich darauf vollzogenen Bischofswahl, an der 20 Geistliche teilnahmen, vereinigten sich die Stimmen auf den bisherigen Professor zu Breslau, Jos. Hubert Reinkens (s. d.), welcher durch den preußischen Kultusminister in Berlin als Bischof der altkatholischen Gemeinden Preußens [* 108] vereidigt wurde. Die neue Organisation hält fest an dem auch vom preußischen Obertribunal anerkannten Grundsatz, daß die Altkatholiken keineswegs aus der katholischen Kirche ausgeschieden seien, sondern daß sie nur durch Umstände außer ihrer Macht an der Teilnahme der vollen Gemeinschaft gehindert würden. Die Konflikte, in welche die römisch-katholische Geistlichkeit sich in Deutschland und der Schweiz mit der Staatsgewalt begeben hat, haben dem Wachstum der Bewegung nur förderlich sein können, die aber zumeist auf die Kreise [* 109] der Gebildeten beschränkt bleibt.
In Deutschland wurden seit 1874 alljährlich die kirchenverfassungsmäßigen Synoden in Bonn gehalten; ebenso fand 1876 der fünfte Kongreß in Breslau, 1877 der sechste in Mainz, [* 110] 1880 der siebente in Baden, 1884 der achte in Krefeld [* 111] statt. Auf den frühern ¶
Versammlungen wurde die schwierige Frage wegen Aufhebung des Zwangscölibats der Geistlichkeit verhandelt, welche schon durch die Heiraten des Domherrn Suszczynski in Mogilew, des Abbé Chavard in Genf [* 113] (vgl. dessen Schrift »Le [* 114] célibat des prêtres et ses conséquences«, Genf 1874) und des Paters Hyacinthe (Loyson) angeregt worden war. Nach dem Vorgang Holtzendorffs (»Das Priestercölibat«, Berl. 1873) widmete jetzt auch eine altkatholische Autorität ersten Ranges, v. Schulte in Bonn, der Sache eine eigne Schrift (»Der Cölibatszwang und dessen Aufhebung«, Bonn 1876). Wie hier die Frage im Prinzip bejaht, die praktische Ausführung dagegen als eine Sache der Zweckmäßigkeit hingestellt wird, so thaten auch die zweite und die dritte Synode, bis endlich unter Hinweis darauf, daß die neue Reichsgesetzgebung das Ehehindernis der Priesterweihe nicht mehr kennt, die fünfte mit 75 gegen 22 Stimmen das Cölibat abschaffte, worin ihr die Schweizer Synode in Olten schon 1875 vorangegangen war.
Freilich sind durch solche Vorgänge Geistliche, welche die ideale Seite des Cölibats hervorhoben, wie Reusch und Tangermann, der Sache des Altkatholizismus entfremdet worden, welche überdies durch den Tod eines hervorragenden Vorkämpfers, des Kreisphysikus Hasenclever in Düsseldorf [* 115] (geb. 1813, gest. einen schweren Verlust erlitt. Günstig wirkte dagegen, außer dem erwähnten Reichsgesetz über die Eheschließung vom das vom König bestätigte preußische Gesetz über die Rechte der altkatholischen Kirchengemeinden an dem kirchlichen Vermögen.
Überhaupt beharrten Staatsregierung und Gerichte auch noch nach der Schwenkung der innern Politik seit 1878 an der Auffassung, daß die Altkatholiken als katholische Christen zu betrachten und zu behandeln seien. Übrigens existierten 1878 in Preußen [* 116] 36 Gemeinden mit 21,650 Seelen; auf Baden kamen 44 Gemeinden mit 8674 Seelen, auf Hessen 5 Gemeinden mit 1171 Seelen, auf Bayern 34 Gemeinden mit 10,033 Seelen, auf Oldenburg [* 117] 2 Gemeinden mit 247 Seelen, auf Württemberg 1 Gemeinde mit 227 Seelen.
Die Seelenzahl in Deutschland überhaupt betrug 52,000, 1882 nur noch 35,000; in der Seelsorge wirkten 56, 1882 nur noch 48 Geistliche. Im J. 1877 wirkten in der Schweiz, wo 55 Gemeinden und 25 Vereine existierten, etwa 70 Geistliche an 73,000 Seelen. Hier hat überhaupt das nationale Gepräge der altkatholischen Sache bedeutende Förderung erfahren durch die von der Synode zu Olten 1876 vollzogene Wahl des Pfarrers Herzog von Bern zum Bischof. Überdies brachen die von der Synode aufgestellten Prinzipien viel entschiedener mit der hierarchischen Tradition, als dies den deutschen Altkatholiken möglich gewesen war.
Die altkatholische Fakultät in Bern stellt sich würdig derjenigen in Bonn zur Seite. Die 1875 angenommene Synodalverfassung entspricht im allgemeinen der deutschen, und auch in Bezug auf die Zurückstellung der Ohrenbeichte hinter einer allgemeinen Bußandacht vor der Kommunion herrscht Übereinstimmung zwischen beiden Nationalkirchen. Beiderseits hat es aber auch an Rückschritten und traurigen Erfahrungen nicht gefehlt, und namentlich mußte in der Schweiz eine Reihe von Pfarrern, welche ihre Freiheit mißbraucht und Ärgernis gegeben hatten, entfernt werden.
Auch die Stellung Loysons, des frühern Paters Hyacinthe, ist eine sehr schwierige geworden, indem er sich im Grunde doch nur noch durch seine Verheiratung von der alten Kirche geschieden weiß. In Österreich endlich hat sich das Abgeordnetenhaus der Altkatholiken seit 1875 angenommen; es kam infolgedessen zu der Verordnung des Kultusministers vom wodurch die altkatholische Religionsgesellschaft anerkannt und zugleich die Konstituierung der Gemeinden in Wien, Warnsdorf und Ried genehmigt wurde.
Vgl. Friedberg, [* 118] Aktenstücke, die altkatholische Bewegung betreffend (Tübing. 1876);
Förster, Der Altkatholizismus (Gotha 1879);
Kreisstadt im deutschen Reichsland Elsaß-Lothringen, [* 120] Bezirk Oberelsaß, an der Ill und der Linie Mülhausen-Altmünsterol der Elsaß-Lothringer Eisenbahn, Sitz einer Kreisdirektion, eines Amtsgerichts und eines Hauptzollamts, hat eine evangelische und eine schöne katholische Kirche, ein Realprogymnasium, Bürgerhospital, Schlachthaus, eine Kornhalle, Weberei, [* 121] Ziegelbrennerei, Steinbrüche und (1880) 3100 Einw., davon 223 Evangelische und 272 Juden.
s. Taunus. ^[= (auch die Höhe, früher Einrich, auch Einrichgau genannt), ein zum niederrheinischen Gebirge ...]
Stadt im preuß. Regierungsbezirk Potsdam, [* 122] Kreis Niederbarnim, an der Stienitz, 6 km von der Eisenbahnstation Neuenhagen (Berlin-Königsberg-Eydtkuhnen), mit Amtsgericht und (1880) 2342 ev. Einwohnern.
s. Lutherische Kirche. ^[= im Gegensatz zur reformierten diejenige Kirchengemeinschaft, welche sich nach der von Luther ...]
das Stammland der Mark Brandenburg, Teil der Kurmark, 4515 qkm (82 QM.) groß mit ca. 195,000 Einw., wird durch die Elbe von der Priegnitz und Mittelmark geschieden und gehört seit 1815 zum Regierungsbezirk Magdeburg, von dem sie die Kreise Stendal, [* 123] Gardelegen, [* 124] Salzwedel [* 125] und Osterburg umfaßt.
Die Altmark hatte Stendal zur Hauptstadt und bildete als »Departement der Elbe« 1807-13 einen Teil des Königreichs Westfalen. [* 126]
Weiteres über die Geschichte derselben s. Brandenburg.
das für den geklärten, ausgegornen Wein hier und da in Süddeutschland und der Schweiz gebräuchliche Maß (Trübeichmaß), im Gegensatz zu dem Jungmaß (Helleichmaß) für den trüben jungen Wein und den Most. In Frankfurt [* 127] a. M. hat ein Altmaß 1,7926 Lit.;
linker Nebenfluß der Donau in Bayern, entspringt auf dem südlichen Abhang des fränkischen Landrückens (auf der Hohen Leite), nordöstlich von Rotenburg, hat südöstliche Hauptrichtung und einen sehr gekrümmten, langsamen Lauf. Im mittlern und untern Teil desselben durchbricht sie in einem nach N. gekehrten Bogen [* 128] den Jura, fließt meist in einem schmalen, steilhängigen Thal [* 129] dahin und mündet unterhalb Kelheim. Ihre Länge beträgt 165 km. Nur durch Kunst ist sie 30 km aufwärts schiffbar gemacht (s. Ludwigskanal).
Vgl. Weininger, Führer durch das Altmühlthal (Regensb. 1867);
Kugler, Die Altmühlalp (Ingolst. 1868).
Sprache, s. Nordische Sprache. ^[= und Litteratur. Die nordische Sprache ist ein Zweig der germanischen Sprachfamilie und steht ...]
(ital.), s. Bratsche. ^[= das bekannte Streichinstrument, welches seit dem 16. Jahrh. gebaut wird und in unserm heutigen ...]
(ital.), ein veraltetes venezian. Musikinstrument, eine Art kleines Hackbrett.
s. v. w. Englisch Horn. ^[= (ital. Corno inglese, franz. Cor anglais), ein Holzblasinstrument aus dem Geschlecht der Oboe ...]
(spr. -dōiru), Landstrich in der portug. Provinz Traz os Montes, am Douro, ca. 45,000 Einw., ein reizendes Hügelgelände, Heimat der Portweine.
(eigentlich Hohenberg), Martin, ital. Maler, geb. zu Neapel, [* 130] stammte von deutschen Eltern ab, war Schüler Giovanni Battista Gaullis, genannt Bacciccio, ward in Rom [* 131] vom Polenkönig Johann Sobieski III. zum Hofmaler ernannt, in dessen Auftrag er meist historische Bilder aus der Geschichte der Türkeneinfälle und der Belagerung Wiens (1683) durch die Türken lieferte. ¶