Schweigen gebracht, die
Forts besetzt, zugleich aber ein Teil der Stadt zerstört und von den erbitterten
Soldaten und Einwohnern
ein furchtbares Blutbad unter den Europäern angerichtet, deren
Häuser meist in
Brand gesteckt wurden. Die englische
Regierung
sah sich daher genötigt, ein Landheer unter
Wolseley nach Ägypten
[* 2] zu schicken, das zunächst
Alexandria besetzte,
dann das ägyptische
Heer unter
Arabi, der den
Widerstand fortsetzte, vom
Suezkanal aus 13. Sept. bei
Tell el Kebir angriff und vollständig
in die
Flucht schlug.
Die Empörer wurden in die
Verbannung geschickt.
TewfikPascha wurde darauf wieder in die Herrschaft eingesetzt, doch hatte
er alles Ansehen verloren und behauptete sich nur mit
Hilfe der englischen
Truppen, welche Ägypten besetzt
hielten.
Englische
[* 3] Beamte und
Offiziere machten zwar
Versuche, dem Land eine neue, bessere
Verfassung und
Verwaltung zu geben
sowie das
Heer zu reorganisieren, doch ohne Erfolg. Die
Ausfälle in den Einkünften während der Empörung und die erheblichen
Kosten der englischen
Okkupation hatten ein solches
Defizit zur
Folge, daß weder die
Entschädigungen an
die durch die Ereignisse von
Alexandria betroffenen
Europäer noch die
Zinsen der
Staatsschuld gezahlt werden konnten.
Der
Versuch, den
England auf der
LondonerKonferenz 1884 machte, die Zustimmung der Mächte zu einer
Zinsreduktion zu erlangen,
scheiterte an seiner Weigerung, die frühere internationale Finanzkontrolle herzustellen. Dazu kam der
Aufstand des
Mahdi im
Sudân, wo die ägyptischen
Truppen mehrere
Niederlagen erlitten, die den
Abfall des ganzen
Landes von zur
Folge hatten. Auch die Besitzungen am
RotenMeer und in
Harar gingen verloren. So wurden durch die Rebellion
ArabiPaschas und die englische
Intervention die innern und äußern Erfolge früherer Jahre wieder vernichtet.
Bis 1813 suchte sie
Italien
[* 9] und seitdem die meisten europäischen
Heere heim.
Noch 1833 und 1834 wütete die
Krankheit arg
unter den belgischen
Truppen, so daß
Tausende erblindeten. Die ägyptische Augenentzündung tritt gelegentlich auch unter der Zivilbevölkerung
auf, namentlich in solchen
Fällen, wo viele
Menschen in engen
Räumen zusammenwohnen, wo nicht für die nötige Reinlichkeit
gesorgt wird und die
Luft mit schädlichen
Ausdünstungen und Miasmen geschwängert ist (z. B. in Zuchthäusern,
Schiffen,
Waisenhäusern etc.). Auch ist die ägyptische Augenentzündung nicht durch die
Franzosen nach
Europa
[* 10] importiert worden, denn die gleiche
Krankheit war schon den alten griechischen und arabischen
Ärzten bekannt,
und in verschiedenen
LändernEuropas wurden
Epidemien derselben in den letzten
Jahrhunderten mehrfach beobachtet.
Man hat angenommen, daß die
Krankheit eine rein kontagiöse sei, und daß sie nur diejenigen befalle,
welche von einem andern daran leidenden
Menschen damit angesteckt werden. Viel wahrscheinlicher aber erzeugt sich die
Krankheit
neu, wenn viele
Menschen dicht zusammengedrängt in einer mit schädlichen Bodenausdünstungen und tierischen Ausflüssen
etc. verunreinigten
Atmosphäre leben, und wenn sie gleichzeitig großen körperlichen Anstrengungen und
klimatisch Schädlichkeiten aller Art ausgesetzt sind.
Sobald aber die
Krankheit sich einmal entwickelt hat, breitet sie sich auf dem Weg der
Ansteckung weiter aus, so daß sie also
zu den miasmatisch-kontagiösen
Krankheiten zu rechnen ist. Der
Träger
[* 11] des Ansteckungsstoffs bei der ägyptischen
Augenentzündung
ist der
Eiter, welcher sich auf der
Bindehaut der entzündeten
Augen erzeugt. Wird dieser
Eiter, selbst in
minimaler
Menge, auf ein bis dahin gesundes
Auge
[* 12]
übertragen, was durch Berührung der Kranken, durch Benutzung ihres Waschgeräts
und auf ähnliche
Weise ja so leicht geschehen kann, so erkrankt dieses in der gleichen
Weise.
Dadurch erklärt sich die epidemische Verbreitung der
Krankheit auch auf solche, welche sonst unter günstigen
äußern Verhältnissen leben. Die ägyptische Augenentzündung tritt unter drei verschiedenen
Formen auf. Die mildeste ist diejenige, welche sich
als einfacher
Katarrh der
Bindehaut des
Auges darstellt; die heftigere ist die akute
Blennorrhöe, bei welcher sehr reichlicher
Eiter gebildet wird, und die dritte, aus diesen entstehende, die granulöse ägyptische Augenentzündung, das
Trachom. Der Verlauf der
Entzündung ist bei der ägyptischen
Augenentzündung kein andrer als bei jeder auf andrer
Ursache beruhender
Ophthalmie (vgl.
Augenentzündung).
Sie bringt das
Leben nur selten in unmittelbare
Gefahr und zwar nur während ihres akuten
Stadiums, wenn
sich die
Entzündung über das ganze
Auge verbreitet.
Um so häufiger führt sie zum Verlust des einen oder andern
Auges und
zur
Blindheit, indem entweder eine
Verschwärung und narbige Schrumpfung der
Hornhaut hinzutritt, so daß kein
Licht
[* 13] mehr in
das
Auge eindringen kann, oder indem die
Entzündung den ganzen Augapfel ergreift und zum
Schwunde desselben
führt, oder endlich, indem der Bindehautsack verödet und die
Hornhaut mit einer undurchsichtigen, narbenartigen Gewebsmasse
überzogen wird.
Alle diese
Formen der
Blindheit sind unheilbar. Der
Arzt hat gegenüber der ägyptischen
Augenentzündung eine
doppelte Aufgabe. Zunächst muß er die Verbreitung der
Krankheit auf bisher
¶
mehr
Gesunde durch strenge Absonderung der Kranken von den Gesunden zu verhüten suchen. Letztere müssen die größte Reinlichkeit
beobachten und jede Berührung mit den Kranken vermeiden; die Ursachen, welche die Ausbreitung der Krankheit begünstigen,
müssen entfernt werden. Dies geschieht durch fleißiges Lüften der Wohnungen, Genuß einer frischen und gesunden Luft, Vermeidung
von Staub und Rauch, von Erkältungen und übermäßigen Anstrengungen und Exzessen.
Die Behandlung der kranken Augen besteht in fleißigem Auswaschen, Auflegen kalter Umschläge und in örtlichen Blutentziehungen.
Innerlich reicht man kühlende, abführende und besänftigende Mittel. Vom größten Nutzen sind die Ätzmittel, namentlich
die Anwendung des Höllensteinstifts und des Kupfervitriols in Substanz oder in Lösung auf die kranke Bindehaut.
Die Hauptsache ist, daß alle diese Mittel so früh wie möglich angewendet werden.
Die heldenmütige Verteidigung desselben durch den englischen AdmiralSidneySmith, Hunger und der Ausbruch der Pest nötigten ihn,
obwohl er 16. April am BergTabor eine türkische Entsatzarmee unter AbdallahPascha schlug, 17. Mai die Belagerung aufzugeben und
mit seinem auf die Hälfte zusammengeschmolzenen Heer den mühsamen Rückzug durch die Wüste anzutreten.
Nach Ägypten zurückgekehrt, besiegte er bei Abukir25. Juli ein türkisches Heer, das dort gelandet war, und hatte so seine Herrschaft
aufs neue befestigt, als ihn die bedrohlichen Verhältnisse in Frankreich dorthin zurückzukehren nötigten. Er übergab bei
seiner heimlichen Abreise den Oberbefehl Kléber.
Als Eroberungszug und als Versuch, Englands Herrschaft an einer wunden Stelle anzugreifen, war die ägyptische Expedition ein
verunglücktes Unternehmen; aber auf dem Gebiet des Wissens sind selten größere Eroberungen gemacht worden als mit Hilfe der
französischen Bajonette in Ägypten. Die ägyptische Baukunst
[* 24] ward jetzt erst in ihrer ganzen Größe erkannt,
und der Schleier lüftete sich, der bisher über einem großen Teil der Geschichte und Geographie dieses Landes geruht hatte.
Die wissenschaftlichen Resultate der Expedition sind niedergelegt in der »Description de l'Égypte,
ou Recueil des observations et des recherches pendant l'expédition de l'armée française« (1809-13; 2. Ausg.
1820-1830, 26 Bde. und 12 Bde.
Kupfertafeln). Vgl. Ader,
¶
mehr
Histoire de l'expédition d'Égypte et de Syrie (Par. 1826; deutsch, Quedlinb. 1827);
nach der griech. Mythe Sohn des Belos und der Anchinoe oder Amhirrhoe, Zwillingsbruder des Danaos, Eroberer
des Landes der Melampoden (»Schwarzfüßler«),
König von Israel, Sohn des Omri, folgte diesem 875 v. Chr. auf dem Thron
[* 26] und behauptete die von seinem Vater erworbene
Machtstellung. Mit Tyros stand er in freundschaftlicher Verbindung und vermählte sich mit Isebel, der Tochter
König Ethbaals; auch mit dem ReicheJuda knüpfte er ein Familienbündnis an, indem er seine Tochter Athalja mit König Jehoram
verheiratete. Er herrschte über die Moabiter und Ammoniter, besiegte in mehreren Schlachten
[* 27] den König Benhadad von Damaskus
und wehrte mit diesem vereint 854 einen Angriff der Assyrer ab. Er beförderte den Handelsverkehr, legte
Städte an und baute sich auf einer Anhöhe in der EbeneJesreel einen prächtigen Palast, das »elfenbeinerne Haus«.
(Hogarland), das Stammland der Tuareg in Nordafrika, zwischen den LandschaftenTuat, Fezzan und Air, bildet eins
der drei mächtigen Erhebungssysteme der Sahara, ist bis jetzt nur nach den auf Erkundigungen beruhenden Mitteilungen Barths
und Duveyriers bekannt. Es wird als ein achtes Alpenland geschildert, mit langen, zerklüfteten Bergketten und prachtvollen
Thälern.
(Antiochianer), Bezeichnung der Verfechter des Jus territoriale circa sacra, d. h. der unumschränkten Gewalt
des Landesfürsten in kirchlichen Dingen, von welcher einst die KönigeAhas und Antiochos abschreckende
Beispiele gaben.
Vorzüglich wurden Hobbes, der in dem Buch »De cive« solche Macht in die Hand
[* 30] der Fürsten legt, und seine Anhänger
Ahasiten genannt.
(Königlich-Ahlbeck und Adlig-Ahlbeck), zwei Dörfer im preuß. Regierungsbezirk Stettin,
[* 32] Kreis
[* 33] Usedom-Wollin, an der Ostsee, 5 km
nordwestlich von der Bahnstation Swinemünde, mit besuchtem Seebad (jährlich über 2000 Badegäste) und (1880) 1030 Einw.
geb. zu
Stedten bei Weimar,
[* 35] trat, kaum 16 Jahre alt, anonym mit ihrem Erstlingsroman: »Liebe und Trennung« (Weißenf.
1797),
auf, verheiratete sich 1798 mit dem schleswig-holsteinischen Gutsbesitzer Rudolfv. Ahlefeld und ließ 1799 ihren zweiten
Roman: »MariaMüller«, folgen, der lange Zeit ein Lieblingswerk, namentlich für die Frauenwelt, blieb. Nachdem sie sich 1807 von
ihrem Gatten getrennt, lebte sie in Schleswig,
[* 36] seit 1822 in Weimar und starb auf einer Badereise
in Teplitz. Ihre schriftstellerische Laufbahn hatte sie bereits 1832 mit dem Roman »Der Stab
[* 37] der Pflicht« taktvoll geschlossen.
Von ihren zahlreichen Romanen, die sich besonders durch feine Lebensbeobachtung und Leichtigkeit der Darstellung
auszeichnen, verdienen noch der Erwähnung: »Die Stiefsöhne« (Altona
[* 38] 1810);
Elisa Davidia Margareta, Gräfin, seit 1810 Gemahlin des Freikorpsführers v. Lützow, geb. auf
Langeland, begleitete ihren Gemahl zur Bildung des Freikorps nach Breslau
[* 39] und dann auch in das Feld, wo sie
die Verwundeten aufopfernd pflegte. Im Frieden aber gingen die Neigungen des soldatischen Mannes und der schöngeistigen Frau
auseinander; infolge des Verhältnisses der letztern zu Immermann trennte man sich auf LützowsVorschlag. Mit Immermann lebte
die Gräfin in einem Landhaus zu Derendorf bei Düsseldorf,
[* 40] lehnte aber die Vermählung mit ihm entschieden
ab. Nach Immermanns anderweitiger Verlobung trennte sie sich von ihm und lebte bis an ihr Ende zu Berlin
[* 41] im Verkehr
mit Männern der Kunst und Wissenschaft.
Stadt im preuß. Regierungsbezirk Münster, KreisBeckum, an der Werse und an der LinieBerlin-Hannover-Köln
der Preußischen Staatsbahn, mit Amtsgericht, drei Kirchen, Fabrikation von verzinnten und emaillierten Kochgeschirren, Plüschweberei,
Strontianitbergbau und (1880) 3914 meist kath. Einwohnern.
deren Grammatik er schrieb (»Wotisk grammatik«,
Helsingf. 1855),
und bereiste 1853-58 Nordrußland und Sibirien zu sprachwissenschaftlichen Forschungen, deren Ergebnis er in
dem »Versuch einer mokscha-mordwinischen Grammatik« (Petersb. 1862) und den beiden Werken: »Die Kulturwörter der westfinnischen
Sprachen« (das. 1871, deutsch 1875) und »Über
die Sprache der Nordostjaken« (Helsingf. 1880 ff.)
niederlegte;
die Beschreibung der Reise selbst erschien in finnischer Sprache: »Muistelmia matkoilta Wenäjällä ruosina« (das.
1860).
»The divans of the six ancient Arabic poets« (Lond.
1870) u. a. Auch lieferte er ein Verzeichnis arabischer Handschriften der königlichen Bibliothek zu Berlin (Greifsw. 1871).
Bezirk der indobrit. PräsidentschaftBombay,
[* 52] im Land Gudscharat, breitet sich am Golf von Cambay und im N.
desselben zu beiden Seiten des Flusses Sabarmati aus und zählte 1881 auf 9897 qkm (180 QM.) 856,324 Einw.
Das fruchtbare Land ist einer der frühsten Sitze der sich nach S.
verbreitenden arischen Kultur gewesen, hat aber seit 1000 n. Chr.
vielfache Verwüstungen erdulden müssen. - Die gleichnamige Hauptstadt, am linken Ufer der Sabarmati,
zählt (1881) 127,621 Einw. (86,544 Hindu, 27,124 Mohammedaner, 12,027 Dschaina, 848 Christen).
Schah, Begründer des Reichs der Afghanen oder Durani, geboren um 1724, Sohn des Seman Chan
aus dem Stamm der Abdali, ward von NadirSchah in seine Leibgarde aufgenommen und begleitete denselben als Stabträger (Asaberdar)
auf seinen Feldzügen. Nach NadirSchahs Ermordung (1747) kehrte er nach Afghanistan
[* 54] zurück und ward auf einer Versammlung der
Häuptlinge zum Herrscher dieses Landes erleben. Er nahm den Ehrennamen DorDoran (»Perle der Zeit«) an,
nach welchem sein ganzer Stamm sowie die Afghanen überhaupt Durani genannt wurden. Er unterwarf 1748 die Gildschi, eroberte
Ghasni, Kabul, Dschelalabad, besetzte Lahor und Multan und zwang den Statthalter des Pandschab zur Tributzahlung.
Maß, welches angibt, wie tief ein Schiff
[* 58] im Wasser geht. Es ist am Vorder- und Hintersteven angebracht und besteht
aus einer in Fuße oder Meter eingeteilten senkrechten Skala.
JohannFranz, namhafter Schulmann, geb. zu Aachen,
[* 59] widmete sich anfangs dem Kaufmannsstand und demnächst
dem Studium¶
mehr
der Mathematik und der neuern Sprachen. Nach kurzer Amtsführung als Katastergeometer (1822) und als Lehrer der neuern Sprachen
am Gymnasium zu Aachen (1824-26) leitete er längere Zeit eine von ihm begründete realistische Privatanstalt und trat nach
deren Auflösung 1843 als Lehrer an der mit dem Gymnasium verbundenen Realschule in Neuß
[* 61] ein. Im J. 1863 in
den Ruhestand versetzt, starb er Seinen ausgebreiteten Ruf verdankte Ahn seiner litterarischen Thätigkeit und ganz
besonders seinem »PraktischenLehrgang zur schnellen und leichten Erlernung der französischen Sprache« (1. Kursus, Köln
[* 62] 1834, 206. Aufl.
1883; 2. Kursus, das. 1840, 47. Aufl. 1881). Die von
Ahn befolgte und nach ihm benannte Methode gehört nicht ihm ursprünglich an, vielmehr ist sie eine Weiterbildung der von
dem Rektor Seidenstücker (gest. 1817 zu Soest)
[* 63] in seinen Elementarbüchern zur Erlernung der französischen, lateinischen
und griechischen Sprache angewendeten Methode, nach welcher von Beispielen ausgegangen und erst nachher die Regel
gegeben wird.
Die Ausführung dieser richtigen Grundanlage wird in den Ahnschen Lehrbüchern durch die übermäßige Häufung von auswendig
zu lernenden Wörtern beeinträchtigt. Die Lehrbücher von Ploetz (s. d.) u. a.,
welche diesen Fehler vermieden, haben dieselben allmählich verdrängt. In ähnlicher Weise wie die französische behandelte
Ahn die englische, italienische, holländische Sprache. Auch für angehende Kaufleute schrieb er sprachliche
Lehrbücher.
(althochd. ano, mittelhochd. an), im
engsten Sinn s. v. w. Großeltern, dann überhaupt Vorfahren. Der Beweis der Ahnen (Ahnenprobe) war eine wichtige Institution des
auf die Geburtsstände begründeten germanischen Rechts. Die aus nicht ebenbürtiger Ehe hervorgegangenen Kinder waren in verschiedenen
Beziehungen ungünstig gestellt, namentlich succedierten sie nicht in die Lehen. Nur der Sohn war ebenbürtig,
dessen Vater und Mutter aus ebenbürtiger Ehe hervorgegangen waren.
Der Sachsenspiegel schreibt daher durchweg den Beweis von vier Ahnen, also der beiden Großelternpaare, vor. Auch für das Kampfgericht
war die Ahnenprobe erforderlich, weil jeder nur seinen Genossen kämpflich ansprechen konnte. Unter der
Herrschaft des Sachsenspiegels waren diese Verhältnisse so streng geordnet, daß die mit einem Dienstweib erzeugten Kinder
eines freien Herrn den Adel, die mit einer Bauerntochter erzeugten Kinder eines Ritterbürtigen den Heerschild (s. d.) verloren.
Etwa von 1400 an wurde dies Recht laxer gehandhabt. Schon König Ruprecht erteilte Befreiungen vom Zwang der
Ebenbürtigkeit. Durch die Begründung des nicht feudalen Briefadels verlor die Ahnenprobe viel von ihrer frühern Bedeutung,
anderseits aber wurde von dem Lehnsadel, um die »neugebackenen« Edelleute
von den Orden,
[* 64] Domstiftern, Ritterspielen etc. auszuschließen, eine immer strengere Ahnenprobe
(zu 8, 16 und 32 ebenbürtigen Ahnen) eingeführt. In Schlesien
[* 65] und in der Lausitz galt bis in die neueste
Zeit nur der »vierschildige«, d. h. der von
vier ebenbürtigen Geschlechtern abstammende, Edelmann als vollberechtigt.
Wer an den vier Ahnen Mangel litt, konnte keinen rechten Edelmann an Ehren verletzen, nicht gegen denselben Zeugnis ablegen; er
war in keinem Ehrenhandel zu brauchen, kurz er war der adligen Privilegien nicht teilhaftig. Jedes
Fürstentum der genannten Provinzen hatte eine Ritterbank, die von dem Fürsten, resp. dem Landvogt mit einem Marschall und zwölf
Beisitzern besetzt wurde; außerdem fungierte bei dem Ritterrecht ein
Herold. Vor diesem Gerichtshof wurden die Ahnen erprobt und
Ehrenhändel im Zweikampf ausgefochten.
Die Probenden führten die gemalten Schilde ihrer vier Ahnen vor, welche von Angehörigen der betreffenden
vier Geschlechter beschworen werden mußten. Die schlesische Ahnenprobe war also eine rein heraldische. Im übrigen Deutschland
[* 66] bediente man sich bei den Ahnenproben der Ahnentafel (s. unten), in welcher sämtliche zu beweisende
Ahnen mit Vor- und Zunamen sowie dem richtigen Wappen
[* 67] aufgeführt und die Filiation urkundlich nachgewiesen
sein mußte. Unter der Filiationsprobe versteht man nämlich den Nachweis, daß alle in der Ahnentafel als Ehegatten aufgeführten
Personen in rechtsgültiger Ehe gelebt haben, und daß die in der Ahnentafel aufgeführten Kinder ehelich erzeugt sind.
Hierzu mußte dann noch der Beweis der Ritterbürtigkeit kommen. Als Beweismittel wurden neben den Kirchenbüchern
auch Grabsteine, Leichenpredigten und das eidliche Zeugnis zweier Edelleute angenommen. Da diese Ahnenproben den Weg in die
reichen Pfründen der Domkapitel und der adligen Stifter bahnten, hielten vorsichtige Väter oder Freier noch im vorigen Jahrhundert
sehr darauf, sich nach den Ahnen des andern Teils zu erkundigen, ehe sie sich in ein Eheverlöbnis einließen.
Mit der Säkularisierung der Kirchengüter im Anfang des 19. Jahrh. verloren die Ahnenproben den letzten Rest ihrer
rechtlichen Bedeutung. Nur für den Eintritt in das Domkapitel zu Olmütz,
[* 68] für den preußischen Johanniter-, den Deutschen, Malteser-,
den bayrischen St. Georgs- und einige andre Orden sowie für die Kammerherrenstellen ist heute noch eine
Ahnenprobe erforderlich.
Unter Ahnentafel, vom Stammbaum (s. d.) wohl zu unterscheiden, versteht man eine Aufstellung der väterlichen und mütterlichen
Ahnen einer bestimmten Persönlichkeit nach folgendem Schema:
Dies würde eine Ahnentafel zu vier Ahnen sein. Wird dieselbe noch weiter zurückgeführt, so entstehen Ahnentafeln
von 8, 16, 32, 64 u. s. f. Ahnen, da sich durch Hinzufügung einer weitern Generation die oberste Ahnenreihe immer verdoppelt.
Mit der Beseitigung der exklusiv adligen Domkapitel im Anfang dieses Jahrhunderts (nur das erzbischöfliche
oder Metropolitan-Domkapitel von Olmütz nimmt auch jetzt noch bloß Edelleute auf) haben die Ahnentafeln ihren eigentlichen
praktischen Zweck verloren.
Arvid, schwed. Litterarhistoriker, geb. zu
Lund, studierte daselbst, später in Upsala
[* 69] und that dann Dienst auf der königlichen Bibliothek zu Stockholm,
[* 70] widmete sich aber bald ausschließlich der Schriftstellerei, indem er Hauptmitarbeiter des »Aftonblad«
wurde. Seit 1881 ist erRedakteur einer politischen Zeitschrift: »Ur Dagens Krönika« (»Aus der Chronik des Tags«). Litterarisch
bekannt machte ihn das Werk »Verldliteraturens historia« (Stockh.
1874-76), eine Geschichte der Weltlitteratur, welche sich an die bekannten Arbeiten von Scherr u. a. anlehnt,
die heimische Litteratur aber durchaus selbständig behandelt hat. Außerdem veröffentlichte Ahnfeldt litterarhistorische
Monographien von originaler Gründlichkeit, so über Almquist (Stockh. 1876), Rääf (das. 1879), Crusenstolpe (das. 1880),
Palmer (das. 1880), ferner noch eine Biographie des Landesbischofs Thomander (das. 1876), eine
¶
mehr
kulturgeschichtliche Arbeit auf Grund archivalischer Forschungen: »Ur svenska hofvets och aristokratiens lif« (das. 1880-83,
Bd. 1-6),
und schließlich ein Künstlerlexikon (»Europas konstnärer«, das. 1883 ff.).
[* 71] im allgemeinen die Übereinstimmung mehrerer Dinge nach mehreren oder den meisten
ihrer Merkmale, im Unterschied von der Gleichheit oder der völligen Übereinstimmung mehrerer Dinge nach allen ihren Merkmalen.
Je weniger wesentlich die übereinstimmenden Merkmale an den Dingen sind, desto zufälliger ist ihre Ähnlichkeit Unmittelbar in die
Augen fallend ist die Ähnlichkeit nur an gleichartigen Dingen, an nicht gleichartigen läßt sie sich nur auf die
Weise darlegen, daß man dieselben zu einander in vermittelnde Beziehungen setzt, und es ist insbesondere Sache des Witzes und
Scharfsinns, selbst an den heterogensten Gegenständen verborgene Ähnlichkeiten aufzufinden.
Der Begriff der Ähnlichkeit ist vornehmlich in den Naturwissenschaften und in der Mathematik von Bedeutung. Die
Naturbeschreibung geht bekanntlich bei der Klassifikation der in ihren Bereich gehörigen Gegenstände von deren Ähnlichkeit oder der
im Bau ihrer Organe sich kundgebenden Übereinstimmung aus; die physiologischen und physikalischen Wissenschaften aber suchen
mit Hilfe der zwischen den Äußerungen der verschiedenen Naturkräfte stattfindenden Ähnlichkeit (Analogie) die
diese bedingenden allgemeinen Naturgesetze zu erkennen. Die Ähnlichkeit, welche die Abkömmlinge der Tier- und Pflanzenarten untereinander
und mit ihren Erzeugern besitzen, ist bezüglich ihrer Ursachen in der neuesten Zeit vielfach Gegenstand wissenschaftlicher
Untersuchungen geworden. Die Darwinsche Lehre
[* 74] von der Entstehung und Abänderung der Arten und die genauere Bestimmung der
Vererbungsgesetze haben in dieser Beziehung wichtige und unerwartete Resultate geliefert. - In der Mathematik versteht man
unter Ähnlichkeit die Übereinstimmung von Figuren hinsichtlich ihrer Form und ohne Rücksicht auf ihre Größe.
Das Zeichen der Ähnlichkeit ist ~ (ein liegendes s, v. lat. similis, »ähnlich«).
Die Geometrie lehrt, daß ebene Vielecke
[* 75] ähnlich sind, wenn sie gleich viel einander paarweise entsprechende
(ähnlich liegende) Seiten haben, und wenn alle Seiten des einen mit den entsprechenden des andern in Bezug auf ihre Größe
in demselben Verhältnis stehen, so daß, wenn eine Seite der einen
[* 71]
Figur 2-, 3-, 4 etc.
mal so groß ist als die entsprechende der andern, auch jede der übrigen Seiten in der einen
[* 71]
Figur
2-, 3-, 4 etc. mal so groß sein muß als die entsprechende der andern.
Ferner sind die Winkel
[* 76] zwischen entsprechenden Seiten und Diagonalen in beiden Figuren gleich groß, und die Flächen der beiden
Figuren verhalten sich wie die Quadrate der entsprechenden Seiten. Verhalten sich also die Seiten der einen
zu denen der andern wie 2:5, so stehen die Flächen in dem Verhältnis 4:25. Man kann zwei ähnliche ebene Polygone, z. B. die
Fünfecke ABCDE und
A'B'C'D' (s. Figur), immer so legen, daß sich die Verbindungslinien entsprechender
Punkte, A A', B B' etc., alle in einem Punkt S schneiden, dem Ähnlichkeitspunkt.
Die entsprechenden Seiten AB und A'B', BC und B'C' etc. sind dann parallel, und die Abstände vom Ähnlichkeitspunkt, SA und
SA', SB und SB' etc., verhalten sich wie zwei entsprechende Seiten AB und AB'. Die beiden Figuren liegen
dann ähnlich. Zwei ähnliche Polygone lassen sich immer auf zweierlei Art in ähnliche Lage bringen, einmal so, daß die entsprechenden
Punkte A und A', B und B' etc. von S aus nach einerlei Richtung liegen (vgl. I und II in der
[* 71]
Figur), dann aber auch so, daß
SA und SA', SB und SB' etc. entgegengesetzte Richtung haben (I und III in der
[* 71]
Figur). Im erstern Fall ist
S der äußere, im letztern der innere Ähnlichkeitspunkt der Vielecke. Da jede krummlinige
[* 71]
Figur sich mit beliebiger Annäherung
als ein Polygon von sehr vielen Seiten betrachten läßt, so ist der Begriff der Ähnlichkeit auch auf Kurven anwendbar,
und es sind beispielsweise zwei Kreise
[* 77] immer als ähnlich und ähnlich liegend zu betrachten; auch zwei Parabeln sind immer
ähnlich, zwei Ellipsen aber nur dann, wenn ihre Achsen in gleichem Verhältnis stehen.
Ähnliche Körper sind solche, welche von einer gleichen Anzahl der Reihe nach ähnlicher, zu einander
gleich geneigter, ebener Figuren in derselben Ordnung begrenzt sind. Analog wie auf Kurven läßt sich der Begriff der Ähnlichkeit auch
auf krummflächig begrenzte Körper ausdehnen, und es sind z. B. zwei Kugeln stets ähnlich. Auch die ähnliche Lage und die
Ähnlichkeitspunkte sind für ähnliche Körper vorhanden. Die Oberflächen solcher Körper verhalten sich
wie die Quadrate, die räumlichen Inhalte derselben wie die Kuben entsprechender Linien. Wenn also die Seiten eines Oktaeders
viermal so groß sind als die eines andern ihm ähnlichen, so ist die Oberfläche des ersten 16mal so groß als die des zweiten
und der Inhalt des ersten 64mal so groß als der des andern.
in der klassischen Litteraturperiode allgemein, aber falsch, Ahndung geschrieben, im weitern Sinn jede Erwartung
zukünftiger Ereignisse, die sich auf (sei es objektive, sei es subjektive) unbewußt bleibende Gründe stützt. Liegt dabei
der Grund der Erwartung in der Beschaffenheit des Erwarteten, z. B. in dessen Ähnlichkeit mit an uns oder an
andern gemachten Erfahrungen und in der wohlbegründeten Voraussetzung, daß sich unter ähnlichen Umständen Ähnliches wieder
ereignen werde, so ist die vermeintliche Ahnung nichts weiter als ein Analogieschluß und unterscheidet sich von der
gewöhnlich mit obigem Namen bezeichneten Verstandesoperation lediglich durch den Umstand, daß er sich
ohne unser Wissen um ihn (unwillkürlich) vollzieht, besitzt daher auch, wie jene, nicht mehr und nicht weniger Anspruch auf
Verläßlichkeit, als die Natur der Vordersätze, aus welchen er gezogen wird, erlaubt. Ahnungen dieser Art (objektive) können
zwar für ein Vorherwissen, d. h. (unbewußtes) Erschließen des Zukünftigen
aus dem Vergangenen, gelten, haben als solches aber durchaus nichts Wunderbares. Liegt dagegen der Grund der Erwartung in der
Beschaffenheit des Erwartenden, z. B. in dessen bleibender oder augenblicklicher (heiterer
oder trüber) Gemütsstimmung, so ist die vermeintliche Ahnung nichts weiter als eine durch diese letztere
¶