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bewohnt. Auch Nubien, Kordofan, Taka und Abessinien sind spärlich bevölkert; erst die Gallaländer und die Negerländer am Weißen Nil zeigen dichtere Menschengürtel. Sehr spärlich ist die ganze Südspitze vom 10.° südl. Br. an bevölkert. Auf 1 qkm kommen in Nordafrika 1,6, in Nordostafrika 7, im mittlern Sudân 18,5, im westlichen Sudân 22 und in Südafrika [* 2] 4 Menschen, endlich in ganz Afrika, [* 3] dessen Bevölkerung [* 4] auf rund 210½ Mill. berechnet wird (s. unten), durchschnittlich 7 Menschen (vgl. auch die Karte »Bevölkerungsstatistik«). [* 4]
So verschieden die Völker Afrikas auch sind, gewisse gemeinsame Grundzüge lassen sich bei den meisten erkennen, wenn auch diese vielfach variiert sind, so die Verzierungen des Körpers (Tättowierung), das Ausbrechen oder Spitzfeilen der Zähne, [* 5] die Beschneidung, das Verzieren der Lippen und Ohren, die kindische Freude am Putz durch Schnüre von Glas- und Eisenperlen, Arm- und Beinringe, der Haupthaarputz u. a. Nur das kältere Gebirgsklima nötigt den Afrikaner zum Anlegen von Kleidern. Der Waffenluxus ist besonders im Sudân zu Hause, doch steuert ihm die allmähliche Verbreitung des Feuergewehrs. Der Hausbau ist nur im Sudân höher entwickelt. Gemeinhin bestehen die Häuser aus einfachen Lehmhütten (Tokuls).
Wo der Charakter der Neger in seiner Ursprünglichkeit sich erhalten findet, da ist er schnell leidenschaftlich zu erregen, aber ebenso rasch wieder zu besänftigen, kindlich, ja kindisch, ausgelassen fröhlich, bei großer Bedürfnislosigkeit meist träge, wenigstens nirgends den Wert der Zeit kennend. Ein andrer wird er durch die Not und den Druck, vor allem aber ist er durch den Sklavenhandel verderbt; dieser macht ihn nicht nur habsüchtig (der Vater verkauft wohl Mutter und Kind, um ein buntes Lendentuch oder eine Schnur Perlen einzutauschen), sondern auch grausam und tückisch.
Überall bleibt ihm aber, die gedrücktesten Stämme vielleicht ausgenommen, seine ausgelassene Fröhlichkeit; mit Tanz, Gesang und Musik verbringt der Neger die Nächte, unbesorgt um den andern Tag, an dem er sich mit stumpfsinniger Gleichgültigkeit hinschlachten oder in die Sklaverei führen läßt. Was die Familienverhältnisse anlangt, so herrscht fast durch ganz Afrika Polygamie; meist zeugt die Zahl der Frauen für den Reichtum des Mannes, denn die Frau wird gekauft und ist meist Sklavin und Lasttier des Mannes, wenn es auch bei einigen Bantuvölkern Ausnahmen gibt, wo die Frauen eine bevorzugte Stellung einnehmen.
Unter den Negervölkern gilt als verbreitetes Erbfolgegesetz, daß nach dem Tod eines Häuptlings nicht sein Sohn nachfolgt, sondern der Bruder oder der Schwestersohn des Verstorbenen. Die Sklaverei ist eine uralte Institution; die meisten Sklaven sind aber Kriegsgefangene, oder sie sind gestohlen, selten wegen Verbrechen verkauft. Diese große Unsicherheit der Existenz hat unter den Negern zur Blutbrüderschaft geführt, welche fast noch engere Bande zieht als die Familie.
Religion. Den wesentlichen Anteil an der blutgierigen Grausamkeit vieler Negervölker haben ihre religiösen, mit dem wunderlichsten Aberglauben vermischten Vorstellungen. Wo nicht der Islam und an einigen Punkten das Christentum Eingang gefunden haben, herrscht fast überall roher Fetischdienst mit Glauben an Zauberkünste und Hexerei. Einigen Völkern scheint jede religiöse Vorstellung, jede Ahnung von einer Fortdauer des Daseins zu fehlen, so den Buschmännern; dagegen schlachten die Kaffern den Geistern ihrer Vorfahren (Amahlozi), die sie unter der Gestalt unschuldiger Hausschlangen zu sehen glauben, Opfer.
Diese Verehrung Verstorbener finden wir als einen hervorragenden gemeinsamen Zug des religiösen Lebens durch alle entwickelten Negervölker durchgehen, er spricht sich in der allgemein verbreiteten Sorge um die Leichname der Verstorbenen und deren Gräber aus. Verbunden mit dem Glauben an eine Fortdauer nach dem Tod, finden wir darin eine Erklärung vieler Züge der Grausamkeit, des Hinschlachtens von Sklaven, selbst der Frauen, des Mitgebens von Speise und Trank etc., damit der Gestorbene gleich nach dem Tod wieder königlich bedient werde.
Tausende folgen so freiwillig und unfreiwillig dem gestorbenen König von Dahomé in den Tod. Zum Glauben an Einen Gott hat sich kein Negervolk aus sich erhoben, wohl aber die Galla; wo religiöser Glaube herrscht, da sind dessen Gegenstände gute und böse Geister, die unter der Gestalt von Tieren und Götzenbildern aller Art verehrt werden. Der Balonda verehrt die Kuh; Fetisch ist in Whydah die giftige Abgottsschlange (Vipera Idolum), in Abomê der Tiger (Leopard), [* 6] bei den Aschanti das Krokodil.
Man bringt mannigfache Opfer, selbst Menschenopfer. Die Verehrung geschieht bei den Marghi in heiligen Hainen, bei den Congonegern unter großen Bäumen, an der Sklavenküste selbst in Tempeln. Religiöse Feste werden bei vielen zur Zeit des Neumonds veranstaltet und mit Tanz und Musik begangen. Bei dem Schlangentempel von Whydah gibt es Priester und Priesterinnen zum Dienste [* 7] des Fetisches. Die Priester sind zugleich Ärzte, Wahrsager und Zauberer, wenigstens Regenmacher.
Kaffern und Hottentoten haben zwar keine eigentlichen Priester, aber sogen. Regenmacher, zu denen sie zur Zeit der Regenlosigkeit ihre Zuflucht nehmen. Jede Krankheit, jeder Todesfall wird der Hexerei übelwollender Feinde zugeschrieben und der Priester zu Rate gezogen, um den Zauber zu lösen oder den Thäter zu entdecken. Der Angeklagte muß sich dem Gottesurteil unterwerfen, indem er einen Gifttrank genießt; ist er reich, so gibt ihm der bestochene Priester einen unschädlichen, ist er arm, so ist er meist dem Tod verfallen.
Diesem wilden, grausamen Heidentum gegenüber bewirkt der Islam einen mächtigen Fortschritt in der Gesittung und Bildung der Neger. Er mildert die Sitten und bringt mannigfache Elemente einer höhern Kultur unter die Schwarzen; von Tag zu Tag wächst sein Einfluß, nimmt die Zahl seiner Verehrer zu. Doch hat sich mitten im Sudân, wo schon lange der Mohammedanismus herrschend ist, noch mannigfacher Aberglaube erhalten; der Glaube an Talismane, an Erstehen von Regen ist allgemein verbreitet. Der Islam ist über den ganzen Norden [* 8] des Kontinents, dann im Sudân und in Ostafrika verbreitet. Innerafrika ist noch im Heidentum versunken. Christen sind die Kopten [* 9] in Ägypten [* 10] und die Abessinier (Monophysiten). In Südafrika hat das Christentum noch nirgends durchgegriffen. Tiefer eingedrungen ist es in Madagaskar. [* 11] Statistische Angaben s. bei der Karte »Bevölkerungsstatistik«. [* 4]
Gewerbe und Handel. Alle Arten der Lebensweise, von der des Jagdvolks aufwärts, sind in Afrika vertreten. Die Jagdvölker stehen am tiefsten, haben die ärmste Sprache [* 12] und nur im Fang der Tiere, im Auffinden eßbarer Wurzeln eine der tierischen gleiche Scharfsichtigkeit, keinen staatlichen Verband. [* 13] Hierher gehören die Buschmänner und viele Völker des zentralen Kerns. Die nomadischen ¶
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Hirtenvölker leben von Viehzucht, [* 15] Jagd und teilweise auch von Krieg und Raub; zu ihnen gehören die räuberischen Kaffern, Masai, Somal, Galla, der Schrecken ihrer Nachbarn, die Tuareg der Wüste, aber auch die Dama und Namaqua und ein großer Teil der Fulbe. Ihr Hauptreichtum sind Rinderherden und Herden von Kleinvieh, im N. Kamele [* 16] und Pferde. [* 17] Die Halbnomaden, wie die Schua (Araber) im Sudân, ziehen in der trocknen Zeit mit ihren Herden umher und bebauen zur Regenzeit das Feld, wenigstens durch Weiber und Kinder.
Dies sind die Bewohner der Wüsten und Steppen. Ein großer Teil der Bevölkerung lebt aber von Ackerbau, der oft mit Viehzucht verbunden wird. Es sind meist friedfertige Völker, die mit den Nachbarn im Frieden, aber freilich unter sich oft im Streit über Mein und Dein leben. Wo Ruhe und passende Weide, [* 18] finden wir auch hier das Rind [* 19] und Kleinvieh, darunter Schweine [* 20] und Geflügel. Bei einigen Völkern bilden nur Hühner [* 21] und Hunde [* 22] den Haustierstand. Die verschiedenen Hirsearten, Durra, Dochn, Mais und Maniok sind mit der Erdnuß die wichtigsten und verbreitetsten Pflanzen des tropischen Afrika. Nur im S. und N. findet auch Anbau des europäischen Getreides statt.
Von Industriezweigen finden wir fast überall die Töpferei; nicht so allgemein verbreitet ist die Kunst, Häute zu gerben und zu verarbeiten, wohl aber die, Matten zu flechten. Der Kordofaner wie der Batoka, der Ovampo und der Bewohner des Sudân wissen aus Erzen auf die einfachste Weise treffliches Eisen [* 23] und Stahl zu gewinnen und zu verarbeiten, ebenso der Ovampo u. a. das Kupfer, [* 24] der Bewohner der Goldküste das Gold. [* 25] Der kunstreiche Schmied steht überall in hoher Achtung.
Dagegen ist die Weberei [* 26] und Färberei nur auf einzelne Gegenden beschränkt; berühmt ist Kano im Sudân durch Weberei, Färberei, feine Lederwaren, geschätzt die Goldschmiedearbeit der Aschanti, und vielfach wird die einheimische Baumwolle [* 27] verarbeitet. Schweinfurth unterscheidet mit Rücksicht auf die Gewerbthätigkeit der afrikanischen Eingebornen drei Kulturzweige auf dem Kontinent. Der erste, das Gebiet der Feuerwaffen, umfaßt die Küstenlandschaften und reicht namentlich im N. ziemlich tief ins Binnenland hinein.
Seine Bewohner stehen in mehr oder weniger regem Verkehr mit Europäern und erhalten von diesen ihre Bedürfnisse. Tiefer im Innern ist die zweite Region, die der europäische Markt durch Vermittelung des Eingebornenhandels nur noch mit Baumwollzeugen zur Kleidung der Einwohner zu versorgen vermag. Hier regt sich die Industriethätigkeit. Im innersten Zentralkern des Kontinents breitet sich das dritte, von jeder mittelbaren oder unmittelbaren Berührung mit der europäischen Welt intakt gebliebene Gebiet aus, dessen Bewohner Kleidung aus Rindenzeugen und Fellen gebrauchen. Je größer die Fortschritte, meint Schweinfurth, gewesen, welche hin und wieder ein afrikanisches Volk auf der Bahn der äußern Gesittung gemacht, um so geringfügiger habe sich dessen eigne Produktionskraft gestaltet; durch die europäische Industrie sei jede Regung des angebornen Nachahmungstriebs bei den Afrikanern erstickt.
Der Handel folgt im Innern bestimmten Wegen und wird durch Karawanen betrieben; so fördert der Tibbu, der Kelowi, der Kaufmann von Ghadames, der Mosabite die Waren Europas ins Innere des Sudân, dessen Erzeugnisse er dagegen nach N. führt. In Oberguinea [* 28] vermittelt der Mandinka den Verkehr mit den Innern. Von Congo aus gehen die Karawanen der einheimischen Pombeiro ins Innere, von Sansibar [* 29] aus die der Araber und der einheimischen Wanjamuesi. An den Küsten finden wir Kaufleute aller europäischen Nationen zerstreut, an der Ostküste selbst indische Banjanen. Im nördlichen und mittlern Afrika ist Salz, [* 30] das in großen Mengen in der Sahara gewonnen und auch aus Europa [* 31] eingeführt wird, ein wichtiger Handelsartikel; für die Ausfuhr nach Europa kommen namentlich in Betracht das zur Seifenbereitung benutzte Öl von der Ölpalme und Palmenkerne, vorzugsweise an der Küste von Kap Palmas bis zum Nigerdelta gewonnen, weiter südwärts Kopalharz, aus dem Innern Elfenbein, endlich Straußenfedern, Diamanten (vom Kapland), Gold, Kaffee, Farb- und Schmuckhölzer u. a. Das Kapland, Ägypten und Algerien, [* 32] wo Europäer seit langem herrschend geworden, führen die verschiedensten Kolonialprodukte aus, vor allen Wolle, Baumwolle und Getreide, [* 33] die Maskarenen Zucker. [* 34] Am umfangreichsten wird aber der Sklavenhandel durch ganz Afrika getrieben.
Manche der heidnischen Negerfürsten verkaufen Unterthanen oder machen jährlich ihre Sklavenjagden in die Nachbargegenden, und das thun selbst die mohammedanischen Bewohner des Sudân wie die von Bornu und Bagirmi, für welche Sklavenfang der Haupterwerb ist, und die Ägypter in den obern Nilländern. Reich angebaute und bevölkerte Gegenden veröden durch diese Razzias, und es wird dadurch der Sklavenhandel zu einem Haupthindernis einer fortschreitenden Entwickelung der Neger.
Außer den Kriegsgefangenen werden aber auch viele gestohlen, ältere Leute wie Kinder; manche werden von den Angehörigen verkauft. Der Kleinhandel findet sich überall entwickelt, bei jedem Negerdorf gibt es einen Markt, auf dem die Bedürfnisse des Lebens verkauft werden. Mannigfach sind die Münzen [* 35] des Landes, in vielen Gegenden Salztafeln (Südsudân, Abessinien), Muscheln [* 36] oder Kauris, Baumwollzeugstreifen, Glasperlen, an der Goldküste selbst Goldstaub; Geld in den Mittelmeerländern, den Kolonien und Abessinien, wo die Mariatheresienthaler gelten. Der Handel bildet die Hauptquelle der Einnahme der Häuptlinge; überall wird Zoll erhoben, sei es in Waren oder in Sklaven, und an den östlichen Küsten auch in Geld; ja, selbst Brückenzoll mußte Livingstone tief im Innern entrichten.
Die Wege der Karawanen, die unter dem Schutz, oft unter dem Geleit der Fürsten stehen, sind durch Wasser- und Weidevorkommen von der Natur vorgezeichnet. Von Ägypten, Tripolis, Südalgerien, Marokko führen sie nach S., wo Kano und Timbuktu Hauptemporien des Handels sind, nach denen auch von der Küste Oberguineas Straßenzüge gehen. Von Ägypten aus führt eine Straße durch die westlichen Oasen nach Dar Fur [* 37] und von da westwärts über Wadaï nach Bornu; eine zweite Straße führt über Borgu ebendahin. Am wichtigsten sind gegenwärtig die von Tripolis ausgehenden Straßenzüge, südwärts die zwei Straßen nach Mursuk, südwestlich nach Ghadames. In Südalgerien gehen die Routen von Tuggurt und Ghardina im Lande der Beni Mzab (Mosabiten) über Tuat nach Timbuktu; ebendahin führen die Straßen von Tafilet in Südmarokko und die von Agadîr über Arauan. Andre Straßen führen von W. nach O., auf denen die Pilger nach Mekka wallfahrten, so von Senegambien über Timbuktu, durch die Wüste, Bornu, Wadaï, Dar Fur nach Suakin; die Moslems des Nordens ziehen über Siwah nach Suez. ¶
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Staatliche Einteilung.
I. Einheimische Staaten.
QKilom. | Bewohner | Auf 1 QKil. | |
---|---|---|---|
Ägypten (türkischer Schutzstaat) | 2,900,800 | 16,570,000 | 5.6 |
Tripolis und Barka (Türkei) | 1,033,000 | 1,000,000 | 1.0 |
Marokko | 812,000 | 10,000,000 | 12.3 |
Sahara | 6,180,000 | 2,500,000 | 0.4 |
Sudân und Oberguinea | 3,426,000 | 75,000,000 | 22.0 |
Abessinien | 333,200 | 3,000,000 | 9.0 |
Galla- und Somalländer | 1,897,000 | 15,500,000 | 8.0 |
Äquatorialgebiete | 3,972,000 | 47,000,000 | 12.0 |
Republiken der Boers | 399,329 | 962,578 | 2.4 |
Andre Staaten in Südafrika | 4,700,000 | 24,400,000 | 4.8 |
Madagaskar | 591,900 | 3,500,000 | 6.0 |
Zusammen: | 26,245,229 | 199,432,578 | 7.6 |
II. Kolonien und Besitzungen.
Erworben | Areal QKilom. | Bevölkerung | Jahr | |
---|---|---|---|---|
Großbritannien. | - | - | - | - |
Kapkolonie | 1808-1880 | 628,658 | 1,249,824 | 1881 |
Natal | 1843 | 48,560 | 418,731 | 1883 |
Walfischbai | 1878 | ? | ? | - |
Sierra Leone | 1787 | 2,600 | 60,546 | 1881 |
Gambia | 1588 | 179 | 14,150 | 1881 |
Goldküste | 1872 | 38,850 | 651,000 | 1883 |
Lagos | 1861 | 189 | 87,165 | 1883 |
St. Helena | 1673 | 123 | 5,085 | 1883 |
Ascension | 1815 | 88 | 400 | - |
Tristan da Cunha. | 1815 | 116 | 105 | 1881 |
Mauritius | 1810 | 1,914 | 361,094 | 1883 |
Neu-Amsterdam und St. Paul | - | 73 | - | - |
Seschellen, Amiranten u. a. | 1794 | 742 | 13,391 | 1871 |
Sokotora | 1876 | 3,579 | 10,000 | 1881 |
Zusammen: | - | 725,671 | 2,871,491 | - |
Frankreich. | - | - | - | - |
Algerien | 1830 | 667,065 | 3,310,412 | 1881 |
Senegal | 1637 | 250,000 | 191,608 | 1881 |
Goldküste und Gabun | 1843 | 2800 | 3,000 | - |
Réunion | 1649 | 2,511.6 | 170,458 | 1882 |
Mayotte | 1635-1843 | 366 | 9,907 | 1882 |
Nossi Bé | 1635-1843 | - | 9,009 | 1881 |
Ste.-Marie de Madagascar | 1635-1843 | 293 | 7,287 | 1882 |
Obok | 1881 | 495 | ? | |
Tunis (Schutzstaat) | 1881 | 116,348 | 1,500,000 | |
Zusammen: | - | 1,039,878.6 | 5,201,681 | - |
Portugal. | - | - | - | - |
Madeira | 1419 | 815 | 133,955 | 1882 |
Kapverdische Inseln | 1456 | 3851 | 99,317 | 1879 |
Guinea (Senegambien u. Bissagos, Cacheu, Boloma ^[richtig: Bolama] etc.) | 1447 | 69 | 9,282 | 1873 |
São Thomé, Principe, Ajuda | 1485 | 1116 | 25,537 | 1873-79 |
Angola, Benguela, Mossamedes | 1486 | 809,400 | 2,000,000 | - |
Mosambik, Sofala | 1506 | 991,150 | 350,000 | - |
Zusammen: | - | 1,806,401 | 2,618,091 | - |
Spanien. | - | - | - | - |
Presidios in Marokko | 1580 | 378 | 12,170 | 1883 |
Kanarische Inseln | 1344 | 7272 | 300,874 | 1883 |
Guineainseln etc. | 1778 | 2203 | 31,071 | 1882 |
Zusammen: | - | 9853 | 344,115 | - |
Italien. | - | - | - | - |
Assabbai | 1880 | 632 | 1303 | 1884 |
Kolonien: | - | 3,582,435 | 11,036,681 | - |
Über die Kolonien Deutschlands [* 39] s. Seite 169.
Von dem Gesamtareal Afrikas befindet sich noch weitaus der größte Teil (über 26 Mill. qkm) im Besitz barbarischer oder halbbarbarischer Völker, nur ein verhältnismäßig kleiner Teil (3,6 Mill. qkm) ist in den Besitz europäischer Kulturstaaten übergegangen. Zu dem erstern rechnen wir auch das der Hohen Pforte zu Konstantinopel [* 40] tributäre Ägypten mit seinen ihm heute kaum noch angehörenden Provinzen des Südens: Kordofan, Dar Fur, den Äquatorialprovinzen u. a., sowie die türkischen Wilajets Tripolis und Barka nebst Fezzan;
der einzige selbständige Staat Nordafrikas ist jetzt nur noch Marokko, nachdem Algerien und Tunis in französischen Besitz übergegangen sind.
In der Sahara wohnen nomadisierende Stämme, die es zu einer Staatenbildung nicht bringen konnten. In dem dicht bevölkerten Sudân finden wir aber eine Reihe durch Berber, Neger oder Fulbe gegründeter Despotien von ansehnlichem Umfang; solche sind, von O. nach W. gezählt: Wadaï, Bagirmi, Bornu mit Kanem, Sokoto und Adamáua, Gando, Massina. An sie schließen sich westlich die Reiche Tombo und Mossi, südlich die Negerreiche Aschanti und Dahomé. An der Westküste ist in Liberia [* 41] ein Staat freier Neger durch Nordamerika [* 42] gegründet worden; im O. bildet Abessinien mit Schoa den einzigen christlichen Staat unter den vielen mohammedanischen und heidnischen Reichen. Im Congogebiet sind die Völker auf beiden Ufern des Stroms in zahlreiche kleine Staaten zersplittert; die Beschlüsse der Congokonferenz zu Berlin [* 43] (Dezember 1884 bis Januar 1885) haben hier den Congostaat mit einem ungeheuern Gebiet geschaffen.
Südlich davon nehmen wieder eine Zahl einheimischer Staaten das Innere ein: das Reich des Muata Jamvo und des von diesem abhängigen Cazembe, Kasongos Reich, das Marutse-Mambundareich, das Matabelereich u. a. An der Ostküste und den davorgelegenen Inseln haben die Imame von Maskat das Sultanat Sansibar gestiftet. Die Regierung wird in allen diesen Staaten in mehr oder weniger despotischer Weise geführt, so daß in einigen derselben der Herrscher absoluter Herr über Leben und Eigentum seiner Unterthanen ist und diese Herrschaft zuweilen in rücksichtslosester und grausamster Weise geltend macht.
Eine Beschränkung erfährt dieser Despotismus freilich durch gewisse Gewohnheitsrechte, die selbst der eigenwilligste Tyrann nicht zu mißachten wagt. Wie in Nordafrika, so sind auch in dem zentralen Teil und bis hinunter zum Süden die meisten Reiche durch Eroberung entstanden; daher hat sich häufig infolge des Gegensatzes der Eroberer zu den Unterworfenen ein bevorzugter Stand und damit ein Feudalsystem ausgebildet, das sich jedoch nicht immer gleichmäßig über alle Teile eines Landes erstreckt, indem einige durch freiwillige Unterwerfung ihre ursprünglichen Rechte sich erhielten oder auch durch Vertrag einem Mächtigern sich anschlossen.
Bisweilen besteht die Abhängigkeit nur in einer Verpflichtung zur Heeresfolge, welche allen Freien des Staats obliegt. Sehr weitverbreitet finden wir das wahrscheinlich ursprüngliche, patriarchalische Regiment erblicher Häuptlinge, nicht nur in Stämmen, sogar in Dorfgemeinden, so daß ganze Landstriche am Nil, im Sudân, in Zentralafrika und weiter nach S. ohne größern staatlichen Verband leben. Doch hat zuweilen, wie bei den Hottentoten und den Lundavölkern, äußere Gefahr zu größeren Bundesgenossenschaften geführt. Bei den Hottentoten fand man meist Clanverfassung mit Gerichtsversammlungen der Freien, welche auch bei allen wichtigern Angelegenheiten neben dem Häuptling ein entscheidendes Wort zu sprechen haben. So ist Afrika zum sehr ¶
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großen Teil in zahlreiche kleine Reiche und Gebiete zersplittert, wodurch seine Besetzung durch Europäer ungemein erleichtert wird. Daher konnte englische, französische, in allerjüngster Zeit auch deutsche Herrschaft sich ohne große Schwierigkeiten an den Küsten ausbreiten und im Innern aus vielen kleinen Bruchteilen ein großer Staat geschaffen werden. Von den afrikanischen Inseln bildet allein Madagaskar ein unabhängiges Reich, das in vollkommen despotischer, in neuerer Zeit durch europäische Einflüsse modifizierter Weise regiert wird.
Alle übrigen besitzenswerten großen Inseln sind europäische Kolonien der Portugiesen (Azoren, Madeira, [* 45] Kapverdische Inseln), der Spanier (Kanarische Inseln, Fernando Po), der Engländer (St. Helena, Ascension, Seschellen, Mauritius, Sokotora) und der Franzosen (Mayotte, Nossi Bé, Réunion). Es läßt sich nicht voraussagen, wie weit sich von S. und N. aus europäische Bevölkerung, wenigstens europäischer Einfluß im Lauf der Zeit über Afrika ausdehnen wird; das läßt sich aber mit Sicherheit voraussehen: die afrikanischen Völker werden nicht alle dem Schicksal der Indianer Nordamerikas anheimfallen, ein großer Teil des Kontinents wird ihnen als von der Natur angewiesene und unbestrittene Heimat bleiben, von der das Klima [* 46] den Europäer für immer verbannt.
Noch beschränkt sich der europäische Besitz auf dem Kontinent, mit Ausnahme französischer Eroberungen im Mittelmeer und der britischen Kolonien in Südafrika (Kapkolonie, Natal), wo auch die aus jenen Kolonien ausgewanderten holländischen Boers die Republiken Transvaal und Oranjefreistaat gegründet haben, fast durchweg auf den Küstenrand, seine Ausdehnung [* 47] nach dem Innern zu ist außerordentlich unbestimmt. Selbst der Besitz der Küsten ist nicht endgültig festgestellt; England, Frankreich, namentlich aber Portugal [* 48] erheben Ansprüche auf Strecken, die sie bisher in ihrem Besitzstand offiziell gar nicht aufführten.
Die Küstenlänge, welche die verschiedenen Staaten faktisch besitzen, beträgt für England 3220 km, für Frankreich (ohne Algerien und Tunis) 750, für Portugal 3360, für Spanien 70 und endlich für Deutschland, [* 49] das erst 1884 hier Besitzungen erwarb, 1260 km (1050 km Damaland und Angra Pequena, [* 50] 170 km Camerun, [* 51] 40 km Sklavenküste). Für diese deutschen Besitzungen lassen sich Areal und Bevölkerung ziffermäßig noch nicht geben. Der Umfang des Kolonialbesitzes andrer Staaten wird aus der eben gegebenen Tabelle (S. 168) ersichtlich.
Entdeckungsgeschichte Afrikas.
(Hierzu die Karte der Forschungsreisen.) [* 3]
Schon die Könige der alten Ägypter haben Züge nach den Negerländern Innerafrikas und nach dem Osthorn des Kontinents unternommen. Einer derselben, Necho, beauftragte 600 v. Chr. phönikische Schiffer, Afrika vom Roten Meer aus zu umsegeln, was ihnen auch gelang. Phöniker hatten übrigens schon in der Zeit von 1100 bis 950 an der Westküste Marokkos von Elmehassen bis zum Draa 300 Kolonien begründet, welche später von eingebornen afrikanischen Stämmen zerstört wurden, so zwar, daß ihre Positionen nicht mehr auffindbar sind.
Von Karthago [* 52] aus unternahm es um 470 der ältere Hanno, mit einer Flotte die Westküste Afrikas zu beschiffen, und mag wohl bis über Sierra Leone hinaus vorgedrungen sein. Bei den Griechen finden sich autoptische Nachrichten über den Kontinent bei Herodot, der Ägypten bereiste, bei Eratosthenes, Hipparch, vor allen aber bei dem gelehrten alexandrinischen Bibliothekar Klaudios Ptolemäos, welcher weitgereiste Kaufleute ausforschte und das genaueste Bild von Afrika entwarf, welches das Altertum überhaupt besaß. Er stellte die Lehre [* 53] von dem »Mondgebirge« auf und ließ von diesem den Nil herabrinnen, dessen Quellen sich zu den »Nilsümpfen« vereinigten, denen dann der wahre Nil entströmte.
Der Kontinent bog nach Ptolemäos' Ansicht an den Küsten nahe dem Äquator sowohl gegen W. als gegen O. ab, nach letzterer Richtung am Vorgebirge Prason. Ptolemäos' Lehre blieb bis in die jüngste Zeit bestehen, ja Oskar Peschel durfte sagen, die Geographie der Nilquellen habe man bis 1863 nur aus den Ptolemäischen Karten studieren können. Römische [* 54] Heerführer zogen auf Karawanenpfaden durch die Sahara (Älius Gallus, Suetonius Paullinus, Septimius Flaccus, Cornelius Balbus, Julius Maternus), und Kaiser Nero entsandte einige Offiziere, die den Nil aufwärts bis in das Gebiet der Dinka- und Nuërneger vorgedrungen sein mögen.
Das Wissen der Alten von Afrika wurde ein Erbe der Araber, deren große Geographen es ansehnlich erweiterten, so Massûdî in seinem Werk »Die goldenen Wiesen« (947), Ibn Haukal (976), Obeid el Bekri, der 1067 die erste Geographie der Negerländer schrieb, Idrisi, der das arabische Wissen über Afrika auch kartographisch niederlegte, Ibn Chaldun, Ibn al Wardî, Abulfedâ (1273-1332), welcher auf astronomische Positionsbestimmungen besondern Wert legte, Bakui, der die Kaffern beschrieb, Leo Africanus (1492-1526), der große Reisen an die innerafrikanischen Höfe von Timbuktu und Bornu machte, Ibn Batûtâ, welcher nicht nur den Sudân, sondern auch die Küste von Sansibar persönlich bereiste, u. a. m. Einem See (Kuro) sollten nach arabischer Vorstellung mehrere Ströme entspringen, die sämtlich den Namen »Nil« erhielten.
Als Grenzland im Innern Afrikas wird eine Gegend Lamlam genannt. Den Kirchenvätern und Gelehrten des frühen Mittelalters galt Innerafrika als Wüstenei (terra inhabitabilis propter calorem) voller Untiere und menschlicher Mißgestalten (gignens dracones, homines sine auribus, monoculos). Sehr viel trugen zur Erkenntnis der wahren Verhältnisse Afrikas italienische Kaufleute im 13. und 14. Jahrh. bei, welche unter dem Schutz der Fürsten der Barbareskenstaaten ganz Nordafrika durchzogen, sogar bis Timbuktu vordrangen, das Nilthal und Abessinien bereisten und den heimatlichen Kartographen (Marino Sanuto, Giovanni Leardo, Fra Mauro u. a.) unschätzbares autoptisches Material lieferten.
Das Verdienst, die wahre Küstengestalt Afrikas festgestellt zu haben, gebührt den Portugiesen, deren Vorläufer in der Beschaffung atlantischer Räume italienische und normännische Seefahrer gewesen sind. Bereits im 14. Jahrh. hatten die Genuesen Madeira und die den Alten schon bekannten Kanarischen Inseln wieder aufgefunden; im 15. traten dann die Portugiesen ihre große Entdeckerlaufbahn an, angeregt von ihrem Infanten Heinrich dem Seefahrer (1416-60), der rastlos bemüht war, die Schiffahrt seines Landes zu heben, und dadurch der Schöpfer von Portugals Größe wurde. Ihre Expeditionen schritten zuerst schüchtern, dann immer beherzter am Westrand Afrikas nach S. vor. 1434 wurde Kap Bojador von ihnen glücklich umsegelt; 1442 sah Lissabon [* 55] ¶
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die ersten Neger aus dem goldreichen Guinea; 1456 umfuhr Ludwig Cadamosto das Kap Verde und gelangte bis zum Gambia. Die Bank Arguin wurde der erste feste Punkt, den die Portugiesen an den dortigen Küsten anlegten, und von dem aus sie tief in die Sahara eindrangen.
Dem Infanten schwebte zunächst die Erreichung des fabelhaften Reichs des Priesters Johannes (Prete Joam, Preste Gianni) in Abessinien vor Augen, von welchem Marco Polo Kunde nach Europa gebracht. Der Infant Heinrich erlebte noch die Umschiffung des Kap Mesurado; als er 1460 starb, waren an 4000 km Küstenlänge von Portugiesen befahren worden. 1472 wurden die Inseln im Guineabusen, St. Thomas, Annobon ^[Annabon bzw. Annobom] und die Prinzeninsel, erreicht. Im J. 1484 drangen die Portugiesen unter Diego Coão (in des deutschen Ritters Behaim Begleitung) bis zum Congo und bis über 2000 km jenseit des Äquators vor.
Diese Reisen widerlegten das Vorurteil, daß Afrika gegen S. immer breiter werde, wie man auf das Ansehen des alten Ptolemäos hin geglaubt hatte, und die Hoffnung, einen Seeweg nach Indien zu finden, gewann neue Nahrung. Barthol. Diaz entdeckte 1486 glücklich die afrikanische Südspitze und nannte sie »das stürmische Vorgebirge«, eine Bezeichnung, die König Johann II. in hoffnungsvoller Voraussicht in »Kap der Guten Hoffnung« umwandelte. Schon 1498 wurde dasselbe von Vasco de Gama umschifft, die Ostküste Afrikas befahren und von Melinde aus mit Hilfe des Monsuns das ersehnte Ziel, Indien, erreicht. Im J. 1503 langte Saldanha am Kap Gardafui an; 1520 erreichte man Abessinien, dessen verwahrloste Verhältnisse sehr enttäuschten; 1541 kam Esteban de Gama bis Suez.
Auch ins Innere hinein erstreckten sich die Entdeckungen der Portugiesen, namentlich vom Congo aus und den Sambesi entlang. Engländer, vor allen aber Holländer, später auch Dänen folgten den Portugiesen an den Küsten Oberguineas, gründeten Handelsplätze und rissen den Handel vollständig an sich. Im J. 1682 legte Brandenburg [* 57] mehrere Faktoreien an der Goldküste an, die aber 1720 an Holland verkauft wurden. Im J. 1697 ließen sich endlich auch die Franzosen unter Ambrosius Brun am Senegal nieder und gründeten die Kolonien, welche noch gegenwärtig in ihrem Besitz sind.
Die Verarbeitung des Wissens über Afrika im 16., 17. und 18. Jahrh. war eine sehr rege. Die wichtigsten Werke aus dieser Zeit sind die von Pigafetta (1591), Marmol del Carvajal (1573-79), Alvarez (1533), Cauche (1651), Flacourt (1658), Zuchelli (1712), Dapper (1668), Ludolf (1681), Poncet (1712), Lobo (1728) u. a. Eine kritische Bearbeitung der Karten von Afrika nahmen die französischen Geographen de l'Isle, vor allen aber Bourguignon d'Anville in Angriff.
Nach dem Ende der Religionskriege treten neue Interessen in den Kreis [* 58] der Triebfedern, welche zu weitern Entdeckungen führten. Diese waren: das wissenschaftliche Interesse an der Naturgeschichte der Tropenwelt sowie an der neuaufgelebten Altertumswissenschaft, sodann das rein geographische und endlich das humane Interesse an den besonders durch den Negerhandel verkommenen Negervölkern. Unter den Naturforschern, welchen wir die ersten genauern Nachrichten über die Naturerzeugnisse Afrikas verdanken, sind zunächst Shaw (Marokko), dann Peter Kolbe, der das Kap, und vor allen der Franzose Adanson (Senegambien), Linnés Schüler Forskål (Ägypten), de la Caile (Kap), Snelgrave (Westafrika), Stibs (Gambia), Bruce (Abessinien), Norris (Dahomé), Des Marchais (Guinea), Isert (Guinea), Lamiral (Senegal), Höst (Marokko), Descouvière und Joli (Guinea), La Jaille (Senegal), Labarthe (Westafrika), Pococke (Ägypten), Patterson (Südafrika), Sparrmann und Thunberg (Kap) u. v. afrika zu nennen.
Seit 1788, wo zu London [* 59] die African Association von J. ^[Joseph] Banks begründet wurde, ward die Erforschung des Kontinents systematisch in Angriff genommen und bald von allen Weltrichtungen aus der Marsch nach dem Herzen Afrikas angetreten. Viele Anregung und manches wertvolle Resultat ergab die Expedition Napoleon Bonapartes nach Ägypten (1799), das ganz besonders Archäologen und Naturforscher aufsuchten. Auch Glaubensboten gaben sich alle Mühe, die Eingebornen Afrikas dem Christentum zu gewinnen, freilich nicht immer mit dem wünschenswerten Erfolg. 1873 wurden durch die Gründung der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung Äquatorialafrikas die Kräfte und Mittel des deutschen Volks, 1877 durch Konstitution der Brüsseler Internationalen Afrikanischen Association, zu welcher König Leopold II. von Belgien [* 60] den Impuls gegeben, die Kräfte und Mittel der ganzen zivilisierten Welt zur Vornahme gemeinsamer Forschungen in zur Bekämpfung des Sklavenhandels und zur Zivilisation des afrikanischen Festlandes konzentriert. Am besten läßt sich die Forschungsgeschichte Afrikas verfolgen, wenn man nacheinander die Reisen ins Auge [* 61] faßt, die von der Nord-, von der West-, Süd- und Ostküste des Kontinents nach dem Innern unternommen wurden. In den einzelnen Epochen traten nacheinander verschiedene Probleme in den Vordergrund, so z. B. zu Ende des vorigen Jahrhunderts das des Niger, dann jenes des Nils und in unsern Tagen das des Congo.
Neuere Forschungsreisen im Nilgebiet.
Von der Nordküste führten zwei Wege nach dem Innern von der eine war durch den Lauf des Nils von der Natur gleichsam selbst vorgezeichnet, den andern hat sich der Mensch durch mühsame Karawanenverbindung vom N. nach dem Tsadsee selbst gebildet. Den Nil aufwärts sollte 1788 Ledyard im Auftrag der African Association dringen; er starb in der Libyschen Wüste. Glücklicher war 1792 W. G. Browne, welcher Dâr Fûr erreichte. Die französische Okkupation von Ägypten veranlasse die Reisen v. Waldecks, Hamiltons, Denons, Girards im obern Nilthal.
Ein Araber, Mohammed ibn Omar el Tunsy, drang 1805-11 über Dar Fur, Wadaï nach Tripolis vor, während Badia y Lablich 1803-1807 von Marokko bis nach Ägypten gelangte. Vorwiegend archäologische Zwecke verfolgten in Nordafrika Sonnini, Belzoni, Champollion, Cailliaud, Minutoli u. a. Unter der Regierung Mehemed Alis, der selbst vier Expeditionen zur Erforschung des obern Nils ausschickte, bereiste der Deutsche [* 62] Burckhardt im Auftrag der Afrikanischen Gesellschaft in London die Wüsten am mittlern Nil (1814-17), Linant das Gebiet des obern Nils (1827), Russegger und Kotschy (1836-38) Fazogl, die Länder der Nubaneger und Kordofan, der Preuße Werne den obern Nil bis zum Lande der Bari, Prokesch v. Osten das mittlere Nilthal, Prudhoe (1829), Hoskins (1832 f.), Bourchier (1834), Combes und Tamisier (1834), Fürst ¶
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Pückler-Muskau (1837-39), Trémeaux (1847 bis 1848) u. v. afrika Ägypten, Nubien, Kordofan und Senaar. Das Terrain am Weißen Fluß, vom See No aufwärts bis über Gondokoro und westlich von dieser Linie, von der Meschra er Rek aus, wurde in den 40er und 50er Jahren von einer Reihe Reisender und Kaufleute, namentlich von Sklavenjägern und Elfenbeinhändlern, in vielen Richtungen durchstreift. Bemerkenswerte Reisen unternahmen hier Ignaz Knoblecher (gest. 1858) seit 1849 und F. Morlang seit 1859, welche als Missionäre am Weißen Fluß arbeiteten;
ferner Brun Rollet 1848-51, Cuny, der 1857 nach Dar Fur vordrang;
J. ^[John] Petherick (eine Zeitlang britischer Konsul in Chartum) 1848-63, die Gebrüder Poncet 1860 ff., Giovanni Miani aus Venedig, [* 64] der 1860 bis 2° 30' nördl. Br. kam und 1871-72 eine große Reise bis in das Gebiet der Monbuttu ausführte;
Andrea de Bono 1861, der Marchese Antinori (Ornitholog) 1860-61, Alfred Peney 1860-61, Guillaume Lejean seit 1861, Frau Tinné mit ihrer Tochter Alexine 1862-63, van Pruyssenaere aus Brügge 1863 u. a. Die mit bedeutenden Mitteln ausgerüstete Expedition Theodor v. Heuglins, an welcher Steudner, Theodor Kinzelbach, M. Hansal und der Gärtner Hermann Schubert teilnahmen, und welcher sich in Keren Werner Munzinger anschloß, ging 1861 über Alexandria und Massaua [* 65] bis an die Nordgrenze Abessiniens, wo sie sich trennte;
Heuglin durchreiste mit Steudner und Schubert Abessinien und kam erst im Juli 1862 nach Chartum, von wo die auf geradem Weg vorausgegangenen Munzinger und Kinzelbach bereits vergebliche Versuche gemacht hatten, gegen Wadaï vorzudringen. Da ein direktes Vordringen nach diesem Land unmöglich war, wendeten sich die erstgenannten zugleich mit der Tinnéschen Expedition nilaufwärts über die Station am Rek gegen W. hinaus.
Nachdem das mörderische Klima hier Steudner, Schubert, Frau Tinné und mehrere ihrer Begleiterinnen hinweggerafft, kehrten die übrigen Ende 1863 nach Europa zurück. War der eigentliche Zweck der Expedition unerreicht geblieben, so haben doch die zu dieser Expedition vereinigten Kräfte eine reiche Ausbeute an wissenschaftlichem Material über die durchforschten Länder vom Roten Meer bis zum Dschur geliefert. Adalbert v. Barnim (Sohn des Prinzen Adalbert von Preußen) [* 66] reiste von 1859 an in Nordostafrika und starb zu Rosères am Bahr el Azrak; die Früchte dieser Reise sind in mehreren trefflichen Werken seines Begleiters Robert Hartmann bearbeitet. Am Blauen Nil weit aufwärts drang 1869 und 1870 der Wiener Ernst Marno vor.
Von Fazogl aus wandte er sich auf vor ihm von keinem Weißen getretenen Pfaden nach S., durchzog zuerst das Dar Bertat und kam bis Fadasi (9° nördl. Br.). Später erforschte er den Bahr es Seraf, einen der Nebenarme des Weißen Nils. Wilhelm v. Harnier aus Eckezell in Hessen [* 67] drang bis Gondokoro vor und kam auf der Büffeljagd ums Leben. Seine »Reise am obern Nil« (Darmst. 1866), nach den hinterlassenen Tagebüchern, ist in Bezug auf Illustrationen das wertvollste Werk über die mittlern Nilländer.
Besondern Erfolg hatte der englische Reisende Sam. White Baker, der schon 1861 die Zuflüsse des Atbara in Abessinien erforscht hatte und 1862 von Chartum aus bis Gondokoro reiste, wo er mit Speke, dem Entdecker des Ukerewesees (s. unten), zusammentraf. Durch diesen von dem Vorhandensein eines zweiten großen Nilsees unterrichtet, brach er zu dessen Auffindung alsbald auf und entdeckte im März 1864 den gesuchten See, Mwutan (Albert Nyanza), wodurch die alten traditionellen Angaben des Ptolemäos in überraschender Weise bestätigt wurden.
Von großen Hoffnungen geleitet, brach 1866 der Bretone Le [* 68] Saint [* 69] nach den Nilseen auf, erlag aber schon zu Abukuka am Weißen Nil dem Fieber. Mittlerweile war ein italienischer Handwerker, Carlo Piaggia, im SW. des Weißen Nils weiter als jeder andre Europäer abenteuernd vorgedrungen und brachte 1868 die Nachricht zurück, daß westlich von Bakers Mwutan noch ein dritter großer Nilsee liegen solle. Pruyssenaere bereiste Teile des Gebiets zwischen dem Weißen und Blauen Nil, Klunzinger begann seine Forschungen am Roten Meer, Bisson und Wlassich reisten am Atbara.
Georg Schweinfurth, ein kühner und unternehmender, wissenschaftlich hochgebildeter Botaniker, hatte, in Kotschys Fußstapfen tretend, die Erforschung der Nilflora sich zur Lebensaufgabe gestellt. Bereits 1864 hatte er die Landschaften am Roten Meer besucht; 1868 brach er zum zweitenmal nach Afrika auf, schloß sich Elfenbeinhändlern an und erforschte, wie vor ihm kein andrer, die Landschaften der Dschur, Dor, der menschenfressenden Niam-Niam und Monbuttu. Er drang bis 3° 35' nördl. Br. vor und fand den Uëlle. Auch in ethnographischer wie zoologischer Beziehung war seine Reise epochemachend; er entdeckte das Zwergvolk der Akka sowie einen neuen anthropoiden Affen [* 70] und kehrte unter großen Gefahren 1871 durch das vor ihm von keinem Europäer betretene Dar Fertit zurück.
Die Bestrebungen der Kirche, durch Missionen im Nilgebiet zu wirken, haben zu wesentlichen Erfolgen nicht geführt, so förderlich sie auch der geographischen Wissenschaft geworden sind. Im J. 1846 beschloß Papst Gregor XVI. eine Mission am obern Nil zur Bekehrung der Neger, zur Verhinderung des Sklavenhandels und zur Seelsorge für die dort zerstreut wohnenden Katholiken. Die Hauptstationen Chartum (1848), Heiligenkreuz (1855), Gondokoro (1851) wurden errichtet; aber Hungersnot im Bariland und Sterblichkeit zwangen zur Verlegung der Mission nach Schellal in Oberägypten.
Pater Morlang in Heiligenkreuz hielt indessen wacker aus, bis 1861 die Dominikaner die Mission übernahmen, von welchen sie später an die Franziskaner übergeben wurde, die namentlich in Kordofan ersprießlich wirkten. Aber als von den 30 in Hellet Kaka stationierten Leuten in kurzer Zeit 14 starben, flüchteten die übrigen aus dieser und andern Stationen nach Chartum; 1862 waren in Gondokoro noch 3 oder 4 Geistliche, 1863 wurde Heiligenkreuz, bald auch Gondokoro aufgegeben.
Namentlich waren es die Sklavenhändler, welche in jeder möglichen Weise den Bestrebungen der Missionäre Hindernisse in den Weg legten. Seitdem haben evangelische Missionsgesellschaften von England und Schweden [* 71] aus Stationen in Alexandria, Kairo, [* 72] Chartum, Matamma eingerichtet. Auch in den nördlichen Grenzländern Abessiniens, bei den Barea und Kunama, haben im Frühjahr 1867 schwedische Missionäre sich niedergelassen. Indessen erscheint das ganze christliche Missionswerk in den Nillandschaften als ein höchst mißliches, während der Mohammedanismus reißend unter den heidnischen Völkerschaften zunimmt. Auch gefährdeten die politischen Intrigen, in welche die Glaubensboten sich häufig einließen, das Werk der ¶