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Tierwelt.
Die Tierwelt Afrikas gehört nach Wallace der sogen. paläarktischen und der äthiopischen Region an. Erstere zerfällt in zwei Subregionen und umfaßt ganz Nordafrika und die Mittelmeerländer, während die äthiopische vier Subregionen umfaßt:
1) die von Ost- und Mittelafrika, 2) die von Westafrika, 3) die von Südafrika [* 2] und 4) die Subregion von Madagaskar. [* 3] Das paläarktische Reich weist eine Übereinstimmung der Tierformen auf, welche die Annahme von Hauptabschnitten ausschließt und selbst die Feststellung sekundärer Grenzen [* 4] in hohem Grad erschwert. Man muß sich bei Aufzählung der wichtigsten Tiergruppen wohl vor Augen halten, daß solche Gruppen nicht immer ausschließlich der einen oder andern Region zukommen, sondern hier und da über die Grenzen greifen und einzelne Arten auch eine Verbreitung in einem Nachbarreich oder in mehreren haben.
Die nordafrikanische Fauna zeigt in ihren wesentlichen Zügen eine große Übereinstimmung mit den Typen der südeuropäischen. Die charakteristischen Säugetiergruppen derselben sind die Maulwürfe, Kamele, [* 5] Schafe, [* 6] Ziegen, Antilopen, Hirsche, [* 7] Hamster, Sandmäuse, Wühlmäuse, Pfeifhasen, Wölfe, Füchse, Bären. Größere Raubtiere, [* 8] wie der Löwe, die gestreifte Hyäne, waren einst auch in Europa [* 9] heimisch und sind dort erst in der historischen Zeit ausgerottet worden.
Unter den Vögeln sind neben den charakteristischen Typen der paläarktischen Zone überhaupt (den Sängern [Sylviidae], Rohrsängern, Meisen, Elstern, Finken, Waldhühnern, Fasanen) vorzüglich Geierarten in Nordafrika heimisch sowie ferner eine große Anzahl von Sumpfvögeln (Flamingo, Ibis, Pelikan, Reiher). Die Anzahl der Reptilien und Süßwasserfische ist eine geringe, hingegen jene der Insekten [* 10] eine bedeutende. Die Sahara ist außerordentlich arm an Repräsentanten der Tierwelt.
Nager, Antilopen, Schakale, wilde Katzen, [* 11] Hyänen, Strauße, Wüstenhühner (Pterocles), Skinke, Erdagamen, Sandeidechsen, Pimelien, Schattenkäfer, [* 12] Skorpione u. a. sind ihre Bewohner. Die Subregion von Ost- und Mittelafrika umschließt die Sahara, den Sudân, Ostafrika bis Mosambik und reicht quer durch den Kontinent an die Westküste mit einem schmalen Streifen bis zur Walfischbai. Die wichtigsten Charaktertiere dieser Subregion sind Paviane, Nilpferde, Giraffen, Antilopen, Katzen, Hyänen, Reiher (am Nil).
Die Subregion von Westafrika reicht an der Küste vom Gambia bis zum Congo und im Binnenland bis an den Uëlle. Ihre Charaktertiere sind: Gorilla, Schimpanse, Potamogale, Flußschwein, Zibetkatzen, Perlhühner, Turakos. Viele der Formen erinnern an die malaiische und indische Tierwelt. Die Subregion von Südafrika ist die eigentümlichste. Ihre Grenze verläuft von der Walfischbai auf Mosambik. Charaktertiere derselben sind: große Raubtiere, Zibetkatzen, Dickhäuter, Giraffen und Antilopen, der Hyänenhund, der langohrige Fuchs, [* 13] Erdwolf (Proteles), Viverrenarten, Nagetiere, [* 14] Zebras, besondere Arten von Eidechsen [* 15] und Insekten. Die Subregion von Madagaskar steht ganz isoliert da.
Das äthiopische Reich umfaßt Afrika [* 16] vom Wendekreis des Krebses bis zum Kap und Madagaskar und ist im Verhältnis zum paläarktischen zwar klein, dagegen ist es infolge des gleichförmigen Klimas und der tropischen Üppigkeit eines großen Teils seines Areals von einer größern Menge der verschiedenartigsten großen Tiere bevölkert als irgend eine andre Fläche von gleichem Umfang. Viele der besondern Eigentümlichkeiten diesem Reichs kommen auf Rechnung der reichen, aber isolierten Fauna Madagaskars, die mehr jener Indiens gleicht.
Madagaskar hat einstmals mit Südafrika zusammengehangen, und die Lostrennung hat noch vor der Einwanderung der großen Afrika eigentümlichen Tierarten stattgefunden. Die Fauna des äthiopischen Reichs können wir so recht als die charakteristische des ganzen afrikanischen Kontinents betrachten, weil sich die meisten Afrika eigentümlichen Tiergeschlechter von der Nordgrenze des tropischen Regens, von Senegambien im W. bis Kordofan und Senaar im O. und südlich bis zum Kap verbreiten.
Mehrere der afrikanischen Tiere übertreffen die verwandten Arten andrer Kontinente meist an Wildheit und Kraft. [* 17] Von zoologischen Eigentümlichkeiten des äquatorialen und südlichen Afrika stechen viele besondere Säugetierarten in das Auge: [* 18] der Goldmaulwurf, der Rohrrüßler, das Nilpferd, die Giraffe, der Erdwolf (Proteles), der Lykaon, das Erdschwein, die Paviane, andre Affen [* 19] und Halbaffen, [* 20] Meerkatzen, die Viverren, Nagetiere, Antilopen. Besonders unterscheidet sich das äthiopische Reich dadurch von allen übrigen, daß nicht bloß viele auffallende Formen daselbst auftreten, sondern eine große Anzahl von Säugetierfamilien daselbst fehlt, welche sonst ganz allgemein und in großer Anzahl über die Erde verbreitet sind.
Hierher gehören die Bären, welche durch die ganze Erdhälfte hindurch und südwärts bis nach Sumatra in der Alten und bis Chile [* 21] in der Neuen Welt reichen, im tropischen und südlichen Afrika aber gar nicht vorkommen; ferner fehlen die Hirsche, die Ziegen die Schafe, die echten Ochsen und die eigentlichen Schweine [* 22] gleichfalls. Dieses Fehlen solcher kosmopolitischen Familien ist in hohem Grad beachtenswert. Minder charakteristisch sind die Vögel, [* 23] aber auch unter ihnen finden sich eigentümliche Formen, z. B. die Pisangfresser, die Erdnashörner, die Colis u. a. m. Zu den charakteristischen Formen zählen noch mancherlei Fliegenfänger, Würger, Raben, Honigsauger, Weber, Stare, Lerchen und Perlhühner. So auffällige Lücken wie bei den Säugetieren Afrikas kommen bei den Vögeln nicht vor, immerhin fehlen aber z. B. Zaunkönige, Baumläufer, Spechtmeisen, echte Fasanen und Dschangelhühner. Unter den Reptilien und andern Wirbeltieren gibt es drei eigentümliche Familien von Schlangen, [* 24] eine von Eidechsen, eine von Kröten und drei von Süßwasserfischen.
Als Repräsentanten der echten afrikanischen Fauna können folgende Tiere genannt werden: der afrikanische Elefant, [* 25] der gegenwärtig ungezähmt ist, aber im Altertum von den Karthagern gezähmt worden war, das Rhinozeros in mehreren Arten, der Hippopotamus, ein bis in Unterägypten verbreitetes Warzenschwein, von Antilopen der Kudu und der Klippspringer, Hartebeeste, der kafferische Büffel, die Giraffe, das Erdschwein, Stachelmäuse, Paviane, Springmäuse, Schuppentiere, Meerkatzen, der Gorilla (Troglodytes Gorilla), Schimpanse, Mandrill, Ranja, früchtefressende Vampire, von den Raubtieren der Löwe, von dem es in Südafrika mehrere, selbst schwarze Spielarten gibt, der aber den Wüstengürtel meidet, Leoparden, Hyänenhunde, Schakale, der Karakal, Zibet- und Genettkatzen; von den äußerst zahlreich am Nil, Senegal und am Kap vorkommenden Vögeln der Strauß, [* 26] dessen ¶
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künstliche Zucht gepflegt wird (sogar schon in Malta), der Anhinga, der Scherenschnabel, Flamingos, der Läufer, die schwarze Gans, der Ibis, Regenpfeifer, zahlreiche Störche und Reiher, Kropfgänse (Pelikane), Frankolinhühner, Turteltauben, der Helmkuckuck, Papageien, Nashornvögel, Webervögel, der Sekretär, [* 28] Adler-, Falken- und Geierarten;
von Amphibien das Krokodil, welches südlich bis zum Cunene reicht, aber auch am Nordrand der Wüste in Algerien [* 29] anzutreffen ist (wo es Aucapitaine fand), Schildkröten, [* 30] Warneidechsen, Chamäleons, Brillenschlangen;
von den Fischen eigentümliche Welse, der Mugil;
ferner Skorpione, Schaben, Wanderheuschrecken, Moskitos, die dem Rindvieh so verderbliche Tsetsefliege (Glossina morsitans), Bienen, Ameisen, Termiten, [* 31] namentlich am Senegal, aber auch im Damaland, der Guineawurm u. v. afrika. Nur einige wenige dieser angeführten Tierarten erreichen das Kap nicht;
einige fehlen in Senegambien, z. B. das Nashorn, die Giraffe etc., manche greifen bis in das südliche Europa vor, wie z. B. die Genettkatze und das Chamäleon. In einzelnen Teilen des gewaltigen äthiopischen Reichs prävalieren gewisse Tiergattungen ganz entschieden, z. B. in Guinea und im Hochsudân die Affen, die Termiten, in Südafrika die Wiederkäuer [* 32] und Dickhäuter.
Mit Rücksicht auf Arten- und Individuenreichtum wie auf die Größe der Entwickelung ragen in Afrika besonders die pflanzenfressenden Tiere hervor, an denen Afrika alle Teile der Erde übertrifft. Es ist daher wohl auch das reichste Jagdrevier, namentlich die mit Gebüsch bewachsenen Steppen der Kalahari, Damerghu südlich von Asben, Kordofan, Senaar, am Setif, Rahat und Dinder, im Baggaraland, am Luba und Sambesi etc. Die Tiere, wie Giraffen, Antilopen, leben teils in kleinen Rudeln, teils in Herden von vielen Tausenden, und wo man das Feuergewehr noch nicht kennt, sind sie sehr zahm.
Livingstone erzählt, daß er sich im Barotsethal durch Schreien und Stoßen seinen Weg durch die zahlreichen Herden, welche die Savannen bedeckten, bahnen mußte. Auch an den Tränkplätzen ist großer Wildreichtum vorhanden. Hier finden sich Herden von Elefanten, Büffeln, Rhinozerossen, an den Seen und Strömen Flußpferde, Scharen von Schwimmvögeln. Die Wälder bewohnen Herden von Affen und Vögeln, die Felsen Massen von Pavianen und Klippdachsen. Die Steppen des Südens ernähren zahlreiche Antilopen, die Elenantilope, das Hartebeest, das Gnu, den Springbock. Bis in das Nilgebiet geht alljährlich der Zug unsrer Wandervögel; von S. her wandern gegen N. solche Vögel, welche der Regenzeit ausweichen.
Die Erhebung über den Meeresspiegel hat auf die Fauna einen wesentlichen Einfluß. In Abessinien z. B. steigen, wie erwähnt, die tropischen Floraformen hoch hinauf, und ihnen folgen die Tiere, z. B. die Hyäne, die bis zu einer Höhe von 3200 m angetroffen wird, die Antilopen, welche Höhen bis über 3300 m erklimmen. Auch die Fauna der an Afrika grenzenden Meeresteile ist eine ziemlich reichhaltige. Wale [* 33] und Haie sind fast ausgerottet, dagegen kommen zu beiden Seiten des Kontinents der Tropikvogel, im S. der Albatros, der Manati nur an der West-, der Dugong nur an der Ostküste vor.
Fische [* 34] und Konchylien haben gleichfalls ihre eignen Provinzen und liefern den Küstenbewohnern reichliche Ausbeute. Im Roten Meer sind zahlreiche Korallenbänke, welche der Westküste fehlen, im O. die Kauris (Cypraea moneta), deren Schalen in einem großen Teil von Afrika als Scheidemünze gelten. Von Haustieren steht das Rind [* 35] an Wichtigkeit obenan. Der gesamte Reichtum mancher afrikanischen Stämme besteht nur in den Rinderherden, so z. B. am obern Nil, bei den Kaffern etc. Ebenso allgemein verbreitet sind die Schafe und Ziegen, namentlich von erstern Fettschwanzschafe. Im N. ist vor allen das Dromedar ein unentbehrliches Haustier, welches über ganz Nordafrika bis zu den feuchten Regionen des Sudân verbreitet ist, ferner das Pferd [* 36] von der edlen Berberrasse Tuats bis zu den unansehnlichen Exemplaren der Sonrhai im W. und der Abessinier im O., der Esel und das Maultier, beide wertvolle Lasttiere. Im S. dient das Rind als Last- und Reittier, Pferde [* 37] und Esel halten nur die weißen Ansiedler.
Namentlich im W. eignet sich der Ochs zum Last- und Reittier wegen seines ausdauernden Ganges ganz vorzüglich. Auch die Zibetkatze wird hier und da gehalten. Die Fauna von Madagaskar weist eine gleiche Beziehung zu Afrika auf wie die Antillen zum tropischen Amerika [* 38] oder wie Neuseeland zu Australien; [* 39] wir sehen dort Halbaffen (Lemuridae), Janrek oder Borstenigel (Cetentida) und Viverriden, aber weder große Raubtiere noch Dickhäuter oder echte Affen. Haustiere fehlen gleichfalls. Dagegen hat die Insel einen großen Reichtum an Wasservögeln. Was die Reptilien betrifft, so finden sich wenig afrikanische Gruppen, während eine beträchtliche Anzahl von östlichen und selbst von amerikanischen Formen vorkommt. Die Maskarenen beherbergen meist große, plumpe Vögel, wie den Dronte, [* 40] den Aphanapteryx, welche schon fast ganz ausgerottet sind.
Bevölkerung.
(Hierzu Tafel »Afrikanische Völker«.) [* ]
Afrika hat von jeher für den Ethnographen eine besondere Anziehungskraft gehabt. Schon Karl Ritter, der den Zusammenhang zwischen der Ländergestalt und der Entwickelung der menschlichen Gesittung zu ergründen suchte, wies darauf hin, daß die niedrige geistige Stufe des Negers durch die niedrige Stufe der Gliederung Afrikas gerechtfertigt werde, ein Weg, auf dem ihm dann namentlich Peschel gefolgt ist. Unwegsamkeit ist ein Grundzug des afrikanischen Weltteils. Wie seine ozeanischen Umrisse schon ungünstig sind, so fehlt es ihm auch an aufschließenden Strömen.
Der Nil hat als Verkehrsmittel einen niedrigen Rang; der Niger durchströmt wohlbevölkerte Gebiete, und dennoch belebt ihn keine nennenswerte Schiffahrt. Die Schiffbarkeit des Congo wird nach verhältnismäßig kurzer Strecke von der Küste her durch gewaltige Felsstufen unterbrochen. In Bezug auf nautische Leistungen stehen die Bewohner keines Erdteils so niedrig wie jene Afrikas. Nur der Kru-Neger von der Guineaküste verdingt sich als Matrose; der hochkultivierte alte Ägypter schwang sich kaum über die Gondelschiffahrt empor.
Die Flüsse [* 41] waren dem Afrikaner fast mehr Hindernisse als Bindungsmittel, und auffallend ist die geringe Zahl afrikanischer Stämme, die sich von Fischfang nähren. Zu der nautischen Verschlossenheit gesellt sich noch als Verschärfung die Unwegsamkeit großer Binnenräume. Der Wüstengürtel, der sich quer durch den Weltteil verbreitet, scheidet den Kontinent für die Gesittungsgeschichte in zwei streng gesonderte Hälften; denn während der nördliche Saum für alle Segnungen des mediterranen Bildungsgangs empfänglich war, blieb die südliche Hälfte mehr auf sich angewiesen. Die Schwierigkeiten der ¶
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Überschreitung der Sahara wurden erst verringert, seit das Kamel eingeführt wurde. Fühlbar wird die Gewalt der Wüste namentlich in der Ausbreitung der Menschenrassen, [* 43] denn, geringe Ausnahmen, wie die Tibbu, abgerechnet, beginnt erst jenseit der Wüste das Land der Schwarzen, der Sudân. Dieser Schwierigkeit und diesen Schranken begegnete auch die Gesittung. Aber der Nord- und Nordostrand standen durch die Annäherung an Asien [* 44] und Europa der günstigen Einwirkung fremder Zivilisation offen, und dieser Einwirkung darf z. B. die Kenntnis des Ausschmelzens des Eisens durch ganz Afrika, bis zum Süden hinab, zugeschrieben werden.
Abgesehen von einer der ältesten Kulturstätten, der ägyptischen im fruchtbaren Thal [* 45] des Nils, verdunkeln sich die Gesittungszustände Afrikas, je weiter wir uns von dieser entfernen, bis wir an der Südspitze in den Buschmännern ein Volk auf der niedrigsten Stufe des menschlichen Geschlechts finden. Überhaupt gilt in Afrika im allgemeinen, wenn auch nicht streng, als Regel, daß die Gesittung abnimmt in der Richtung von N. nach S., von O. nach W. Nord- und Ostrand empfingen die meisten fremden Einflüsse, ja fremde Völker, wie denn selbst Malaien auf Madagaskar sich niederließen. Die Bewegung von O. nach W. hat aber schon vor der Ausbreitung nachweisbar asiatischer Einwanderer geherrscht.
Kein Weltteil zeigt eine so regelrechte Schichtung der Arten oder Spielarten unsers Geschlechts nach Erdgürteln, und es ist daher verzeihlich, wenn alte Geographen in den Fehler verfielen, mit dem Vorrücken nach S. hin auf den Einfluß der Sonne [* 46] auf die dunklere Färbung der Haut [* 47] zu schließen.
Den sichersten Weg zur Klassifizierung der Völker Afrikas bietet uns immer noch die Sprache [* 48] (s. Afrikanische Sprachen u. die »Sprachenkarte«). [* 49] Friedrich Müller und Lepsius legten bei ihrer Klassifizierung der afrikanischen Völker auf dieses Moment mit Recht das Schwergewicht, während R. Hartmann vorzüglich den physischen Körperhabitus berücksichtigt. Nach Friedr. Müller beherbergt Afrika gegenwärtig sechs verschiedene Rassen, nämlich die hottentotische im äußersten Süden und Südwesten, die Kaffer- (richtiger Kafir-) Rasse von der Hottentotenrasse nordwärts bis an und über den Äquator, die Negerrasse im Sudân, die Fullarasse, eingekeilt zwischen der Negerrasse und von O. nach W. in einer Linie sich hinziehend, endlich die mittelländische Rasse im N. und NO. bis zum Äquator herab sowie die malaiische Rasse in Madagaskar und auf den dasselbe umgebenden Inseln. Von diesen sechs Rassen können nur die vier ersten als autochthon gelten, während die beiden letzten erwiesenermaßen aus Asien eingewandert sind.
Die Hottentoten waren ehemals die Aboriginer ganz Afrikas südlich vom Cunene und Sambesi, sie wurden aber von den Kaffervölkern verdrängt und bewohnen jetzt den westlichen Teil der Südspitze Afrikas bis 19° südl. Br. Sie zerfallen in die eigentlichen mittelgroßen Hottentoten [* 42] (Fig. 21 u. 22 der Tafel), welche sich selbst Khoi-Khoin, d. h. Menschen, nennen und aus den Nomadenvölkern der Nama und Korana bestehen, und das Jägervolk der weit kleinern Buschmänner [* 42] (Fig. 25 u. 26). Die Farbe der Haut, welche sich früh und stark runzelt, ist ledergelb, die Frauen zeichnen sich durch Steatopygie aus, die Sprache ist merkwürdig durch Schnalzlaute. Als Verwandte erscheinen die unter dem Äquator von Schweinfurth, Du Chaillu, Lenz, Stanley aufgefundenen Zwergvölker, von denen die licht kaffeebraunen Akka [* 42] (Fig. 24) höchstens 1,5 m Größe haben.
Die Kaffern oder Bantu, nordöstlich von den vorigen, bilden einen Völkerkomplex, welcher alle an der Ostküste Afrikas vom Kap bis an den Äquator und den 55.° nördl. Br. wohnenden Stämme umfaßt. Sie sind in ihre jetzigen Wohnsitze nach und nach von O. eingewandert. Zu den Kaffern zählt man: die durch ihre kriegerischen Eigenschaften bekannt gewordenen Zulu [* 42] (Fig. 14), welche nebst andern nahe wohnenden Stämmen den treuesten Typus der Rasse darstellen;
im Innern des Kontinents, nördlich bis zum Ngami und südöstlich bis zur Kathlambakette reichend, die durch ihre gewerbliche Geschicklichkeit berühmten Betschuanen [* 42] (Fig. 23);
zu beiden Seiten des mittlern Sambesi die Marutse und Mambunda, die beiden herrschenden der 18 zu diesem großen Reich verbundenen Stämme;
die schon mit Semitenblut vermischte Gruppe der Suaheli [* 42] (Fig. 28), welche bis zum Kenia und Tanafluß reicht;
von der Westküste bis zum Äquator hinaus die Congovölker [* 42] (Fig. 13), darunter das hellbraune Kannibalenvolk der Bakumu, am Gabun der stattliche, sangeslustige Stamm der Mpongwe [* 42] (Fig. 1 u. 2) und die von O. eingedrungenen, insgeheim dem Kannibalismus ergebenen Fan [* 42] (Fig. 9);
im äußersten Nordwesten die Dualla am Camerun [* 50] und die ganz nackten Adija der Insel Fernando Po.
Der physische Typus der Bantu zeigt manche Ähnlichkeit [* 51] mit dem der Neger, weicht aber in vielen Punkten wesentlich von ihm ab.
Die Farbe der Haut ist ursprünglich gelbbraun mit einem Stich bald ins Lichtere, bald ins Dunklere;
man begegnet aber im W. und NO. auch einem tiefen Schwarz, was wohl auf Mischung mit Negern hindeutet.
Der Wohnsitz der Neger, denen man früher den ganzen Erdteil einräumte, beschränkt sich nach dem gegenwärtigen Standpunkt der Forschung auf den Teil des westlichen und mittlern Afrika, welcher vom Senegal bis gegen Timbuktu und von da bis an die nördlichen Ufer des Tsadsees reicht, von dort aus gegen N. in die Sahara bis gegen Fezzan sich zieht, wo im N. mittelländische, im O. Nubastämme ansässig sind. Hier erstreckt sich das Gebiet der Neger über Dar Fur [* 52] den Nil hinauf bis zu den nördlichen Ufern des Ukerewe, von wo eine zum Meerbusen von Biafra gezogene Linie die Grenze bildet. Am reinsten hat sich der Negertypus erhalten bei den Wolof (den »Schwarzen« im Gegensatz zu den Fulah, den Gelben) zwischen Senegal und Niger, zur echten Negerrasse gehören ferner die Kru an der Pfefferküste, welche an der ganzen Westküste sich als Schiffer verdingen, die Mandingo, vor den Eroberungen der mohammedanischen Fulah das mächtigste Volk Westafrikas, die Sonrhay, welche im westlichen Zentralafrika dieselbe wichtige Rolle spielten, die Haussa, deren Sprache als Handelssprache weit verbreitet ist, am Niger und Binuë die Koto [* 42] (Fig. 8), in Bornu der Stamm der Kanori, dann die ihnen nahe verwandten Tibbu. Die Sprache der Bagirmi [* 42] (Fig. 15) hat man als eine isolierte zu betrachten, in Wadaï gilt das Maba als allgemeine Verkehrssprache, östlich davon hat Dar Fur (Fig. 11) eine mit Nuba und Arabern stark gemischte Bevölkerung. [* 53] Am Bahr el Abiad wohnen die tiefschwarzen Dinka und Schilluk, von denen sich das ackerbauende Volk der Bongo durch intensives Kupferrot scharf unterscheidet. Zwischen den Negern und am Rande des Negergebiets sitzt eine Reihe von Völkern, in der Mitte stehend zwischen Negern und mittelländischen Hamiten und so den Übergang zwischen beiden bildend. Dies sind die Nuba-Fulah-Völker, welche sprachlich in eine westliche Abteilung, die Fulah, und eine östliche, die Nuba, zerfallen. Die ¶
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Züge, durch welche sich diese Rasse hauptsächlich von den Negern unterscheidet, sind die rotbraune Hautfarbe, das große, schöne Auge, die etwas gebogene Nase, [* 55] das nicht wollige, lange, schlichte Haar. [* 56] Die Fulah (Fellani, Fellata) wohnen am Senegal im W. bis Dar Fur im O. und von Timbuktu im N. bis Joruba und Adamáua im S., überall als erobernde Eindringlinge zerstreut, an vielen Orten das herrschende Volk und Gründer mächtiger Staaten. Sie sind sämtlich Mohammedaner, stellen sich mit den Weißen auf eine Linie und sehen stolz auf den Neger herab. Das Gebiet der Nuba reicht von den Sitzen der Fulah in Dar Fur bis zu den hamitischen Bedscha im O. und von Assuân im N. bis zum 5.° nördl. Br. im S. Zu ihnen gehören insbesondere die echten Nubier [* 54] (Fig. 12), welche das Nilthal von Assuân bis Wadi Halfa bewohnen, nebst den Bewohnern von Dongola, ferner das erobernde Volk der Fundsch zwischen dem Weißen und Blauen Nil, die Schangalla am Takazzé und Atbara und wahrscheinlich auch die kaffeebraunen Monbuttu [* 54] (Fig. 16) im S. des Uëlle nebst den nördlich davon wohnenden Niam-Niam, deren üppiger Haarwuchs zu lang herabhängenden Flechten [* 57] Anlaß gibt, während die Monbuttu mit Hilfe von Rohrgestellen große Chignons aufbauen. Beide sind als arge Kannibalen verrufen, während das Jägervolk der Schuli [* 54] (Fig. 18) nordöstlich vom Mwutan durch Zutraulichkeit und Anstelligkeit sich vorteilhaft auszeichnet. Von der mittelländischen Rasse ist in der hamito-semitische Stamm vertreten durch die ägyptische, die libysche und die äthiopische Familie (Hamiten) und die Araber nebst den Bewohnern von Amhara und Tigré (Semiten). Zur ägyptischen Familie gehören die städtebewohnenden christlichen Kopten [* 58] (Fig. 6 u. 7) im untern Nilthal, die allerdings vielfach mit fremdem Blut vermischten Reste der alten Ägypter, deren Sprache aber heute vollkommen ausgestorben ist, sowie die Bauernbevölkerung der mohammedanischen Fellahs [* 54] (Fig. 5), bei der sich der altägyptische Typus viel weniger rein erhalten hat.
Von den ostafrikanischen Hamiten nähern sich den Altägyptern am meisten die südlicher wohnenden bronzefarbigen Berâbra. Auch der libysche Stamm, der vor dem Eindringen fremder Völker in die nordafrikanischen Regionen das ganze weite Gebiet zwischen dem Mittelmeer, Ägypten, [* 59] der Sahara und dem Atlantischen Ozean innehatte, ist von Vermischung mit fremdem Blut nicht frei geblieben. Wir bezeichnen diese weit ausgebreitete nomadisierende Nation als Berber [* 54] (Fig. 10) und rechnen zu ihnen, abgesehen von den ausgestorbenen Guantschen der Kanarischen Inseln, die Masig in Marokko, die Kabylen in Algerien und Tunis, die räuberischen Tuareg oder, wie sie sich selbst nennen, Imoscharh im weiten Mittelgebiet der Sahara. Sämtliche Oasen zwischen den Negerländern und den arabischen Staaten Nordafrikas sind von berberischen Stämmen besetzt. Über diese Berber hat sich erobernd durch ganz Nordafrika, diesem sein Gepräge und seine Sprache aufdrückend, der semitische Stamm der Araber [* 54] (Fig. 3 u. 4) ergossen und überall den Islam an die Stelle des Christentums gesetzt.
Zwischen ihnen sitzen am ganzen Nordrand die ebenfalls semitischen Juden, welche, wiewohl von jedem der nacheinander herrschenden Völker geknechtet, dennoch ihr Blut vollkommen rein erhalten haben. Als dritte schließt sich die äthiopische Familie an die vorigen mit einer Reihe von Stämmen an, deren Stellung im ethnologischen System zum Teil noch nicht ganz sicher ist, die man indes ihrer entfernten Sprachverwandtschaft wegen noch zu den Mittelländern rechnet.
Dahin gehören im N. von Abessinien die Bedscha oder Bischari (nach Quatremère die Nachkommen der alten Blemmyer), die Bogos im Gebirgsland, nordwestlich von Massaua, [* 60] und die südwestlich davon wohnenden Saho oder Schoho, die Agau im Quellgebiet des Takazzé, die auch abessinische Juden genannten Falasche, die Danakil an der Südwestküste des Roten Meers, endlich die Galla und Somal. Die Galla, welche sich selber Orma, d. h. starke, tapfere Männer, nennen, sind in der That das, als was sie sich bezeichnen, ein sittenstrenges, edles Volk.
Von den nördlichen Galla haben einige das Christentum oder den Islam angenommen, sonst haben sie ihre eigne Religion. Mit den Negern haben sie nur die Farbe gemein, ihre Gesichtszüge sind eher europäisch als semitisch. Sie bewohnen das Gebiet zwischen Abessinien, den mittelafrikanischen Seen, den Suaheli und den Somal, ihren Todfeinden, von denen sie gegen W. und S. gedrängt wurden. Die braunen Somal [* 54] (Fig. 29 u. 30), die im Singular Somali heißen, nehmen das ganze Osthorn Afrikas beinahe von Bab el Mandeb bis zum Dschub ein. Es ist ein reichlich mit semitischem Blute durchsetztes Mischvolk von hohem Wuchs, bartlos, mit stechenden Augen und dichter Wollperücke, das teils in Städten ansässig ist und Ackerbau treibt, teils nach Beduinenart umherschweift und wegen seiner Mordlust und Raubgier berüchtigt ist.
Das dritte semitische Volk, welches, räumlich von den oben genannten (Arabern, Juden) getrennt, Afrika bewohnt, sind die Abessinier [* 54] (Fig. 19 u. 20), eine alte Kolonie der Himjariten, welche einige Jahrhunderte vor unsrer Zeitrechnung von Jemen und Hadramaut über die Meerenge hinübersetzten und in Afrika ein Reich schufen, in dem das Christentum, freilich in völlig verwahrloster Gestalt, herrscht. Die malaiische Rasse endlich wird auf Madagaskar durch das herrschende Volk der Howa vertreten, zu ihr rechnet Mullens auch die ebenfalls dort wohnenden Sakalaven [* 54] (Fig. 27), die Peschel und Müller den Bantuvölkern zuzählen.
Die Howa sind schon in vorhistorischer Zeit von O. her eingewandert, noch zeigt uns außer der Sprache mancher Zug die malaiische Herkunft. Die Indogermanen endlich, welche in kleinern Kolonien und vereinzelt an allen bedeutenden Küstenpunkten sitzen, haben im N. durch die französische Eroberung Algeriens festen Boden gefaßt, sind im äußersten Süden aber schon zu größerer Entfaltung gelangt, im Kapland durch Holländer und Engländer, in den beiden Bauernrepubliken durch die erstern allein. Hier haben sie auch noch eine größere Zukunft.
Die Zahl sämtlicher Bewohner Afrikas läßt sich natürlich nur annähernd bestimmen. Für den bei weitem größten Teil sind wir auf Mutmaßungen angewiesen. Auch ist die Verteilung der Bevölkerung eine ungemein verschiedene. Um den Busen von Guinea, vom Senegal bis zum Cunene, zieht sich ein sehr dicht bewohnter Gürtel [* 61] hin. Dieser Gürtel nimmt in seinem nordwestlichen Teil den Raum zwischen der Sahara und der Küste von Oberguinea [* 62] ein, schwillt dann in der Mitte bedeutend an, indem er sich fast über die ganze Breite [* 63] des Kontinents bis nach dem ägyptischen Sudân und den Gallaländern erstreckt, wird gegen S. wieder bedeutend schmäler und endet mit Benguela am Cunene. Fast alles Land außerhalb dieses Gürtels ist schwach bevölkert. Im N. dehnt sich durch fast die ganze Breite des Kontinents die Sahara aus mit ungeheuern, völlig menschenleeren Räumen; nur die Oasen und der Rand zeigen dort Bevölkerung. Der Nordrand, längs der Mittelmeerküste, ist dann wieder dichter ¶
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bewohnt. Auch Nubien, Kordofan, Taka und Abessinien sind spärlich bevölkert; erst die Gallaländer und die Negerländer am Weißen Nil zeigen dichtere Menschengürtel. Sehr spärlich ist die ganze Südspitze vom 10.° südl. Br. an bevölkert. Auf 1 qkm kommen in Nordafrika 1,6, in Nordostafrika 7, im mittlern Sudân 18,5, im westlichen Sudân 22 und in Südafrika 4 Menschen, endlich in ganz Afrika, dessen Bevölkerung auf rund 210½ Mill. berechnet wird (s. unten), durchschnittlich 7 Menschen (vgl. auch die Karte »Bevölkerungsstatistik«). [* 53]
So verschieden die Völker Afrikas auch sind, gewisse gemeinsame Grundzüge lassen sich bei den meisten erkennen, wenn auch diese vielfach variiert sind, so die Verzierungen des Körpers (Tättowierung), das Ausbrechen oder Spitzfeilen der Zähne, [* 65] die Beschneidung, das Verzieren der Lippen und Ohren, die kindische Freude am Putz durch Schnüre von Glas- und Eisenperlen, Arm- und Beinringe, der Haupthaarputz u. a. Nur das kältere Gebirgsklima nötigt den Afrikaner zum Anlegen von Kleidern. Der Waffenluxus ist besonders im Sudân zu Hause, doch steuert ihm die allmähliche Verbreitung des Feuergewehrs. Der Hausbau ist nur im Sudân höher entwickelt. Gemeinhin bestehen die Häuser aus einfachen Lehmhütten (Tokuls).
Wo der Charakter der Neger in seiner Ursprünglichkeit sich erhalten findet, da ist er schnell leidenschaftlich zu erregen, aber ebenso rasch wieder zu besänftigen, kindlich, ja kindisch, ausgelassen fröhlich, bei großer Bedürfnislosigkeit meist träge, wenigstens nirgends den Wert der Zeit kennend. Ein andrer wird er durch die Not und den Druck, vor allem aber ist er durch den Sklavenhandel verderbt; dieser macht ihn nicht nur habsüchtig (der Vater verkauft wohl Mutter und Kind, um ein buntes Lendentuch oder eine Schnur Perlen einzutauschen), sondern auch grausam und tückisch.
Überall bleibt ihm aber, die gedrücktesten Stämme vielleicht ausgenommen, seine ausgelassene Fröhlichkeit; mit Tanz, Gesang und Musik verbringt der Neger die Nächte, unbesorgt um den andern Tag, an dem er sich mit stumpfsinniger Gleichgültigkeit hinschlachten oder in die Sklaverei führen läßt. Was die Familienverhältnisse anlangt, so herrscht fast durch ganz Afrika Polygamie; meist zeugt die Zahl der Frauen für den Reichtum des Mannes, denn die Frau wird gekauft und ist meist Sklavin und Lasttier des Mannes, wenn es auch bei einigen Bantuvölkern Ausnahmen gibt, wo die Frauen eine bevorzugte Stellung einnehmen.
Unter den Negervölkern gilt als verbreitetes Erbfolgegesetz, daß nach dem Tod eines Häuptlings nicht sein Sohn nachfolgt, sondern der Bruder oder der Schwestersohn des Verstorbenen. Die Sklaverei ist eine uralte Institution; die meisten Sklaven sind aber Kriegsgefangene, oder sie sind gestohlen, selten wegen Verbrechen verkauft. Diese große Unsicherheit der Existenz hat unter den Negern zur Blutbrüderschaft geführt, welche fast noch engere Bande zieht als die Familie.
Religion. Den wesentlichen Anteil an der blutgierigen Grausamkeit vieler Negervölker haben ihre religiösen, mit dem wunderlichsten Aberglauben vermischten Vorstellungen. Wo nicht der Islam und an einigen Punkten das Christentum Eingang gefunden haben, herrscht fast überall roher Fetischdienst mit Glauben an Zauberkünste und Hexerei. Einigen Völkern scheint jede religiöse Vorstellung, jede Ahnung von einer Fortdauer des Daseins zu fehlen, so den Buschmännern; dagegen schlachten die Kaffern den Geistern ihrer Vorfahren (Amahlozi), die sie unter der Gestalt unschuldiger Hausschlangen zu sehen glauben, Opfer.
Diese Verehrung Verstorbener finden wir als einen hervorragenden gemeinsamen Zug des religiösen Lebens durch alle entwickelten Negervölker durchgehen, er spricht sich in der allgemein verbreiteten Sorge um die Leichname der Verstorbenen und deren Gräber aus. Verbunden mit dem Glauben an eine Fortdauer nach dem Tod, finden wir darin eine Erklärung vieler Züge der Grausamkeit, des Hinschlachtens von Sklaven, selbst der Frauen, des Mitgebens von Speise und Trank etc., damit der Gestorbene gleich nach dem Tod wieder königlich bedient werde.
Tausende folgen so freiwillig und unfreiwillig dem gestorbenen König von Dahomé in den Tod. Zum Glauben an Einen Gott hat sich kein Negervolk aus sich erhoben, wohl aber die Galla; wo religiöser Glaube herrscht, da sind dessen Gegenstände gute und böse Geister, die unter der Gestalt von Tieren und Götzenbildern aller Art verehrt werden. Der Balonda verehrt die Kuh; Fetisch ist in Whydah die giftige Abgottsschlange (Vipera Idolum), in Abomê der Tiger (Leopard), [* 66] bei den Aschanti das Krokodil.
Man bringt mannigfache Opfer, selbst Menschenopfer. Die Verehrung geschieht bei den Marghi in heiligen Hainen, bei den Congonegern unter großen Bäumen, an der Sklavenküste selbst in Tempeln. Religiöse Feste werden bei vielen zur Zeit des Neumonds veranstaltet und mit Tanz und Musik begangen. Bei dem Schlangentempel von Whydah gibt es Priester und Priesterinnen zum Dienste [* 67] des Fetisches. Die Priester sind zugleich Ärzte, Wahrsager und Zauberer, wenigstens Regenmacher.
Kaffern und Hottentoten haben zwar keine eigentlichen Priester, aber sogen. Regenmacher, zu denen sie zur Zeit der Regenlosigkeit ihre Zuflucht nehmen. Jede Krankheit, jeder Todesfall wird der Hexerei übelwollender Feinde zugeschrieben und der Priester zu Rate gezogen, um den Zauber zu lösen oder den Thäter zu entdecken. Der Angeklagte muß sich dem Gottesurteil unterwerfen, indem er einen Gifttrank genießt; ist er reich, so gibt ihm der bestochene Priester einen unschädlichen, ist er arm, so ist er meist dem Tod verfallen.
Diesem wilden, grausamen Heidentum gegenüber bewirkt der Islam einen mächtigen Fortschritt in der Gesittung und Bildung der Neger. Er mildert die Sitten und bringt mannigfache Elemente einer höhern Kultur unter die Schwarzen; von Tag zu Tag wächst sein Einfluß, nimmt die Zahl seiner Verehrer zu. Doch hat sich mitten im Sudân, wo schon lange der Mohammedanismus herrschend ist, noch mannigfacher Aberglaube erhalten; der Glaube an Talismane, an Erstehen von Regen ist allgemein verbreitet. Der Islam ist über den ganzen Norden [* 68] des Kontinents, dann im Sudân und in Ostafrika verbreitet. Innerafrika ist noch im Heidentum versunken. Christen sind die Kopten in Ägypten und die Abessinier (Monophysiten). In Südafrika hat das Christentum noch nirgends durchgegriffen. Tiefer eingedrungen ist es in Madagaskar. Statistische Angaben s. bei der Karte »Bevölkerungsstatistik«. [* 53]
Gewerbe und Handel. Alle Arten der Lebensweise, von der des Jagdvolks aufwärts, sind in Afrika vertreten. Die Jagdvölker stehen am tiefsten, haben die ärmste Sprache und nur im Fang der Tiere, im Auffinden eßbarer Wurzeln eine der tierischen gleiche Scharfsichtigkeit, keinen staatlichen Verband. [* 69] Hierher gehören die Buschmänner und viele Völker des zentralen Kerns. Die nomadischen ¶
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Hirtenvölker leben von Viehzucht, [* 71] Jagd und teilweise auch von Krieg und Raub; zu ihnen gehören die räuberischen Kaffern, Masai, Somal, Galla, der Schrecken ihrer Nachbarn, die Tuareg der Wüste, aber auch die Dama und Namaqua und ein großer Teil der Fulbe. Ihr Hauptreichtum sind Rinderherden und Herden von Kleinvieh, im N. Kamele und Pferde. Die Halbnomaden, wie die Schua (Araber) im Sudân, ziehen in der trocknen Zeit mit ihren Herden umher und bebauen zur Regenzeit das Feld, wenigstens durch Weiber und Kinder.
Dies sind die Bewohner der Wüsten und Steppen. Ein großer Teil der Bevölkerung lebt aber von Ackerbau, der oft mit Viehzucht verbunden wird. Es sind meist friedfertige Völker, die mit den Nachbarn im Frieden, aber freilich unter sich oft im Streit über Mein und Dein leben. Wo Ruhe und passende Weide, [* 72] finden wir auch hier das Rind und Kleinvieh, darunter Schweine und Geflügel. Bei einigen Völkern bilden nur Hühner [* 73] und Hunde [* 74] den Haustierstand. Die verschiedenen Hirsearten, Durra, Dochn, Mais und Maniok sind mit der Erdnuß die wichtigsten und verbreitetsten Pflanzen des tropischen Afrika. Nur im S. und N. findet auch Anbau des europäischen Getreides statt.
Von Industriezweigen finden wir fast überall die Töpferei; nicht so allgemein verbreitet ist die Kunst, Häute zu gerben und zu verarbeiten, wohl aber die, Matten zu flechten. Der Kordofaner wie der Batoka, der Ovampo und der Bewohner des Sudân wissen aus Erzen auf die einfachste Weise treffliches Eisen [* 75] und Stahl zu gewinnen und zu verarbeiten, ebenso der Ovampo u. a. das Kupfer, [* 76] der Bewohner der Goldküste das Gold. [* 77] Der kunstreiche Schmied steht überall in hoher Achtung.
Dagegen ist die Weberei [* 78] und Färberei nur auf einzelne Gegenden beschränkt; berühmt ist Kano im Sudân durch Weberei, Färberei, feine Lederwaren, geschätzt die Goldschmiedearbeit der Aschanti, und vielfach wird die einheimische Baumwolle [* 79] verarbeitet. Schweinfurth unterscheidet mit Rücksicht auf die Gewerbthätigkeit der afrikanischen Eingebornen drei Kulturzweige auf dem Kontinent. Der erste, das Gebiet der Feuerwaffen, umfaßt die Küstenlandschaften und reicht namentlich im N. ziemlich tief ins Binnenland hinein.
Seine Bewohner stehen in mehr oder weniger regem Verkehr mit Europäern und erhalten von diesen ihre Bedürfnisse. Tiefer im Innern ist die zweite Region, die der europäische Markt durch Vermittelung des Eingebornenhandels nur noch mit Baumwollzeugen zur Kleidung der Einwohner zu versorgen vermag. Hier regt sich die Industriethätigkeit. Im innersten Zentralkern des Kontinents breitet sich das dritte, von jeder mittelbaren oder unmittelbaren Berührung mit der europäischen Welt intakt gebliebene Gebiet aus, dessen Bewohner Kleidung aus Rindenzeugen und Fellen gebrauchen. Je größer die Fortschritte, meint Schweinfurth, gewesen, welche hin und wieder ein afrikanisches Volk auf der Bahn der äußern Gesittung gemacht, um so geringfügiger habe sich dessen eigne Produktionskraft gestaltet; durch die europäische Industrie sei jede Regung des angebornen Nachahmungstriebs bei den Afrikanern erstickt.
Der Handel folgt im Innern bestimmten Wegen und wird durch Karawanen betrieben; so fördert der Tibbu, der Kelowi, der Kaufmann von Ghadames, der Mosabite die Waren Europas ins Innere des Sudân, dessen Erzeugnisse er dagegen nach N. führt. In Oberguinea vermittelt der Mandinka den Verkehr mit den Innern. Von Congo aus gehen die Karawanen der einheimischen Pombeiro ins Innere, von Sansibar [* 80] aus die der Araber und der einheimischen Wanjamuesi. An den Küsten finden wir Kaufleute aller europäischen Nationen zerstreut, an der Ostküste selbst indische Banjanen. Im nördlichen und mittlern Afrika ist Salz, [* 81] das in großen Mengen in der Sahara gewonnen und auch aus Europa eingeführt wird, ein wichtiger Handelsartikel; für die Ausfuhr nach Europa kommen namentlich in Betracht das zur Seifenbereitung benutzte Öl von der Ölpalme und Palmenkerne, vorzugsweise an der Küste von Kap Palmas bis zum Nigerdelta gewonnen, weiter südwärts Kopalharz, aus dem Innern Elfenbein, endlich Straußenfedern, Diamanten (vom Kapland), Gold, Kaffee, Farb- und Schmuckhölzer u. a. Das Kapland, Ägypten und Algerien, wo Europäer seit langem herrschend geworden, führen die verschiedensten Kolonialprodukte aus, vor allen Wolle, Baumwolle und Getreide, [* 82] die Maskarenen Zucker. [* 83] Am umfangreichsten wird aber der Sklavenhandel durch ganz Afrika getrieben.
Manche der heidnischen Negerfürsten verkaufen Unterthanen oder machen jährlich ihre Sklavenjagden in die Nachbargegenden, und das thun selbst die mohammedanischen Bewohner des Sudân wie die von Bornu und Bagirmi, für welche Sklavenfang der Haupterwerb ist, und die Ägypter in den obern Nilländern. Reich angebaute und bevölkerte Gegenden veröden durch diese Razzias, und es wird dadurch der Sklavenhandel zu einem Haupthindernis einer fortschreitenden Entwickelung der Neger.
Außer den Kriegsgefangenen werden aber auch viele gestohlen, ältere Leute wie Kinder; manche werden von den Angehörigen verkauft. Der Kleinhandel findet sich überall entwickelt, bei jedem Negerdorf gibt es einen Markt, auf dem die Bedürfnisse des Lebens verkauft werden. Mannigfach sind die Münzen [* 84] des Landes, in vielen Gegenden Salztafeln (Südsudân, Abessinien), Muscheln [* 85] oder Kauris, Baumwollzeugstreifen, Glasperlen, an der Goldküste selbst Goldstaub; Geld in den Mittelmeerländern, den Kolonien und Abessinien, wo die Mariatheresienthaler gelten. Der Handel bildet die Hauptquelle der Einnahme der Häuptlinge; überall wird Zoll erhoben, sei es in Waren oder in Sklaven, und an den östlichen Küsten auch in Geld; ja, selbst Brückenzoll mußte Livingstone tief im Innern entrichten.
Die Wege der Karawanen, die unter dem Schutz, oft unter dem Geleit der Fürsten stehen, sind durch Wasser- und Weidevorkommen von der Natur vorgezeichnet. Von Ägypten, Tripolis, Südalgerien, Marokko führen sie nach S., wo Kano und Timbuktu Hauptemporien des Handels sind, nach denen auch von der Küste Oberguineas Straßenzüge gehen. Von Ägypten aus führt eine Straße durch die westlichen Oasen nach Dar Fur und von da westwärts über Wadaï nach Bornu; eine zweite Straße führt über Borgu ebendahin. Am wichtigsten sind gegenwärtig die von Tripolis ausgehenden Straßenzüge, südwärts die zwei Straßen nach Mursuk, südwestlich nach Ghadames. In Südalgerien gehen die Routen von Tuggurt und Ghardina im Lande der Beni Mzab (Mosabiten) über Tuat nach Timbuktu; ebendahin führen die Straßen von Tafilet in Südmarokko und die von Agadîr über Arauan. Andre Straßen führen von W. nach O., auf denen die Pilger nach Mekka wallfahrten, so von Senegambien über Timbuktu, durch die Wüste, Bornu, Wadaï, Dar Fur nach Suakin; die Moslems des Nordens ziehen über Siwah nach Suez. ¶