Alkoholometrie
,
die Lehre [* 2] von der Bestimmung des Alkoholgehalts in Flüssigkeiten. Es gibt kein Mittel, den Alkohol aus einer Flüssigkeit mit quantitativer Genauigkeit abzuscheiden, um ihn direkt wägen zu können. Da aber Alkohol spezifisch leichter ist als Wasser, so kann man aus dem spezifischen Gewicht einer Flüssigkeit ihren Alkoholgehalt berechnen, vorausgesetzt, daß dieselbe eine reine Mischung von Alkohol und Wasser ist und nicht andre Stoffe enthält, welche ebenfalls auf das spezifische Gewicht einwirken. Flüssigkeiten wie Wein und Bier kann man also nicht mittels des Aräometers (s. d.) direkt auf ihren Alkoholgehalt prüfen. Dies erreicht man, wenn man einen kleinen Destillationsapparat mit guter Kühlvorrichtung konstruiert, den Alkohol der zu untersuchenden Flüssigkeit abdestilliert, das Destillat auf das Volumen der in Arbeit genommenen Probe bringt und dann das spezifische Gewicht bestimmt.
Alkohol mischt sich mit
Wasser unter
Verdichtung, 54
Lit.
Alkohol und 49,72 L.
Wasser geben beim Vermischen nur 100 L. Anderseits
vergrößert sich das
Volumen, wenn man sehr verdünnten
Alkohol mit
Wasser mischt. Das
Gesetz, nach welchem diese Volumveränderungen
erfolgen, ist aber nicht bekannt; man kann daher auch das
spezifische Gewicht von Mischungen nicht berechnen,
sondern ist auf empirische Bestimmungen angewiesen. Auf solchen von Gilpin ausgeführten und von
Tralles vervollständigten
und umgerechneten
Versuchen beruht die in
Deutschland,
[* 3]
England, Rußland etc.; die der französischen Alkoholometrie
zu
Grunde liegenden
Ermittelungen von
Gay-Lussac stimmen mit den Gilpinschen überein.
Die Angaben über den Alkoholgehalt einer Flüssigkeit erfolgen in Gewichts- oder in Volumprozenten. Mischt man 100 L. Alkohol mit 100 L. Wasser, so erhält man 192,75 L. Gemisch. Da nun in diesen 192,75 L. Gemisch 100 L. Alkohol enthalten sind, so enthalten 100 L. Gemisch 51,8 L. Alkohol, d. h. so beträgt der Alkoholgehalt des Gemisches 51,8 Volumprozent. Die 100 L. Wasser wiegen 100 kg, die 100 L. Alkohol aber nur 79,45 kg; das Gewicht des Gemisches ist also 179,45 kg, und der Alkoholgehalt desselben berechnet sich zu 44,2 Gewichtsprozent.
Diese letztere Angabe ist stets ganz unzweideutig; das Volumen der Flüssigkeiten ändert sich dagegen mit der Temperatur, und deshalb muß bei Angaben in Volumprozenten stets auch die Temperatur angegeben werden. Die Normaltemperatur, auf welche sich in Deutschland alle Angaben beziehen, ist 15,6° C. oder 12,5 R., und die obige Angabe (51,8 Volumprozent) bedeutet also, daß aus einer Menge dieses Gemisches, welche bei 12,5 R. 100 L. füllt, 51,8 L. Alkohol von 12,5 R. gewonnen werden können.
Man darf aber nicht folgern, daß nun ein gleiches Gemisch aus 51,8 L. Wasser und 48,2 L. Wasser hergestellt werden könne. Wie es sich damit verhält, zeigen die obigen Zahlen. Dagegen ist die Angabe in Gewichtsprozenten auch zur Herstellung von Gemischen in gewünschter Stärke [* 4] direkt verwendbar. Hat man daher die Aufgabe, nach Angabe in Volumprozenten eine Mischung anzufertigen, so verwandelt man die Volumprozente in Gewichtsprozente. Dies geschieht durch Multiplikation derselben mit dem spezifischen Gewicht des Alkohols (0,7946) und Division des Produkts durch das spezifische Gewicht der verlangten Mischung.
Die Ermittelung des spezifischen
Gewichts einer Alkoholmischung hat
an sich für die
Praxis keinen Wert, sie dient eben nur
als
Basis zur Berechnung des Alkoholgehalts. Man hat deshalb auf der
Skala der
Aräometer
[* 5] statt der spezifischen
Gewichte sogleich
die denselben entsprechenden Alkoholgehalte notiert und nennt solche
Aräometer Alkoholometer
[* 6]
(Branntweinwage).
Das bei uns gebräuchlichste
Instrument ist das Volumprozent-Alkoholometer
von
Tralles, dessen Angaben für die
Temperatur von
12,5 R. gelten. Um der oft sehr lästigen genauen Herstellung dieser
Temperatur überhoben zu sein, beobachtet man bei der
gerade herrschenden
Temperatur, bestimmt dieselbe mittels eines
Thermometers und benutzt eine
Tabelle, nach
welcher die gefundene Zahl (der scheinbare Alkoholgehalt) korrigiert wird.
Neben dem Alkoholometer
von
Tralles ist bei uns noch das Richtersche im
Gebrauch, dessen Gewichtsprozentskala aber unrichtig
ist. Die Angaben nach
Gay-Lussac, welche sich auf eine
Temperatur von 12° beziehen, können mit denen nach
Tralles als gleichbedeutend
genommen werden. Auch die
Aräometer von
Baumé,
Beck und
Cartier sind noch vielfach im
Gebrauch. In
England
vergleicht man allen
Spiritus
[* 7] mit einem
proof spirit (von 57,09 Proz.
Tralles), dessen
Stärke mit 0 bezeichnet wird. 20° underproof
heißt, es können 100
Gallons von solchem
Spiritus mit 80
Gallons
proof spirit und dem nötigen
Wasser hergestellt
werden; 20° overproof bedeutet dagegen, daß zu 100
Gallons von solchem
Spiritus noch 20
Gallons
Wasser hinzugesetzt werden
können, um ihn auf die
Stärke von
proof spirit zu bringen. Das in
England gebräuchliche
Aräometer
(Hydrometer) von Sikes ist
ein Skalenaräometer, welches beim Eintauchen in eine weingeistige
Flüssigkeit mit der ganzen
Skala heraustritt
und durch
Auflegen von
Gewichten zum Einsinken gebracht wird; aus der Angabe der
Skala ermittelt man alsdann in einer
Tabelle
den Alkoholgehalt der
Flüssigkeit.
¶
mehr
Zur Prüfung von Wein, Bier etc. auf ihren Alkoholgehalt destilliert man, wie oben erwähnt, den Alkohol ab und prüft das Destillat. Bei Flüssigkeiten, die nicht über 16 Proz. enthalten, genügt es, etwa ein Drittel abzudestillieren; bei gehaltreichern Flüssigkeiten muß mehr abgetrieben werden. Zur Ausführung dieser Destillation [* 9] sind besondere Apparate angegeben worden, von denen der von Pontier verbesserte Salleronsche und der Savallesche besondere Beachtung verdienen.
Man kann auch das spezifische Gewicht der Flüssigkeit nehmen, dieselbe bis zur Vertreibung des Alkohols im offenen Gefäß [* 10] kochen, dann mit destilliertem Wasser wieder auf das ursprüngliche Volumen bringen und abermals das spezifische Gewicht nehmen. Dies wird jetzt höher ausfallen als vorher, und aus der Differenz läßt sich ein Schluß auf den Alkoholgehalt ziehen. Drei Instrumente gestatten endlich die direkte Bestimmung des Alkoholgehalts gemischter Flüssigkeit.
Geißlers Vaporimeter (s. Abbildung) gründet sich darauf, daß beim Erhitzen einer weingeistigen Flüssigkeit die Spannkraft der Dämpfe bei einer bestimmten Temperatur um so größer ist, je mehr Alkohol sie enthält. Das Instrument besteht aus einem Fläschchen a zur Aufnahme der Probe, welches in Wasserdampf, der sich aus dem Gefäß c entwickelt, erhitzt wird. Die Dämpfe der alkoholischen Flüssigkeit drücken auf das Quecksilber in einem mit dem Fläschchen verbundenen Barometerrohr b und treiben es um so höher, je größer ihre Spannkraft ist.
Die Skala des Barometers zeigt zugleich den Alkoholgehalt an. d ist ein Thermometer. [* 11] Das Instrument ist für jede Flüssigkeit anwendbar; enthält dieselbe aber Kohlensäure, so muß man zunächst etwas gebrannten Kalk zusetzen und filtrieren. Silbermanns Dilatometer gründet sich darauf, daß sich 1 Volumen Alkohol beim Erwärmen vom Nullpunkt bis zum Siedepunkt etwa 3½mal so stark ausdehnt als Wasser. Der Apparat ist ein Thermometerrohr, in welches man die Probe füllt, und mit einer einfachen Vorrichtung zur Entfernung der Gase [* 12] aus der Flüssigkeit versehen.
Man erwärmt die Probe von 25 auf 50° und beobachtet, wie stark sie sich dabei ausdehnt. Die Skala des Rohrs gibt sofort die Alkoholprozente an. Bei dem Ebullioskop beobachtet man den Siedepunkt an einem in die eben zum Kochen gebrachte Flüssigkeit eingetauchten Thermometer. Wasser kocht unter dem Druck von 760 mm bei 100° C., der absolute Alkohol aber bei 78,4,° Gemische bei bestimmten dazwischenliegenden Temperaturen, die durch Versuche feststehen und den Gehalt unmittelbar aus einer Tabelle ersehen lassen.
Vgl. Kupffer, Handbuch der Alkoholometrie
(Berl. 1865);
Brix, Das Alkoholometer
und dessen Anwendung (3.
Aufl., das. 1864);
Fischern, Praktische Alkoholometrie
(Dresd. 1872).
[* 6] ^[Abb.: Vaporimeter.]