Alexandriner
,
Versart, welche aus sechs iambischen
Füßen besteht, gewöhnlich gereimt ist und als charakteristisches
Kennzeichen nach dem dritten
Iambus einen
Einschnitt oder Ruhepunkt
(Cäsur) hat, wodurch jeder in zwei
gleichmäßige
Stücke zerfällt und seinen bekannten monotonen
Charakter erhält. Der
Ausgang des Alexandriners
kann sowohl
männlich als weiblich sein; gern wird mit beiden abgewechselt. Den ersten
Gebrauch dieser Versart findet man bei den Spaniern
und
Franzosen, welche in derselben im 13. Jahrh. die Thaten
Alexanders d. Gr. und
Karls d. Gr. zu besingen
anfingen.
Sie soll zuerst von dem spanischen Dichter
Segura in seinem Gedicht von
Alexander d. Gr. angewendet worden sein und daher ihren
Namen erhalten haben. In der sogen. klassischen Litteraturperiode der
Franzosen wurde dann der der herrschende und allein gültige
Vers sowohl für die
Tragödie und das
Lustspiel als für das
Epos und die didaktische,
ja zum Teil auch für die lyrische
Poesie,
und er ist es im allgemeinen bis heute geblieben. Der Alexandriner
sagt allerdings ihrer unrhythmischen
Sprache
[* 2] besser zu als der
Hexameter
und bietet dem Schauspieldichter durch die
Cäsur und den
Reim Gelegenheit zu den zahlreichen
Pointen und
Schlagwörtern,
Repliken und
Antithesen, auf denen zu nicht geringem Teil die
Wirkung der französischen
Dramen, besonders des
klassischen
Lustspiels, beruht.
Gegen den
Gebrauch, der als
Regel galt, daß mit jedem
Vers auch eine Sinnpause eintrete, begannen erst in den 20er
Jahren unsers
Jahrhunderts französische Dichter sich aufzulehnen, indem sie sich des sogen.
Enjambements bedienten, d. h. einen
Vers öfters in den folgenden übergreifen ließen, so daß der
Schluß des ersten dem
Sinne nach keinen Ruhepunkt bildete.
Von
Frankreich aus verbreitete sich der Alexandriner
über
Holland,
Deutschland
[* 3] und
England. Im
Deutschen, wo derselbe
bei der rhythmischen
Bestimmtheit der
Sprache um vieles steifer erschien, erhielt er namentlich durch
Opitz eine fast uneingeschränkte,
über alle Dichtungsgattungen sich erstreckende Herrschaft und behauptete dieselbe das 17. und 18. Jahrh.
hindurch, bis
Klopstock durch Einführung der antiken
Metra und
Lessing durch den fünffüßigen
Iambus sein
Reich stürzten.
Seitdem ist der Alexandriner
als eine
Reminiszenz des
Zopfstils mißachtet gewesen und kam nur ausnahmsweise (z. B. nicht ohne
Wirkung
in kleinen
Lustspielen bei
Müllner und
Immermann) in Anwendung. Erst in neuerer Zeit wurde er uns durch
Rückert (in seinem
»Lehrgedicht«, in »Rostem und Suhrab« etc.),
später durch
Freiligrath,
Geibel u. a. wieder zugeführt, und letztern gelang es dadurch, daß
sie neben der Hauptcäsur noch andre ebenso scharfe Verseinschnitte anbrachten und
Anapästen und Spondäen wechselvoll einstreuten,
teils auch, indem sie (nach dem Vorgang französischer Dichter)
Strophen bildeten, in welchen der Alexandriner
mit dem vierfüßigen
Iambus wechselt, dem einförmigen
Metrum größere Mannigfaltigkeit und einen beweglichern
Charakter zu
verleihen.
Freiligrath selbst schildert den in dem bekannten Gedicht »Der Alexandriner«
, das
mit der
Strophe beginnt:
»Spring an, mein Wüstenroß aus
Alexandria!«