Titel
Aksákow
,
1) Sergéi Timoféjewitsch, russ. Schriftsteller, geb. 20. Sept. zu Ufa, besuchte das Gymnasium in Kasan, [* 3] dann seit 1805 die daselbst neuerrichtete Universität und begab sich 1807, ohne seine Studien vollendet zu haben, nach Petersburg, [* 4] wo er bei der Kodifikationskommission eine Stelle als Translator bekleidete, bis er sich 1811 auf sein Erbgut im Gouvernement Orenburg zurückzog. Nachdem er 1826 nach Moskau [* 5] übergesiedelt war, übernahm er hier eine Stellung als Zensor, gab aber auch dieses Amt bald wieder auf und widmete sich fortan ganz der Litteratur. Er starb 30. April in Moskau. Die liebenswürdigen, von einem künstlerischen Hauch durchwehten Eigenschaften seines Wesens spiegeln sich in allen seinen Schriften wider. Sein Hauptwerk ist die »Familienchronik und Erinnerungen« (»Sseméinaja chrónika i wospominanija«, Mosk. 1856; deutsch von Raczynski, Leipz. 1858), ein Meisterstück einfacher, gemütvoller, unter dem Eindruck verklärender Jugenderinnerungen niedergeschriebener Schilderung russischen Familienstilllebens, eins der wenigen wahrhaft klassischen Werke der russischen Litteratur.
Dieselbe anmutige Darstellung und warme Tonfärbung, verbunden mit aufmerksamem Blick für das geheime Leben und Weben [* 6] der Natur, atmet auch sein erstes Werk: »Aufzeichnungen über das Angeln« (»Sapiski ob ushénji rýby«, Mosk. 1847),
sowie das zweite: »Aufzeichnungen eines Jägers des Gouvernements Orenburg« (»Sapiski rushéinago ochótnika Orenbúrgskoi gubérnii«, das. 1852). Eine Fortsetzung der »Familienchronik« bilden die ebenfalls ausgezeichneten »Kinderjahre des Enkels von Bagrow« (»Détskije gódy Bagrówa wnuíka«, Mosk. 1858).
2)
Konstantin Sergéjewitsch, gleichfalls namhafter russ. Dichter, Sohn des vorigen, geb. 29. März
auf dem
Gut Aksakowka
(Gouvernement
Orenburg),
studierte in
Moskau, wo er sich in litterarhistorische
Studien und die deutsche
Philosophie vertiefte und sich mit
Eifer an die Erlernung der ausländischen
Sprachen machte. Seine
Dissertation
»Lomonossow in der Geschichte der russischen Litteratur und der russischen
Sprache«
[* 7] (1847) brachte ihm den
Grad
eines
Magisters der russischen Litteratur ein. Von 1846 an war Aksákow
einer der thätigsten Mitarbeiter
aller
Zeitschriften slawophiler
Richtung und der Chorführer der slawophilen
Partei. Am deutlichsten treten seine
Ansichten über
die angebliche
Mission der
Slawen im Kulturleben der
Völker in den
Schriften hervor: »Das
Leben der alten
Slawen überhaupt und
der
Russen insbesondere« (»Dréwnij byt slawján woobstsché i rússkich
w ossóbennosti«, Mosk. 1852) und »Bemerkungen
über die neue administrative
Organisation der
Bauern in Rußland« (»Sametschánija na nówoje administratíwnoje
ustróistwo krestjàn w Rossíi«, Leipz. 1861). Seine lyrischen Gedichte, von denen viele
infolge der Zensurverhältnisse erst in den letzten
Jahren allmählich veröffentlicht wurden, haben einen stark ausgeprägten
Zug
gedankenvollen
Ernstes und entbehren der
Töne echt lyrischer
Empfindung. Bemerkenswert sind hingegen die
Übertragungen einiger Gedichte von
Schiller und von andern westeuropäischen Dichtern. Ein
Lustspiel: »Fürst Lupowetzkij« (»Knjas
Lupowétzkij«, Leipz. 1857),
und die dramatische
Parodie »Oleg vor
Konstantinopel«
[* 8] (»Olég pod Konstantinópolem«, Petersb.
1858) haben keinen bleibenden Wert. Aksákow
starb 7. (19.) Dez. 1861 auf der
Insel
Zante, wohin ihn die
Ärzte
zur Wiederherstellung seiner
Gesundheit geschickt hatten. Von einer auf 5
Bände berechneten Gesamtausgabe seiner
Werke sind
bisher nur 3
Bände, Bd. 1: »Historische
Schriften« (Mosk. 1861),
Bd. 2 und 3: »Philologische Schriften« (das. 1875-80), erschienen.
3) Iwan Sergéjewitsch, Bruder des vorigen, gleichfalls Schriftsteller und Führer der Slawophilen, geb. 26. Sept. auf dem Gut Nadeshino (Orenburg), erhielt seine höhere Ausbildung in der Petersburger Rechtsschule und wurde darauf zu Moskau im Ressort des Justizministeriums, im Moskauer Senat, angestellt. Im J. 1852 verließ er jedoch den Staatsdienst und zog sich ins Privatleben zurück. Im nächsten Jahr folgte er der ihm von seiten der Russischen Geographischen Gesellschaft gemachten Einladung, nach Kleinrußland zu reisen, um die dortigen Handelsverhältnisse, namentlich auf den Jahrmärkten in den Dörfern, zu durchforschen.
Die Frucht seiner Untersuchungen war das Werk »Untersuchungen über den Handel auf den Jahrmärkten der Ukraine« (»Issljédowanije o torgówljá na ukráinskich jármarkach«),
welches 1858 herausgegeben und von der
Russischen
Geographischen
Gesellschaft mit der großen Konstantinowschen
Medaille, von der
Akademie der
Wissenschaften mit der halben Demidowschen
Prämie
gekrönt wurde. Im J. 1860 unternahm Aksákow
eine
Reise in die slawischen
Länder und gründete darauf im folgenden Jahr eine panslawistisch-slawophile
Zeitung: »Djehn« (welche 1865 verboten wurde).
Nachdem er mehrere Jahre sich ganz der litterarischen Thätigkeit als ständiger Mitarbeiter mehrerer
Moskauer
Blätter hingegeben,
wurde er schließlich zum
Direktor einer
Moskauer Privatbank erwählt, welche
Stellung er noch jetzt innehat. Seit 1880 gibt
er in
Moskau die
Zeitung »Ruhs« (»Rußland«),
ein
Organ der
Slawophilen, heraus. Obgleich Aksákow
auch ein leidlicher
Lyriker ist, so liegt das Hauptgewicht
seines Wirkens doch in seiner publizistischen Thätigkeit, in welcher er sich als bedeutendster Vertreter des modernen Slawophilentums
hervorgethan.
Vgl. »Rußland vor und nach dem Krieg« (Berl. 1880).