Agrarĭer
(Steuer- und Wirtschaftsreformer), polit.
Partei in
Deutschland,
[* 2] welche die Standesinteressen der Landwirte
im politischen
Leben vertritt. Die ersten Anfänge der
Partei sind zurückzuführen auf eine Versammlung,
welche auf Anregung von
M. Agrarier
Niendorf (gest. 1878) und
Elsner v. Gronow im Mai 1869 zu
Breslau
[* 3] während der dortigen Wanderversammlung
deutscher Land- und Forstwirte stattfand und zunächst das Erscheinen der von Niendorf redigierten
»Deutschen Landeszeitung«
zur
Folge hatte.
Der agrarische
Gedanke ist der früher schon von
Rodbertus theoretisch formulierte, daß die neuere
Gesetzgebung
überwiegend dem
Kapital, d. h. zunächst dem Geldkapital, zu gute komme und der Grundbesitz oder die
Landwirtschaft demselben
gegenüber benachteiligt sei. Der
Kongreß norddeutscher, später deutscher Landwirte war ein Sammelpunkt der agrarischen
Gesinnungsgenossen, die dort von Jahr zu Jahr größern Einfluß errangen. Der Gründungsschwindel und
der darauf folgende
Krach schafften den Gegnern der modernen
Wirtschaftspolitik und den Feinden der zunehmenden Bedeutung des
beweglichen
Kapitals größern Spielraum, und in den
Tagen vom 22. bis fand in
Berlin
[* 4] eine
konstituierende Versammlung
»deutscher
Steuer- und Wirtschaftsreformer« statt, welchen
Namen die Agrarier
seitdem offiziell angenommen haben.
Das
Programm bezeichnete namentlich die Beseitigung der
Grund-, Gebäude- und
Gewerbesteuer als ein
Ziel der Vereinigung. Die
ursprünglich stark betonte freihändlerische
Richtung ist mehr und mehr zurückgetreten, und 1879 billigte sogar die
Mehrzahl
der Agrarier
, besonders die schlesischen Grundbesitzer, im
Reichstag gegen das Zugeständnis der
Getreide- und
Holzzölle den neuen
schutzzöllnerischen
Tarif.
Vgl. Wilmanns, Die goldene Internationale und die Notwendigkeit einer sozialen Reformpartei (Berl. 1876).