Afghanistan
Afghanistan

* 3
Afghanistan.
[* 3] (das Drangiana und
Ariana der Alten, hierzu
Karte »Afghanistan«
),
der 721,700 qkm (13,106 QM.) große und
von ungefähr 4 Mill.
Menschen bewohnte nordöstliche Teil des vorderasiatischen
Plateaus von
Iran. Es liegt
mit Einschluß der 1872 bis 1873 ihm zugewiesenen
Länder südlich des
Oxus zwischen 29½-38¼° nördl.
Br. und 61-74° östl.
L. v. Gr. und wird im N. von den jenseit des
Flusses liegenden Chanaten
Karategin, Kolab,
Hissar und
Bochara und dem Transkaspischen
Gebiet Rußlands, im O. von dem indobritischen
Reich, im S. vom englischen
Distrikt
Quetta mit
Pischin und
Sibi, dann
Belutschistan, im W. von
Persien
[* 4] begrenzt. Afghanistan
ist ein nach W. zu sich abdachendes
Hochland, im N. von dem
Hindukusch
umschlossen, dessen höchste Gipfel 8000
m und darüber erreichen; im W. tritt das Randgebirge der
Persischen
Wüste heran;
von
Indien wird Afghanistan
abgeschlossen durch die 3443 m hohe
Suleimankette, weiterhin durch den Safedkoh, 4760 m hoch, mit den Chaiberbergen.
An den
Hindukusch schließen sich westlich, in derselben
Richtung streichend, die unter dem
Namen des Paropamisus begriffenen
Höhenzüge an, die sonst für unwegsam galten, aber 1882 durch den
Russen Lessar bereist wurden und ein
sogar mit einer
Eisenbahn leicht zu übersteigendes Sandsteingebirge von etwa 400 m
Höhe sein sollen.
Hindukusch und Safedkoh
entsenden zahlreiche
Ketten nach
S. und machen den
¶
Maßstab [* 6] 1:5400000
Völkernamen (HAZARA, Taimuni)
Afghanistan (Bodenbesc

* 7
Seite 1.143.mehr
östlichen Teil von Afghanistan
zu einem unwegsamen, leicht zu verteidigenden Gebirgsland. Von diesen Ausläufern ist am wichtigsten
die Kwadscha Amran-Kette, der Gebirgswall Afghanistans gegen Belutschistan, an dessen Fuß nach W. die Lora abfließt; östlich
setzt sie sich durch Verzweigungen in Verbindung mit dem Suleimangebirge. Seit 1884 ist englischerseits vom Quettadistrikt
aus die Anlage einer schmalspurigen Gebirgsbahn über diese Kette geplant. Ungeachtet der Schwierigkeiten, welche dieses nur
von wenigen Pässen durchschnittene Gebirgsland dem Vordringen bereitete, bot Afghanistan
doch bis zur Entdeckung des Seewegs den einzigen
Weg nach Indien; Heere wandernder Völker zogen durch Afghanistan
nach Indien, Missionen heraus, Karawanen hin und her.
Die Hauptpässe sind gegen N.: der Chawak, 328 v. Chr. von Alexander d. Gr., im 14. Jahrh. von Timur durchzogen;
Bamian, durch welchen Dschengischan 1219, Nadir Schah 1731, Leutnant Sturt 1840 zur Probe mit Artillerie, die russische Gesandtschaft 1878 mit ihrer zahlreichen Eskorte zogen, und der Kutschân (Ghurband), über den Alexander d. Gr. 327 v. Chr. seinen Weg von Baktrien zurück nahm.
Flüsse

* 8
Flüsse.Gegen O. gewähren der Kabul, Kurum und Gomalstrom allein einen Ausweg nach Indien; der Chaiberpaß (984,8 m hoch) längs des Kabul ist der kürzeste und am meisten benutzte; nach S. gelangt man durch den Bolanpaß. Die vier Hauptstädte des Landes, Kabul, Ghasni, Kandahar und Herat, verdanken ihre Größe, einstigen Glanz und gegenwärtige Bedeutung den von Indien nach Persien und Turkistan führenden großen Handelsstraßen. - Die Flüsse [* 8] sind nur für die Bewässerung des Landes wichtig.
Der bedeutendste ist der Hilmend, welcher wie der Farud und Harud in den großen Hamunsumpf im S. sich
ergießt. Der Kabul fließt in südöstlicher Richtung zum Indus. Alle diese Flüsse entspringen am Südabhang des Hindukusch und
seiner westlichen Fortsetzungen. Erst westwärts, dann nordwärts ziehen der Heri Rud, der in seinem Unterlauf die Grenze gegen
Persien bildet, und der Murghab; beide verlieren sich im Turkmenengebiet. Der Amu Darja bildet einen Teil
der Nordgrenze. - Das Klima
[* 9] ist vorherrschend trocken mit wenig Regen; die durchschnittliche Wärme
[* 10] ist im Gebirge infolge der
höhern Lage niedriger als im benachbarten Indien; strenger Winter mit Schneestürmen herrscht in den nördlichen Gebirgen, die
Tiefländer zeigen dagegen wieder Extreme der Hitze. Die Bodenschätze sind noch nicht ausgebeutet. In der
Pflanzenwelt sind die verschiedensten Gewächse vertreten. Afghanistan
eigen und dem Nachbarland Indien fremd sind Trauben, Aprikosen,
Äpfel, Birnen, Walnüsse. In der Tierwelt begegnet man Tigern, Wölfen, Hyänen, Schakalen; im südlichen Afghanistan
dem Kiang (Equus Onager),
einer besondern Art wilder Esel, im NO. Affen;
[* 11] unter den Haustieren sind berühmt die Pferde,
[* 12] das fettschwänzige
Schaf
[* 13] und die Kamele.
[* 14]
Bevölkerungsstatistisc

* 15
Bevölkerung. Die Bevölkerung
[* 15] von Afghanistan
ist gemischt aus Afghanen, Pathan, Ghilzai, Tadschik und Hazara; an den Grenzen
[* 16] wohnen im NW. Aimak und
Uzbeken, im NO. Kafir. Zur Nation zusammengewachsen sind diese Völker durch die Religion (Islam) und die politischen Erfolge im
vorigen Jahrhundert unter Führung des noch heute dort herrschenden Duranistamms der Afghanen. Die Afghanen bilden mit rund 1 Mill.
Köpfen die Mehrzahl. Nach ihrer Überlieferung sind sie Einwanderer aus Syrien, wohnten zuerst im W., zogen im 7. Jahrh. n. Chr.
ostwärts und haben heute Kandahar und die hier einmündenden Thäler zu Hauptsitzen. Im Äußern nähern
sie sich den Radschputen des westlichen Indien, dessen frühere Einwanderer in
Afghanistan
sie verdrängten.
Unter den zahllosen afghanischen Stämmen spielen politisch die bedeutendste Rolle die Durani, deren Stamm auch den Landesherrn
gibt. Einflußreich und in den Thälern südlich der Hauptstadt Kabul tonangebend sind sodann die Ghilzai,
ein volkreicher Stamm mit reichen Überlieferungen. Pathan ist der einheimische Name für die von Ethnographen »indische Abteilung
der Afghanen« genannte Bevölkerung der nach Indien sich abdachenden Thäler. Jusufzai ist Gesamtname für die afghanischen
Stämme am rechten Kabulufer; Afridi sind die Hauptvertreter der längs der indischen Grenze wohnenden Afghanen, die sich
sowohl von Afghanistan
als Britisch-Indien ihre Unabhängigkeit noch wahrten, seit 1880 aber durch reiche Subsidien für englische Interessen
gewonnen werden.
Khattak und Kakar sind rohe Stämme zwischen der Stadt Kandahar und dem Indusstrom, die 1879-80 zum erstenmal mit Europäern in Berührung kamen und 1884 wegen Raubeinfalls im britischen Distrikt eine Züchtigung durch eine angloindische Militärabteilung erfuhren; bei näherer Erforschung ihrer reichen Sagen und eigentümlichen Sitten versprechen dieselben wichtige Aufschlüsse über die ethnographischen Verhältnisse des Landes zu liefern. Reste der persischen, vorafghanischen Bevölkerung sind die zahlreichen Tadschik, der ruhigste und friedliebendste Teil der Bewohner (s. unten).
Dem zentralasiatischen Stock gehören die Hazara an, nordöstlich von Herat;
Reste einer uralten arischen Einwanderung sind die Kafir an den Seiten des Kabulflusses von N. her. Im Äußern ist die zur Nation der Afghanen zusammengewachsene Bevölkerung von stattlichem Körperbau und schlankem Wuchs;
Auge des Menschen

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Auge.das Auge [* 17] ist voll Leben, das schwarze, starke Haar [* 18] hängt in Locken an der Seite herunter;
ein dunkler Vollbart umrahmt das Gesicht. [* 19]
Ihr Aussehen hat aber doch meist etwas Abstoßendes: der Hals ist nicht lang und sitzt tief in den Schultern, die Haut [* 20] hat einen matten Glanz und ein schwärzliches Ansehen. Der Afghane ist ausdauernd und unerschrocken; kriegerische Beschäftigung gilt ihm als das Höchste. Die Kleidung ist nur darin von der indischen verschieden, daß die Männer weite Hosen [* 21] tragen; den Oberkörper deckt ein langer Überwurf, der bis an das Knie reicht; die Füße stecken in Schuhen oder Halbstiefeln, den Kopf schirmt ein Turban oder eine Mütze.
Die Stoffe sind Tuch oder Seide [* 22] und nach dem Vermögen der Besitzer verziert. Die Wohnungen sind Häuser, meist aus Backstein und einstöckig mit plattem Dach [* 23] und im Innern ohne Tische und Stühle; Zelte, deren Boden mit dickem Filz oder wollenen Decken belegt ist, führen die nomadisierenden Stämme. Die Speisen sind nicht mehr vorwiegend vegetabilisch wie in Indien; Schaffleisch in verschiedener Form gilt als Bedürfnis, Obst als angenehmer Nachtisch. Seinem Charakter nach ist der Afghane leicht erregt und heftig; Unbarmherzigkeit wie Streitsucht sind Folge hiervon.
Afghanistan (politisch

* 25
Seite 1.144.Vielweiberei ist durch den Koran sanktioniert; die Frau ist aber hier, wie in Indien, als Lebensgefährtin und Erwerberin in der Hauswirtschaft mehr geachtet als in den westlichen Gegenden mohammedanischen Glaubens. Die Tadschik (»Kronenträger«, so genannt von der Kopfbedeckung der Parsen, dann überhaupt s. v. w. Persischredende) bilden rund ein Zehntel der Gesamtbevölkerung; sie sind gewöhnlich groß, haben schwarze Augen und Haare [* 24] und einen länglichen Kopf. Durch die jahrhundertelange Bedrückung haben diese Afghanen viele schlechte Eigenschaften angenommen, und in ihrer gegenwärtigen Vermischung sind sie ¶
mehr
wohl zum verworfensten Volk der indogermanischen Sprachengruppe herabgesunken. Ihr niedriger Sinn äußert sich hauptsächlich in Treubruch, in Betrügereien und Diebstählen. In Sachen der Religion affektieren die Tadschik die größte Verehrung vor den Geboten des Korans, doch nur, solange sie sich in Gegenwart Strenggläubiger befinden. Kriechend im Umgang, vergessen sie doch nie, für sich zu sorgen. Sie leben hauptsächlich in den Städten oder in ihrer Nähe und sind gewandte Kaufleute mit Verbindungen bis weit nach Innerasien hinein.
Sitz der Reichsregierung, des Emirs (aus Amir verderbt), ist Kabul im NO. des Landes. Zum Zweck der Verwaltung ist das Reich in Provinzen, diese in Kreise [* 26] abgeteilt. Ein Ziviloberbeamter sorgt für die Steuereinhebung, für öffentliche Ruhe und ist Vorsitzender der Appellhöfe; Befehlshaber des Heers ist ein General, dem zugleich die Ausführung der Befehle des Ziviloberbeamten obliegt; oft sind beide Ämter vereinigt. Neben dem allgemeinen mohammedanischen Gesetz des Korans gilt ein altes rohes Gewohnheitsrecht (Puschtunwalle); Selbsthilfe ist zwar verboten, aber der Hang hierzu noch nicht ausgerottet.
Die Strafrechtspflege ist willkürlich, wie in allen mohammedanischen Staaten; doch ist unter den Afghanenstämmen das althergebrachte Recht auf Mitwirkung des Volks in der Rechtsprechung noch nicht erloschen, sondern wird bis zur Stunde geübt. Das Heer besteht schon seit Mitte des vorigen Jahrhunderts aus einem besoldeten Stamm als Kern, an den sich im Krieg das Aufgebot der waffenfähigen Mannschaft anschließt. Organisation wie Bewaffnung wurden unter dem jetzigen Emir europäisch; die englischen Bezeichnungen Colonel (Oberst), Major und Adjutant sind als Kernel, Medgir und Adjodan Titel der entsprechenden Chargen. Alle Regimenter führen Musketen, nur wenige Tausende sind darunter Vorderlader oder gar Luntenflinten. Die Armee zählt rund etwa 50,000 Mann mit 123 Feldgeschützen. Doch fehlte es im Krieg von 1878 bis 1880 noch an gebildeten Offizieren.
Viehzucht (Futterverwe

* 27
Viehzucht.Hauptbeschäftigung der Einwohner bilden Ackerbau und Viehzucht. [* 27] Die Ackerbauer stehen in verschiedenem Verhältnis zu dem von ihnen bebauten Boden. Manche sind Grundeigentümer; vielfach ist das Besitztum klein, da nach mohammedanischem Gesetz beim Absterben des Vaters das Grundvermögen unter alle Söhne geteilt wird. Das erbliche Recht am Boden hat seinen Grund teils in der ursprünglichen Verteilung innerhalb der Familienverbände bei der Besitzergreifung, teils in Urbarmachung, teils in Ankauf oder in Schenkungen von seiten der Fürsten.
Bei größerm Grundbesitz geschieht das Austhun entweder gegen Geld oder gegen einen Teil des Ertrags; auch kommt ein Meierverhältnis vor, wobei der Eigentümer Saatkorn, Vieh und Ackergeräte gegen einen ausbedungenen Teil des Ertrags stellt. Die Gewerbe liefern Waffen, [* 28] deren Güte und Mannigfaltigkeit sich durch Errichtung einer Artilleriewerkstätte in Kabul steigerten, grobe Tücher aus Schafwolle und Kamelhaaren und dauerhafte Baumwollstoffe. Seidenstoffe und alle bessern Gegenstände im Haushalt wie für den Anzug bringt der Handel ins Land, der sich fast ganz in den Händen der Tadschik und der Fremden (Hindu und Armenier) befindet. Es treten hierin Rußland von Turkistan aus und England von Indien aus in Mitbewerbung.
Man trifft auf den Märkten viele russische Waren, aber Zahlen fehlen noch über die Höhe des Umsatzes mit Turkistan; mit Indien wertete dagegen der Handel 1877 vor Ausbruch des englisch-afghanischen Kriegs 32 Mill. Mk., ging zwar unter den Kriegswirren auf die Hälfte herunter, hob sich aber dann wieder und ward lebhafter als früher, da der Emir für die Sicherheit der Karawanen sorgt und eine Postverbindung mit Indien eingerichtet hat. Die Hauptabgabe an den Emir besteht in einer Grundsteuer; dazu kommen Stadt- und andre Zölle, besonders Durchgangszölle, der Ertrag der Krongüter, Überschuß der Münze, Geldstrafen und Tribute. Leider greifen Fürst wie Beamte auch zu Erpressungen zur Füllung ihrer Kassen.
Spottiswoode - Sprache

* 29
Sprache.Die afghanische Sprache, [* 29] welche sich selbst als Paschtu oder Puschtu bezeichnet, ist nach Trumpp und Spiegel [* 30] eine selbständige Sprache, welche an den Flexionsgesetzen und dem Wortschatz der indischen wie iranischen Sprachengruppe teilnimmt, jedoch vorwiegend indisches Gepräge zeigt und am nächsten an die neuindischen Sprachen angeschlossen wird.
Vgl. Dorn in den »Mémoires de l'Académie de St.-Pétersbourg 1850«; dann die umfassendern grammatischen wie lexikalischen Arbeiten Ravertys (»Grammar of the Pushto«, 3. Aufl., Lond. 1867; »Dictionary«. 2. Aufl., das. 1867, und »Pushto manual«, das. 1880);
Bellews Grammatik und Lexikon (beides das. 1867) und vor allem des Deutschen Trumpp »Grammar of the Pashtu, or language of the Afghans« (das. 1873).
Die Sprache zerfällt in verschiedene, in manchen lautlichen Dingen sehr abweichende Dialekte. Die Litteratur ist weder sehr umfangreich noch selbständig, sondern in ihrem Geiste durch den Islam, in ihren Formen durchweg durch persische Vorbilder bestimmt. Ein Bild derselben geben die Sammelwerke von Dorn (»Chrestomathy of the Pushtu«, Petersb. 1847),
von Raverty (»The Gulshan-i-Roh, being selections prose and poetical«, 2. Aufl., Lond. 1867; »Selections«, das. 1867) und Trumpp in der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft« (Bd. 21 u. 23).
Hanc veniam etc. - Han

* 31
Hand. Früher bildete jeder Stamm innerhalb des von ihm bewohnten Gebiets ein Gemeinwesen für sich, das seine Angelegenheiten in
republikanischen Formen durch Älteste und Ausschüsse verwaltete. Es gab dem Namen nach ein gemeinsames Oberhaupt mit der Residenz
in Kabul; aber wenn nicht die Aussicht auf einen glücklichen Raubzug in das benachbarte Indien winkte,
konnte der Herrscher auf Gehorsam und Heeresfolge nicht zählen. Dies änderte sich mit dem Übergang der indischen Grenzprovinz
Pandschab von den Sikhs in die starke Hand
[* 31] Englands (1845). Die Zeit der Einfälle großen Stils nach Indien ist von nun an vorüber,
die alte volkstümliche Verwaltung gefallen. Afghanistan
ist ein despotisch regierter Staat und zerfällt in folgende
Provinzen.
Südlich des Hindukusch liegen: a) Kabul, das Quellgebiet des Flusses gleichen Namens, die Ausläufer des Hindukusch, umfassend; b) Ghasni, wozu die Hochthäler südlich von Kabul, westlich bis Indien gehören; c) Kandahar, der Südosten, d) Seïstan, der Südwesten des Landes; e) Herat oder das Thal [* 32] des Heri Rud. Nördlich des Hindukusch liegen (von W. nach O.) Maimana (erobert 1883), Turkistan, Badachschan und Wakhan. Jeder Provinz steht ein Zivilgouverneur vor mit einem Stab [* 33] von Beamten und Generalen.
Geschichte. Afghanistan
, im Altertum nur Durchzugsland der verschiedensten Völker auf ihren Wanderungen und Kriegsunternehmungen
gegen Indien, war von arischen Stämmen bevölkert. Zur Zeit der Blüte
[* 34] des Ormuzd-Glaubens Zoroasters (Zarathustras), der altpersischen
Religion, waren die Hauptsitze dieser
¶
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Afghanistan
,
[* 3] der persische, allgemein gebräuchliche Name des Landes der Afghanen, einheimisch kurzweg als Urlajat (Stammland) oder nach den Hauptgebieten als Kabulistan u. s. w. bezeichnet.
Ausdehnung (der festen

* 35
Ausdehnung. Lage, Grenzen und Ausdehnung.
[* 35] Afghanistan
liegt, geographisch, geschichtlich und sprachlich den Übergang von Indien zum westl. Asien
[* 36] bildend, zwischen 28° 45' und 37° 45' nördl. Br. und 60° 55' und 74° 45' östl. L. Im O. wird es von den Pamirlandschaften
sowie Tschitral, Kafiristan, Pischawar und dem Pandschab, im S. von Belutschistan, im W. durch das pers.
Chorassan, im N. durch das jetzt russ. Gebiet der Turkmenen, Buchara, Darwas, Schignan und Ostturkestan begrenzt, und zwar so,
daß die Orte Merutschak am Murghab, Andchui und die Amufähre bei Chodscha Salih noch auf afghan. Gebiete liegen.
Auf dem Pamir [* 37] bildet der Teil des Amu, der aus dem Sarikul entspringt, die Grenze. Die Bestandteile A.s sind: im N., von W. nach O., das Kyptschak, Dschemschidi und Gardschistan um den obern Murghab;
Maimene, Balch, Chulm, Kundus, Badachschan und Wachan, über welch letztern nur eine lose Oberhoheit ausgeübt wird (insgesamt das afghan. Turkestan);
im W., von N. nach S. Ghur oder Ghurdschistan und Herat, ferner Teile von Seistan;
östlich davon, im N., das Aimak- und Hasara-Gebirgsland;
südlicher das Hilmendgebiet: Samindawar und Garmsel;
östlicher das eigentliche Afghanistan
, zu dem im NO.
Kabulistan, im SO. Siwistan gehören.
Das Areal beträgt seit 1887 mit den Grenzgebieten im O. (117000)
etwa 667000 qkm. (S. Karte: Westasien II, beim Artikel Asien.)
Weide

* 38
Weide.Bodengestaltung und Bewässerung. Die Bodengestalt A.s wird beherrscht durch das Hindukusch-Gebirgssystem, welches in zahlreichen Verzweigungen das ganze Land durchzieht und im W. in die pers. Gebirge übergeht. Vier Fünftel des Landes sind daher gebirgig, zwischen den Ketten liegen gut bewässerte, höchst fruchtbare Thäler von hoher Schönheit und kalte, öde, kaum Weide [* 38] bietende Tafelländer von bedeutender Höhe. Im N. zieht sich von der Pamir westwärts der 6000 m übersteigende Hindukusch mit seinen Schneegipfeln und unwegsamen Zerklüftungen.
Von letzterm durch den geschichtlich bedeutsamen Bamianpaß geschieden, läuft in derselben Richtung westlich der nach der Nordseite wild und zerklüftet abfallende Gebirgszug Kohi-Baba, etwa 5500 m hoch, ebenfalls in die Region ewigen Schnees aufragend, auf dem der Hilmend entspringt und sechs sehr beschwerliche Pässe den Verkehr vermitteln. Dem Kohi-Baba schließen sich wiederum westlich zwei parallele Gebirgszüge an, der Sefid-Koh (Weißes [* 39] Gebirge, der alte Paropamisus) und der Sija-Koh (Schwarzes Gebirge), die das Thal von Herat einschließen.
Der westl. Sefid-Koh ist nicht zu verwechseln mit dem östl. Sefid-Koh. Von dem Hauptzuge des Hindukusch und Kohi-Baba aus zweigen sich zahlreiche Ketten ab, welche gegen SW. zum Unterlaufe des Hilmend ziehen, südöstlich Herat das Bergland Hasara anfüllen und im SO. A.s fast Südrichtung erhalten, so daß ein fächerförmiges Auseinanderstreben stattfindet. Am bekanntesten sind hier die östl. und die westl. Suleimankette, in deren letzterer unter 31° 4' nördl. Br. der Tacht-i-Suleiman bis zu 3910 m aufsteigt.
Dieser bis nach Belutschistan hinabreichende Höhenzug bildet eine höchst charakteristische Grenze zwischen der ind. und pers. Welt, mit seinem öden, steinigen Abfall im W. stark gegen das fruchtbare Industhal abstechend. Es giebt unter den zahlreichen, wegen ihrer Enge und ihrer räuberischen Anwohner gefährlichen Verbindungswege fünf wichtigere: den 53 km langen Chaibarpaß (s. d.) an dem Durchbruch des Kabulflusses nach dem Pandschab, der Kurumpaß von Bannu nach Thal und Fort Kurum und nach Ghasni, südlicher der Chusoran und der für Artillerie gangbare Tankpaß;
an der Nordseite des Tacht-i-Suleiman der Gomal- oder Gumal- oder Ghwalarpaß (235 km).
Windvogel - Winkel

* 40
Winkel.
Fast im rechten Winkel
[* 40] zum Suleimangebirge
verläuft der östl. Sefid-Koh mit dem 4500 m hohen Paiwarpasse südlich
Kabul. Zu den Erhebungen des Nordens und Ostens bietet die Einsenkung des Südwestens, welche durchaus den Wüstencharakter
des innern Iran hat, das Gegenbild. Hier liegt der Hamunsumpf (2920 qkm) nur etwa 450 m hoch. Eine bedeutende Stromentwicklung
kann in einem so vielfach von Höhen durchzogenen Lande nicht stattfinden. Der größte Fluß, der Hilmend
(1120 km), hat ein Wassergebiet von 517000 qkm, verläuft sich aber als Binnenfluß bedeutungslos in den Hamunsee, in den
sich außerdem von N. der Adraskan oder Harud und der Farrah-Rud, von O. der Chasch-Rud ergießen. Der Hauptzufluß des Hilmend
ist der Argandab mit dem Tarnak. Der Kabul durchbricht zwischen Dschalalabad und Pischawar das östl.
Gebirge, um dem Indus zuzufließen. Die Nordgrenze A.s bildet der Amu, unter dessen Nebenflüssen der Kundus der bedeutendste
ist, während der Murghab und der Herirud in der Turkmenenwüste versiegen.
Schneckenfenster - Sch
![Bild 64.556: Schneckenfenster - Schneeammer [unkorrigiert] Bild 64.556: Schneckenfenster - Schneeammer [unkorrigiert]](/meyers/thumb/64/64_0556.jpeg)
* 41
Schnee.Klima. Binnenländischen Charakter trägt durchweg das im ganzen trockne Klima A.s, obschon es vielfache, durch die wechselnden Höhenverhältnisse und Richtungen der Gebirgszüge bedingte Abstufungen zeigt. In Ghasni dauert der außerordentlich strenge Winter über vier Monate, der Schnee [* 41] liegt bis in den Frühling hinein und der Sommer ist hier kaum so warm wie in England. Die nördl. Hochländer werden von schneereichen Winterstürmen heimgesucht; die südwestl. Ebene hat im Juni 50° C. im Schatten [* 42] und auch in Kabul und Dschalalabad ist der Sommer zuweilen unerträglich beiß.
Mineralien. [* 43] Der mannigfaltige Produktenreichtum des Landes ist noch lange nicht in vollem Maße in den Handelsverkehr eingetreten. Der Hindukusch hat Eisen [* 44] und Blei [* 45] in bemerkenswerten Massen geliefert, und in den westl. Gebirgen hat sich außer Blei auch Schwefel gefunden. Eine Goldmine ist neuerdings unweit Kandahar eröffnet worden, und die Gebirge im NO. scheinen reiche Goldländer zu sein; Steinsalz und Kohlen liefert das Gebirge in Menge; berühmt sind die Rubinen von Badachschan.
Pflanzenwelt. Vegetabilische Produkte der verschiedensten Arten finden sich, je nach der Höhenlage, vom ind. Zuckerrohr und der Dattelpalme bis zu den europ. Getreidegattungen; außer den letztern gedeihen hier ebensogut Mais und Reis sowie Tabak. [* 46] Die geschützten Thäler reifen neben Äpfeln und Aprikosen auch Feigen und Wein, wie denn die Flora des Orients sich hier mit der Vorderindiens vermischt, und auf den Hochsteppen wachsen die merkwürdigen aromatischen Hochstauden von Dolden, die Asa foetida und Galbanum liefern.
Afghanistan (Geographi

* 49
Seite 51.172.Tierwelt. Neben Schakal, Hyäne, Bär, Wolf, Fuchs, [* 47] Löwe, Tiger und Leopard [* 48] in den Bergklüften ¶
mehr
finden sich als Haustiere das Kamel, das Schaf (dessen meist rotbraune Wolle und verarbeitete Häute nach Indien gehen), das Pferd [* 50] (ebenfalls nach Indien ausgeführt), besonders zum Lasttragen benutzte kräftige Ponies, Jabu genannt, viele Maultiere, Esel (der zahme wie auch der weiße wilde), in den Gebirgen auch Rinder. [* 51] Die Mehrzahl der Vogelarten ist mit europäischen identisch. Die zahlreichen Falken werden zum Teil zur Jagd abgerichtet; Fasane, Lerchen u. s. w. kommen in großer Menge vor, ebenso eine große und sehr giftige Skorpionart.
Die Bevölkerung A.s, nicht einheitlicher Abstammung, wird von H. Keane (1880) auf 6145
000 Seelen geschätzt, darunter 3
520
000
Afghanen. Im jetzigen Umfange zählt das Land etwa 4 Mill. E. In ihrem eigenen Dialekt nennen sich die
Afghanen Puchtun, im Plural Pachtane, woraus in Indien Pathan geworden ist. Nach den Dialekten zerfallen sie auch in eine
östl. (Gildschi) und westl. (Durrani) Gruppe. Die Masse der eigentlichen Afghanen gehört zum iran. Volksstamme im
weitern Sinne.
Ihre Sprache, eine ostpers. Mundart, hat jedoch in ihrem östl. Teile starke indische, im westlichen pers. Beimischungen erfahren.
Die verschiedenen Stämme des Landes haben politisch besondere Vorrechte und Einrichtungen, wahrscheinlich je nachdem sie stoßweise
von dem nordöstl. Hochlande eingewandert sind. Der im Westen über die eigentlich afghan.
Grenzen hinaus wohnende Stamm der Hasara, etwa 360000 Seelen, sind Berla, ein mongol. Usbegenzweig aus
Timurs oder sogar aus Dschingis Chans Zeit.
Sie sprechen ein sehr altes Persisch und sind, wie die Perser, schiitische Moslems. Von den übrigen Stämmen, die das Hochland bewohnen, sind besonders die durch das ganze Gebiet zerstreuten Tadschik sowohl als Reste der ursprünglichen iran. Bevölkerung (mit Sinn für Ackerbau) als auch durch ihre Zahl von 1 Mill. Seelen bemerkenswert. Sie sind, wie die Afghanen, Sunniten und sprechen einen fast rein pers. Dialekt. Auch die den Hasara westlich benachbarten Aimak, eine Gesamtheit von wilden, räuberischen Stämmen, sind Sunniten.
Türk. Abkunft hingegen sind die Katagan (Usbegen, etwa 200000), ferner die Kisilbasch (75000), Schiiten, die hier seit
Nadir-Schah festen Fuß gefaßt, aber die pers. Sprache angenommen haben. Im Osten sind von Indien aus die sog. Hindki und die
Dschat eingedrungen. Erstere, ½ Mill. Seelen, beschäftigen sich besonders in den Städten mit Handel
und haben sich wahrscheinlich von der Kriegerkaste Ostindiens abgezweigt. Die sunnitischen Dschat dagegen sind sehr arm, ein
schöner, kräftiger, dunkler Stamm, Hausdiener, Musiker, Barbiere u. s. w., von unbekannter, vielleicht altscythischer Herkunft.
Im Süden von Afghanistan wohnen 100000 Belutschen (Iranier); im Nordosten etwa 100
000 Badachschi, ferner in geringer Zahl Kafir
(s. d.), anderer Einwanderungen, wie die von Armeniern u.s. w., nicht zu gedenken.
Über alle diese herrscht der Zahl nach, wenn auch in viele Stämme gegliedert, doch durch Nationalbewußtsein zusammengehalten, der Afghane, kräftig von Körper, trotzig und stolz. Von den einzelnen Stämmen werden die tapfern und gewerbfleißigen Berdurani, im Nordosten, durch ein Offensiv- und Defensivbündnis untereinander zusammengehalten, welches fester ist als die Bande des Blutes. Ausgenommen davon sind die Jußufpehi (Jußufsai), die stolzesten und unruhigsten aller Berdurani, berüchtigt durch die in ihren Stämmen herrschende Anarchie.
Obwohl vom Ackerbau lebend, überlassen sie doch die ganze Arbeit den sog. Fakir, welche Fremde sind oder unterworfenen Stämmen angehören. Diese dürfen von ihren Herren sogar getötet werden; zahlen sie jedoch ihr Schutzgeld und thun ihre Arbeit, so können sie nebenher nach Belieben Handel treiben und werden dann milde behandelt. Die Turkolani, thätige und freundliche Leute, stehen unter einem einzigen mächtigen Häuptlinge von großem Ansehen. Die Afridi und Schinwari am Spingargebirge sind die schlimmsten und verräterischsten Räuber in ganz Afghanistan, die Babur ein civilisierter, handeltreibender Stamm.
Die Sturiani waren Hirten, bis sie durch die Kaker ihrer Weidelandschaften beraubt wurden; seitdem sind sie Ackerbauer und haben, wie alle dortigen ackerbauenden Stämme, ihre Arbeiter oder Leibeigenen. Die Dschaudschi und Turi, stets einander feindlich, leben in den Thälern und Schluchten der Suleimankette. Die Schirani, um den Tacht-i-Suleiman, sind sehr arm und uncivilisiert, plündern jeden aus, brechen aber nie ihr Wort; Aussehen und Lebensweise sind überaus wild.
Ähnliches gilt von den ihnen benachbarten Smurri und Wasiri. In dem langen Sawurathale wohnen die bedeutenden Handel treibenden schwarzen und weißen Serin. Die edelsten und wichtigsten Stämme sind die Durrani und Gildschi, hauptsächlich Hirten mit patriarchalischen Sitten, meist auf hohen dunkeln Hügeln hausend, die bald wüst, bald spärlich angebaut, überall aber offen sind und Weidegründe bieten. Größtenteils leben sie in Zelten (Kisdi) aus dunkler Wolle, die im Winter durch Felle warm und behaglich gemacht werden.
Man schätzt die Zahl der Durrani auf 800000, die zwischen Herat und Kandahar, sowie in Kabulistan wohnen. Sie hießen früher
Abdali, bis ihr Herr, der Häuptling Ahmad (gest. 1773), den Titel Durri Durrân, d. h. Perle der Perlen, annahm.
Ihr Chan ist erblicher Häuptling, militär. Oberhaupt. Sie sind unter den afghan.
Stämmen am meisten der Civilisation zugänglich. Die Gildschi, ein tapferes, hochsinniges Volk von etwa 600
000 Seelen, am obern
Tarnak und in einem großen Teile des Kabulthals, mit einigen wichtigen Städten, waren ehemals der Hauptstamm; ein Zweig derselben
eroberte Persien. Aus den Holeki sind Könige und aus den Tochi sind Wesire hervorgegangen. Sie umfassen
etwa 100
000 Familien und ähneln den Durrani, welche sie als Rivalen sehr hassen. Dem undisciplinierbaren Selbstbewußtsein
entsprach die eigentümliche Stammverfassung; aber auch jetzt, gegenüber dem Alleinherrscher, sind die Unterschiede der
einzelnen Ulus oder Stämme mit ihren Chanen durchaus nicht aufgehoben. Die staatliche Organisation ist
sehr locker.
Afghanistan (Geschicht

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Seite 51.173.Sprache und Litteratur. Die Sprache der Afghanen, das Pachtu (s. d.), in westafghan. Aussprache auch Puchtu oder Puschtu genannt, ist ein ostiran. Dialekt. Schriftstellerische Versuche begannen erst sehr spät und nur in Anlehnung an pers. Vorbilder. Einer der frühesten und zugleich berühmtesten Dichter ist Abdurrahman aus dem Distrikt von Pischawar, ein gelehrter Sufi. Ferner sind zu nennen: Mirza Chan Anßari, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrh. dichtete; Chuschhal Chan Chatak, sein Zeitgenosse, der einen Aufenthalt in Indien nahm; besonders aber Ahmad Schah Abdali, der Gründer der Durrani-Dynastie. Auch fehlt es nicht an histor. und religiösen Aufzeichnungen, ¶
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doch geht keine derselben über das 15. Jahrh. zurück. Durch die in Afghanistan stets in hoher Blüte stehende pers. Litteratur ist die eigentlich afghanische in ihrem Wachstum stark beschränkt worden.
Handel und Industrie sind in Kabul, Kandahar und andern größern Städten sehr entwickelt, besonders das Kunstgewerbe. Den Verkehr zwischen Ostindien [* 53] und Centralasien besorgen die sog. Lohani-Kaufleute, Povinda oder Käufer genannt. Diese bewaffneten, auf ihrem Zuge durch Zölle und Abgaben vielfach beschwerten Handelsleute überwinden schwierige Gebirgspässe und räuberische Stämme, wenn sie, von Buchara ausgehend, sich zu großen Karawanen vereinigen.
Kalkül - Kalkutta

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Kalkutta.
Zweimal im Jahre versuchen sie die Reise aus den Wüsten Bucharas durch die Pässe des Paropamisus, die
Gildschi-Hochebenen und die Pässe der Suleimankette bis zum Pandschab. Hier angekommen, lassen sie ihre Kamele und Waffen
zurück und gehen mit ihren Ballen auf der Eisenbahn,Dampfschiffen u.s.w. nach Kalkutta,
[* 54] Karatschi, Bombay
[* 55] u. s. w., zuweilen
selbst bis nach Assam und Birma. Von Ostindien bringen sie Zeuge aller Art, Töpfer- und Metallwaren, Indigo,
[* 56] Brokat, Zucker,
[* 57] Gewürze, Thee, Cochenille, Ammoniak, Pferde, Kamele, Krapp, Teppiche, Droguen, Münzen,
[* 58] Kupfer,
[* 59] Perlen, Draht,
[* 60] Goldborte,
Opium (obwohl für Rußland streng verboten) u. s. w. Der Wert des Povinda-Handels beläuft sich jährlich
auf 30300
000 M.
Entdeckungsgeschichte. Über die frühere Zeit s. Asien. In der neuesten Zeit wurde Afghanistan namentlich in seiner östl. Hälfte bekannter durch die Forschungsreisen und Aufnahmen von Offizieren und Topographen, welche 1878 und 1879 den englischen in Afghanistan vorrückenden Heersäulen folgten;
Tanner unternahm einen Ausflug zu den Sija-posch-Kafir;
Scott bestimmte von dem 4760 m hohen Sikaram, dem höchsten Gipfel des Sefid-Koh, aus zahlreiche Spitzen des Hindukusch. Am eingehendsten wurde das Gebiet zwischen dem Indus und Kandahar untersucht;
viele Irrtümer berichtigte hier Gore, welcher das Thal Pischin beschrieb: Campbell besuchte das Thal Schorawak im SW. und das Tobaplateau im N. von Pischin;
Roger bewerkstelligte eine Aufnahme von Kandahar;
die Straße Kandahar-Girischk, der beste Landweg zwischen Indien und Persien, wurde von Kapitän Beavan untersucht.
Die Geographie des nordwestlichen A.s wurde durch die Arbeiten der von 1884 bis 1887 thätigen russ.-brit. Grenzkommission unter Sir Peter Lumsden bereichert. Die geolog. Durchforschung beendete Griesbach 1889. Die Ergebnisse sind zusammengefaßt in der 1891 erschienenen vierblättrigen Karte (1: 520640), die ein ganz neues Bild des Landes entwirft.
Geschichtliches. Die Afghanen treten erst sehr spät in die Geschichte klar erkennbar ein. Zwar erscheint ihr Name schon in den Paktyern (Puchtun) des Herodot; ihr jetziges Gebiet wird zum Teil mit dem Vaekereta des Avesta gemeint sein, ebenso mit den Bezeichnungen der alten Geographen Drangiana und Ariana. Aber es ist zweifelhaft, ob Stämme der heutigen Bewohner schon damals in diesen Grenzen saßen. Von nahen Beziehungen zu Indien zeugen noch heute die buddhistischen Kolosse von Bamian.
Zuerst werden die Afghanen bestimmt genannt in den Kriegszügen des Mahmud von Ghasni. Die Nachwanderungen fanden indes sehr langsam statt, und noch im 14. Jahrh. saßen einzelne Stämme außerhalb der jetzigen Grenzen. Später noch wohnten die Kafir massenhaft in Ostafghanistan, wie damals wahrscheinlich auch die Tadschik in Westafghanistan als herrschender Stamm. Die Zeit der pers.-mongol. Herrschaft öffnete den kriegerischen Stämmen den Weg ins Land; doch sammelten sie sich erst um die Mitte des 18. Jahrh. zu geschlossenem Auftreten und durchzogen unter Mahmud und Aschref siegreich ganz Persien.
Kaschmir [unkorrigiert
![Bild 60.212: Kaschmir [unkorrigiert] Bild 60.212: Kaschmir [unkorrigiert]](/meyers/thumb/60/60_0212.jpeg)
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Kaschmir.Unter Nadir Schah waren sie den Persern wieder unterthan. Als nach dessen Tode (1747) in Persien selbst Unruhen ausbrachen, benutzte Ahmad Schah (s. d.) die Gelegenheit, das Joch der Perser abzuwerfen, und begründete die Dynastie der Durrani oder Abdali; vor seinem Tode erstreckte sich das Reich vom Oxus bis zum Meere und von Nischapur in Chorassan bis Sirhind im Pandschab. Auch Kaschmir [* 61] war ihm unterthan. Er baute Kandahar wieder auf. Sein Sohn Timur starb 1793 und dessen zweiter Sohn Siman bestieg den Thron. [* 62]
Seinen Bruder Mahmud, der in Herat residierte, nötigte er, auf pers. Gebiete Schutz zu suchen. Doch bald verbanden sich Fath Chan (engl. Futeh Chan), Oberhaupt des mächtigen Geschlechts der Bariksai, und Mahmud gegen Siman, setzten sich in Besitz von Kandahar und vertrieben 1800 Siman, der, geblendet, in Ludiana den Schutz der brit.-ind. Regierung fand. Nach kurzem Zwischenregiment seines Bruders Schudscha ul-Mulk bestieg Mahmud zum zweitenmal den Thron. Durch die Hinrichtung seines Bundesgenossen Fath Chan zog er sich den Haß der Bariksai zu und mußte 1823 abermals die Regierung niederlegen. Er starb 1829 in Herat, das allein noch in seinem Besitze geblieben war.
Auckland - Auctor

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Auckland.Mit ihm brach die Durrani-Monarchie, die 76 Jahre bestanden, zusammen. Das Reich ging, mit Ausschluß Herats, an die Bariksai über; in Kabul gelangte Dost Muhammad, in Kandahar Kohan Dil, in Pischawar Sultan Muhammad zur Herrschaft. An der Spitze stand der älteste der drei Brüder, Dost Muhammad, als Chan von Kabul. Im Osten geriet dieser in Kampf mit Lahaur; im Westen wurde Herat von Persien mit Krieg überzogen. Am erklärte der brit. Generalgouverneur von Indien, Lord Auckland, [* 63] den Krieg, da Dost Muhammad den brit. Alliierten Randschit Singh unrechtmäßig bekämpft und Schudscha Schah als rechtmäßiger Thronerbe Englands Schutz angerufen habe.
Ein anglo-ind. Heer von 12000 Mann und 40000 Köpfen Lagergefolge überschritt den Indus, im März mit Verlusten den Bolanpaß, 7. April den Kodschakpaß und gelangte 25. April nach Kandahar, wo Schudscha Schah von seinem Reiche förmlich Besitz ergriff. Am 22. Juli wurde Ghasni besetzt und 7. Aug. zog der Schah mit der brit. Hauptmacht in Kabul ein. Dost Muhammad, in hilfloser Lage jenseit des Oxus, gab sich zwar den Engländern gefangen, aber sein Sohn Akbar trat an die Spitze einer Verschwörung, an die, trotz aller Anzeichen, weder der brit. Kommissar Alex. Burnes noch Macnaughten, der brit. Minister am Hofe zu Kabul, glaubten. Macnaughten bezahlte mit engl. Gelde den königl. Hofhalt Schudscha Schahs sowie die Beamten und kirrte die Häuptlinge durch Geld, so daß Afghanistan dem ind. Schatze jährlich fast 27 Mill. M. kostete. Sobald aber den Häuptlingen die fernern Geldzahlungen entzogen wurden, brach der Sturm los. Am erhob sich das ganze Land gegen die meist in Kabul stationierten 8000 Mann europ. Truppen und Sipahi; Burnes, Macnaughten ¶