Ackerbauschule
,
im Gegensatz zur landwirtschaftlichen Mittelschule, zur Landwirtschaftsschule und zur höhern landwirtschaftlichen Lehranstalt (Universitäts-Institut oder selbständige Akademie) ein Bildungsinstitut für den kleinen ländlichen Grundbesitzer, in welchem er mit den theoretischen Grundzügen der Bodenkultur, mit der rationellen Wirtschaft, der Handhabung verbesserter Geräte und Maschinen bekannt gemacht und wie in Bezug auf sein Fach so auch in der Elementarbildung entsprechend gefördert werden soll.
Die Ackerbauschule
hat eine doppelte
Aufgabe, eine praktische und eine theoretische.
Die erste löst sie durch Unterweisung des
Schülers
in allen landwirtschaftlichen
Arbeiten und Handgriffen, vom einfachen Spatenstich an bis hinauf zur leichtern tierärztlichen
Operation. Der theoretische Unterricht läuft neben der Praxis in der
Weise her, daß in
Zeiten, wo die
Wirtschaft alle
Hände und Kräfte in
Anspruch nimmt, die
Lehre
[* 2] bloß die Erklärung der auszuführenden
Arbeiten übernimmt;
in der
Periode der Arbeitsruhe hingegen, im Winter, tritt er in den Vordergrund.
Derselbe zerfällt in die Fortsetzung des Elementarunterrichts der
Volksschule und in die
Theorie der
Landwirtschaft
selber. Um in diese einzutreten, muß der
Schüler eine gewisse
Summe naturwissenschaftlicher Kenntnisse erwerben, also vorerst
in der Naturgeschichte,
Ackerbauchemie und Physik hinreichend unterrichtet werden. Dann erfolgt der Fachunterricht in
Acker-,
Wiesen-,
Garten-, Obst- und
Weinbau, in der Viehzucht
[* 3] und der allgemeinen
Tierarzneikunde. Wichtig sind
außerdem noch Feldmeßkunst, Zeichnen, Buchhalten, landwirtschaftliche Gesetzkunde. Der Kursus an den Ackerbauschule
währt
in der Regel
¶
mehr
zwei oder drei Jahre; erstere Zeit meistens an theoretischen Schulen, welche sich nur mit der Lehre beschäftigen und die
praktische Unterweisung entweder ganz beiseite lassen oder doch nur in beschränktem Maße erteilen; letztere Zeit an praktischen
Schulen, welche den Zögling neben dem theoretischen Unterrichte auch in praktischer Hinsicht vollständig ausbilden.
Auf der zweiten Kategorie von Ackerbauschule
sind meistens die Kosten des Besuchs geringer, da die Schüler einen Teil, im letzten Jahre
oft das Ganze ihres Unterhaltes durch eigene Arbeit verdienen. Hierher gehören auch die Landwirtschaftlichen Winterschulen,
welche nur im Winter existieren und deren Direktor im Sommer meistens als landwirtschaftlicher Wanderlehrer
fungiert. - Das Verdienst der Gründung der ersten Ackerbauschule
(1804) gebührt Fellenberg in Hofwyl.
Seine Musterschule, welche unter Wehrlis Leitung über 30 Jahre blühte und fast 3000 Zöglinge bildete, rief zuerst in Württemberg
[* 5] Nachahmung hervor. Zugleich mit der Akademie entstand (1818) in Hohenheim eine Ackerbauschule
für Bauern, die so große
Erfolge hatte, daß die Regierung sich veranlaßt sah, noch zwei andere zu gründen, die allen übrigen zum Vorbilde dienten.
In Deutschland
[* 6] bestehen jetzt in fast allen Ländern oder Provinzen Ackerbauschule
, im ganzen (von den Winterschulen abgesehen) 43;
Italien [* 7] besitzt 11, Schweden [* 8] 27, Norwegen in jedem Amt eine, Österreich [* 9] 14, Böhmen [* 10] 5, Ungarn [* 11] 6;
in Frankreich bestehen 48 niedere
Ackerbauschule
(fermes écoles) nur für Unterweisung in der Praxis, außerdem sog. Regionalschulen (früher écoles impériales
d'agriculture) für theoretisch-praktischen Unterricht;
in Rußland finden sich nur wenige eigentliche Ackerbauschule
, dagegen zahlreiche
sog. Knechtsschulen, verbunden mit einer Lehrfarm zur Ausbildung von ländlichen Vorarbeitern.
Vgl. Hosäus, Die Ausbildung junger Landwirte u. s. w. mit besonderer Berücksichtigung der bäuerlichen Verhältnisse (Jena [* 12] 1868);
Schröder, Die theoretischen Ackerbauschulen
u. s. w. (Rienb.
1869);
F. C. Schulz, Die theoretisch-praktische Ackerbauschule
(Jena 1869);
Weidenhammer, Die Landwirtschaftslehre und der Unterricht (Braunschw. 1869);
ders., Die Organisation der landwirtschaftlichen Schulen (Helmst. 1870);
F. C. Schulz, Welche Schule hat der Landwirt zu seiner allgemeinen Vorbildung zu besuchen? (2. Aufl., Brieg [* 13] 1879);
Linde, Der landwirtschaftliche Volksunterricht (Berl. 1879);
Schacht, Die Ausbildung des Landwirts in Lehre und Studium (Kiel [* 14] 1884);
Rieger, Die Aufgaben und die Bedeutung der landwirtschaftlichen Winterschule als Fachschule (Bresl. 1885).