(Abeilard,Abeillard,Abélard),
Peter, scholast.
Philosoph und Theolog, der kühnste
Denker
des 12. Jahrh., war 1079 in dem
Flecken Paletz oder
Palais unweit
Nantes
[* 2] (daher
DoctorPalatinus) geboren, studierte zu
Paris
[* 3] und
zog sich durch seine Bekämpfung des sogen.
Realismus, insofern er die allgemeinen
Begriffe(universalia) zwar
¶
Der KanonikusFulbert nahm ihn in sein Haus als Lehrer seiner NichteHeloise auf. Abälard, obgleich bereits 38 Jahre alt, entbrannte
in heftigster Liebe für das schöne und geistreiche 17jährige Mädchen und fand die glühendste Erwiderung seiner Leidenschaft.
Er entführte die Geliebte nach der Bretagne, wo sie im Hause seiner Schwester einen Sohn gebar, und nachdem
er mit Fulberts Einwilligung sich mit Heloise vermählt hatte, kehrte diese in das Haus des Oheims zurück, leugnete aber die
Ehe, um Abälard an der Erlangung kirchlicher Würden nicht hinderlich zu werden.
Darüber und über eine zweite Entführung erbittert, ließ FulbertAbälard überfallen und entmannen, um ihn
zur Erlangung kirchlicher Ehren kanonisch unfähig zu machen. Tief gebeugt durch diese Schmach, barg sich Abälard alsMönch in der
AbteiSt.-Denis und bewog auch Heloise, in Argenteuil den Schleier zu nehmen. Die Kraft
[* 5] seiner Rede, die Klarheit
und Bestimmtheit seines Vortrags sowie die ganze Richtung seiner Theologie zogen Schüler aus allen Ländern herbei. Er suchte
den kirchlichen Glauben auf allgemeine Vernunftprinzipien zurückzuführen, sah die Freiheit des Willens und das Vermögen der
Selbstbestimmung als Grundlage der Sittenlehre an, und wie nur aus ihr die Zurechnungsfähigkeit der Handlung
hervorgehe, so lehrte er, daß auch nur die aus ihr hervorgehende Reue und Buße, nicht die äußerlichen Gebräuche der Kirche
selig machen könnten; bildlich und gleichnisweise sei vieles in der kirchlichen Glaubenslehre, so z. B. in der Dreieinigkeit
die drei Haupteigenschaften Allmacht, Weisheit und Güte, angedeutet. Abälard erscheint als offener Vertreter
der rationalistischen Richtung in der Kirche.
Peter (frz. Abeillard, Abélard; lat. Petrus Abelardus), Scholastiker und Theolog, geb.
1079) zu Pallet oder Palais, einem Dorfe bei Nantes (daher Doctor Palatinus), erhielt seine erste wissenschaftliche Bildung
durch Roscellin, den Begründer des Nominalismus (s. d.),
und kam um 1099 nach Paris, wo damals Wilhelm von Champeaux, der Vertreter des Realismus (s. d.), lehrte, wurde aber bald Rival
und Gegner seines Lehrers. Seit 1102 lehrte er zu Melun, Corbeil und Ste. Geneviève vor einem sich immer vergrößernden Kreise
[* 9] von Schülern, machte sich aber damit Wilhelm von Champeaux zum unversöhnlichen Feinde.
Nachdem dieser Bischof von Châlons geworden war, übernahm Abälard 1113 die Leitung der Schule bei der KircheNotre-Dame und bildete
hier die ausgezeichnetsten Männer aus, unter ihnen den nachmaligen Papst Cölestin II., Petrus Lombardus, Berengar, seinen
nachmaligen Apologeten, und Arnold von Brescia. Abälard war das anerkannte Haupt aller Dialektiker und überstrahlte
alle andern Lehrer von Paris, dem damaligen Mittelpunkte der philos.-theol. Wissenschaften. Von dem Kanonikus Fulbert zum Lehrer
seiner 17jährigen, durch Schönheit und Geist ausgezeichneten Nichte Heloise berufen, entbrannte in heftigster Liebe zu ihr,
die von Heloise mit gleicher Leidenschaft erwidert wurde. Als Fulbert die Liebenden zu trennen suchte,
entführte Abälard die Geliebte nach der Bretagne, wo sie einen Sohn gebar, und vermählte sich in der Stille mit ihr. Fulbert hingegen
ließ Abälard aus Rache entmannen, damit ihm auf Grund der kanonischen Gesetze der Weg zu den kirchlichen Ehren verschlossen
bliebe. Abälard ging nun als Mönch ins Kloster zu St. Denis; die 18jährige Heloise nahm auf sein Verlangen den Schleier zu Argenteuil.
Unzufrieden mit dem klösterlichen Treiben, begann er auf Zureden seiner Freunde wiederum seine Vorlesungen in der Priorei
zu Maisonville; aber seine Gegner erweckten ihm bald neue Verfolgungen. Seine «Introductio
in theologiam» ward 1121 auf der Kirchenversammlung zu Soissons zum Feuer, Abälard selbst zur Haft im St. Medarduskloster verurteilt.
Nachdem er mit Mühe die Erlaubnis erhalten, außerhalb der klösterlichen Mauern zu leben, verließ er St. Denis und erbaute
sich zu Rogent an der Seine eine Kapelle und Klause, Paraklet genannt, die, von seinen ihm folgenden Schülern
zu einer geräumigen Stiftung erweitert, von ihm nach seiner Ernennung zum Abt von St. Gildas-de-Ruys in der BretagneHeloisen
und ihren Religiösen zur Wohnung überlassen wurde.
Seine Gegner, unter denen Bernhard von Clairvaux und Norbert von Laon obenan standen, brachten es endlich dahin,
daß 1140 auf der Synode zu Sens seine Lehre verdammt, dieses Urteil vom Papste bestätigt und durch einen Verhaftsbefehl verschärft
wurde. Doch Peter der Ehrwürdige, Abt zu Cluny, söhnte ihn mit seinen Feinden und dem päpstl. Stuhle aus. Abälard starb als
Muster klösterlicher Zucht in der Abtei St. Marcel unweit Châlon an der Saône. Heloise erbat sich den
Leichnam, den sie im KlosterParaklet begraben ließ, um nach ihrem Tode an seiner Seite zu ruhen. Sie starb Beider
Asche wurde 1800 in das Musée des Petits-Augustins in Paris, 1815
in die Kirche St. Germain-des-Près daselbst
gebracht und 1817 auf dem Kirchhofe Père-Lachaise beigesetzt.
In dem Streite des Nominalismus und Realismus nahm Abälard eine eigentümliche Stellung ein, insofern er die Ideen oder Allgemeinbegriffe
(universalia) weder mit ersterm für bloße Namen oder Abstraktionen, noch mit letzterm für das alleinige Reale hielt, noch
auch zugab, daß die Realität des Allgemeinen an jedem Einzelwesen sich darstelle. Vielmehr bewies er,
daß die eine und selbe Wesenheit jedem Individuum nicht auf dieselbe wesentliche, sondern immer nur auf eine individuelle,
mithin bestimmte Weise zukomme («inesse singulis individuis eandam rem non essentialiter, sed
individualiter tantum»).
Doch ist die StellungA.s in dieser Frage, da er sich selbst schwankend darüber ausspricht, noch immer
streitig. Bezüglich des Verhältnisses zwischen Vernunft und Religion lehrt er, daß alle Kräfte dem Menschen von Gott zu
irgend einem guten Zweck verliehen seien, also auch die Vernunft. Nur auf der durch freies Nachdenken gewonnenen Überzeugung
ruhe der Glaube als auf einer unerschütterlichen Grundlage; ein Glaube, der ohne geistige Kraft erworben,
ohne selbstthätiges Prüfen angenommen worden, sei der Freiheit des Menschen unwürdig. Abälard führte indes seine philos.
Grundanschauung nur in Bezug auf die Ethik (in der Schrift «Scito te ipsum») aus, während er die kirchliche Dogmatik
unangetastet ließ. Überhaupt blieb er, ungeachtet seines freien Rationalismus, innerhalb der Kirche stehen.
Seine Hauptwerke sind: «Sic et non», eine Sammlung dogmatischer Widersprüche der Kirchenväter (zuerst vollständig hg. von
Henke und Lindenkohl, Marb. 1851),
«De unitate et trinitate divina» (hg. von Stölzle, Freib. i. Br. 1891),
«Introductio in theologiam», «Scito
te ipsum», «Historia calamitatum», eine Selbstbiographie (hg. von Orelli, Zür.
1848). Cousin gab die «Ouvrages inédits d'Abélard» mit einer Biographie und Charakteristik (Par. 1836) und eine vollständige
Sammlung von A.s Werken (2 Bde., ebd. 1849-59) heraus. -