Titel
* Appenzell Ausser Roden.
Errata. S. 79, Sp. II, Z. 6-8 v. u. lies 37,725 km, 56,318 km, 97,868 km, 191,911 km.
Geschichtliche Uebersicht.
Die ältesten geschichtlichen Begebenheiten des Appenzell
erlandes sind eng verknüpft mit der Geschichte
des Stiftes St. Gallen.
Dieses vom h. Gallus 630 gegründete Kloster erwarb sich allmählig grosses Ansehen durch Ausbreitung des Evangeliums
und eine Machtstellung infolge der ihm gemachten Vergabungen. Es war namentlich die Zeit der Kreuzzüge, die dem Kloster
reichen Bodenbesitz einbrachte. So wurde auch das Land von Appenzell
lehen- und zinspflichtig dem Fürstabt des
Klosters. Treu hielt das Bergvolk zu seinen Oberherren und leistete ihnen wackern Zuzug in den mancherlei Kriegszügen,
die diese
Herren gelegentlich zur Erweiterung ihres Gebietes oder zur Sicherung ihres Besitzes mit mehr oder weniger Erfolg
unternahmen. Allmählig regte sich jedoch im Appenzell
ervolk das Bedürfnis nach
Freiheit und eigener
Rechtsame. Es suchte
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daher durch Bündnisse sich der immer drückender werdenden Herrschaft zu erwehren. Die Aebte wussten aber solche Bündnisse
zu vereiteln und das Volk durch Beamte des Stiftes in strenger Knechtschaft zu halten. Da drang die Kunde vom Bund der Urkantone
ins Appenzell
ervolk. Mächtiger ward die Unbotmässigkeit gegen den Abt. Unter Kuno von Stoffeln kam es
zum offenen Aufstand. Die Leute des Stiftes wurden verjagt und die Abgaben verweigert. Nun sammelte Kuno von Stoffeln, von
der Stadt St. Gallen unterstützt, ein Heer und zog gegen das Landvolk, das vom Lande Schwyz
Zuzug erhalten hatte. Am kam
es auf der Höhe von Vögelinsegg beim Orte Speicher zum Treffen, wobei die Appenzeller Sieger blieben und
die Stadt dem Abte ihre Hilfe entzog.
Jetzt suchte Kuno von Stoffeln Hilfe bei Oesterreich. Herzog Friedrich wollte vom Rheinthal aus ins Appenzell
erland eindringen,
wurde aber am Stoos (ob Gais) 1405 geschlagen und vertrieben. Jetzt unternahmen die Appenzeller mit grossem
Erfolge, von der Stadt St. Gallen unterstützt, Beute- und Siegeszüge in die den Oesterreichern gehörenden Gebiete am Bodensee.
Aber bei der Belagerung von Bregenz 1408 wurden sie vom verbündeten Adel des Seegebietes angegriffen und geschlagen.
Sie mussten sich in ihr Bergland zurückziehen, bedrohten aber fortwährend die Abtei, der sie jeden
Tribut weigerten, während das Stift auf seinen alten Ansprüchen beharrte. Schliesslich wurde das Verhältnis zwischen Stift
und Volk in der Weise von den Eidgenossen geregelt, dass die Appenzeller ihre politische Freiheit behielten und als sog. zugewandter
Ort der Eidgenossenschaft beitraten. Aber die vollständige Aufnahme in den Schweizerbund erreichten
die Appenzeller erst im Jahr 1513, nachdem sie sich wiederholt den 8 «alten Orten»
als treue, tatkräftige Verbündete erwiesen hatten. So waren sie im alten Zürichkrieg (1436-1450) auf Seite der Verbündeten
gegen Zürich
ins Feld gezogen und hatten tapfer gegen die Armagnaken und Oesterreicher gefochten; auch im Schwabenkrieg
(1499) hatten sie ruhmvoll mitgekämpft. Ebenso zogen sie mit nach Italien auf den Feldzügen, die den Eidgenossen wenig Ehre
aber viel Geld einbrachten. Es geschah aber auch oft, dass die Schweizer den unruhigen, stets kriegsdurstigen Appenzellern
in schlimmen Händeln beizustehen hatten, und diesem Umstand ist es wohl zuzuschreiben, dass die Aufnahme
in den Bund so spät erfolgte.
Die Reformation fand bei dem freisinnigen Appenzell
ervolk rasch Anklang und
Eingang. Die von Vadian und Kessler in der Stadt
St. Gallen gehaltenen religiösen Reden wurden von dem zahlreich anwesenden Landvolk voll Begeisterung angehört. Als
im Jahr 1522 der Pfarrer Walter Klarrer von Hundwil als erster Reformator des Landes auftrat, hatte er
rasch eine grosse Anzahl Bekenner gefunden. Andre Pfarrer folgten seinem Beispiel. Hiebei aber gab es Streitigkeiten, und
die Eidgenossenschaft hatte zu vermitteln. Im Jahr 1524 erfolgte ein Beschluss der Landsgemeinde, «die
Priester sollen nichts lehren, als was der heiligen Schrift und der Wahrheit angemessen sei».
Bald hatte es den Anschein, als würde das ganze Land sich zum reformierten Glauben bekennen. Da tat der Ausgang des Kappelerkrieges
der Bewegung Einhalt. Neue Misshelligkeiten, besonders im Ort Appenzell
selbst, brachten den Beschluss zur Reife, dass Religionssachen
dem Entscheid der Gemeinden zu überlassen seien. Dieser Beschluss bedeutete die Trennung des Landes
in zwei Hälften, die im Jahre 1597 endgiltig die Teilung in einen äussern und in einen innern Roden
zustande brachte.
Die Reformierten, in der Mehrzahl, bezogen den äussern Roden
und bezeichneten als ihren Hauptort Trogen, wogegen die Katholiken
den Ort Appenzell
zum Hauptort ihres Gebietes (Innerroden
) machten und daselbst wie im ganzen Halbkanton während
mehr als 200 Jahren keine Protestanten duldeten. Als sich die religiösen Zwistigkeiten allmählig verzogen, begann im Land
ein ziemlicher Wohlstand fühlbar zu werden, besonders durch das Aufblühen des Leinwandhandels, der den Neid der Stadt St. Gallen
rege machte und mehr als einmal in blutigen Streit ausgebrochen wäre, wenn nicht die Eidgenossen immer
wieder vermittelt hätten.
Der zu Anfang des 17. Jahrh. herrschende «schwarze Tod» (Pest) brachte
dem Appenzell
erlande grossen Verlust, ebenso der bald folgende 30jährige Krieg. Dabei stand Ausser
roden
auf Seite Frankreichs
und lieferte dieser Grossmacht Truppen, während Innerroden
seine Leute an Spanien abgab. Oft kam es
zu innern Reibungen und Streitigkeiten, zu Tumulten bei Landsgemeindebeschlüssen. War aber ein grosser Völkerkrieg entbrannt
(wie z. B. im spanischen Erbfolgekrieg), da war das Land Appenzell
mit aller Vorsicht auf seinen Schutz bedacht und sandte seine Truppen
nach Basel
zur Grenzmacht. Im Religionskrieg von 1712 (erster Villmergerkrieg) sandte Ausser
roden
seinen schweizerischen
Glaubensgenossen tatkräftige Unterstützung, erhielt aber trotzdem keinerlei
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Vergünstigungen beim Friedensschluss. Dies gab dann Ursache zu einem hässlichen Familienstreit und lang andauernder despotischer Beamtenwillkür. Das Jahr 1797 brachte auch dem Appenzellerland die Revolution unter dem Vorwand einer Gesetzesverbesserung. Dabei brachen Uneinigkeiten los über Entsendung von Truppen nach der Westschweiz. Aber bald standen französische Truppen im Land und zwangen es zur Annahme der Konstitution. Mit einem grossen Teil des Kantons St. Gallen bildete Appenzell nun den Kanton Säntis.
Gegen diese Ordnung der Dinge suchte sich das Appenzellervolk zu verschiedenen Malen aufzulehnen, ohne andern Erfolg als
den grosser Exekutionen. Erst die Mediationsakte 1803 brachte wieder Ruhe und Ordnung auf lange Zeit.
Die grosse Hungersnot von 1817 schlug dem Land tiefe Wunden. Eine von der Obrigkeit von Ausser
roden
vorgenommene Verbesserung
der Gesetze wurde 1821 von der Landsgemeinde stürmisch verworfen. Darauf suchten einsichtige Männer das Schulwesen zu heben,
und zwar mit Erfolg. Es wurden gemeinnützige Anstalten gegründet, durch gute Schriften im Volk der
Sinn für das Schöne und Edle angefacht. So ward der Boden vorbereitet, auf dem 1834 ein neuer zeitgemässer Verfassungsentwurf
angenommen werden konnte.
Im Jahre 1859 nahm das Volk von Appenzell
A. R. auf einer Landsgemeinde zu Hundwil eine neue Verfassung an. Als aber 1874 die Bundesverfassung
revidiert ward, musste ihr auch die appenzellische Verfassung angepasst werden. Dies war in der Hauptsache
das Werk des spätem Ministers Arn. Roth von Teufen; unter seiner Leitung kam eine neue Verfassung zustande, die am in
einer ausser
ordentlichen Landsgemeinde angenommen wurde.
[A. Heyer.]