[* 2]
Kanton
[* 3] der nordöstlichen
Schweiz,
[* 4] ganz vom
Kanton St.
Gallen umgeben, 420 qkm (7,6 QM.)
groß mit (1880) 64,799 Einw. Das Land ist ein wald- und wiesengrünes,
mit hübschen Dörfern und zahllosen
Häuschen übersäetes, von tiefen Flußtobeln (s.
Sittern) durchfurchtes und von den
kahlen Felswänden des Säntisgebirges (2504 m hoch) überragtes Voralpengelände, das gegen den
Bodensee abfällt. Inselartig
von flachem
Niederland umgeben, schaut es nach allen Seiten aus, der innern
Schweiz zu mehr an andreBerg-
und Thalpartien angelehnt
(Hinterland), nach dem
Rhein und
Bodensee kühner und freier vortretend (Vorderland). Der
Kanton zerfällt
seit 1597 infolge der
Reformation in zwei selbständige Hälften: das äußere Gebiet
(Außer-Roden), dessen Bewohner weit
überwiegend reformiert sind, und das fast ganz katholische innere Gebiet
(Inner-Roden). Die Außer-Roder sind ein geistig
aufgewecktes Völkchen, haushälterisch und außerordentlich thätig. Sie pflegen den
National- und Volksgesang sehr eifrig.
In ihren öffentlichen Zusammenkünften
¶
mehr
zeigt sich oft ein engherziges, ruhmrediges Wesen und viel Anhänglichkeit an altes Herkommen. Großartige Anstrengungen für
Zwecke der Erziehung und Wohlthätigkeit, in neuerer Zeit namentlich auch für Straßenbauten, zieren die sozialen Bestrebungen
Außer-Rodens. Die Inner-Roder stehen an geistiger Begabung nicht tiefer, sind aber durch und durch ein patriarchalischer
Hirtenstand geblieben, behaglich und bequem, gemütlich, heiter, witzig, gastlich, alter Sitte ergeben,
einfach und genügsam, neugierig, mit großer Vorliebe körperlichen Übungen und Spielen zugethan.
Der Wald, nirgends in ausgedehnten Beständen, jedoch in kleinen Stücken über das ganze Land zerstreut, genügt, wenigstens
in Außer-Roden, dem Bedarf nicht; aber man bemüht sich, dem Mißverhältnis entgegenzuwirken. Der frühere Rindviehschlag
ist soviel wie nicht mehr vorhanden. Der Hauptnutzen liegt in der Milch; Fettkäsereien finden sich fast
in allen Gemeinden, auch für die Ausfuhr arbeitend. Appenzell ist das Land der Molkenkurorte. Inner-Roden hat sehr viele Ziegen, aus
deren Milch die Molken bereitet und zur Nachtzeit nach den Kuroten ^[richtig: Kurorten] getragen werden.
Der interne und äußere Verkehr erforderte eine Menge schwieriger und brückenreicher Straßenzüge. Die wichtigsten laufen
in St. Gallen als in einem gemeinsamen Brennpunkt zusammen; zwei Paßstraßen führen in das Rheinthal,
über den Ruppen und Stoß; andre
münden nach dem Toggenburg. Die Schmalbahn Winkeln-Herisau ist bis Urnäsch fortgesetzt (1875)
und erstrebt Weiterbau nach Gonten-Appenzell; von Rorschach ersteigt, ebenfalls seit 1875, eine Zahnradbahn, 5½ km lang, die Höhe
von Heiden.
Ihr Besuch ist obligatorisch. Sie besitzt die gesetzgebende Gewalt, bestimmt die Verfassung, wählt die Standeskommission und
das Obergericht sowie das Mitglied des Schweizer Ständerats, erteilt das Landrecht, bewilligt die Ausgaben
für neue wichtige Bauten, nimmt die Landrechnung ab etc. Initiativvorschläge können nur durch
das Mittel des Kantonsrats vor die Landsgemeinde gebracht werden; sofern dieser jedoch die Anregung ablehnt, kann der Antragsteller,
aber nur vom »Stuhl« (d. h. dem erhöhten Sitz der Obrigkeit) aus, seine Sache persönlich der Landsgemeinde vortragen.
Das evangelisch-reformierte Bekenntnis ist Landesreligion; den Katholiken ist gemäß der Bundesverfassung
freier Kultus zugesichert. Das Armenwesen ist Sache der Gemeinden. Die Jahresrechnung der »Landeskassa« für 1882 ergab 394,176
FrankEinnahmen und 382,674 Fr. Ausgaben. Den Hauptposten der Einnahmen bildet die Landessteuer (157,725 Fr.), den Hauptposten
der Ausgaben das Straßenwesen (112,683 Fr.). Das reine Staatsvermögen betrug zu Ende des Rechnungsjahrs
790,335 Fr. Schul- und Kirchenwesen sind wesentlich Gemeindesache. Das Schulwesen gehört zu den regenerierten und umfaßt Primärschulen,
Sekundär- oder Realschulen und die Kantonsschule zu Trogen.
Die Landsgemeinde, deren Besuch obligatorisch ist, gibt sich Verfassung und Gesetze und wählt die obersten Landesbehörden:
Standeskommission und Kantonsgericht, erteilt das Landrecht und vernimmt den Jahresbericht über die Amtsverwaltungen etc.
Sie versammelt sich regelmäßig je am letzten Sonntag des Aprils. Die Standeskommission, die eigentliche Regierung des Landes,
besteht aus neun Mitgliedern, von denen der regierende Landammann nach zweijähriger Amtsdauer auf das
folgende Jahr nicht wieder wählbar ist.
Seit dem 8. Jahrh. hatte das Kloster St. Gallen durch Kauf und Schenkung allmählich die Grundherrschaft über den
ganzen jetzigen KantonAppenzell erworben. Um 1070 baute angeblich Abt Nortbert ein Gotteshaus am Fuß des Säntis, das, des AbtesZelle
[* 17] (Abbatis cella) genannt, der um dasselbe entstehenden Gemeinde und später der ganzen Gegend den Namen gab. Im J. 1345 erwarb
das Kloster mit der hohen Gerichtsbarkeit sämtliche Hoheitsrechte über das Land; aber schon 1377 zwangen
die fünf GemeindenAppenzell, Hundwyl, Urnäschen, Gais und Teufen den AbtGeorg zu dem Zugeständnis, daß sie in ein Bündnis mit den
schwäbischen Städten treten, sich eine Landsgemeinde und einen Landrat von 13 Mitgliedern geben durften. So entstand das demokratische
Gemeinwesen, welches zuerst als »Appenzell das
Land« bezeichnet wird.
Die Härte, womit der neue Abt Kuno von Stoffeln (1379-1411) seine herrschaftlichen Rechte durch Einzug des Todfalls, Beschränkung
des freien Zugs, der freien Heirat etc. geltend machte, bewog die Appenzeller, denen sich nunmehr auch die übrigen Gemeinden
des Berglands anschlossen, im Verein mit der Stadt St. Gallen sich gegen den Abt zu erheben (1401). Sie
zerstörten die äbtischen Burgen,
[* 18] traten, als St. Gallen vom Kampf abstand, in ein »Landrecht« mit den Schwyzern und brachten
mit ihrer Hilfe dem Heer des Abtes und der mit ihm verbündeten Reichsstädte bei Vögelinseck
eine schimpfliche Niederlage bei; nicht besser erging es einer österreichischen Kriegsmacht am Stoß Hierauf streiften
die Appenzeller in den Thurgau,
über den Rhein, überall die Burgen der Herren brechend und die Bauern zum Aufstand ermunternd, und bildeten
einen »Bund ob dem See«, der sich mit reißender Schnelligkeit über die ganze Nordostschweiz und Vorarlberg
bis nach Tirol
[* 19]
hinein verbreitete.
Eine Niederlage, welche sie 1408 bei Bregenz
[* 20] durch die schwäbische Ritterschaft erlitten, löste diesen Bund zwar wieder ebenso
schnell auf, ihre Freiheit aber blieb gesichert. Im J. 1411 sagten ihnen die sieben Orte der Eidgenossen (ohne Bern)
[* 21] durch ein
»Burg- und Landrecht« ihren Schirm zu und suchten ihre Pflichten gegen das Kloster in billiger Weise zu regeln. Allein die Appenzeller
wollten von Verpflichtungen gegen den Abt nichts mehr wissen, selbst Bann und Interdikt blieben ohne Wirkung. Erst 1429 brachten
die Eidgenossen einen Vergleich zu stande, wonach die Appenzeller die Entrichtung oder Ablösung der Zinsen
und Gefälle verbürgten, während der Abt sich anheischig machte, ihnen den Blutbann und damit die politische Selbständigkeit
zu verschaffen, was 1442 auch geschah. Im J. 1452 erlangte Appenzell infolge seiner Teilnahme am alten Zürichkrieg eine höhere
Stellung in der Eidgenossenschaft, und nach den MailänderFeldzügen wurde es zum vollberechtigten 13. Orte
derselben erhoben. Die Reformation erregte anfänglich in Appenzell keine heftigen Stürme; schon 1522 entschieden sich einzelne Gemeinden
dafür, während andre, namentlich die der innern Roden (Bezirke), stets beim alten Glauben fort beharrten.
Anfang des 18. Jahrh. fand die Musselinfabrikation und -Stickerei in Außer-Roden Eingang und erhob es zu einem Hauptpunkt
der SchweizerIndustrie, während Inner-Roden seiner Hirtenbeschäftigung treu blieb. Durch die helvetische
Verfassung wurden die beiden Appenzell 1798 mit St. Gallen, Toggenburg und Rheinthal zu einem KantonSäntis verschmolzen, durch die
Mediationsakte aber 1803 mit ihren Landsgemeinden wiederhergestellt. Obwohl dem Sonderbund geneigt, nahm Inner-Roden keinen
Anteil daran, entzog sich aber der Truppenstellung gegen denselben, wofür es 15,000 Fr. Buße zu zahlen
hatte. Um aristokratischen Tendenzen der Regierungen zu begegnen, brachte Inner-Roden 1829 seine uralte Landsgemeindeverfassung
in ein systematisches Grundgesetz, was Außer-Roden 1834 that.
Letzteres trennte 1858 durch eine Verfassungsrevision die Justiz von der Verwaltung und verbesserte durch eine abermalige Revision,
welche von der Landsgemeinde genehmigt wurde, den Organismus der Behörden und das Steuerwesen.
Inner-Roden revidierte seine Verfassung Während Außer-Roden durch Annahme der Bundesverfassungen von 1848 und 1874 seinen
eidgenössischen Sinn bethätigte, ist Inner-Roden der einzige Schweizerkanton, der seit 1848 konsequent alle Verfassungs- und
Gesetzesvorlagen des Bundes verworfen hat.
A.Rh.DerKanton Appenzell
A. Rh. (wir behalten die offizielle Schreibart Rhoden bei, machen aber darauf
aufmerksam, dass die etymologisch richtige Form Roden lautet) liegt zwischen 47° 15' und 47° 28' n. Br. und 9° 1' und
9° 26' ö. L. v. Gr. Im N. grenzt er an den Kanton St. Gallen,
im W. an diesen und den Kt. Appenzell
I. Rh., desgleichen im S. und
O. Seine Längsachse erstreckt sich vom w. Ende der Hochalp in nö. Richtung bis zur Meldegg und misst ca. 37 km. Der Flächeninhalt
beträgt 242,1 km2.
Mit Ausnahme der sw. Ecke, die sich bis zur Säntisspitze (2504 m) hinauf erstreckt, liegt der ganze Kanton im Hügel- und
Voralpengebiet. Parallel zur Längsachse ziehen mehrere Hügel- resp. Bergketten, die von N. nach S. an Höhe zunehmen. Die
drei ausgesprochensten sind: die nördliche, markiert durch die Aussichtspunkte Kayen (1118 m), Gupf (1075
m), Vögelinsegg (963 m), Fröhlichsegg (1003 m), WaldstatterHochwacht;
Zwischen diesen Ketten liegen die Längsthäler, die nun aber, wie die Ketten selbst, von tiefen Querthälern durchschnitten
sind, in denen wilde Bergbäche ihre Erosionsarbeit weiter besorgen. So sind innerhalb der Längsthäler zahlreiche Sättel
entstanden, welche gegen die beiden sie abgrenzenden Hügelkämme ansteigen und gegen die senkrecht dazu
gerichteten Bachrinnen dachartig abfallen.
Die wichtigsten Flüsse des Kantons sind:
1) Die Sitter; entspringt im Alpstein(Appenzell
I. Rh.). Bevor sie in den Kt. Appenzell
A. Rh. eintritt, bildet sie ein Stück weit die Grenze gegen
I. Rh. Beim Uebertritt in unsern Kanton nimmt sie von rechts den Rothbach auf, der seine Quelle am SO.-Abhang
des Gäbris hat. Nach ca. 3 km langem Laufe geht die Sitter auf den Boden des Kt. St. Gallen
über, nachdem sich beim «Kubel» südlich der
Krätzerenbrücke von links die Urnäsch mit ihr vereinigt hat. Diese entspringt am N.-Fuss des Säntis
und muss nun ihr Wasser dazu hergeben, beim «Kubel» im Gübser Moos einen künstlichen See zu bilden, dessen Ausfluss ein grossartiges
Elektrizitätswerk in Betrieb setzt.
1) Kreidebildungen. Das ganze Alpsteingebirge gehört dem Kreidesystem an. Da aber blos der NW.-Abhang des Säntis zu Appenzell
A. Rh.
gehört, so ist die horizontale Ausdehnung dieser Bildungen in unserm Gebiete nur gering. Auf der Schwägalp
findet der Kontakt der Kreide mit der Molasse statt.
2) Tertiärbildungen. Das schmale Band von Eocän, das sich an andern Stellen am N.-Abhang des Alpsteins zwischen die Kreide
und die miocänen Sedimente hineinschiebt, tritt auf ausserhodischem Gebiet nicht zu Tage. So wird nun
die Oberfläche des ganzen Kantons (mit Ausnahme der Kreidebildungen) aus den Schichten miocäner Sandsteine und Nagelfluh
zusammengesetzt. Weitaus der grösste Teil gehört der untern Süsswassermolasse an, während nur im NO. des Kantons an der
St. Galler Grenze, bei Wienachten, und im NW., bei Herisau, die Sandsteine der Meeresmolasse auftreten und
ebenfalls im NW. an der Kantonsgrenze ein schmaler Streifen obere Süsswassermolasse unserm Kanton angehört. In tektonischer
Hinsicht sind in der Molasse drei Falten zu unterscheiden, die parallel mit dem Alpsteingebirge letzterem im NW. vorgelagert
sind. Für unsern Kanton haben nur die 2. und 3. Bedeutung, während die 1. den Speer und seine nordöstlichen
Ausläufer bildet. Die zweite Falte hat ihre Antiklinale in der Richtung Altstätten-Appenzell- Lauftegg^[Berichtigung: Laufegg]
-Bärenegg. Der Gewölbekern besteht aus gemeinem, kalkreichem Molassesandstein, während das Gewölbe selbst meist erodiert
ist. Am besten ist der Südostschenkel erhalten, der aus bunter Nagelfluh besteht. Ihm gehören
¶
in unserm Kanton an die Hochalp und die Petersalp. Von der Synklinale Altstätten-Gonten-Urnäsch erhebt sich die 3. Falte,
welche mit ihrem SO.-Schenkel den Höhenzug St. Anton-Saurucken-Gäbris-Hundwiler Höhe-Hochham bildet, während ihre Antiklinale
von Reute über Oberegg (I. Rh.)-Trogen-Stein-Hundwil sich hinzieht und auf diesem Wege das schöne, grosse Antiklinalthal bezeichnet,
in welchem die meisten Dörfer unseres Kantons liegen. Auch an dieser Falte besteht der SO.-Schenkel aus
bunter Nagelfluh; die SO.-Abhänge des erwähnten Höhenzuges entsprechen den Schichtflächen, die NW.-Abhänge zeigen dagegen
die Schichtköpfe. Der NW.-Schenkel der 3. Falte bildet den Höhenzug Kayen-Gupf-Vögelinsegg-Fröhlichsegg-Waldstatteregg-Hochwacht,
der naturgemäss auf der NW.-Seite die Schichtflächen, auf der SO.-Seite die Schichtköpfe zeigt. An diesen
Schenkel lehnt sich die Meeresmolasse und die obere Süsswassermolasse an der n. und nw. Kantonsgrenze an.
An vielen Lokalitäten finden sich gut erhaltene Blattabdrücke in den Sandsteinen, z. B. am Ruppen, bei Rehetobel und bei
Teufen. Oft sind zwischen den Sandsteinen kleine Kohlenflöze eingeschlossen. Die Nagelfluhfelsen liefern
das ausgezeichnete Beschotterungsmaterial für die Strassen. Die feinkörnige Kalknagelfluh zwischen Herisau und Degersheim
wird unter dem Namen «Appenzellergranit» als Baustein verwendet. An vielen
Orten wird der Sandstein als Bau- oder Pflasterstein ausgebeutet; besonders wertvoll sind die der Meeresmolasse angehörenden
Sandsteine von Wienachten; am wertvollsten ist die sog. granitische Molasse von Rehetobel-Trogen-Waldstatt.
3) Diluviale Gebilde. Der ö. Teil des Kantons und der grösste Teil des Mittellandes zeigen zahlreiche Spuren des alten Rheingletschers,
sowohl in Gestalt von vereinzelten erratischen Blöcken aus krystallinen Gesteinen, über 1170 m hinauf, als auch von thonigen
und lehmigen Schuttablagerungen, in denen die teils gerundeten, teils kantigen Gesteinstrümmer eingelagert
sind. Das Gebiet der Sitter ist durch kalkige Erratika ausgezeichnet, die von dem alten Säntisgletscher herstammen.
Um die geolog. Untersuchung des Landes haben sich besonders verdient gemacht Arn. Escher v. d. Linth, J. Früh, A. Gutzwiller
und Alb. Heim.
Klima.
Am besten sind die klimatischen Verhältnisse für Trogen (Dorfplatz 905 m) bekannt. 12jährige Beobachtungen
ergeben als Temperaturmittel 6,8° C. St. Gallen
ist um ca. 1°, Altstätten um 2° wärmer, Gäbris (1250 m) um 1,5° kühler. Für den
Winter (Dez.-Febr.) ist die Mitteltemperatur = -1,0° C. Minimum -20° selten. Wenn in der Tiefe Nebel liegt und über das
Appenzellerland warmer Sonnenschein flutet, zeigen die Höhen oft grössere Temperaturen als St. Gallen
und Altstätten.
Besonders auffallend sind diese Differenzen, wenn in der HöheFön weht. Beim Auf- und Abschwanken der Nebelschicht kann ein
Ort, der an der Nebelgrenze liegt, rasch enormen Temperaturunterschieden ausgesetzt
sein. Wanner beobachtete am in
Trogen in wenigen Stunden eine Thermometerschwankung von 23,6° C., in einer Stunde eine solche von 13,4° C. und in
fünf Minuten eine Schwankung von 8,9° C. Der Frühling (März-Mai) zeigt eine mittlere Temperatur von 6,2° C. Der Winter
zieht sich weit hinaus, starke Schneefälle bis Ende Mai sind keine Seltenheit. Die Mitteltemperatur
des Sommers (Juni-August) beträgt 14,7° C. Oft gibt es auch da kalte Tage. Heizen muss man in jedem Monat, wenn man nicht
frieren will. Im Herbst (Sept.-Nov.) hat Trogen eine mittlere Temperatur von 7,1° C. Der September ist der beständigste
Monat, und oft ist auch der ganze Oktober noch mild.
Für die Beobachtungszeit von 1864-1875 ergaben sich für Trogen folgende mittlere Monatstemperaturen:
°C.
°C.
Januar
-1,3
Juli
+16,2
Februar
0.0
August
14.5
März
+1,3
September
13.0
April
6.8
Oktober
6.8
Mai
10.7
November
1.6
Juni
13.4
Dezember
-1,8
Die höchste Temperatur betrug +30,6 °C.
Die tiefste Temperatur betrug -20,2 °C.
Die absolute Temperaturschwankung 50,8 °C.
Für den Gäbris (1250 m) gelten für die Periode 1872 bis 1891 folgende Zahlen:
°C.
°C.
Januar
-1,8
Juli
+13,2
Februar
1.5
August
12.9
März
0.0
September
10.0
April
+3,5
Oktober
5.4
Mai
7.4
November
1.2
Juni
11.3
Dezember
-1,7
Jahresmittel
5.0 °.
In Bezug auf die Niederschlagsmenge konstatieren wir die interessante Tatsache, dass die Umgebung des Alpsteins zu den regenreichsten
Gegenden der Schweiz gehört.
Die Station Trogen weist folgende Mittel-Zahlen auf für die Periode 1864-1883:
Gewitter in 10 Jahren 160, also per Jahr 16, welche über die Station wegzogen. Ausserdem 105 nahe Gewitter mit vernehmbarem
Donner und 83 mal Wetterleuchten.
Die häufigsten Winde sind die Süd-, Südwest- und Westwinde. Sie bringen höhere Temperaturen, aber auch die häufigsten
Niederschläge. Den Winden aus Ost, Nordost und Nord entspricht meist schöne Witterung. Der Fön tritt
oft mit furchtbarer Gewalt auf und schmilzt im Frühling die grossen Schneemassen in wenigen Tagen weg.
Anbauverhältnisse.
Von den 242,1 km2 Fläche des Kantons fallen 6,54 km2 = 2,7% auf unproduktives Land. Das produktive Land teilt
sich hauptsächlich in die beiden Vegetationsformen Wiese (mit ihren Unterabteilungen) und Wald; Äcker und Reben nehmen einen
verschwindend kleinen Raum ein.
1. Der Wald umfasst 4777 ha = 19,7% der Gesamtfläche. Er ist meist Privatwald (3682 ha); 1028 ha gehören den Gemeinden und
Korporationen und 67 ha dem Staate (nach Landolt 1883). Die Ankaufssumme der Staatswaldungen betrug 72273 Fr.
Von 1889-1898 ergibt sich für die Staatswaldungen durchschnittlich eine jährliche Einnahme von 2110,25 Fr., Ausgabe = 1273,96
Fr., also eine Mehreinnahme von 836,29 Fr.; das bedeutet eine Verzinsung von 1,15 %.
Den hervorragendsten Anteil am Waldbestand nimmt die Rottanne, dann kommen Weisstanne, Lärche, Föhre;
vereinzelt an den Abhängen des Goldachthales tritt auch noch die Eibe auf. Angebaut werden von Nadelhölzern die Weymutskiefer
(Pinus strobus) und die Schwarzföhre. Von den Laubhölzern sind die Buchen in erster Linie zu nennen, aber sie treten gegenüber
dem Nadelholz vollständig in den Hintergrund. Andere Laubhölzer: Ahorn, Esche, Aspe, Vogelbeere treten
mehr vereinzelt auf, während die Weisserle an Bachufern kleine Bestände bildet und die Alpenerle an einigen Orten, von 700 bis 2000 m,
sich zu kleinen Kolonien vereinigt. Auch die Birke findet sich, oft eingestreut in Laub- und Nadelholzbestände, oft als Bewohner
der Torfmoore.
2. Alpen. Unser Kanton besitzt 100 Alpen, die zur Sömmerung von Vieh dienen. Ihre Gesamtfläche beträgt 2566 ha;
davon sind aber nur 1650 ha produktive Weidefläche, 639 ha sind von Wald bedeckt und der Rest ist unproduktiv. Diese Alpen
liegen in den Gemeinden Urnäsch, Hundwil und Schönengrund, die meisten in ersterer am NW.-Abhang des Säntis
(Schrägalp).
3. Wiesen. Weitaus die grösste Fläche des Kantons ist mit Wiesen bedeckt. Der Wiesenbau und die damit verbundene Viehzucht
bilden deshalb den wichtigsten Teil der landwirtschaftlichen Beschäftigung.
4. Hochmoore, in welchen Torf ausgebeutet wird, befinden sich
am Gäbris, zwischen Gais und Appenzell,
bei Waldstatt.
5. Der Ackerbau ist zur Zeit fast gleich Null. In den tiefer gelegenen Gemeinden im O. des Kantons findet
sich etwas Ackerbau, aber unbedeutend; im übrigen Lande sieht man gelegentlich als Kuriosum ein kleines Äckerchen mit Kartoffeln
mitten im Wiesenlande oder auf einer frisch gereuteten Waldparzelle. Früher war der Ackerbau beträchtlich, hat
aber offenbar wegen der unebenen Bodenbeschaffenheit und der aufblühenden Industrie dem bequemeren Wiesenbau Platz machen
müssen. Bezeichnend für die frühern Zustände ist die Tatsache, dass man jetzt noch allgemein eine Wiese als «Acker» bezeichnet.
6. Von Obstbäumen sind hauptsächlich die Apfel- und Birnbäume zu nennen. Meist trifft man Mostobst, nur
in den mildern Lagen im O. des Kantons und an Spalieren werden Tafelobstsorten gezogen. Steinobst und der Walnussbaum gedeihen
nur in den tiefern Lagen. Man trifft zwar Kirschbäume vereinzelt bis über 1000 m hinauf, aber von einem Ertrag ist nur
in ganz günstigen Jahren zu sprechen. Bei den Bauernhäusern stehen oft alte Hollunderbäume oder -sträucher,
deren Beeren zu «Latwäri» (Eingemachtem) verwendet werden. Ferner sieht
man bei vielen Wohnungen kleine Anlagen von Johannisbeersträuchern; ihre Früchte liefern Most, Wein oder «Hung»
(Gelée).
7. Der Weinbau ist kümmerlich entwickelt und dies auch nur in den östlichsten Gemeinden Lutzenberg, Wolfhalden, Heiden, Walzenhausen.
Im Jahre 1898 zählte man 6,93 ha Rebland, deren Gesamtertrag betrug: Rotes Gewächs 80,10 hl à 65-70
Fr., weisses Gewächs 2,75 hl à 35-40 Fr.
Flora.
Die Flora unseres im Gebiete der letzten Verzweigungen der nördlichen Alpen (s. d. Art. Alpen) gelegenen Kantones ist eine
verhältnismässig arme. Die tiefern Landesteile entlehnen ihren Pflanzenbestand dem der Ebenen des centralen
Europas (s. d. Art. Mittelland). Der alpine Anteil des Kantons weist eine Anzahl von interessanten Arten auf, so besonders
Carex microglochin,Violapalustris, Draba tomentosa. (Siehe: Wartmann u. Schlatter).
Tierwelt.
Haustiere. Nach der Zählung von 1886 besass der Kanton Appenzell
A. Rh.: 764 Pferde, 9 Maultiere, 3 Esel, 5263 Stück
Jungvieh, 12854 Kühe, 310 Stiere (über 1 Jahr alt), 302 Ochsen (über 1 Jahr alt), 4895 Schweine, 1214 Schafe, 3002 Ziegen, 2199 Bienenstöcke.
Von Wildtieren sind zu nennen: Gemsen im Alpstein, Rehe (selten), Hase, Eichhörnchen, Fuchs, Hausmarder, Wiesel, Fischotter,
Dachs, Igel. Im Ganzen gibt es wenig Wild wegen der dichten Besiedelung und der frühern Misswirtschaft
im Forst- und Jagdwesen. In den Bächen wird die Forelle gefangen, die seit der neuen
¶
Bezirk des Kantons Appenzell
I. R., aus dem Hauptorte Appenzell,
Ried, Kau, Unterrain, Rütirain, Rinkenbach, Lank, Steig, Mettlen, Lehn und
Meistersrüte bestehend, von denen indes Kau, Unterrain und Lank in die benachbarten Bezirke übergreifen.
Das Dorf liegt in einem weiten Thal, das in der Eiszeit von Gletscherschutt überführt wurde, unter dem einige von den benachbarten
miozänen Hügeln ausgehende Klippen bis nahe an die Oberfläche reichen.
Die Sitter bahnte sich durch diesen Schutt, während der Gletscher abschmolz und die Wassermenge infolgedessen bedeutend war,
ein breites Bett, dessen Ränder noch als kurze steile Halden vorhanden sind, zog sich jedoch mit abnehmendem Wasserreichtum
in ein schmaleres, aber mannigfach gewundenes Bett zurück. Das Thal der Sitter und die Hochthäler von Gonten, Eggerstanden
und Meistersrüti, die sich gegen Appenzell
öffnen, bestimmten den Ort zum Zentrum des nähern Gebietes. Die sonnig
gelegenen, nach N. ansteigenden Hügel sind von zerstreuten Häusern und Scheunen übersät, was der Gegend ein sehr freundliches
Aussehen verleiht; die Abhänge im S., die mehr im Schatten liegen, sind zumeist von Waldung bedeckt.
Das Dorf zerfällt in das eigentliche alte Dorf mit städtisch geschlossener Bauart, in das ursprünglich
und zum Teil jetzt noch als Armenquartier geltende Ried, in die langgestreckten Quartiere der Gontener- und Weissbadstrasse,
in das Villenquartier Blumenrain und in die Gaiserstrasse, ebenfalls mit einigen Villen. Das Ziel, mit grosser Stickerei und
der neuen protestantischen Kirche, ist zum grossem Teil auch dem Dorfe angegliedert worden.
Zu den früher genannten bemerkenswerten Gebäuden kamen seither hinzu: ein neues Schlachthaus (im Gebiet der Gemeinde Schwende),
das Kollegium beim Kapuzinerkloster, mit Progymnasium, die schon angeführte protestantische Kirche, ein vom Bund erstelltes,
neues Postgebäude, in das auch die Kantonalbank übersiedelte, ein mit Dampf betriebenes Sägewerk und auf einer aussichtsreichen
Terrasse ausserhalb des Dorfes das neue Armenhaus, das von Fremden in der Regel für ein Hotel angesehen wird. Am Rathaus
wurde 1903 ein Bronzerelief zum Andenken an den 500 Jahre früher erfolgten Heldentod Uli Rottachs angebracht.
Die Gesamtzahl der Häuser des Bezirks beträgt nach der Zählung von 1900: 608, die der Haushaltungen
990, die Einwohnerzahl 4485. Von den in den statistischen Berichten angegebenen Zahlen sind diejenigen für die beiden KlösterWonnenstein und Grimmenstein zu subtrahieren, da diese in willkürlicher Weise dem Bezirk Appenzell zugerechnet wurden, obgleich
sie eine staatsrechtlich ganz aussergewöhnliche Stellung einnehmen. Sie sind nämlich gar keinem Bezirk zugeteilt
und dadurch von Bezirks-, Schul- und ähnlichen Steuern befreit. Das Dorf im engem Sinn zählt heute 404 Häuser, (also 48 mehr
als 1900), das ganze Dorf 3184 Ew. (1900). Jetzt ist diese Zahl bedeutend höher anzunehmen.
Von den Bewohnern des Bezirks sind 3794 Bürger, 45 Bürger von Oberegg, 492 Bürger anderer Kantone und 154 Ausländer, 2085 männlich, 2400 weiblich, 4227 katholisch, 257 reformiert; 4453 deutsch, 6 französisch, 19 italienisch
und 6 romanisch sprechend.
Das Dorf besitzt seit 1886 eine Hydranten- und Hauswasserleitung, die jetzt bis 500 Minutenliter liefern kann; es werden
aber gewöhnlich nur 200 Liter gebraucht. Ebenso hat es seit 1905 ein Elektrizitätswerk, dessen Maschinen,
vom Wasser des Seealpsees und Dieselmotoren
getrieben, in den Auen (l½ St. vom Dorf) stationniert sind. Es gibt auch an die
dazwischen liegende Gegend Licht und Kraft ab.
Das Klima zeigte sich seit 1900 etwas besser, indem der durchschnittliche jährliche Niederschlag auf
1380, somit um gut 100 mm hinabging. Die gesamte Menge des Neuschnees schwankte sehr, nämlich zwischen 115 cm (1900-01)
und 406 cm (1906-7); im Durchschnitt betrug sie 237 cm. Gemeiniglich bringt der Februar am meisten Schnee; doch weist in dieser
Periode der Dezember 1906 mit 140 cm die höchste Summe auf.
1) Der 13. Kanton der Schweizer Eidgenossenschaft, ganz von dem Gebiete des Kantons St. Gallen umschlossen, hat 419,6 qkm und
zerfällt in die beiden Halbkantone Appenzell-Außerrhoden (260,6 qkm) und Appenzell-Innerrhoden (159 qkm).
Das Land liegt auf der nördl. und nordwestl. Abdachung der Säntisgruppe, die sich nach der Südgrenze
des Kantons hier im Alpsteingebirge mit dem Säntis (2504 m) und dem Altmann (2435 m) zu ihren größten, mit ewigem Schnee
[* 27] bedeckten Höhen erhebt.
Hier entspringen die beiden Hauptflüsse des Kantons, die Sitter und deren Zufluß Urnäsch. Beide fließen zur Thur, die Gewässer
des nördl. Landesteils dagegen zum Rhein und zum Bodensee. Ganz Appenzell ist ein Bergland, dessen südl. Ketten
den Charakter der Hoch- und Mittelalpen besitzen, während die nördlich und nordwestlich sich anschließenden Nagelfluhgebirge
ein freundliches Voralpengelände bilden. Die Bewohner, lebenslustig und aufgeweckt, lieben die körperlichen Übungen, besonders
das Schwingen oder Ringen und das Werfen mit großen Steinen; sie tragen überhaupt das Gepräge des german.
Altschweizertums. Der Kanton hat mehr Wiesen und Weiden als Obst- und Getreidebau, ist reich an Wald und besitzt mehrere Mineralquellen;
der einst bedeutende Ackerbau ist der Industrie gewichen.
appenzell Appenzell-Außerrhoden hat (1888) 260,6 qkm, 12 899 Haushaltungen und 54 109 E., 208 auf 1 qkm,
darunter 49 549 Evangelische, 4444 Katholiken und 23 Israeliten. Am wurden gezählt 51 958 E., 1870: 48 720, 1860: 48 452. Von
der Bevölkerung sind 26 226 männl., 27 883 weibl.; im Halbkanton geboren 43 305, in der übrigen
Eidgenossenschaft 9061,im Auslande 1743; Bürger ihrer Wohngemeinde sind 19 474, einer andern Gemeinde
des Kantons 20 611, eines andern Kantons 11 888, Ausländer 2136. Der Muttersprache nach sind 53 757 Deutsche,
[* 28] 71 Franzosen
und 240 Italiener. Die alte Landestracht ist fast ganz verschwunden.
Land- und Forstwirtschaft. Von der Fläche sind 253,6 qkm, d. i. 97,31 Proz., produktives Land: 38,3 qkm
Waldungen, 215,2 qkm Acker-, Garten-,
Wiesen- und Weideland. Von dem unproduktiven Lande, 7 qkm, d. i. 2,69 Proz., kommen 1,1
qkm auf Flüsse
[* 29] und Bäche und 4,1 qkm auf Felsen, Schutthalden u. s. w.
Verkehrswege. An Straßen besitzt der Halbkanton 166 km, an Eisenbahnen die Bergbahn Rorschach-Heiden (7 km)
und die Schmalspurbahn Winkeln-Appenzell (Appenzeller Bahn, s. d.). Eine Straßenbahn, streckenweise mit Zahnradbetrieb, führt von
St. Gallen nach Gais.
Verfassung und Verwaltung. Nach der rein demokratischen Verfassung zuletzt revidiert) ist die Landesgemeinde oder
die allgemeine Versammlung des Volks die höchste Behörde. Sie besteht aus allen Landleuten und den wenigstens seit einem
vollen Jahre dort gesetzlich niedergelassenen schweiz. Bürgern über 18 Jahr, außer den Ehr- und Wehrlosen,
und versammelt sich jährlich am letzten Sonntag im April, abwechselnd in Trogen und Hundwil, genehmigt, verwirft oder ändert
die Gesetze ab und prüft die Jahresrechnung, wählt den aus 7 Mitgliedern bestehenden Regierungsrat und aus dessen Mitte
den Landammann, die Mitglieder des Obergerichts sowie die Vertreter des Halbkantons in der Bundesversammlung,und
erteilt das Landrecht (Indigenat).
Auf Kosten des Landes dürfen wichtige Neubauten nicht ohne Einwilligung der Landesgemeinde unternommen werden. Der GroßeRat, in den jede Gemeinde auf 1000 Seelen ein Mitglied sendet, überwacht die gesamte Landesverwaltung und berät die
der Landesgemeinde vorzulegenden Anträge. Die Vorgesetzten der Gemeinden, die von den «Kirchhören»,
d. i. von den Versammlungen stimmfähiger Gemeindegenossen und Beisassen, gewählt werden, heißen «Hauptleut' und Rät».
Der Halbkanton entsendet 1 Mitglied in den Ständerat und 3 Mitglieder in den Nationalrat. Jede Gemeinde besitzt 1 Vermittleramt
und 1 Gemeindegericht; ferner bestehen 3 Bezirksgerichte in Heiden, Herisau und Teufen, 1 Kriminalgericht (7
Mitglieder) und als oberste Instanz 1 Obergericht (11 von der Landesgemeinde gewählte Mitglieder), beide in Trogen. Seit 1876 ist
die Advokatur in Prozessen, die an das Obergericht gelangen können, zulässig. In kirchlicher Hinsicht ist jede Gemeinde
selbständig; gemeinsame Angelegenheiten besorgt die Synode; die Katholiken stehen unter dem Bischof von
St. Gallen. Die Staatsrechnung des J. 1887 zeigte eine Einnahme und Ausgabe von 470 638 Frs., wovon auf die Steuern 164 026 Frs.
kamen.
Öffentliche Anstalten. Der Volksunterricht ist obligatorisch. In Trogen 1 Kantonsschule und Erziehungsanstalt mit 6 Gymnasial-
und Realklassen, in Herisan, Teufen, Gais und Heiden Realschulen.
b. Appenzell-Innerrhoden hat (1888) 159 qkm, 3163 Haushaltungen und 12 888 E., 81 auf 1 qkm,
darunter 673 Evangelische. Am wurden gezählt 12 841 E., 1870: 11 909, 1860: 11 913. Von der Bevölkerung sind 6312 männl., 6576 weibl.;
im Halbkanton geboren 11 383, in der übrigen Eidgenossenschaft 1209, im Auslande 296; Bürger ihrer Wohngemeinde
sind 11 355, einer andern Gemeinde des Kantons 192, eines andern Kantons 1040,
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Ausländer 295. Der Muttersprache nach sind 12 849 Deutsche und 28 Italiener. In Innerrhoden hat sich die alte Landestracht
noch erhalten; bunte Farben, namentlich Rot, goldene und silberne Spangen und Ketten spielen in dem sehr kleidsamen Kostüm
[* 31] der Innerrhödlerinnen die Hauptrolle.
Land - und Forstwirtschaft. Das Hauptgewerbe der Bewohner, die konservativer, bequemer, aber auch minder
wohlhabend sind, ist die Alpenwirtschaft. Der Innerrhödler lebt im Sommer auf der Alp, im Winter hilft er bei der Holzarbeit
oder beim Sticken, das auch hier überall zu Hause ist. Von der Fläche sind 144,4 qkm, d. i. 90,82 Proz., produktives Land:
18,7 qkm Waldungen, 125,7 Acker-, Garten-, Wiesen- und Weideland. Von dem unproduktiven Lande, 14,6 qkm,
d. i. 9,18 Proz., kommen 11,5 qkm auf Felsen und Schutthalden u. s. w.
Die Industrie ist vertreten (1884) durch 18 Fabriken, wovon 16 Stickereien, mit 428 Arbeitern und 6 Pferdestärken. Die Straßen
betragen 44,5 km.
Verfassung und Verwaltung. Nach der Verfassung angenommen und 1883 revidiert) ist Innerrhoden
gleichfalls, wie Außerrhoden, ein besonderer selbständiger Freistaat. Die Landesgemeinde ist die höchste Staatsbehörde,
hat die gleichen Befugnisse wie im andern Halbkanton und wählt den einzigen Nationalrat sowie den aus 9 Mitgliedern bestehenden
Regierungsrat (Standeskommission), an deren Spitze derLandammann steht, und das 13 Mitglieder zählende
Kantonsgericht.
Der die Gesetze vorberatende GroßeRat wird von den Bezirken, und zwar 1 Mitglied auf 250 Seelen gewählt, und seine Mitglieder
aus jedem Bezirk bilden für diesen die Verwaltungsbehörde. Auch hat jeder Bezirk 1 Bezirksgericht. Das Kantonsgericht (13
Mitglieder, von der Landesgemeinde gewählt) bildet die zweite, der GroßeRat die höchste Instanz. Der
Halbkanton sendet je 1 Mitglied in den eidgenössischen Stände- und Nationalrat. Eigentümlich ist das Verbot aller Advokatur
in Rechtshändeln unter den Kantonsangehörigen. Dasselbe stützt sich auf den Grundsatz, daß jeder Landmann das Landrecht
kennen soll; Auswärtigen ist die Annahme von Advokaten erlaubt. Das strengkath. Land steht mit seinen 4 Klöstern
unter dem Bischof von Chur.
[* 32] Der Volksunterricht ist obligatorisch. Die Staatseinnahmen betrugen 1887: 113 838 Frs., die Ausgaben 109 773 Frs.
Das Wappen ist für beide Halbkantone ein aufrecht stehender schwarzer Bär in silbernem Felde.
2) Dorf und Lehn, Hauptort des schweiz. Halbkantons Appenzell-Innerrhoden, in 781 m Höhe, anmutig
in dem offenen Thale der Sitter gelegen, an der Appenzeller Bahn, mit alten hölzernen Häusern, ist Sitz der Kantonsregierung
sowie Versammlungsort der Landesgemeinde und hat mit Einschluß seiner großen Gemarkung (Vorderlehn, Hinterlehn u. a.)
(1888) 4472 E., darunter 183 Evangelische, Post, Telegraph,
[* 33] große Mutterkirche des Ländchens (1826 erbaut)
mit Schädelsammlung, altertümliches Rathaus, Landesarchiv mit Urkunden, Bannern u. s. w., neues Krankenhaus,
[* 34] ein Kapuzinerkloster,
einst Landsitz der Äbte von St. Gallen, Nonnenkloster, sowie Handel mit Stickereien, Leinen- und Baumwollwaren, die im Kanton
verfertigt werden. Appenzell ist eine der ältesten Molkenkurorte der Schweiz und sendet noch jetzt Senner zur
Bereitung von
Ziegenmolken in verschiedene Badeorte; es wird als Höhenkurort viel besucht und hat eine neue Badeanstalt.
[* 35] - Appenzell, bis 1597 Hauptort des ungetrennten Kantons, hat als Mittelpunkt der Kurorte Gonten (900 m), Gais (938
m) und Weißbad (820 m), sowie Ausgangspunkt der Ausflüge nach dem Säntis lebhaften Fremdenverkehr.
Geschichte. Appenzell kam seit dem 8. Jahrh. nach und nach durch Kauf und Schenkung an die Abtei St. Gallen, die hier eine landesfürstliche
Gewalt begründete, und hat seinen Namen von der angeblich durch Abt Nortbert von St. Gallen im 11. Jahrh. dort gegründeten
ersten Kirche (Abbatis cella genannt) des Landes. Der Druck der Äbte erzeugte zu Ende des 14. und Anfang
des 15. Jahrh. einen Aufstand, und die Siege der Bergbewohner beim Dorfe Speicher an der Vögeliseck (1403) und am Stoß (1405)
gaben Appenzell Unabhängigkeit und demokratische Regierungsform.
Das Land verband sich schon 1452 mit sieben Kantonen, ward aber erst 1513 förmlich in die Eidgenossenschaft
aufgenommen. Nach langen Zwistigkeiten infolge der Reformation ward Appenzell 1597 durch eidgenössisches Schiedsgericht in die beiden
politisch und konfessionell geschiedenen und voneinander völlig unabhängigen Landesteile Innerrhoden (katholisch) und Außerrhoden
(reformiert) getrennt. Im 18. Jahrh. erzeugte die oligarchische Richtung in beiden Kantonen Unruhen. 1798 teilten
sie das Schicksal der andern Kantone. (S. Schweiz.) Die Neugestaltung der Eidgenossenschaft durch die Bundesverträge von 1815 und 1848 wurde
in Auherrhoden gern, in Innerrhoden nur mit Widerstreben angenommen. Bei der Abstimmung über die Bundesrevision der Schweiz 1872 verwarfen
beide Halbkantone die neue Verfassung; 1874 lehnte Innerrhoden das veränderte Revisionsprojekt wieder
ab, während Außerrhoden es mit bedeutender Mehrheit annahm.
Litteratur. Hahn,
[* 36] Beschreibung des Kantons Appenzell (Heilbr. 1827);
Rüsch, Der Kanton Appenzell historisch-geographisch und statistisch
(neue Aufl., St. Gallen 1859);
Zellweger, Geschichte des appenzellischen Volks nebst Urkunden (6 Bde., Trogen 1830-40);
Gem. Appenzell 791 m. Gruppe von 6 Häusern auf einer Anhöhe mit schöner Aussicht, an der Strasse Appenzell-Haslen und 1,5 km nw. der Station Appenzell der Appenzellerbahn
Gem. Appenzell 760-880 m. Häusergruppen auf den Terrassen zwischen dem Kaubach, der Sitter und dem Flecken Appenzell 1,5 km w. der Station Appenzell der Appenzellerbahn
Bez. Hinterland, Gem. Stein 770 m. 8 Häuser, am linken Ufer der Sitter zerstreut gelegen, an der Strasse Appenzell-Stein; 2,5 km sö. Stein und 5,5 km nw. der Station Appenzell der Appenzellerbahn
Gem. Appenzell 930 m. Haltestelle der Strassenbahn St. Gallen-Gais Appenzell Bedient die Gegend von Meistersrüte. An dieser Stelle hält anlässlich der alljährlich am 14. stattfindenden Landesprozession zum Andenken an die Schlacht am Stoss
Gem. Appenzell 921-1060 m. 155 ha grosses Feld, ö. der Strasse Appenzell-Gais und 3 km nö. Appenzell Der heutige Name ist eine Abkürzung des Ausdruckes Allmend, als welche dieser Boden einst diente. 1061-1494 war das Mendli im Besitz der Roden Lehn und Rüte, sowie einiger Privatleute; 1495
(mit Ausnahme von Stechlenegg) den auf dem Grundstück lastenden Zehnten auf die Haferernte vom Abt von St. Gallen los.
Hinterland 970-725 m. Bach; entspringt an der Geisshalden, fliesst gegen N. und mündet nach 3 km langem Lauf w. Herisau von links in die Glatt. Kt. Appenzell I. R.).
Gem. Stein 723 m. 5 Häuser; 5 km sw. der Station Teufen der Linie St. Gallen-Appenzell. 30 reform. Ew. Kirchgemeinde Stein. Milchwirtschaft. Kt. Appenzell A. R., Mittelland Gem. Speicher).
Bez. Hinterland, Gem. Hundwil u. Stein 840 m. Gruppe von 5 Häusern; 2,5 km sö. Hundwil, 2 km ssö. Stein und 5,5 km ö. der Station Waldstatt der Appenzellerbahn
Bez. Hinterland 793 m. Gem. und Pfarrdorf, über dem rechten Ufer der Urnäsch und an der Strasse Waldstatt-Teufen, 3 km nö. der Station Waldstatt der Appenzellerbahn
Hinterland 824 m. Gem. und Pfarrdorf in sehr geschützter und aussichtsreicher Lage am S.-Fuss der Gaishalde und der Egg, 3 km s. Herisau. Station der Appenzellerbahn
Bez. Hinterland, Gem. Stein 601 m. Elektrizitätswerk, das u. a. Herisau mit Kraft und Licht versorgt; am rechten Ufer der Urnäsch, unmittelbar vor ihrer Einmündung in die Sitter und oberhalb der Sitterbrücke der Appenzellerbahn
Bez. Hinterland Bach; entspringt in 1400 m auf der Petersalp, fliesst zu erst von S.-N., dann O.-W., nimmt von rechts zwei kleine Nebenarme auf und mündet nach 3,5 km langem Lauf 400 m oberhalb Thal in 850 m von rechts in die Urnäsch. Kt. Appenzell A. R., Bez. Hinterland Gem. Urnäsch).