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In dem letztgenannten Falle kommt nun aber außer der Herabminderung der Verdunstung auch die Verhütung einer allzustarken Beleuchtung [* 2] in Betracht. Denn wenn auch das Licht [* 3] zur Entwick- lung und Funktionierung der grünen Blatter not- wendig ist, so ist doch auch hier ein Übermaß schäd- lich, und es tritt bei Überschreitung eines für die verschiedenen Pflanzen sehr verschiedenen Optimums der Beleuchtung ein Erbleichen der Vlattflächen ein. So sind denn auch, abgesehen von den Kompaß- pflanzen, bei zahlreichen andern Gewächsen ^. gegen allzustarke Beleuchtung zu beobachten.
Vor allem besitzen die besonders empfindlichen Organe der Zelle, [* 4] dieTräger des grünen Farbstoffes oder Chloro- phyllkörper, die Fähigkeit, sich selbst durch ent- sprechende Wanderungen gegen zu starkes Licht zu schützen. Während dieselben nämlich bei der das Optimum nicht überschreitenden Lichtstärke den senk- recht zum Lichteinfall gestellten Wandungen an- liegen, so daß sie das auffallende Licht möglichst ausnutzen können, wandern sie bei zu starker Bc- sonnung auf die der Richtung des einfallenden Lichts parallel laufenden Wände, so daß sie dann, wie die Blätter der Kompaßpflanze, nur im Profil vom Lichte getroffen werden.
Von den S. gegen zu starken Wärmeverlust sind die bei zahlreichen Gewächsen zu beobachtenden Schlafbewegungen zu erwähnen. Sie finden sich namentlich bei Pflanzen mit zusammengesetzten Blättern und bestehen darin, daß die einzelnen Blättchen, die am Tage weit ausgebreitet sind [* 1] (Fig. 3^), sich nachts zusammenfalten [* 1] (Fig. 3d), fo daß ein bedeutend geringerer Wärmeverlust durch Ausstrahlung in die Atmosphäre stattfindet. Sehr zahlreich und verschiedenartig sind ferner die S., durch die die Pflanzen gegen die Angriffe der Tiere geschützt werden.
Ohne weiteres dürfte eine folche Wirksamkeit bei den verschiedenartig ge- stalteten Borsten, Dornen und Stacheln einleuchten, und es würden z. B. viele fleischigen Kakteen [* 5] ohne ihren StachelpanZer sehr bald von den Nahrung suchenden Tieren vollständig ausgerottet werden. In gleicher Weise wirken speciell auch die bei ver- schiedenen Pflanzen^unter den einheimischen nament- lich bei der Brennnc^el, zu beobachtenden Vrennhaare Von Stahl wurde aber in neuerer Zeit nachge- wiesen, daß auch viele histologische Eigenschaften der Pflanzen in der gleichen Weise als S. gegen die Angriffe der gefräßigen Tierwelt aufzufassen sind. So schützen die im Innern zahlreicher Gewächse zu beobachtenden spitzen Nadeln [* 6] von Calciumoralat die betreffenden Pflanzen vollständig gegen Schnecken- fraß, während Teile derselben, aus denen jene Na- deln zuvor mit verdünnter Salzsäure herausgelöst waren, begierig verzehrt wurden. In gleicher Weise wirken auch zahlreiche giftige oder stark bitter schmeckende Stoffe, die dann stets in den zunächst von den Angriffen der Tierwelt bedrohten oberfläch- lich gelegenen Zellschichten angehäuft sind.
Einen sehr wirksamen Schutz namentlich gegen die in den tropischen Gegenden große Verwüstungen anrichtenden Vlattschneideameisen (s. Pilzgärten) besitzen ferner die sog. Ameisenpflanzen (s. d., Bd. 1), insofern die sie bewohnenden Ameisen, die selbst die betreffenden Pflanzen in keiner Weise schädigen, ihre verwandten, blattschneidenden Arten fern halten. Ganz besonders sind nun aber bei zahlreichen Arten speciell die Blüten gegen die Angriffe der Tiere geschützt.
Allerdings spielen ja namentlich die Insekten [* 7] bei der Übertragung des Pollens auf die Narbe eine große Rolle, und es sind auch zahlreiche Blüten gerade umgekehrt mit Anlockungsmitteln für die die Bestäubung bewirkenden Insekten ver- sehen. Auf der andern Seite sind aber doch nur ganz bestimmte Insekten durch ihre Körperdimen- sioncn dazu befähigt, den Pollen richtig auf die Narbe zu übertragen, während andere Arten, die in- folge abweichenden Körperbaues hierzu nicht geeig- net sind, durch nutzlose Vertilgung des als Haupt- anlockungsmittel dienenden Nektars den Besuch der specifischen Pollenüberträger beeinträchtigen würden. Besonders werden aber die flügellosen Insekten, die natürlich nicht im stände sind, schnell von Blüte [* 8] zu Blüte zu eilen und so den Pollen frisch und unver- sehrt auf die Narbe einer andern Blüte zu beför- dern, durch sehr verschiedenartige S. fern gehalten. Bei 8i1i)1iwm porfoli^wm ^. geschieht dies in der Weise, das; die an ihrer Basis vollständig miteinan- der verwachsenen Blätter Wasserbecken (vin [* 1] Fig. 7) bilden, durch die die einzelnen Internodien an ihrem Grunde gleichsam von Wassergräben umgeben sind, die ein für am Stengel [* 9] emporkriechende Insekten unüberwindliches Hindernis darstellen. Bei 8ii6nft ai-nieria ^. [* 1] (Fig. 5) werden ferner die an den Stengeln emporkricchenden unberufenen Gäste durch die klebrigen Ausscheidungen an der Hauptachse der Blutenstände wie von Leimruten festgehalten.
Schließlich finden sich nun aber an den Blüten noch zahlreiche S., die dazu dienen, den Pollen gegen Benetzung zu schützen. Bei einer großen Anzahl von Pflanzen sind nämlich die Pollenkörner [* 10] gegen die Berührung mit reinem Wasser sehr em- pfindlich und platzen fast augenblicklich, wenn sie z. B. von einem Regentropfen getroffen werden, während sie in der zuckerreichen Ausscheidung der Narbe zu den in den Griffel eindringenden Pollen- schläuchenauswachsen.
Derartig empfindliche Pollen- körncr werden nun sehr häufig einfach durch die Ge- stalt der Blütenhülle vor der Benetzung durch Regen- tropfen gefchützt. Dies ist z. B. der Fall bei den Blüten der Maiglöckchen, deren glockenförmiges Perigon bekanntlich die Antheren vollständig ein- hüllt. Bei zahlreichen Gewächsen kann aber auch der Pollenschutz dadurch hervorgebracht werden, daß dieselben nur bei heiterm Wetter, [* 11] wenn keine Be- netzung durch Regen zu befürchten ist, ihre Blüten öffnen, wie bei vinioi-pliotiic;^ pluviaiig ^., deren Blütenköpfe fich nur bei Sonnenschein entfalten [* 1] (Fig. 8 a), während bei trübem Wetter die Rand- blüten sich so zusammenschließen [* 1] (Fig. 8d), daß die Pollenkörner vor Benetzung geschützt sind.
In. andern Füllen wird schließlich auch durch die Stel- lung der Blüten ein Pollenschutz bewirkt, so z.B. bei Sonnenschein [* 1] (Fig. tta) gerade emporgerichtet sind, so daß sie den die Bestäubung bewirkenden Insekten möglichst in die Augen fallen; bei trübem Wetter (Fig. 6d) krümmen sich diefelben aber nach abwärts, und es bilden dann die Kelch- und Blumenblätter ein schützendes Dach [* 12] für die gegen Venetzung empfindlichen Pollenkörner.
Vgl. Kcrner von Marilaun, Pflanzenleben (Lpz. 1888-91);
Stahl, Pflanzen und Schnecken [* 13] (Jena [* 14] 1888);
Schimper, Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen und Ameisen (ebd. 1888).
2) Tiere. Das einfachste S. der Tiere ist die größere Körperkraft, mittels der ein Tier sich seine ¶
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Feinde vom Leibe hält, und die größere Schnellig- keit, mittels der es sich ihren Verfolgungen entzieht. Zweitens treten hierzu Schutz- oder Trutzwaffen. Die Endteile der vielbenutzten Gliedmaßen bedecken sich mit stärkern Epithelialwucherungen, die als Nägel, [* 16] Krallen (z. B. bei den Katzen; [* 17] s. Tafel: Schutzmittel der Tiere, [* 15] Fig. 1), Klauen, Hufe und Sporen dieselben einmal gegen Verletzungen beim Gebrauch schützen, dann aber auch wirksame Waffen [* 18] abgeben.
Sie entwickeln sich unter Umstän- den auch bei Vögeln an der vordern Extremität (Wehrvögel, Sporenkiebitz u. a.). Es ist leicht be- greiflich, daß auch anderweitige Gebilde, die zum Fassen, Töten und Zerkleinern der Beute benutzt werden, gegebenen Falls zur Verteidigung dienen (Schnäbel, Zähne). [* 19] Mit einzelnen Zähnen kann ein Giftapparat verbunden fein, wie bei den Giftschlan- gen (s. d., Bd. 7, und [* 15] Fig. 3 u. 4); sehr groß ist der Giftapparat bei der Vauchdrüsenotter (^gl1oplii8 Wt68twa1i8 ^«A/-., [* 15] Fig. 5) oder bei der mexik. Gift- echse (1l6^0Ü6rina Iwrriäum I^'e^m., [* 15] Fig. (i). Ahn- liche Apparate finden sich auf der Haut [* 20] von Fischen als Stacheln an Flossen (z. B. an der Rückenflosse mit Sperrgelenken verbunden beim Stichling s(^8- t6l08t6U3 acui6Äw8 ^, [* 15] Fig. 8 a von der Seite, [* 15] Fig. 8d unterer Teil von vorn, [* 15] Fig. 8c im Quer- schnitt), am Kiemendeckel oder Schwanz, zum Teil auch mit Giftapparaten (z. B. beim Petermännchen ^i-Nckinii8 ^, [* 15] Fig. 7a im Längsschnitt, [* 15] Fig. 7d [* 15] imQuerschnitt,Fig. 7 c Vertikalschnitt durch die eine Drüse) verbunden. Ganz analog sind die Stacheln der Gliedertiere gebildet, beim Skorpion [* 15] (Fig. 16) das hinterste Körperglied, bei den stechenden Hy- menopteren die bei andern Insekten zu Eierlegern (Oviposttor) umgebildeten beiden hintersten Leibes- ringe mit ihren Anhängen, in beiden Fällen mit einer Giftdrüse verbunden (z. B. bei der Biene, [* 21] s.Tafel: Biene und Bienenzucht, [* 22] Fig. 11 ^u.L, Hd. 2, und der roten Waldameise ^oi-mica, lu8ca ^, s. Tafel: Schutzmittel der Tiere, [* 15] Fig. 12). Bloß eine Giftdrüse, deren Sekret ausgespritzt wird, findet sich bei andern Ameisenarten (z.V. der gemeinen roten Ameise M^rinic^ I3,6vin0ä68 ^/i., [* 15] Fig. 11^). Bei manchen haarigen Spinnerraupen [* 15] (Fig. 13) stehen die hohlen abbrechbaren Haare [* 23] und bei giftigen Spinnen [* 24] und Tausendfüßern die Kiefer mit einer Gift enthaltenden Drüse am Grunde im Zusammen- hang. Mit dem Rüssel gewisser Schnurwürmer, z. V. bei 660pIanH ckalicoplioi-H von ^?»F'. [* 15] (Fig. 17 a), findet sich eine mit einer stilettförmigen Waffe verbun- dene Giftdrüse im Rüssel [* 15] (Fig. 17 d). Auch die Nessel- Organe (s. d., Bd. 12) der Cölenteraten zeigen eine analoge Vereinigung eines in diesem Falle, wenn auch unwillkürlich, Hervorschleuderbaren Stechhaars mit Gift in einer Hautzelle (s. Fig. 18 a: Nesselzelle einer Röhrenqualle in nicht gereiztem, [* 15] Fig. 18 d in gereiztem Zustande mit hervorgeschleudertem Stcch- haar).
Die Gifte sind durchaus nicht immer mit besondern waffenartigen Gebilden verbunden. Sie können ihren Sitz in einfachen Hautdrüsen haben und werden erst bemerkbar, wenn der Inhaber feindlich angegriffen oder gebissen wird (Feuersala- mander, Kröten, höchst giftige tropische Baum- frösche). Manche Fische [* 25] sind im ganzen äußerst giftig, bei andern ist es der Rogen. In hohem Grade ist Gift auch in Hautdrüsen mancher Käfer [* 26] (Spanische Fliege [* 27] u. s. w.) vorhanden. Bei der Faß- schnecke (Dolwni Agiea. ^.) sondern die Speichel- drüsen [* 15] (Fig. 15) einen freie Schwefelsäure [* 28] enthal- tenden Saft ab. Andere Tiere sind übelriechend oder übelschmeckend ohne giftige Eigenschaften, und oft ist der Träger [* 29] des übeln Geruchs das Sekret beson- derer Drüsen, das unter Umständen dem Feinde entgegen geschleudert werden kann.
Das ist vielfach der Fall bei Gliederfüßern: bei Tausendfüßern (Haut- drüse mit Blausäure, also giftig), Larven von Blatt- wespen, Raupen von Schmetterlingen (z. B. an der Gabel am Hinterleibsende der Raupe des Gabel- schwanzes ls. Tafel: Raupen, [* 15] Fig. 12, Bd. 13^ oder in Gestalt hervorstülpbarer Hörner hinter dem Kopfe, wie bei der Raupe des Schwalbenschwanzes jZig. Ii^j), bei Wanzen, Laufkäfern, die den übel- riechenden Saft (meist Vuttersäure) entweder durch den Mund oder den After entleeren. In letzterm Falle kann er sich an der Luft mit hörbarem Knall verflüchtigen, wie bei Li-ac1iinii8c0iiiplaiiatu8^ab7-., dem Bombardierkäfer (f. d., Bd. 3, und Tasel: Schutzmittel der Tiere, [* 15] Fig. 14). Viele Wir- beltiere lassen bisweilen stinkenden Urin oder Kot oder auch das Abscheidungsprodukt besonderer Drü- sen bei feindlicher Bedrohung fahren, z. V. die Rin- gelnatter, Stinktiere (z. B. das südamerik. Stinktier, [* 30] Ä6p1iiti8 8iiik0cau8 Iic/i^. [* 15] ^Fig. 2 a, Harnapparat und Stinkdrüsen von vorn, [* 15] Fig. 2d, Mündung der Stinkdrüsen in den Afters u. s. w. Andere brechen den Mageninhalt aus und überschütten den Gegner damit (junge Sturmvögel, Lamas u. s. w.). Auch die elektrischen Organe gewisser Fische gehören zu den S. Beim Zitterrochen [* 31] (loi^eäo marinoi-ata Msso) liegen die großen elektrischen Platten [* 15] (Fig. 9 3. N N) rechts und links vom Rückgrat und bestehen aus kantigen, senkrecht nebeneinander liegenden Säulchen [* 15] iFig. 9d), die ihrerseits wieder aus über- einander stehenden Kästchen [* 15] (Fig. 9c) zusammen- gesetzt sind.
Diese enthalten eine sulzige Masse, sind durch zarte Bindegewebsschichten voneinander getrennt und in jedes tritt von unten her eine Nervenfaser. Nach dem Rücken zu sind sie positiv, nach dem Bauche zu negativ elektrisch. Beim elek- trischen Aal (6^mn0w8 6i6ctricu8 ^.) verlaufen die Organe (N) als zwei große Polster unter der Bauchhaut vom Schwänze tns über die Körpermitte nach vorn [* 15] (Fig. 10 a und d), zeigen einen ähnlichen Bau, nur daß die Säulchen in der gleichen Richtung wie die ganzen Organe angeordnet sind.
Nach dem Kopfe zu sind sie positiv, nach dem Schwänze hin negativ elektrisch. Eine andere Art von S. besteht in Hüllen des tierischen Körpers, die in Anpassung an die ver- schiedensten äußern Einflüsse erworben sein können. Schon die Schalen der meisten, rnchl ^m mütter- lichen Körper verbleibenden Eier, [* 32] besonders der Landtiere, sind solche Vorrichtungen, die einmal den flüssigen Inhalt davor bewahren, daß er, dem Gesetze der Schwere folgend, auseinander läuft, ihn weiter aber auch gegen lebende Feinde, gegen Kälte und Hitze, gegen Erfrieren und Eintrocknen schützen.
Langsam sich bewegenden oder gar festsitzenden Tieren, wie Mollusken, [* 33] Rankenfüßern, zahlreichen Ringelwürmern u. s. w. sind solche Vorrichtungen von größtem Nutzen, die sich ein rasch sich bewegendes Tier weniger leicht erwerben konnte. Bei den Rep- tilien sieht man vom wenig starken Schuppenkleid der hurtigen Eidechse oder Schlange [* 34] bis zum festen, zur Aufnahme von Kopf, Hals und Gliedmahen be- fähigten Gehäuse der trägen Schildkröten [* 35] eine Reihe merkwürdiger Übergänge. Die hornige, chitinöse Hautbedeckung der Insekten, die bei Krebsen gar ¶