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Kühler und die Milchkannen Wasserdampf getrieben wird, bevor derselbe in die Heizschlange geleitet wird, mittels welcher die Milch angewärmt wird. Die Kannen [* 1] (Fig. 3) müssen dazu in ihrem Deckel zwei Öffnungen haben, von deren einer aus, in welche der Dampf [* 2] geleitet wird, eine Röhre bis dicht über den Boden der Kanne [* 3] reicht. bei diesem Bitterschen Verfahren werden sämtliche pathogenen Keime und ein großer Teil der Gärungserreger abgetötet, und die Milch ist bei einer Temperatur von 15° drei bis vier Tage haltbar, während Farbe, Geruch und Geschmack der rohen Milch völlig unverändert bleiben.
Die Kosten, welche durch das Pasteurisieren verursacht werden, sind sehr gering, sie betragen pro Liter etwa 1 Pf., so daß auch in dieser Hinsicht die pasteurisierte Milch mit der rohen Milch konkurrieren kann. [* 1] ^[Abbildung]Fig. 1. [* 1] ^[Abbildung]Fig. 2. [* 1] ^[Abbildung]Fig. 3. Da nach den frühern unvollkommenen Methoden des Pasteurisierens nichts oder wenig erreicht wurde, indem einmal die Temperatur von 70° C. viel zu kurze Zeit einwirkte, andererseits sofort wieder eine nochmalige Infektion der Milch mit Keimen vom Kühler und den Kannen her erfolgte (bei der Art des einfachen Reinigens mit Wasser, die in Milchwirtschaften üblich ist, ist es unmöglich, die kolossale Menge von Bakterien, welche sich in den in den Kannen und auf dem Kühler zurückgebliebenen Resten von Milch entwickelt haben, zu entfernen), so verzichtete man darauf, die Eigenschaften der rohen Milch zu bewahren, und versuchte, die Milch dadurch keimfrei zu machen, daß sie in Flaschen mit Patentverschluß, wie er bei Bierflaschen üblich ist, 30 Minuten bis 1 Stunde auf 100-103° C. erhitzt wird, welches Verfahren als partielle Sterilisation bezeichnet wird.
Dieses Erhitzen geschieht gewöhnlich mit Wasserdampf in Desinfektionsöfen, die leicht für die Milchsterilisation umzuändern sind. Die Flaschen werden mit lose aufgelegtem Verschluß in den Ofen gestellt. Darauf wird der Ofen angeheizt. Hat die Maximaltemperatur etwa 5 Minuten eingewirkt, so werden die Flaschen herausgenommen, fest verschlossen und dann noch 1/2-1 Stunde auf der Temperatur von 100 bis 103° gehalten. Dieses Herausnehmen der Flaschen, um sie fest zu verschließen, ist beim Großbetrieb störend, und es hat Gronwald einen Ofen konstruiert, in dem der definitive Verschluß der Flaschen ohne Öffnen des Ofens durch eine außen angebrachte Vorrichtung bewirkt werden kann.
Durch dieses Sterilisieren werden alle pathogenen Keime sicher abgetötet, ferner die Bakterien der Milchsäuregärung, und wenn das Erhitzen eine Stunde gewährt hat, auch die Buttersäurebacillen. Dagegen werden die widerstandsfähigen Sporen der Heubacillen, welche ein fünf- bis sechsstündiges Erhitzen auf 100° ertragen, nicht beeinträchtigt, so daß also gerade die Keime, welche durch ihre Toxine den Säuglingen verderblich werden, zurückbleiben.
Diese entwickeln sich dann, da sie durch die Stoffwechselprodukte der Milch- und Buttersäurebakterien nicht beeinträchtigt werden, sehr reichlich in der partiell sterilisierten Milch. Man hat versucht, durch sog. Vorkeimen oder Vorwärmen bessere Resultate zu erzielen. Dabei wird die Milch zuerst auf 80° erhitzt, dann mehrere Stunden bei 30° gehalten und darauf 30 Minuten auf 100° gebracht. Der Sinn dieses Verfahrens ist der, daß die widerstandsfähigen Sporen auskeimen und durch das andauernde zweite Erhitzen dann die Wuchsformen der Bakterien abgetötet werden. Es ist also hier das Princip der fraktionierten Sterilisation eingeführt.
Allein es gelingt nicht einmal, im Laboratorium [* 4] unter Beobachtung aller erforderlichen Vorsichtsmaßregeln durch intermittierendes Erhitzen absolute Sterilisation zu erlangen, um wieviel weniger dann in Fabriken bei häufig irrationellen Betrieben. Durch die partielle Sterilisation ist also eine absolut keimfreie Milch nicht zu erzielen, und es sind daher die Bezeichnungen «keimfreie Dauermilch», welche häufig der nach diesem Verfahren sterilisierten Milch aufgedruckt werden, zu verbieten, da sie das Publikum irreführen, welches glaubt, in dieser Milch ein vollständig ungefährliches, beliebig lange haltbares Präparat zu besitzen. (S. auch Auffütterung der Kinder.) Wird die partiell sterilisierte Milch bei niederer Temperatur, unter 15° C., aufbewahrt, so hält sie sich allerdings längere Zeit, und eine Entwicklung der so gefährlichen Heubacillen ist nicht zu befürchten.
Den gleichen Effekt erzielt man aber auch durch ein geeignetes Pasteurisierverfahren, und man hat bei letzterm außerdem den Vorteil, daß der Geruch, Geschmack und das Aussehen der rohen Milch bewahrt ist, in deren Intaktheit das Publikum mit Recht ein Kriterium der guten Beschaffenheit der Milch sieht, während das bei der partiell sterilisierten Milch nicht der Fall ist, und endlich wird die Milch durch die partielle Sterilisation bereits beträchtlich verteuert. Ein Nachteil liegt bei der partiellen Sterilisation auch darin, daß sich diese Milch für ¶
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weiten Transport nicht eignet. Sind wirklich in einer Flasche [* 6] alle Bakterien abgetötet, so macht die Veränderung des Rahms die Milch unansehnlich. Besonders beim Schütteln der unvollständig gefüllten Flaschen aus längerm Transport wird der Rahm vollkommen ausgebuttert, so daß er durch Schütteln nicht mehr vollkommen emulgiert, sondern zum Teil in große nicht mehr zerteilbare Fetttropfen verwandelt wird. Vollständige Sterilisation kann durch sechsstündiges Erhitzen auf 100° erzielt werden; dabei wird aber die Milch braun und der Geschmack unangenehm brenzlich.
Keimfrei wird die Milch auch durch einviertelstündiges Erhitzen im Autoklaven unter Anwendung von 120 bis 125°, wobei das Aussehen und der Geschmack weniger verändert wird. Aus diese Weise stellt die Natura-Milch-Gesellschaft zu Waren in Mecklenburg [* 7] vollkommen keimfreie Milch her. Da diese Natura-Milch in zugelöteten, völlig gefüllten Blechbüchsen [* 8] ohne Schüttelraum hergestellt wird, so ist sie zum Versand außerordentlich geeignet, wenn sich auch der Rahm wenig verändert.
Auf derartig hergestellte Milch wird man zurückgreifen müssen, wenn es sich darum handelt, milcharme Länder, Reisende oder Schiffe [* 9] für weite Fahrten mit Milch zu versorgen. Hierzu eignet sich die völlig sterilisierte Milch auch besser als die kondensierte (s. Milchkonservierung, Bd. 11), deren Geschmack infolge der Kondensation und des hohen Zuckerzusatzes sehr gelitten rat. Unter gewöhnlichen Verhältnissen dagegen empfiehlt es sich, die Milch, bevor sie auf den Markt gebracht wird, einem geeigneten Pasteurisierverfahren, welches alle Infektionskeime sicher abtötet und die Zahl der Saprophyten stark vermindert, zu unterwerfen.
Geschieht dies, so wird die Haltbarkeit der Milch derartig gefördert, daß auch die Versorgung großer Städte mit guter, frischer Milch nicht mehr auf Schwierigkeiten stößt, und es wird allmählich die so gefährliche als «keimfreie Dauermilch» bezeichnete partiell sterilisierte Milch verschwinden. Und dies ist um so eher zu erwarten, als auch die partiell sterilisierte Milch vor dem Gebrauch nochmals aufgekocht werden müßte, wenn sie als vollkommen ungefährlich bezeichnet werden soll.
Dieses kochen der Milch vor dem Gebrauche wird häufig unzureichend ausgeführt. Ein einmaliges Aufkochen nützt nichts, es muß die Milch etwa 10 Minuten lang auf 100° gehalten werden. Wegen des Schäumens und Überkochens der Milch ist dies in gewöhnlichen Kochtöpfen schwer auszuführen. Es eignet sich dazu das Kochen der Milch in einem Wasserbade [* 5] (Fig. 4), allein gewöhnliche irdene Töpfe mit hohem Rand und durchlochtem Deckel [* 5] (Fig. 5), so daß die überschäumende Milch zurückfließen kann, leisten dasselbe. Um das Einkochender Milch zu verhüten, muß dieselbe mit dem dritten Teil Wasser versetzt werden, dieses ist nach einer Kochdauer von 20 Minuten verdunstet.
Nach dem Kochen muß die Milch schnell abgekühlt und kühl gehalten werden, da sich sonst die noch nicht abgetöteten Saprophyten schnell vermehren, zumal wenn die Temperaturen zwischen 25 und 40° C. längere Zeit andauern. Im allgemeinen ist es ratsam, nicht zu große Quantitäten auf einmal abzulochen, sondern nur etwa einen Vorrat für 12 Stunden. Um das Kochen der ganzen Tagesration eines Säuglings in einzelnen Portionen vornehmen zu können, hat Soxhlet einen Milchkocher [* 5] (Fig. 6) konstruiert. Es wird in 6-10 Saugflaschen von der verdünnten und mit Zucker [* 10] versetzten Milch je so viel gegossen, wie der Säugling jedesmal genießt.
Die Flaschen werden mit einem durchbohrten Stopfen verschlossen und im Wasserbad erhitzt. Nach 10 Minuten langem Kochen wird die Bohrung der Stopfen mit einem Glasstäbchen verschlossen und dann noch 30 Minuten gekocht. Die Fläschchen werden dann an einem kühlen Ort aufbewahrt. Bei einer neuern Konstruktion dienen zum Verschluß der Flaschen kleine Gummischeiben, die während des Kochens Luft und Wasserdampf entweichen lassen, beim Erkalten aber durch den Luftdruck derartig angepreßt werden, daß sie einen festen Verschluß bilden. Da der Kautschukverschluß antimonhaltig ist und den Geschmack der Milch beeinträchtigt, so hat Flügge als Verschluß der Soxhletflaschen ein Glashütchen [* 5] (Fig. 7) [* 5] ^[Abbildung]Fig. 4. [* 5] ^[Abbildung]Fig. 5. [* 5] ^[Abbildung]Fig. 6. [* 5] ^[Abbildung]Fig. 7. ¶