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und bietet sehr ausgiebige Garantien gegen Mißbräuche. Die Entmündigung eines Irren, die durch einen Specialrichter (Master in Lunacy) ausgesprochen wird, nachdem die Geschworenen ihn für geisteskrank erklärt haben, kommt jetzt nur selten vor, da jetzt ein Pfleger auch ohne Anwendung dieses Verfahrens bestellt werden kann. Nicht entmündigte Geisteskranke dürfen in einer Anstalt und auch von Privaten gegen Entgelt nur auf Grund einer sog. Reception Order aufgenommen werden, die von einem Friedensrichter ausgestellt werden muß.
Vorbedingung für die Ausstellung einer derartigen Reception Order ist bei Kranken, die nicht der öffentlichen Armenpflege unterstehen, die Beibringung von zwei ärztlichen Bescheinigungen; bei Kranken, die auf Kosten der öffentlichen Armenpflege zu behandeln sind, genügt eine ärztliche Bescheinigung. Jeder Arzt, der eine solche Bescheinigung ausstellt, muß den Kranken innerhalb der letzten sieben Tage persönlich untersucht haben, und die Bescheinigung muß die Thatsachen angeben, auf die sie sich stützt. In besonders dringenden Fällen darf ein Kranker auf Grund einer einzigen ärztlichen Bescheinigung, auch ohne Reception Order, sieben Tage lang eingesperrt werden, binnen welcher Zeit dann die Reception Order beschafft werden muß. Der Friedensrichter, der die Reception Order ausstellt, muß den Kranken in der Regel persönlich vernehmen. Eine Reception Order ist nur auf einen bestimmten Zeitraum gültig, wird aber erneuert, insofern der zuständige Arzt der Oberbehörde bescheinigt, daß die weitere psychiatrische Behandlung des Kranken wünschenswert erscheint.
Für die Aufnahme von Geisteskranken dienen folgende Arten von Anstalten:
1) Asylums, die von den Grafschaftsbehörden oder den städtischen Behörden errichtet werden müssen und hauptsächlich für die der öffentlichen Armenpflege unterstehenden Kranken bestimmt sind;
2) Hospitals, d.h. Anstalten, die durch Stiftungen und mildthätige Beiträge errichtet und erhalten werden und hauptsächlich für ärmere Patienten aus den bessern Ständen bestimmt sind;
3) Licensed Houses, d. h. konzessionierte Privatanstalten, in denen besser situierte Kranke gegen Zahlung aufgenommen werden. In den Arbeitshäusern der Armenverbände können ebenfalls unter gewissen Voraussetzungen Irre untergebracht werden, und endlich dürfen einzelne Patienten (Single Patients) auch in nicht konzessionierten Häusern Obdach und Pflege erhalten. Für geisteskranke Verbrecher giebt es eine besondere Staatsanstalt in Broadmoor; außerdem giebt es besondere Militärirrenanstalten.
Bestand der engl. Irrenanstalten
Irrenanstalten | Männl. Irren | Weibl. Irren | Zusammen |
---|---|---|---|
In den 68 Asylums | 28![]() |
33![]() |
61![]() |
" 19 Hospitals | 2056 | 1873 | 3939 |
" 76 Licensed Houses | 1784 | 2389 | 4173 |
" Arbeitshäusern | 7658 | 9240 | 16![]() |
Einzelne Kranke | 2564 | 3733 | 6297 |
In Broadmoor | 484 | 165 | 649 |
In den 2 Militäranstalten | 227 | - | 227 |
Gesamtzahl: | 42![]() |
51![]() |
94![]() |
Sämtliche Geisteskranke unterstehen der Aufsicht der Oberbehörde für Irrenwesen (Commissioners in Lunacy), die aus drei unbesoldeten und sechs besoldeten Mitgliedern besteht. Letztere sind zur Hälfte Arzte, zur Hälfte Juristen.
Die Personen, die an der Spitze von Irrenanstalten stehen oder Irre bei sich aufnehmen, haben von Zeit zu Zeit an die Oberbehörde Berichte zu senden, die eine Reihe von Specialangaben enthalten müssen, namentlich muß über die Aufnahme von Patienten sofort berichtet werden, und außerdem muß der behandelnde Arzt innerhalb eines Monats nach der Aufnahme einen ausführlichen Bericht einsenden. Für die regelmäßige Inspektion der Häuser, in denen Irre aufgenommen werden, sorgen eine Reihe ausführlicher gesetzlicher Vorschriften, namentlich müssen die besoldeten Mitglieder der Oberbehörde regelmäßige Inspektionsreisen in allen Teilen des Landes machen und darüber berichten. Ferner müssen die konzessionierten Häuser, die nicht im unmittelbaren Bezirk der Hauptstadt gelegen sind, auch von Friedensrichtern regelmäßig besucht werden, und die Asylums unterstehen nicht nur der Inspektion der Oberbehörde, sondern auch der Aufsicht besonderer Visiting Committees, die von den Kommunalbehörden ernannt werden.
Auch über die Behandlung der Irren enthält das Gesetz ausführliche Vorschriften, über deren Beobachtung von seiten der Aufsichtsbehörden strenge Kontrolle geführt wird. Es gehören dahin Vorschriften über mechan. Zwangsmittel, über Besuche von Angehörigen, über ärztliche Behandlung, über die Ernährung der Patienten u. s. w. Von besonderer Wichtigkeit ist die Bestimmung, daß alle Briefe, die ein Geisteskranker an gewisse für das Irrenwesen besonders zuständige Richter und Verwaltungsbeamte oder an Mitglieder der Oberaufsichtsbehörde richtet, uneröffnet befördert werden müssen, und ferner, daß jeder Patient das Recht hat mit den inspizierenden Beamten eine Privatunterredung zu haben, wie auch die weitere Vorschrift, nach der die Oberbehörde anordnen kann, daß über dieses Recht durch öffentlichen Anschlag den Insassen einer Anstalt Nachricht zu geben ist.
Interessantes Material über den Gegenstand und ausführliche statist. Angaben enthalten die jährlichen Berichte der Oberbehörde; der letzte ist der 49. Bericht, der im J. 1895 erschienen ist.