Individualismus - Indochinesische Sprachen und Völker
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Auserwählten, eine
Sitte, die auch die Orāon angenommen haben. Oder man jagt einen Ochsen durch das Dorf und wählt den zum
Priester, vor dessen
Thür der Ochse stehen bleibt. Im Gegensatz zu den Orāon haben die Mūndāri keine Götzenbilder. Der
Priester opfert Ochsen, Schweine,
[* 2]
Böcke,
Hühner
[* 3] auf einem dazu bestimmten
Steine und sprengt das Opferblut
umher. Dem Singbonga werden nur weiße
Hühner und weiße
Böcke geopfert, den bösen Bonga nur schwarze oder bunte.
Das Opferfleisch verzehrt der Priester, bei größern
Tieren auch die Familie des Opfernden. Das Hauptopfer wird im März
vor der Saatzeit dargebracht. Man reinigt die Häuser und schmückt sie und sich mit
Blumen. Der Priester
wird auf die Schultern gehoben und unter
Gesang und Geschrei aus dem Opferhain ins Dorf getragen, worauf getanzt und gezecht
wird. Zur
Abwehr aller
Arten von Unglück dienen Zauberer, die in ihren
Zaubersprüchen Hindugötter anrufen, vor allem
Çiva
als Mahādēo (im Sanskrit Mahādēva).
Die Mūndāri glauben an
Hexen und besonders fest daran, daß sich
Menschen mit Hilfe der Bonga für einige Zeit in
Tiger verwandeln,
um
Menschen zu fressen. Bei
Krankheiten weissagen sie aus dem Flug und Geschrei der
Vögel,
[* 4] besonders des
Raben; aus dem Fressen
oder Nichtfressen der
Hühner ziehen Pāhans und Zauberer ihre
Schlüsse. Auch Gottesurteile kennen sie.
Bei einem Streit um Ländereien muß der, der das Land beansprucht, den Fuß eingraben. Beißen ihn die
Ameisen nicht, so
gehört das Land ihm; andernfalls wird er mit Schimpf und Schande von dem Felde gejagt.
Die
Religion der übrigen Kolarier zeigt immer dieselben Züge: Fetischismus und Totemismus.
Name und Zahl
der
Götter und
Geister wechseln in jedem
Lande, ja Dorfe, gerade wie bei den
Hindu. Dem Ōdschhā der
Hindu entspricht bei den
Kolariern der Baiga; er ist der Beschwörer und Teufelaustreiber, der seine Kunst oft genau so ausübt wie der Schamane (s.
Schamanismus, Bd. 14). Unter den
Kolh hat die Goßnersche Mission eine segensreiche Thätigkeit entfaltet;
(lat.), in der
Metaphysik die
Anschauung, daß nur den Einzelwesen (Dingen wie
Personen) Selbständigkeit
und wahrhaftes Sein zukommt, gegenüber der
Philosophie des
Universalismus, die, wie z. B. bei
Plato,
Spinoza, Schopenhauer,
nur das unendliche Ganze der Wirklichkeit als wahrhaft seiend betrachtet und die Selbständigkeit der
Einzeldinge leugnet. Die hervorragendsten individualistischen
Systeme in der neuern
Philosophie sind die von
Leibniz, Herbart
und
Lotze. In der Ethik versteht man unter I. die
Richtung, die das Ziel des Willens und den Wert des
Daseins überhaupt im
Individuum, nicht in der Gemeinschaft oder der Gattung sucht.
Ihre extremste Gestalt ist der schroffe
EgoismusStirners und
Nietzsches; ihr Gegensatz der
Altruismus. In der Politik ist der I. die dem
Socialismus und Kollektivismus gegenüberstehende
Anschauung.
Sprachen und
Völker. Mit dem
Namen Indochinesen bezeichnete man ursprünglich (und thut es,
freilich mit Unrecht,
zuweilen auch jetzt noch) bloß die
Völker der hinterind. Halbinsel. Der
Name wurde zunächst wohl nur
von der geogr.
Lage ihrer Wohnsitze genommen, die ja gewissermaßen zwischen
Indien und Südchina liegen; vielleicht ist auch
gleich zu Anfang schon die
Beobachtung maßgebend gewesen, daß diese Bewohner
Indiens in Rassentypus und
Sprache
[* 5]
Ähnlichkeit
[* 6] mit den
Chinesen haben; jedenfalls kam man, hauptsächlich auf die Übereinstimmung namentlich ihres
Sprachbaues
gestützt, zu der
Annahme, daß sie eine eigene, dem
Chinesischen verwandte
Sprachfamilie bildeten.
Bei genauerer Untersuchung hat sich nun herausgestellt, daß diese
Definition auf der einen Seite zu weit, auf der andern
zu eng ist. Denn den Forschungen E. Kuhns («Beiträge zur Sprachenkunde Hinterindiens»,
in den «Sitzungsberichten» der
MünchenerAkademie, 1889, philos.-philol.
Klasse 2) verdankt man den Nachweis, daß die Khmer
(in Kambodscha), die Mon oder
Talaing (in Pegu), die Annamiten und die Tschampa (beide in
Annam) nebst einer Anzahl kleinerer
Gebirgsvölker, wie Khasi, Palaung u. a., mit den übrigen
Insassen des
Landes nicht verwandt sind; vielmehr
bilden die Mon und Khmer mit jenen kleinern
Stämmen eine eigene
Sprachfamilie, der auch das Annamitische nahe steht (man hat
sie daher
mon-annamitische Sprachen genannt), und diese
Sprachfamilie zeigt, worauf schon Mason («The
Talaing language», im
«Journal of the
AmericanOrientalSociety», IV) undSchott
(«Über die sog. indochinesischen
Sprachen, insonderheit das Siamische»,
in den «Sitzungsberichten» der
Berliner
[* 7]
Akademie, 1856, philos.-histor.
Klasse) hingewiesen hatten, auffällige Übereinstimmungen
im Wortschatz nicht bloß mit den
Sprachen der Urbewohner
Malakas und der
Insel Nancowry, sondern auch mit den Kolhsprachen
Vorderindiens.
Ja, es ist nicht unwahrscheinlich, daß alle diese
Sprachen in verwandtschaftlicher
Beziehung zu den malaiischen stehen, zu
denen das Tschampa so wie so gehört; man schließt das (vgl. Himly,
Über die Wortbildung des Mon, in den «Sitzungsberichten»
der
MünchenerAkademie, 1889, philos.-philol.
Klasse, S. 260-277) daraus, daß bei den Mon, Khmer und
Kolh
dieselbe Wortbildung durch
Suffixe vorhanden ist, die man als ein hervorstechendes
Merkmal der malaiischen
Sprachen kennt.
Somit muß die
mon-annamitischeSprachfamilie, wie man
sie der Kürze halber noch nennt, von den andern
Sprachen Hinterindiens,
dem Birmanischen (richtiger Barmanischen) und Siamesischen, getrennt werden. Und zwar ist sie höchst
wahrscheinlich als die Urbevölkerung der Halbinsel anzusehen, dafür spricht außer ihrer
Tradition, die von einer Einwanderung
nichts berichtet, besonders der Umstand, daß man wenigstens von den Siamesen weist, daß sie erst in geschichtlicher Zeit
von Norden
[* 8] her, aus Jün-nan, kommend, in das jetzige Siam eingedrungen sind.
Diese aber und die Birmanen samt den kleinen
Stämmen in
Birma sind, wie das ebenfalls die
Sprachvergleichung
gelehrt hat, auf das innigste nicht bloß mit den
Chinesen, sondern außerdem auch mit den Tibetern und den schier zahllosen
Völkern und Völkchen verwandt, welche die Südabhänge des Himalaja und die westlichsten
ProvinzenChinas bewohnen. Diese
riesenhafte Völkerfamilie (vielleicht die größte, die es giebt), die sich in ununterbrochenem Zusammenhange
über das ganze eigentliche
China,
[* 9]
Tibet bis zum
Kuku-nor¶
mehr
und den größten Teil Hinterindiens ausbreitet, ist es nun, die man jetzt mit dem Namen indochinesisch bezeichnet. Dieser
Name ist auch so übel nicht, zumal wenn man ihn als die Bezeichnung einer Familie auffaßt, die, mit den Chinesen stammverwandt,
innerhalb der vorderind. Kultursphäre wohnt; und das ist ja der Fall bei allen diesen Völkern, die
Chinesen nicht ausgenommen.
Dem Rassentypus nach geboren die Indochinesen zu den Mongolen; als charakteristische Eigenschaften ihrer Sprachen giebt man
gemeiniglich an, daß sie einsilbig, isolierend und (teilweise) singend sind, d. h. daß jedes
ihrer Stammwörter nur aus einer Silbe besteht, daß sie, da diese Stammwörter in der Regel unveränderlich
sind, alle Beziehungen der Wörter zu einander nur durch die Stellung, durch lockere Wortverbindung und zugesetzte Hilfswörter
auszudrücken vermögen, und daß bei dem größern Teil von ihnen jedem Wort ein bestimmter, ihm untrennbar anhaftender Tonfall
(Tonaccent) eigen ist.
Diese Definition ist indessen nicht mehr ganz zutreffend. Bei genauerer Untersuchung hat sich nämlich
gezeigt, daß ein nicht unansehnlicher Teil der dazugehörigen Sprachen, z. B. die Sprachen von Nepal, von Assam und Nordbirma,
weit eher zu den agglutinierenden gehören. In der That ist die Isolierung fast nirgends ganz rein vorhanden. Das Altchinesische
zwar darf als ein Muster dieser Sprachform gelten (während das Neuchinesische auf dem Übergang zur Agglutination
steht), Tibetisch und Birmanisch dagegen zeigen wenigstens noch deutliche Spuren vormaliger Agglutination. So sind die Konsonantenhäufungen
im Anlaut der Wörter in der tibet.
Schriftsprache, die überdies auch teilweise die Einsilbigkeit durchbrechen, von Lepsius, Kühn, Gabelentz u. a. als einstige
Präfixbildungen nachgewiesen worden, und im Birmanischen werden zweisilbige Nomina durch ein Präfix
gebildet; beide Sprachen zeigen außerdem einen entschiedenen Ansatz zur Flexion in der Unterscheidung des intransitiven und
transitiven Verbi durch Anlautveränderung (die sich übrigens auch im Siamesischen und Chinesischen hat nachweisen lassen),
und dem Tibetischen allein eigentümlich ist eine regelmäßige Tempusbildung durch Ablaut. So sieht man
also, daß eine ganze Skala verschiedenartiger Sprachformen zu dieser Familie gehört.
Und nun ist es höchst wahrscheinlich, daß sich alle diese Formen aus der agglutinierenden entwickelt haben. Daß die Einsilbigkeit
der Stammwörter auf Mehrsilbigkeit zurückgehen kann, bezeugt nicht bloß die erwähnte Erscheinung des Tibetischen, man
findet dasselbe Streben nach Zusammenziehung in allen andern dieser Sprachen, auch, deutlich nachweisbar,
im Chinesischen. Ebendaraus haben z. B. Lepsius («Über chines. und tibetan. Lautverhältnisse», in den «Abhandlungen» der BerlinerAkademie, 1861), R. Douglas u. a. in glaubwürdiger Weise die Tonaccente abgeleitet, und selbst die Isolierung, d. h. die starren
Stellungsgesetze, weisen, wie Kühn gezeigt hat, auf eine vormalige freiere, durch Formelemente unterstützte
Stellung hin. Man wird also die indochines. Sprachen fortan als solche bezeichnen dürfen, die bei sonst verschiedenartigem
Sprachbau solidarisch sind in der starken Tendenz zur Einsilbigkeit, Isolierung und Erzeugung von Tonaccenten.
Natürlich kann eine so große und bei manchmal verblüffender Nähe der Verwandtschaft im einzelnen
doch so verschiedene Sprachrasse nicht ohne Unterabteilungen sein.
Man kann denn auch zwei große Gruppen: eine westliche
(tibeto-birmanische) und eine östliche (siamesisch-chinesische) im allgemeinen deutlich unterscheiden, die sowohl im Wortschatz
wie im Sprachbau differieren. Die westl. Gruppe, die im ganzen den ältern Typus bewahrt hat, neigt mehr
zur Agglutination und stellt gewöhnlich das Objekt vor das Verbum, das Attribut vor sein Nomen (attributive Sprachen), die östliche
stellt das Objekt nach, in der Stellung des Attributs dagegen weichen die Thaisprachen, deren bekanntester Vertreter das Siamesische
oder Thai ist, vom Chinesischen ab, mit dem sie sonst recht innig zusammenhängen: jene stellen ganz formlos
das Attribut ebenfalls nach (prädikative Sprachen), das Chinesische vor, wie denn dieses, mit Steinthal zu reden, die drei Grundverhältnisse
der menschlichen Rede, das attributive, objektive und prädikative, scharf durch die Stellung auseinander hält.
Indessen sind diese Unterschiede keineswegs bindend für alle Sprachen, die man ihrem ganzen Habitus nach
zu der einen oder andern Gruppe zählen muß; so steht z. B. im Khamti, das zur Thaifamilie
gehört, das Objekt immer vor dem Verbum, und das kann auch im Siamesischen selbst, im Schan, im Neuchinesischen geschehen,
ja sogar das Altchinesische bewahrt in der Anteposition des Pronomens als Objekt Spuren dieses Wechsels.
Das ist eben noch ein Rest der ehemaligen freiern Stellung.
Hauptsächlich wegen dieser Schwankungen ist es noch nicht möglich gewesen, innerhalb der großen Gruppen eine ganz genaue
Einteilung vorzunehmen. Am wenigsten in der westlichen. Hier hat man als Kultursprachen das Tibetische und das Birmanische,
beide von Indien aus (jene im 7. Jahrh. n. Chr.,
diese wohl schon eher), mit Schrift und Litteratur versehen. Wie sich aber die zahlreichen kleinern Sprachen und Dialekte um
sie gruppieren, das bleibt noch zu ermitteln. Ja, es schweben sogar noch Grenzstreitigkeiten zwischen der westl.
und der östl. Gruppe im ganzen.
Jene erstreckt sich bis nach Sze-tschwan und Jün-nan hinein, aber auch die Taivölker sitzen in ununterbrochener
Reihe vom Golf von Siam bis nach Jün-nan, oder, wenn die Miao-tse zu ihnen gehören, was sehr wahrscheinlich ist, auch bis
Kwei-tschou. Die Scheidung wird dadurch erschwert, daß man gerade von den Stämmen dieser Provinzen noch wenig Genaues
weiß. Vorläufig wird man die Lolo, Lisau, Man-tze u. a. in Jün-nan als Thaistämme ansehen dürfen. Sonst ist es bei der
östl. Gruppe besser bestellt. Die Thaivölker, so genannt, weil sie alle den Stammnamen Thai führen, gliedern sich deutlich
in die Lao, von denen die Siamesen nur ein Zweig sind, die Schan und die Khamti (die Ahom in Assam sind
ausgestorben), die sämtlich ebenfalls von Indien aus kultiviert worden sind; das Chinesische mit seinen sieben Dialekten (deren
innere Abgrenzung übrigens noch nicht in allen Fällen sicher ist) ist wohlbekannt.
Die indochines. Sprachvergleichung liegt noch zu sehr in den Anfängen, als daß sie sich schon mit der
ohnehin prekären Frage nach der Urheimat der indochines. Völker hätte abgeben können. Es ist jedoch aus verschiedenen
Gründen, wovon ihre übereinstimmende Tradition nicht der schwächste ist, sehr wahrscheinlich, daß ihre Wiege irgendwo im
westl. China gestanden hat; jedenfalls findet man die Miao-tse als ein mächtiges Volk schon in den ältesten
Zeiten der chines. Geschichte im östl. Sze- ^[folgende Seite,
Bindestrich bleibt erhalten!]
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