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wird, ist systematische Unzucht mit dem weiblichen Teile der Sekte Vorschrift. Gegen die Vallabhātschārjas trat auf Svāmi Nārājaṇa (geb. 1780), der Keuschheit und Reinheit des Lebenswandels predigte und dessen Anhänger in Gudschrat gegen 200000 Personen zählen.
Çivaiten und Vishṇuiten unterscheiden sich äußerlich durch bestimmte Zeichen. Die Çivaiten haben einen horizontalen, die Vishṇuiten einen vertikalen Strich auf der Stirn. Die einzelnen Sekten innerhalb der beiden Religionen unterscheiden sich wieder voneinander durch bestimmte Sektenzeichen, die auf der Stirn oder sonst sichtbar angebracht werden, mit Asche, Farbe eingestochen oder eingebrannt. Die Çivaiten verehren, wie erwähnt, das Lingam, das manche Sekten in Gestalt eines weißen Kiesels bei sich tragen.
Den Vishṇuiten ist heilig der Çālagrāma, ein schwarzer Ammonit, und die Tulasīpflanze (Ocimum sanctum L.). Beide Religionen haben den Rosenkranz; die Çivaiten machen ihn aus 32 oder 64 Beeren des Elaeocarpus ganitrus Roxb. (im Sanskrit rudrāksha = Auge [* 2] des Rudra, d. h. Çiva), die Vishṇuiten aus 108 Samenkörnern des Lotus oder Holzstücken der Tulasīpflanze, eine Zahl, die der der Kugeln des Rosenkranzes im nördl. Buddhismus gleich ist. Sehr groß ist die Zahl der religiösen Feste, unter denen besonders das Neujahrs- und das Frühlingsfest als allgemeine Feste mit eigentümlichen Gebräuchen zu nennen sind. Von lokalen çivaitischen Festen ist besonders bekannt geworden die Durgāpūdschā in Bengalen (s. Durgā, Bd. 5), von vishṇuitischen die Rathajātrā des Dschagannāth in Orissa. - Den Weg einer deïstischen Reform, den Kabīr, Nānak u. a. eingeschlagen hatten, hat in neuerer Zeit besonders Rām Mohan Roy verfolgt, der Gründer des Brahmosomādsch, (s. d., Bd. 3).
Die große Masse des ind. Volks, vor allem die Landbevölkerung, hat, wie oben bemerkt, ihre eigenen lokalen Gottheiten, denen gegenüber die Götter der offiziellen Religion, Brahma, Çiva, Vishṇu, ganz in den Schatten [* 3] treten. Diese Volksgottheiten pflegt man in reine und unreine einzuteilen, je nach den Opfergaben, die man ihnen darbringt. Rein sind alle Opfergaben, die für den Hindu reine Speise sind, besonders mit gereinigter Butter durchtränkte Weizenkuchen.
An der Spitze dieser reinen Gottheiten steht der Sonnengott Sūradsch (im Sanskrit Sūrya), der schon in vedischer Zeit verehrt wurde und auch im Brahmanismus und Hinduismus stets seine eigenen Sekten gehabt hat, die Saurās, die heute im südl. Indien besonders zahlreich sind, im nördlichen um Oudh ihren Hauptsitz haben. Sonnentempel finden sich in vielen Teilen Indiens und gehören zu den schönsten einheimischen Bauwerken. Von Naturgottheiten werden ferner verehrt der Mond, [* 4] die Erde (als Dhartī Mātā oder Dhartī Māī = «Mutter Erhalterin») und eine Masse Geister, denen man Einfluß auf das Wetter [* 5] zuschreibt.
Flüsse, [* 6] Seen, vor allem Pokhar (im Sanskrit Pushkara) in Radschputana, Berge werden heilig gehalten. Außer dem schon erwähnten Affen [* 7] Hanuman genießen bei Ariern wie Nichtariern weite Verehrung zwei Helden des Mahābhārata, Bhīmasēna und Bhīshma, der erstere meist unter der Gestalt eines unförmigen, mit Zinnober [* 8] bestrichenen Steins oder von Steinsäulen oder zweier Holzpflöcke, die 3-4 Fuß hoch aus der Erde hervorragen. Weit verbreitet ist auch die Verehrung der «Mütter», die, wie erwähnt, auch der Brahmanismus schon in alter Zeit kennt.
Sie sind teils wohlwollend, teils bösartig. Der Hauptsitz dieses Kultus ist heute Gudschrat. Zahllos sind die Gottheiten der einzelnen Dörfer. In den Westdistrikten der Nordwestprovinzen verehrt man sie gewöhnlich in kleinen, viereckigen Ziegelbauten mit runder Erhöhung und einem langen, eisernen Nagel als Knauf. [* 9] Eine rote Fahne an einem benachbarten Baume zeigt die Kapelle an. Götterbilder enthalten solche Kapellen nie, aber viele haben innen einen Vorsprung, auf dem die Gottheit sich aufhalten soll, wenn sie den Platz besucht. Gelegentlich werden Lampen [* 10] darin angezündet, Feueropfer veranstaltet und kleine Spenden dargebracht; das Äußere ist oft mit rohen Darstellungen des mystischen Svastika (s. Hakenkreuz, Bd. 8) bedeckt. In andern Gegenden besteht die Kultusstätte lediglich aus einem Haufen Steine, der unter einem alten, heiligen Baume aufgeschichtet ist.
Man weiht kleine Thonfiguren von Pferden und Elefanten als Dank für erfüllte Bitten, ferner eigentümliche Schalen mit kurzen Füßen; an den benachbarten Bäumen werden oft kleine Hängematten angebracht als Dank für die Heilung von ansteckenden Krankheiten. Kein richtiger Hindutempel wird je im Süden einer Stadt oder eines Dorfes errichtet. Der Süden gilt als Sitz des Jama, des Todesgottes, und dorthin verlegt man die Kirchhöfe und Richtplätze. Die Thür muß ferner stets nach Osten gerichtet sein.
Bei diesen Kultusstätten der Volksgötter wird keine bestimmte Richtung beobachtet. Man errichtet sie unter einem passenden Baume, oder auch an Stellen, wo einmal jemand erschlagen oder ermordet worden ist, wo er vom Baume stürzte oder ertrank. Es sind also zum Teil «Marterln», durch die man die Seele des Verstorbenen besänftigen will. Glaubt man den Gott abwesend oder schlafend, so wird eine Trommel geschlagen, um ihn herbeizurufen oder zu erwecken, und auf diese Weise verscheucht man zugleich die bösen Geister, die das Opfer stören oder sich aneignen wollen.
Der Einfluß eines solchen Lokalgottes reicht nicht über sein Dorf oder zuweilen eine Gruppe von Dörfern hinaus; man kann sich ihm also durch Wohnungswechsel entziehen, wenn er ungnädig ist. Eine besondere Klasse bilden die Krankheitsgötter. Unter ihnen nimmt die erste Stelle ein Sītalā, die Göttin der Blattern, die zu einer Form der Kālī oder Dēvī, der Frau des Çiva, erhoben worden ist und vorzugsweise von Frauen oder Kindern verehrt wird mit eigentümlichen Gebräuchen, die nach der Provinz wechseln.
Ebenso giebt es Gottheiten der Malaria, der Cholera, der Tierkrankheiten. Diese Gottheiten zu bannen, ist Aufgabe bestimmter Priester, bei den Hindu vor allem des Ōdschhā, der für seinen Beruf, der sich oft in der Familie vererbt, sorgfältig vorbereitet wird. Die Austreibung geschieht entweder durch magische Sprüche oder durch Übertragung der Krankheit auf einen andern, wozu Schweine, [* 11] Böcke, junge Büffel, Hühner, [* 12] alle von schwarzer Farbe, gewählt werden.
Die Zahl anderer böser Geister ist ungeheuer, der Glaube an den bösen Blick, an Amulette allgemein, Tierverehrung, bei der der Totemismus mitspielt, weit verbreitet. Mit andern ist auch Crooke, der zuerst diese Volksreligion im Zusammenhange behandelt hat, geneigt, Einfluß der Nichtarier, besonders der Draviden, anzunehmen. Es lassen sich aber fast alle Züge des heutigen Volksglaubens bereits im Rigveda und Atharvaveda nachweisen, werden also als urarisch anzusehen sein. ¶
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Die Religionen der Nichtarier sind ihrem Charakter nach Fetischismus und Totemismus. Sieht man von den tibetan. Stämmen im Norden [* 14] ab, so zerfallen die Nichtarier in die zwei Klassen der Draviden und Kolarier. Die kultivierten Stämme der Draviden bekennen sich äußerlich zum Brahmanismus; zahlreich sind im Dekan auch die Anhänger der Dschainsekte der Digambarā. Das Volk huldigt aber auch hier dem Fetischismus, und zwar steht im Dekan die Verehrung böser Geister, der Bhūta (s. d., Bd. 2), im Vordergrunde. Von den unkultivierten Stämmen haben eine eigenartige Religion besonders die Tōda (s. d., Bd. 15), die Gond (s. d., Bd. 8) und die Khond (s. Kondh); von den beiden letzten steht es aber noch nicht fest, ob sie nicht vielmehr zu den Kolariern gehören.
Bei den Stämmen der Gond, die sich nicht mit den Hindu vermischt haben, waren früher Menschenopfer allgemein; jetzt sind Strohpuppen an die Stelle der Menschen getreten, doch sollen einzelne Stämme nicht nur Fremde noch opfern, die in ihre Hände fallen, sondern auch ihre bejahrten Freunde und Verwandten zerstückeln und verzehren. Die wilden Gond, um die es sich hier allein handelt, zerfallen in Sekten je nach der Zahl der Götter, die sie verehren. Manche verehren nur 2-3, andere bis zu 7, und danach sind auch ihre Verheiratungen untereinander geregelt.
Wie bei allen Stämmen, die man als norddravidische bezeichnet hat (s. Indische Ethnographie), ist auch bei den Gond hoch verehrt Dulhadeo, den sie mit Pharsipen, dem Kriegsgott, identifizieren. Die Legende erzählt von Dulhadeo, daß er ein Mensch war, der als Bräutigam auf dem Wege, seine Braut zur Hochzeit abzuholen, vom Blitze erschlagen und samt seinem Pferde [* 15] in Stein verwandelt wurde. In den einheimischen Staaten von Rewa und Sargudscha verehren ihn sogar Brahmanen; sein Symbol ist dort eine in einen Baum eingeschlagene Streitaxt. In Mirsapur ist er vorwiegend Gott der Ehe, und in der Zeit, wo die Ehen geschlossen werden, werden ihm im Hause Opfer dargebracht, was nicht der Priester thut, sondern der älteste Sohn.
Unter zahlreichen andern Göttern sind besonders merkwürdig Kodapen, der Pferdegott, und Ghagarapen, der Glockengott. Kodapen wird bei Beginn der Regenzeit in Gestalt eines Steins außerhalb des Dorfes verehrt. Man weiht ihm das Thonbild eines Pferdes und eine Färse, und bittet ihn, die Rinder [* 16] zu beschützen und die Menschen in Sicherheit leben zu lassen. Die Färse wird dann geschlachtet und das Fleisch gegessen. Das Kuhopfer ist bei den Gond ein wesentlicher Bestandteil des Gottesdienstes.
Eine Kuh wird auch bei Begräbnissen geschlachtet und ihr Schwanz als Zeichen dafür aufgehängt, daß alle Ceremonien richtig beobachtet worden sind. Die Gond treten dadurch in schroffen Gegensatz zu den Hindu, denen die Kuh ein heiliges Tier ist, dessen Tötung für eins der schwersten Verbrechen gilt. Die Glocke gilt in ganz Indien als das wirksamste Mittel, um böse Geister zu verscheuchen. Die Gond haben sie zu einem Gotte erhoben, und ihre Priester tragen stets Glocken.
Als Gott verehren die Glocke auch die Tōda, und zwar die Glocke, die den Büffeln umgehangen wird. Vor ihr werden die in Milch bestehenden Opfergaben ausgegossen und die Gebete verrichtet. Weite Verehrung bei arischen und nichtarischen Stämmen genießt Baghēsar oder Baghēshvar, der Tigergott, was sein Name besagt. Bei den Hochzeiten der Gond treten zwei von Baghēsar Besessene auf, die einen meckernden jungen Bock [* 17] mit den Zähnen zerfleischen. In Tschatisgarh, im südöstl.
Teile der Centralprovinzen, ist der große Gott Buṛhapen oder Buṛhadeo, den auch die brahmanisierten Gond noch verehren. Andere Stämme der Gond verehren die Schlangen, [* 18] andere den Hund als heilig. Bei den Kondh waren früher der hervorstechendste Zug ihrer Religion die Menschenopfer, die sie der Erde darbrachten, von der sie glaubten, daß sie durch Menschenblut besonders fruchtbar werde. Die Opfer mußten gekauft werden; nur gekaufte galten als der Göttin genehm.
Meist waren es so Fremde, die man schlachtete, aber in schlechten Zeiten verkauften die Kondh auch ihre eigenen Kinder als Schlachtopfer. Die zum Tode Bestimmten wurden vorher lange gut gepflegt, und man hielt sie zur Fortpflanzung an, weil die Kinder wieder zu Opfern genommen wurden. Das Opferfest dauerte drei Tage, während deren Orgien aller Art gefeiert wurden. Das Opfer, das man sorgfältig vorbereitete, wurde in grausamster Weise hingeschlachtet; damit es nicht entfliehe, wurden ihm vorher Arme und Beine gebrochen, oder es wurde mit Opium betäubt.
Männer und Frauen jedes Alters wurden als Opfer genommen. Auch Totemismus findet sich bei ihnen; einige Stämme haben als Totem den Leopard, [* 19] andere den Pfau. Weit verbreitet ist Totemismus bei den Orāon. Man findet bei ihnen Stämme, die sich nach jungen Mäusen, Schildkröten, [* 20] Schweinen, Tigern, Krähen, Aalen, bestimmten Bäumen u. s. w. nennen und denen diese Tiere und Bäume für heilig gelten. Die Orāon verehren, wie auch viele kolarische Stämme, die Sonne [* 21] und die Erde, der sie im Frühling ein großes Fest feiern: «die Vermählung der Erde».
Die Gottheit des Salbaumes (Shorea robusta Roxb.), die über den Regen gebietet, wird mit einem Opfer aus Hühnern befriedigt. Blüten des Sals werden ins Dorf mitgenommen und in einem Korbe von Haus zu Haus getragen. Die Frauen waschen die Füße des Priesters und bringen ihm ihre Verehrung dar. Er tanzt mit ihnen und legt auf sie und das Haus einige Blumen. Sie übergießen ihn erst mit Wasser, was als Mittel für den Regen gilt, und bewirten ihn dann mit Bier. Die östl. Orāon haben viel aus der Religion der Kolh übernommen, an die sie grenzen. Alle Orāon glauben an unzählige böse Geister, deren Beschwichtigung Aufgabe des Priesters ist. Ihnen eigen ist der Gott Darha, der in Gestalt einer Pflugschar verehrt wird, die auf seinen Altar [* 22] gestellt wird.
Unter den Kolariern ist uns am besten bekannt der östl. Zweig, die Kolh. Von dem Stamme der Mūndāri oder Mūnda-Kolh hat der Missionar Jellinghaus eine eingehende Schilderung gegeben (Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 3, S. 326 fg.). Die Mūndāri verehren und fürchten eine Unzahl von Geistern, Bonga genannt, an deren Spitze Singbonga steht, den sie als Schöpfer von Erde und Sonne ansehen. In jedem Dorfe ist ein Opferpriester (Pāhan) angestellt und ein kleiner Wald als heilige Opferstätte abgesondert, der früher als unverletzlich galt, jetzt nicht mehr so ängstlich geschont wird. Das Amt des Pāhan ist ebenso wie das des Mūnda (Schulzen) in bestimmten Familien erblich; der Sohn folgt dem Vater im Amte. Legt er es aus irgend einem Grunde nieder, so wird ein neuer unter eigentümlichen Gebräuchen gesucht. Man legt etwas Reis in eine Getreideschwinge, und die magische Kraft [* 23] derselben zieht die Person, die sie trägt, zu dem ¶